TE Vwgh Erkenntnis 2000/2/16 99/01/0194

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Veröffentlicht am 16.02.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der B G in B, geboren am 19. April 1982, vertreten durch DDr. Manfred Nordmeyer und Dr. Widukind

W. Nordmeyer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Pollheimerstraße 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17. Dezember 1998, Zl. 204.860/0-III/07/98, betreffend

1. Asylgewährung und 2. Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin reiste am 24. Mai 1998 legal in Österreich ein, um als Saisonarbeitskraft bei einem Bauern zu arbeiten. Ihre Aufenthaltsberechtigung in Österreich endete am 5. Juli 1998. Am 6. Juli 1998 beantragte sie die Gewährung von Asyl. Sie sei jugoslawische Staatsangehörige, stamme aus dem Kosovo und gehöre der albanischen Volksgruppe an. Die derzeitige Situation im Kosovo erlaube es nicht, in ihre Heimat zurückzukehren. Auf Grund telefonischer Kontakte ihres Vaters mit Bekannten aus dem Kosovo wisse sie, dass ihr Dorf von der serbischen Polizei umstellt sei. Die Nachbardörfer Radoste und Gexhe seien bereits von den Serben eingenommen worden, als sie noch zu Hause gewesen wäre. Die in den Nachbardörfern lebenden Bewohner seien großteils geflüchtet bzw. von der serbischen Polizei festgenommen worden. Auch ihr Dorf sei schon vor ihrer Ausreise beschossen worden.

Mit Bescheid vom 10. August 1998 wies die Behörde erster Instanz den Asylantrag ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Die der Beschwerdeführerin widerfahrenen Ereignisse seien Ausdruck eines bürgerkriegsähnlichen Zustandes, es läge keine individuell gegen sie gerichtete asylrelevante Verfolgung seitens des Heimatstaates bzw. dessen Behörden vor. Da keine stichhältigen Gründe für die Annahme bestünden, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr liefe, in der Bundesrepublik Jugoslawien einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, sei festzustellen gewesen, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Heimat zulässig sei.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin u.a. vor, auf Grund der nun "seit längerem zu beobachtenden Vorgangsweise der serbischen Armee" müsse davon ausgegangen werden, dass "systematisch eine Gruppenverfolgung der Kosovo-Albaner aus Gründen der Nationalität" erfolge. Es fänden ethnische Säuberungen statt, die in Berichten internationaler Organisationen und Medien bestätigt würden.

Mit Schreiben vom 26. November 1998 hielt der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) der Beschwerdeführerin u.a. vor, seit dem Abkommen vom 13. Oktober 1998 habe sich die Polizei großteils aus den umkämpften Dörfern zurückgezogen. Die Bundesrepublik Jugoslawien habe im Kosovo 16 humanitäre Zentren eingerichtet, in welchen Serben und Albaner tätig seien. Bei einer Rückkehr in den Kosovo bestehe eventuell die Gefahr von Polizeiübergriffen für UCK-Mitglieder, deren Familienangehörige, sowie für Männer aus UCK-Gebieten, da ihnen oftmals vorgeworfen werde, die UCK zu unterstützen. Für Frauen sei diese Gefahr bei einer Rückkehr nicht gegeben, da der Vorwurf der UCK-Mitgliedschaft bei Frauen nicht erfolge. Es gebe weiters keine Anhaltspunkte für Vergewaltigungen von Albanerinnen durch serbische Polizisten. Der Berufungsbehauptung, wonach im Kosovo eine Gruppenverfolgung ethnischer Albaner stattfände, könne jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gefolgt werden, da in den meisten ländlichen Gebieten die UCK die Kontrolle habe. Die für eine Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte liege nicht vor. Die Beschwerdeführerin gab zu diesem Vorhalt keine Stellungnahme ab.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde mit Spruchpunkt 1. die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab und stellte im Spruchpunkt 2. gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde ist im Hinblick auf die Entwicklung im Kosovo seit dem 13. Oktober 1998 ("Holbrooke/Milosevic-Abkommen") auf die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Gruppenverfolgung der Albaner im Kosovo nicht mehr näher eingegangen. Die Gründe, weshalb die Beschwerdeführerin ihr Heimatland verlassen habe, seien mittlerweile weggefallen.

Die belangte Behörde lässt dabei außer Betracht, dass dem erwähnten Abkommen vom 13. Oktober 1998 monatelange Kampfhandlungen zwischen serbischen Sicherheitskräften und der UCK, die mit Übergriffen auf die albanisch-stämmige Zivilbevölkerung verbunden waren, vorangegangen sind. Vor dem Hintergrund der lange Zeit andauernden Repressionen hätte es jedoch eines längeren Beobachtungszeitraumes bedurft, um eine Prognose dergestalt vorzunehmen, wie sie von der belangten Behörde angestellt wurde. In diesem Punkt gleicht der angefochtene Bescheid im Ergebnis jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 8. September 1999, Zl. 99/01/0126, zugrunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird daher auf den diesbezüglichen Begründungsteil des genannten Erkenntnisses verwiesen.

Hinsichtlich der Entscheidung über Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides verweist der Verwaltungsgerichtshof auf seine Ausführungen im Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/01/0566.

Der angefochtene Bescheid war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Februar 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999010194.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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