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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/01/0150 99/01/0151Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerden 1. der G G, geboren am 27. März 1966,
2. der A G, geboren am 10. September 1994, und 3. der L G, geboren am 23. März 1993, alle in E, die zweit- und drittbeschwerdeführende Partei vertreten durch die erstbeschwerdeführende Partei, alle vertreten durch Dr. Harald Humer, Rechtsanwalt in 4070 Eferding, Stadtplatz 26, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates je vom 5. November 1998, Zl. 205.575/0-XI/35/98 (ad. 1.), Zl. 205.574/0-XI/35/98 (ad. 2.), und Zl. 205.573/0-XI/35/98 (ad. 3.), betreffend Asylgewährung und Feststellung gemäß § 8 AsylG (ad. 1.), sowie Erstreckung von Asyl (ad. 2. und 3.), (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Erstbeschwerdeführerin und ihre beiden minderjährigen Kinder (die zweit- und drittbeschwerdeführende Partei) sind am 2. Juli 1998 in das Bundesgebiet eingereist. Am 3. Juli 1998 beantragte die Erstbeschwerdeführerin die Gewährung von Asyl und stellte gleichzeitig für ihre Kinder den Antrag auf Asylerstreckung. Die Beschwerdeführer sind jugoslawische Staatsangehörige, stammen aus dem Kosovo und gehören der albanischen Volksgruppe an.
Am 16. September 1998 zu ihren Fluchtgründen befragt, gab die Erstbeschwerdeführerin an: Sie habe ihren Heimatstaat wegen des Krieges im Kosovo verlassen. Als die Serben Orahovac, ihre Heimatstadt, beschossen hätten, sei sie mit ihren Kindern bereits auf der Flucht gewesen. Im Falle ihrer Rückkehr befürchte sie auf Grund der Unruhen in ihrem Heimatstaat getötet zu werden.
Mit Bescheid vom 25. September 1998 wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 7 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, ab (Spruchpunkt I) und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Erstbeschwerdeführerin in die Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 8 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II). Ebenfalls mit Bescheiden vom 25. September 1998 wurden die Asylerstreckungsanträge der zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien gemäß § 10 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 AsylG abgewiesen.
Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer Berufung. Hierauf wurde ihnen vom unabhängigen Bundesasylsenat (der belangten Behörde) mit Schreiben vom 20. Oktober 1998 mitgeteilt, dass er u. a. von folgenden Tatsachen auszugehen beabsichtige:
Es sei amtsbekannt, dass es im Kosovo in den vergangenen Jahren zu vermehrten (auch gewaltsamen) Übergriffen auf Angehörige der albanisch-stämmigen Bevölkerung durch serbische Behörden gekommen sei. Es lägen vielfach Berichte über Verhöre, Hausdurchsuchungen und Festnahmen vor. Ferner sei die albanisch-stämmige Bevölkerungsgruppe in sozialer Hinsicht vielfach benachteiligt, seit 1990 hätten über 14.000 Kosovo-Albaner ihren Arbeitsplatz verloren; auch das parallele albanische Erziehungswesen sei schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Aus den vorliegenden Unterlagen ergebe sich ferner, dass sich Übergriffe auf albanisch-stämmige Staatsangehörige im Wesentlichen auf den Kosovo beschränkten. So seien insbesondere aus Zentralserbien (hier wiederum primär aus Belgrad) keine Diskriminierungen oder Menschenrechtsverletzungen gegenüber Angehörigen von Minderheiten bekannt. Auch in Montenegro, wo ca. 7 % der Bevölkerung der albanischen Minderheit angehörten, hätten bislang keine Übergriffe auf Albaner stattgefunden. Vielmehr hielten sich dort derzeit zwischen 41.800 und 46.425 vielfach albanisch-stämmige Kosovo-Flüchtlinge unbehelligt auf. Dank der großzügigen Hilfsbereitschaft der örtlichen Bevölkerung in Grenzorten hätten die meisten Flüchtlinge privat bei Verwandten oder Freunden untergebracht werden können. Im Hinblick auf das Memorandum der Regierung der Republik Montenegro vom 11. September 1998 erscheine jedoch eine Überschreitung der Binnengrenze zwischen dem Kosovo und der Republik Montenegro derzeit schwierig bzw. nicht möglich. Anhaltspunkte dafür, dass Montenegro von außerhalb des Staatsgebietes nicht "zugänglich" wäre, lägen hingegen nicht vor. In der Bundesrepublik Jugoslawien hielten sich außerhalb des Kosovo und Mazedonien rund 20.000 Kosovo-Flüchtlinge auf. Vermehrte Übergriffe abgelehnter Asylantragsteller seien lediglich im Falle der Rückkehr in den Kosovo zu verzeichnen, wobei hiefür hauptsächlich der Verdacht ausschlaggebend sei, dass derartige Personen im Ausland für die UCK oder ähnliche Organisationen tätig gewesen wären. Geringfügigere Übergriffe seien - abgesehen davon - nur vom Flughafen Belgrad bzw. ein einziger durch montenegrinische Behörden verzeichnet. Sofern sie der Ansicht seien, dass diese Ausführungen den tatsächlichen Verhältnissen in der Bundesrepublik Jugoslawien nicht entsprechen, mögen die Gründe hierfür dargelegt und durch geeignete Unterlagen belegt werden.
Mit Bescheid vom 5. November 1998 wies die belangte Behörde die Berufung der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 Fremdengesetz, BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG) fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Erstbeschwerdeführerin in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei. Die Asylerstreckungsanträge der zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien wurden mit Bescheiden jeweils vom 5. November 1998 gemäß § 10 in Verbindung mit § 11 AsylG abgewiesen.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden mit dem Begehren, sie wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat der Erstbeschwerdeführerin die Gewährung von Asyl aus drei kumulativ herangezogenen Gründen versagt:
1.
Die von der Erstbeschwerdeführerin behauptete Verfolgungssituation sei nicht asylrelevant;
2.
die jüngste Entwicklung im Kosovo lasse weitere massive Verfolgungen ethnischer Albaner nicht glaubwürdig erscheinen;
3.
der Erstbeschwerdeführerin stehe eine "inländische Fluchtalternative" offen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, Zl. 98/01/0622, in einem weitgehend vergleichbaren Beschwerdefall (die damals angefochtenen Bescheide ergingen am 4. November 1998) ausführlich dargelegt, warum alle drei Gründe die Abweisung des Asylbegehrens nicht zu tragen vermögen. Für die aus dem Bezirk Orahovac stammenden Beschwerdeführer gelten die dortigen Überlegungen in gleicher Weise, sodass gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung jenes Erkenntnisses verwiesen wird.
Hinsichtlich der Entscheidung gemäß § 8 AsylG verweist der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Begründung im Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/01/0566.
Für die zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien folgt daraus: Durch die Aufhebung des den Asylantrag ihrer Mutter abweisenden Bescheides mit dem vorliegenden Erkenntnis ist das Verfahren über diesen Antrag ex tunc wieder offen. Die Bescheide, mit denen die Erstreckungsanträge der zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien abgewiesen wurden, sind daher vor rechtskräftiger Entscheidung über den Hauptantrag ergangen, weshalb sie inhaltlich rechtswidrig sind (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 8. März 1999, Zlen. 98/01/0343, 99/01/0052, mit weiteren Nachweisen).
Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben; von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. Februar 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999010149.X00Im RIS seit
03.04.2001