Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Oberkontrollorin Ponath als Schriftführerin in der Strafsache gegen Benjamin H***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z l und Abs 2, 148 zweiter Fall, 15, 12 zweiter und dritter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Boban D***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14. Dezember 2017, GZ 71 Hv 37/17f-257, und über die Beschwerde des zuletztgenannten Angeklagten gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch A./IV./6./ des Angeklagten Boban D*****, in der ihn betreffenden Subsumtion nach § 147 Abs 3 StGB sowie der zu A./I./, A./IV./ und E./ gebildeten Subsumtionseinheit, im ihn betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und Ausspruch über den Verfall ebenso wie der ihn betreffende Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf die aufhebende Entscheidung verwiesen.
Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten D***** wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche obliegt dem Oberlandesgericht Wien.
Dem Angeklagten D***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Schuldsprüche zweier Mitangeklagter enthält, wurde Boban D***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall, 15, 12 zweiter (zu ergänzen: und dritter) Fall StGB (A./I./, A./IV./ und E./) und des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 2 zweiter Fall und Abs 3 StGB (F./) schuldig erkannt.
Danach hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz – in Wien und andernorts
A./ mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich ein zahlungswilliger und zahlungsfähiger Darlehensnehmer zu sein, teilweise unter Verwendung falscher Urkunden nachgenannte Personen zu nachangeführten Handlungen verleitet und zu verleiten versucht, die diese (zu ergänzen: oder einen anderen) in einem insgesamt 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten oder schädigen sollten, wobei er in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von schwerem Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar
IV./
1./ am 22. März 2016 „im bewussten und gewollten Zusammenwirken“ mit Anton V*****, „als Mittäter (§ 12 StGB)“ Verfügungsberechtigte der P***** AG zur Zahlung eines Darlehens in Höhe von 30.840 Euro zur Finanzierung eines Fahrzeugs der Marke Audi A5, wodurch diese Gesellschaft in einem Betrag von 29.354,46 Euro am Vermögen geschädigt wurde;
2./ am 24. März 2016 „im bewussten und gewollten Zusammenwirken“ mit Hristo K***** „als Mittäter (§ 12 StGB)“ Verfügungsberechtigte der P***** AG zur Zahlung eines Darlehens in Höhe von 19.724,77 Euro zur Finanzierung eines Fahrzeugs der Marke Audi A6 Avant, wodurch diese Gesellschaft im genannten Betrag am Vermögen geschädigt werden sollte, wobei es beim Versuch blieb;
(...)
5./ am 4. Februar 2016 „im bewussten und gewollten Zusammenwirken“ mit Anton V***** „als Mittäter (§ 12 StGB)“ Verfügungsberechtigte der B***** GmbH zur Zahlung eines Darlehens in Höhe von 32.000 Euro zur Finanzierung eines Fahrzeugs der Marke Audi Q7, wodurch diese Gesellschaft in einem jedenfalls 30.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurde;
6./ am 14. Dezember 2015 „im bewussten und gewollten Zusammenwirken“ mit Anton V***** „als Mittäter (§ 12 StGB)“ Verfügungsberechtigte der B***** GmbH zur Zahlung eines Darlehens in Höhe von 62.300 Euro zur Finanzierung eines Fahrzeugs der Marke Audi A8, wodurch diese Gesellschaft mit einem Betrag in Höhe von 54.462,90 Euro am Vermögen geschädigt wurde;
(...)
E./ nachgenannte Personen zu nachangeführten Handlungen gewerbsmäßig bestimmt, und zwar
(…)
II./ Dejan J*****, der mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nachgenannte Personen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Behauptung, ein zahlungswilliger und zahlungsfähiger Darlehensnehmer zu sein, und unter Verwendung von falschen Urkunden zu nachstehenden Handlungen verleitet hat, wodurch nachgenannte Personen in einem insgesamt 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurden, und zwar
1./ am 23. Dezember 2015 Verfügungsberechtigte der O***** GmbH unter Vorlage von gefälschten Lohnunterlagen des Dragan Jo***** zur Zahlung eines Darlehens in der Höhe von 18.490 Euro zur Finanzierung eines Fahrzeugs der Marke Opel, wodurch diese Gesellschaft im genannten Betrag am Vermögen geschädigt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobenen, auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 9 lit a („iVm Z 10“) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.
Zutreffend zeigt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) auf, dass die entscheidungswesentlichen Feststellungen zu A./IV./6./ (US 28) unbegründet geblieben sind. Das Urteil war daher im Umfang dieses Schuldspruchs, in der Subsumtion nach § 147 Abs 3 StGB, in der zu A./I./, A./IV./ sowie E./ gebildeten Subsumtionseinheit, im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und im Verfallsausspruch (der keine Differenzierung nach einzelnen Taten in den Entscheidungsgründen enthält; s US 16, 68) schon bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben und es war diesbezüglich ein neuer Rechtsgang anzuordnen (§ 285e StPO).
Im Übrigen schlägt die Nichtigkeitsbeschwerde fehl.
Die Verfahrensrüge (Z 3) behauptet, der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO zu E./II./1./ beziehe sich nur auf die „Finanzierung eines Fahrzeugs der Marke Opel“, weshalb mangels Typenbezeichnung die Tat nicht klar zu anderen abgrenzbar sei. Damit orientiert sie sich nicht an den Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes, weil der Verwendungszweck eines betrügerisch herausgelockten Kredits weder für die Individualisierung der Tat noch für deren rechtliche Unterstellung maßgeblich ist (RIS-Justiz RS0120226 [T2]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 285 bis 288).
Der Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zu A./IV./5./ mangels Berücksichtigung der (angeblich eine andere Person als den Beschwerdeführer als Beitragstäter belegenden) „ON 88 AS 3“ (vgl RIS-Justiz RS0124172), scheitert schon daran, dass die genannte Ordnungsnummer nur aus einer Seite besteht und überhaupt keine Verfahrensergebnisse zu den dem Angeklagten vorgeworfenen Taten enthält.
Aktenwidrig iSd Z 5 fünfter Fall sind Entscheidungsgründe nur dann, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben (RIS-Justiz RS0099547). Indem die Beschwerde zu A./IV./5./ vermeint, die Feststellung über den späteren Verkauf des unter Verwendung des betrügerisch erlangten Kredits erworbenen PKWs finde in den Verfahrensergebnissen keine Deckung, spricht sie keine entscheidende Tatsache an und behauptet im Übrigen kein Fehlzitat.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) wendet ein, die Feststellungen zu A./IV./1./ und 2./, wonach D***** als „Vermittler und Dolmetscher“ aufgetreten sei (US 26 f und 28), würden den Schuldspruch wegen § 146 StGB (richtig: als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB) nicht tragen, weil offen bleibe, „worin das Erstgericht hier eine Tatbeteiligung erblickt“. Dabei vernachlässigt sie die weitergehenden Konstatierungen, denen zufolge der Angeklagte (erkennbar gemeint: eben durch seine Tätigkeit als Vermittler und Dolmetscher) im Einverständnis mit den abgesondert verfolgten unmittelbaren Tätern (US 25 f, 49) zu deren
– Kreditauszahlungen der geschädigten Unternehmen bewirkenden – Täuschungshandlungen beitrug und dies auch wollte (US 19 f; RIS-Justiz RS0099724).
Auf den die Annahme der Qualifikation nach § 147 Abs 3 StGB betreffenden Einwand (Z 10) war aufgrund der Aufhebung nicht einzugehen.
Soweit keine Urteilsaufhebung erfolgte, war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Mit ihren Berufungen wegen des Strafausspruchs waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft ebenso wie ersterer mit seiner Beschwerde auf die Aufhebung zu verweisen.
Bleibt anzumerken, dass die Probezeit (auch) bei bedingter Nachsicht eines Teils der Strafe mit Rechtskraft der Entscheidung beginnt, mit der die bedingte Nachsicht ausgesprochen worden ist (§ 49 StGB).
Die Entscheidung über die Berufung wegen der privatrechtlichen Ansprüche obliegt dem Oberlandesgericht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E121843European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00059.18T.0627.000Im RIS seit
29.06.2018Zuletzt aktualisiert am
17.01.2019