TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/14 W202 1414696-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.06.2018
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Entscheidungsdatum

14.06.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG-DV 2005 §4
AsylG-DV 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W202 1414696-3/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHLAFFER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Nepal, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.03.2017, Zl. IFA 522632107 + Verfahren 150352961, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 4, 8 AsylG-DV idgF, §§ 58 Abs. 11 Z 2, 55, 10 Abs. 3 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Vorverfahren

Der Beschwerdeführer, ein nepalesischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am 04.06.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.03.2010, Zl. 10 04.854-BAG, wurde der Asylantrag gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und festgestellt, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nepal nicht zukomme (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nepal ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 10.05.2011, Zahl C9 414.696-1/2010/2E, wurde die Beschwerde gem. §§ 3, 8, 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Am 17.07.2014 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.09.2014, Zl. 522632107-14802182 EAST Ost, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.10.2014, Zl. 1414696-2/3E gem. § 68 AVG abgewiesen.

Gegenständliches Verfahren

Am 08.04.2015 stellte der BF beim BFA gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK.

Der Beschwerdeführer legte seinem Antrag die Kopie einer E-Card, ein Zeugnis über die Ergänzungsprüfung in Deutsch hinsichtlich eines Vorstudienlehrganges der Wiener Universitäten, ein Empfehlungsschreiben eines österreichischen Staatsbürgers, in dem ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer sein bester Freund sei, er den Beschwerdeführer auch finanziell unterstütze, eine Bestätigung des österreichischen Roten Kreuzes hinsichtlich der aktiven freiwilligen Mitarbeit des Beschwerdeführers im Wiener Roten Kreuz, ein Schreiben betreffend Zustellhonorar, eine Vereinbarung hinsichtlich einer Wohnung sowie dessen gerichtliche Aufkündigung. In weiterer Folge legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung über die Ergänzungsausbildung betreffend einen Pflegehilfelehrgang sowie eine Bestätigung, dass der Beschwerdeführer seit Jänner 2012 jede Woche am Samstag ehrenamtlich als Kundenbetreuer bei der Team-Österreich-Tafel des Wiener Roten Kreuzes Dienst versehe. Des Weiteren legte der Beschwerdeführer einen Auszug aus einem Reisepass in Kopie vor.

Am 03.02.2017 brachte der Beschwerdeführer beim BFA eine Säumnisbeschwerde ein.

Seitens des BFA erging mit Schreiben vom 08.03.2017 eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, in der der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, ein gültiges Reisedokument sowie eine Geburtsurkunde oder ein gleichzuhaltendes Dokument im Original und in Kopie vorzulegen. Auf die Heilungsmöglichkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 AsylG-DV wurde hingewiesen. Der Beschwerdeführer wurde darüber belehrt, dass sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen sei, wenn er seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlungen und Überprüfung erkennungsdienstliche Daten, nicht nachkomme.

Zusätzlich wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, eine schriftliche Antragsbegründung zu seinem gegenständlichen Antrag nachzureichen. Weiters wurden dem Beschwerdeführer eine Liste von Fragen gestellt, sowie wurde er aufgefordert, hinsichtlich seiner Lebensumstände Nachweise zu erbringen.

Am 27.03.2017 erfolgte eine Stellungnahme seitens des Beschwerdeführers in der ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer seit Juni 2010 in Österreich sei und sich immer wohl verhalten habe. Er habe eine medizinische Ausbildung am Laufen und sei in beträchtlichem Ausmaß ehrenamtlich tätig. Durch eine Tätigkeit als Zeitungszusteller habe er auch den Willen zur Selbsterhaltungsfähigkeit dokumentieren können. Er wohne in einer ortsüblichen Unterkunft und spreche Deutsch auf dem Niveau B2 plus, das er mit Sprachzertifikat nachweisen könne. Der Antragsteller habe durch die Kopie einer Geburtsurkunde und weiterer Dokumente seine Identität zumindest glaubhaft machen können. Da er über keinen regulären Aufenthaltstitel in Österreich verfüge, könne ihm die Vertretungsbehörde des Heimatlandes keinen Reisepass und keine Geburtsurkunde ausstellen. Es werde daher beantragt, die Heilung des Mangels vom Erfordernis des Reisepasses und der Geburtsurkunde zuzulassen. Der Beschwerdeführer sei nach drei Tagen in der Betreuungsstelle Traiskirchen und zehn Tage in der Betreuungsstelle Thalham in Klagenfurt untergebracht gewesen. Danach habe er in Wien an verschiedenen näher bezeichneten Adressen gewohnt. Seine Unterkunft teile er sich mit einem Freund. Der Vertrag laufe auf diesen. Es bestehe ein Übereinkommen, dass er bei ihm wohnen könne und sie sich die Mietkosten teilten. Eine diesbezügliche Zahlungsbestätigung lege er bei. Er habe keine Kredite laufen und auch keine Schulden. Unterhaltspflichten in Österreich habe er keine, er habe aber seine Ehefrau und zwei gemeinsame Kinder in Nepal. Er überweise ca. 200,- Euro im Monat. Sein Einkommen sei ca. 900,- Euro monatlich, entsprechende Unterlagen lege er bei. Versichert sei er bei der Gebietskrankenkasse, er besitze eine E-Card. Er habe fünf Jahre Grundschule und fünf Jahre Hauptschule, dann zwei Jahre die Universität und eineinhalb Jahre eine Pflegeausbildung in Nepal absolviert. In Österreich habe er zwei Jahre einen Sprachkurs an der Universität gemacht, dann habe er ein Pharmaziestudium begonnen und dies zwei Monate studiert. Leider sei es ihm nicht möglich gewesen weiter zu machen. Dann habe er einen Pflegehilfelehrgang beim BFI gemacht, diesen müsse er noch fertigmachen. Als Zeitungszusteller bekomme er ca. 900,-- Euro im Monat. Er strebe den weiteren Aufenthalt in Österreich an, hier seine Ausbildungen weiter zu führen und weiter die ehrenamtliche Tätigkeit beim Roten Kreuz zu verrichten. Er verwende dafür mindestens vier Stunden in der Woche auf. Er arbeite bereits seit September 2011 beim Roten Kreuz. Sein Privatleben bestehe in seiner Weiterbildung und seiner ehrenamtlichen Tätigkeit. Für andere Freizeitgestaltung bleibe kaum Zeit. Um in Österreich zu helfen und künftig im Bereich von Kranken und Betagten noch mehr helfen zu können, sei er in Österreich. Er ersuche, seinen Antrag positiv zu bescheiden.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid des BFA vom 29.03.2017, Zl. IFA 522632107+Verfahren 150352961, wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Der Zusatzantrag auf Heilung gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV vom 27.03.2017 wurde abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Absatz 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 3 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nepal zulässig sei (Spruchpunkt III.) und wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Das BFA tätigte Feststellungen zur Lage im Herkunftsland und zum Aufenthalt im Bundesgebiet, und führte zu Spruchpunkt I. aus, dass der Beschwerdeführer trotz nachweislicher Aufforderungen seiner Mitwirkungspflicht zur Klärung seiner Identität durch Vorlage der entsprechenden Dokumente nicht nachgekommen sei. Er habe sich weder nachweislich selbst um die Ausstellung eines Identitätsdokumentes bemüht, noch habe er versucht, über seine Familienangehörigen in Nepal oder einen rechtsfreundlichen Vertreter im In- oder Ausland ein solches zu erlangen.

Zu Spruchpunkt II. führte das BFA aus, dass der Beschwerdeführer über ausreichend Möglichkeiten verfügt habe, sich um die Ausstellung der erforderlichen Dokumente zu bemühen, die ihm auch zumutbar gewesen wären.

Zu Spruchpunkt III. führte das BFA eine Abwägung im Sinne des § 8 Abs. 2 EMRK durch, dabei hielt es fest, dass in seinem Fall der Großteil seines Aufenthalts mit Ausnahme seiner beiden Asylverfahren, die zügig bearbeitet worden seien, rechtswidrig gewesen sei. Es bestehe kein Familienleben in Österreich und finde sein Familienleben in Nepal statt, zumal sich seine Gattin und seine beiden minderjährigen Kinder in Nepal befänden und er ihnen auch monatlich 200,-- Euro überweise. Es habe auch kein verfahrensrelevantes, schützenswertes Privatleben im Bundesgebiet festgestellt werden können, da von ihm lediglich ca. vier Stunden wöchentliche ehrenamtliche Tätigkeit beim Roten Kreuz und seine Fortbildung zum Pflegehelfer, die jedoch abgebrochen worden sei, ins Treffen geführt worden seien. Eine außergewöhnliche hohe Integration habe nicht festgestellt werden können, zumal er nicht einmal das österreichische Recht respektiere und ohne die dafür notwendige arbeitsmarktrechtliche Bewilligung unerlaubt einer Beschäftigung nachgehe, zusätzlich noch Leistungen aus der Grundversorgung beziehe, damit er seiner Familie monatlich 200,-- Euro nach Nepal überweisen könne. Er lebe zudem ohne Wohnrecht in einer Wohnung eines angeblichen Freundes. Aufgrund der Tatsache, dass seine Familienangehörigen, und hier insbesondere seine Gattin und seine beiden minderjährigen Kinder, in Nepal aufhältig seien, seien zweifellos Bindungen zum Heimatland vorhanden und habe er dies auch bestätigt durch die Angabe, dass er monatlich 200,-- Euro an seine Familie überweise. Er sei strafrechtlich unbescholten. Er habe laufend durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt der Weigerung auszureisen bzw. der Verhinderung der Abschiebung, sowie seiner unerlaubten Beschäftigungsausübung die österreichische Rechtslage missachtet und somit massiv die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Das Privatleben, das er sich in Österreich aufgebaut habe, sei zweifellos zu einem Zeitpunkt entstanden, als er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein habe müssen, da er auch während der Dauer seiner beiden ungerechtfertigten Asylverfahren zu keiner Zeit über ein Aufenthaltsrecht im österreichischen Bundesgebiet verfügt habe. Die bisherige Dauer seines Aufenthaltes in Österreich sei zum Großteil seinem beharrlichen Verbleiben im Bundesgebiet trotz bestehender Ausreiseverpflichtung zuzuschreiben, da seine beiden ungerechtfertigten Asylanträge relativ zügig bearbeitet worden seien. Er habe sich daher den Großteil der Zeit seines Aufenthaltes unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet befunden.

Hinsichtlich des Rechts auf Achtung des Familienlebens wurde seitens des BFA festgehalten, dass er in Österreich keinerlei Familienleben habe und seine Familienangehörigen in Nepal lebten. Hinsichtlich des Privatlebens führte das BFA eine Abwägung durch, das eindeutig zu Lasten seines Interesses am Verbleib in Österreich und auch im Sinne des Kindeswohles zugunsten seines Familienlebens in Nepal gehen müsse, sowie zugunsten der Republik Österreich auf Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.

Weder aus seinem Vorbringen noch aus der amtsbekannten allgemeinen Lage in seinem Herkunftsstaat ergäbe sich ein Hinweis darauf, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zukäme, in seinem Fall sei nicht davon auszugehen, dass ihm im Falle einer Abschiebung eine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung drohe, eine Empfehlung im Sinne des § 50 Abs. 3 FPG existiere für Nepal nicht. Es sei somit auszusprechen, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorlegen den § 46 Abs. 1 Z 1-4 FPG genannten Voraussetzungen seine Abschiebung nach Nepal zulässig sei.

Zu Spruchpunkt IV. führte das BFA aus, dass in seinem Fall keine Gründe im Sinne des § 55 FPG hätten festgestellt werden können, weswegen die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides betrage.

Seitens des BF wurde binnen offener Frist Beschwerde erhoben und im wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Der Beschwerdeführer habe stets richtige und gleichbleibende Angaben über seine Herkunft getätigt. Er habe bereits mehrfach vorgebracht, dass er schlicht über keine weiteren Identitätsdokumente verfüge, die er der Behörde vorlegen hätte können. Vom Beschwerdeführer ein darüberhinausgehendes Zusammenarbeiten mit der Botschaft des Landes, aus dem er geflüchtet sei, zu fordern, erscheine jedenfalls nicht als zumutbar. Verwiesen wurde auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes sowie auf eines des Bundesverwaltungsgerichtes. Aus den Unterlagen ergebe sich eine intensive soziale, sprachlich und berufliche Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer sei bereits seit über sechs Jahren im Bundesgebiet aufhältig, er wohne in einer ortsüblichen Unterkunft, spreche bereits gut Deutsch, auf dem Niveau B2 plus, welches er mittels Sprachzertifikat nachweisen könne. Er habe umfangreiche soziale Kontakte und sei unbescholten. Ebenso habe er eine Ausbildung im medizinischen Bereich laufen und sei im beträchtlichen Ausmaß ehrenamtlich tätig. Inwiefern die vorgebrachten Veränderungen seiner Integration nicht maßgeblich wären, wäre im Bescheid nicht nachvollziehbar begründet. Es sei nicht erklärlich, warum die bewiesenen Integrationsschritte des Beschwerdeführers weniger wertvoll wären als eine Integration bei laufenden Asylverfahren. Der Beschwerdeführer sei arbeitswillig und würde im Falle der Erteilung eines Aufenthaltstitels sofort eine adäquate Beschäftigung aufnehmen. Außerdem sei der Beschwerdeführer im Besitz einer Krankenversicherung. Aus diesem Grund sei auch nicht verständlich, warum dem Beschwerdeführer vorgeworfen werde, nicht legal beschäftigt zu sein, wenn das Bundesamt gleichzeitig zugebe, dass er aufgrund seines Aufenthaltsstatus vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sei. Die Interessenabwägung zum Nachteil des Beschwerdeführers sei in Anbetracht der belegten Schützenswürdigkeit des Privat- und Familienlebens im Sinne von Art. 8 EMRK des Beschwerdeführers in Österreich nicht nachvollziehbar.

Am 24.05.2018 fand beim Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, bei der sich im Wesentlichen Folgendes ereignete:

R: Sie sprechen schon gut Deutsch, woher können Sie Deutsch?

BF auf Deutsch: Ich habe einen Vorstudienlehrgang absolviert, in dessen Rahmen ich eine Deutschprüfung abgelegt habe.

R: Haben Sie auch ein Zertifikat, dass Sie zumindest auf Niveau A2 sind?

BF auf Deutsch: Ja, der RV hat dieses.

R: Abgesehen von diesem Vorstudienlehrgang haben Sie auch Deutschkurse besucht?

BF auf Deutsch: Nein.

R: Sie sind mittlerweile viele Jahre in Österreich, ohne dass Sie einen Aufenthaltstitel haben, wieso sind Sie nicht Ihrer Verpflichtung nachgekommen und in Ihre Heimat ausgereist?

BF: Ich bin seit 8 Jahren in Österreich und ich kann nicht zurückkehren, weil Gefahr herrscht, ich habe keine Reisedokumente.

R: Warum haben Sie sich keine Reisedokumente besorgt?

BF: Ich habe kein Visum und ich hatte keinen anderen Weg als illegal in Österreich zu leben. Ich wollte in Österreich Medizin studieren, aber ich durfte nicht studieren. Jetzt habe ich mich entschlossen, eine Pflegehilfeausbildung zu machen und ich will in Österreich den alten Menschen helfen und hier leben.

R: Haben Sie sich hinsichtlich eines Reisepasses je bei Ihrer Vertretungsbehörde bemüht, um einen Reisepass zu bekommen?

BF: Nein, habe ich nicht.

R: Haben Sie jemals eine Geburtsurkunde vorgelegt?

BF: Nein.

R: Warum nicht, Sie wurden dazu aufgefordert.

BF: Ich habe keine.

R: Ihre Angehörigen leben in Nepal, warum haben sie sich nicht über Ihre Angehörigen eine Geburtsurkunde besorgt.

BF: Nein, das habe ich nicht gemacht.

R: Wer von Ihren Angehörigen lebt in Nepal?

BF: Meine Frau, meine zwei Kinder.

R: Was ist mit den Eltern oder ev. Geschwistern?

BF: Mein Vater lebt noch, meine Stiefmutter ist verstorben, ich habe auch meine Geschwister, 1 Halbbruder und 1 Halbschwester.

R: Haben Sie auch Familienangehörige in Österreich?

BF: Nein.

R: Gehen Sie derzeit einer Arbeit nach?

BF auf Deutsch: Ja, ich bin gerade von der Arbeit gekommen. Ich arbeite seit 8 Jahren als Zeitungsausträger.

R: Um welches Arbeitsverhältnis handelt es sich, Sie haben ja kein Aufenthaltsrecht?

BF auf Deutsch: Das ist die einzige Arbeit, der ich nachkommen darf, wo die Asylwerber arbeiten dürfen.

R: Aber Sie sind kein Asylwerber mehr, schon lange nicht mehr.

BF auf Deutsch: Ich weiß, aber man muss arbeiten, um zu leben.

R: Was verdienen Sie ca. pro Monat?

BF auf Deutsch: Legt Lohnzettel vor, welche als Beilage./1 zum Akt genommen werden. Ich verdiene ca. 900 Euro, manchmal 1.000 Euro.

R: Wo wohnen Sie derzeit?

BF auf Deutsch: Im 9. Bezirk, XXXX . Diese Wohnung gehört mir.

R: Was bedeutet das, sind Sie Haupt- oder Untermieter oder sind Sie Eigentümer. Gibt es einen Vertrag, den Sie vorlegen können?

BF: Ich habe einen Vertrag, ich bin Hauptmieter dort. Die Wohnung läuft auf meinen Namen.

BF legt den Mietvertrag vor, der in Kopie als Beilage./2 zum Akt genommen wird.

R: Wie groß ist diese Wohnung?

BF: Ca. 39 Quadratmeter.

R: Wohnen Sie dort alleine?

BF: Mit einem Kollegen.

R: Ist das auch ein Nepalese?

BF: Ja.

R: Welchen Aufenthaltsstatus hat Ihr Kollege?

BF: Asylwerber.

R: Was machen Sie neben Ihrer Tätigkeit als Zeitungszusteller?

BF auf Deutsch: Ich helfe beim Roten Kreuz und bei der Wiener Tafel und ich helfe einem alten Mann beim Einkaufen. Sonst gehe ich mit den heute anwesenden Österreichern spazieren, schwimmen oder essen.

R: Wie heißen die heute Anwesenden?

BF auf Deutsch: XXXX , er hat mir bereits sehr geholfen, moralisch und finanziell. Ich kenne ihn seit 2014 vom Spital. Die zweite heißt XXXX , ich kenne sie seit fünf Jahren. Manchmal treffe ich sie am Wochenende und wir gehen spazieren und essen. Die andere heißt XXXX , ich kenne sie seit 8 Jahren. Wir unternehmen Spaziergänge, gehen essen. Die letzte heißt XXXX , ich kenne sie auch seit 8 Jahren. Mit ihr gehe ich laufen, schwimmen, zum Essen. Diese Personen haben mir sehr geholfen.

R: Machen Sie derzeit eine Ausbildung?

BF: Momentan mache ich gar nichts, ich warte auf die Erlaubnis, wenn ich diese bekommen, werde ich mit der Pflegehilfeausbildung weitermachen. Ich habe die Pflegeschule besucht, es stehen noch ein paar Prüfungen aus, weil die Fachwörter schwer waren, habe ich einiges abgebrochen. Es gab auch Missverständnisse, weil ich immer so schnell spreche und sie mich missverstanden haben.

R: Es gibt eine Urkunde im Akt, wo steht, dass Sie die Pflegeausbildung abgebrochen haben und ein Zeugnis mit vielen "nicht genügend".

BF: Momentan warte ich auf die Aufenthaltserlaubnis.

R: In welchem Umfang machen Sie Ihre ehrenamtliche Tätigkeit, da haben Sie auch eine Urkunde.

BF legt vor: 2 Urkunden, die in Kopie als Beilage./3 zum Akt genommen werden.

Ich mache das zweimal im Monat.

R: Sie haben auch gesagt, Sie helfen einem alten Mann beim Einkaufen. Ist das im Rahmen dieser Tätigkeit oder ist das eine eigene Tätigkeit?

BF: Das ist nicht im Rahmen dieser Arbeit, sondern das mache ich noch extra. Ich besuche ihn zweimal pro Woche, am Dienstag und am Freitag. Beim Roten Kreuz bin ich immer samstags, zweimal im Monat.

R: Wie heißt dieser alte Mann?

BF: Rudi, er wohnt in der XXXX , XXXX . Er ist 85 Jahre alt. Ich bin seit 2012 beim Roten Kreuz bei der Wr. Tafel. Ich bin der einzige und erste Nepalese, der dort freiwillige Arbeit macht. Ich möchte noch etwas über meinen Uni-Besuch sagen. Ich habe damals ein Studium der Pharmazie angefangen. Zwei Monate später haben sie mich nicht eingeschrieben, weil ich keinen Aufenthaltstitel hatte. Ich wollte auch Medizin studieren, konnte aber nicht, da ich keinen Aufenthaltstitel habe. Ich bin jetzt bereits etwas älter und dachte mir, dass ich diese Pflegehilfeausbildung mache und in Österreich den alten Menschen helfe.

R: Sie sind auch in der Grundversorgung angemeldet?

BF: Ja, die Caritas machte das.

R: Was beziehen Sie von der Grundversorgung?

BF: Nur die Krankenversicherung, ich habe nie einen Cent vom Staat bezogen. Ich verdiene mein Geld als Zeitungsausträger.

R: Außer über die Grundversorgung waren Sie nie krankenversichert?

BF: Nein.

Die Verhandlung wird um 09:37 Uhr unterbrochen und um 10:00 Uhr wieder fortgesetzt.

RV ist um 09:45 Uhr gekommen, die Verhandlung wird um 10:00 Uhr fortgesetzt.

Erörtert und zum Akt genommen wird das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nepal (Beilage./A).

RV: Es gab in besonderen Fällen bei Personen mit Aufenthaltsdauer von 7 bis 8 Jahren bereits Erteilungen von humanitären Aufenthaltsbewilligungen. Konkret beim BF ist zu erkennen, dass er sich auf einer breiten Basis bemüht hat, sinnvoll zum Wohl der österr. Gesellschaft beizutragen. Weiters hat er stets gleichlautende Identitätsangaben gemacht und war somit nicht darauf aus, durch unrichtige Angaben etwa einen unbefugten Aufenthalt zu verlängern. Die Erlangung von Dokumenten für Flüchtlinge und Antragsteller aus Nepal ist generell schwierig, da der Kontakt zur Vertretungsbehörde nicht gut funktioniert. Der BF war aber immer allen Behörden gegenüber sehr kooperativ und hat alle Anweisungen und Ladungsbescheide befolgt. Zur Vorlage weiterer Dokumente, insb. des Deutschzertifikats ersuche ich um eine Stellungnahmefrist von 14 Tagen.

R: Wollen Sie noch etwas vorbringen?

BF: Ich habe noch viel zu sagen. Ich bin seit 8 Jahren in Österreich, Plan A wäre ein Medizinstudium abzuschließen gewesen. Damals war es mir nicht möglich wegen der Aufenthaltserlaubnis. Als Plan B habe ich dann versucht Pharmazie zu studieren.

R: Bitte nicht noch einmal wiederholen, was bereits gesagt wurde.

BF: Ich bin schon lange in Österreich und habe auch die deutsche Sprache gelernt. B2+ habe ich gemacht und habe auch vom Staat keine Unterstützung beansprucht und habe auch nichts Illegales gemacht. Ich arbeite seit 2012 ehrenamtlich, wieso habe ich kein Recht eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, obwohl ich mich seit 8 Jahren bemühe? Es gibt so viele Menschen, die gar nicht Deutsch sprechen und nicht viel machen und den Staat ausnützen und viele Leute erhalten die Aufenthaltserlaubnis und ich nicht, das verstehe ich nicht. Ich habe vorhin gesagt, wenn ich eine Aufenthaltserlaubnis bekomme, werde ich meinen Beitrag leisten und den alten Leuten helfen.

RV. Hat keine Fragen mehr."

In der Folge legte der Beschwerdeführer zwei weitere Empfehlungsschreiben vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nepal. Er reiste Anfang Juni 2010 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, der letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 10.05.2011, Zl. 109414.696-1/2010/2E, als unbegründet abgewiesen wurde, gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet nach Nepal ausgewiesen. Am 17.07.2014 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz, der letztlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.10.2014, Zl. W202 1414696-2/3E, gemäß § 68 AVG als unbegründet abgewiesen wurde. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers außerhalb seiner Asylverfahren im Bundesgebiet ist unrechtmäßig.

In Nepal halten sich die Gattin und die zwei minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers auf, weiters sein Vater, ein Halbbruder und eine Halbschwester. Im Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer über keinerlei Familienangehörige. Er hat im Bundesgebiet mehrere langjährige österreichische Freunde, wobei ein Freund ihn auch finanziell unterstützt.

Der Beschwerdeführer ist seit acht Jahren als Zeitungsausträger im Rahmen eines Werkvertrages tätig, wobei er monatlich ca. 1.000,-- Euro ins Verdienen bringt. Der Beschwerdeführer bewohnt eine Wohnung im neunten Wiener Gemeindebezirk gemeinsam mit einem weiteren Nepalesen, der ebenfalls Asylwerber ist. Der Beschwerdeführer ist Hauptmieter dieser Wohnung. Er ist ehrenamtlich beim Roten Kreuz bei der Wiener Tafel. Seit dem Jahr 2012 tätig, weiters hilft er einem alten Mann zweimal pro Woche beim Einkaufen.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen eines Vorstudienlehrganges der Wiener Universitäten eine Ergänzungsprüfung aus Deutsch erfolgreich ab. Der Beschwerdeführer wollte ein Studium der Pharmazie bzw. auch ein Studium der Medizin betreiben, beides wurde ihm abgelehnt, da er über keinen Aufenthaltstitel verfügte. Weiters nahm er an einem Pflegehilfelehrgang des BFI teil, wobei er diesen nicht erfolgreich abschließen konnte. Die diesbezügliche Ergänzungsausbildung wurde per 11.11.2015 auf eigenen Wunsch vorzeitig abgebrochen.

Der Beschwerdeführer ist über die Grundversorgung krankenversichert.

Der Beschwerdeführer hat sich nie bei seiner Vertretungsbehörde um die Ausstellung eines Reisepasses bemüht. Er kontaktierte auch nicht seine Familienangehörigen in Nepal, um Urkunden zur Klärung seiner Identität, wie seine Geburtsurkunde, über diese zu erlangen.

Zu Nepal

1. Politische Lage

Nepal hat ca. 147.181 km² Fläche und ca. 29,5 Mio. Einwohner. Die Hauptlandessprache ist Nepalesisch (AA 2.2018). Regierungsform ist eine parlamentarische Mehrparteien-Demokratie, die nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg (1996-2006) entstand. Staatsoberhaupt ist seit 28.10.2015 die Präsidentin Bidya Devi Bhandari (AA 2.2018; vgl. AA 3.2018).

Nepal war 240 Jahre lang ein hinduistisches Königreich. Die ersten freien Parlamentswahlen im Mai 1991 gelten als Geburtsstunde der parlamentarischen Demokratie in Nepal. Die oftmals rasch wechselnden Koalitions- und Minderheitsregierungen konnten die Erwartungen der breiten Bevölkerung jedoch nicht erfüllen. Der Unmut führte schließlich im Februar 1996 zur Aufnahme des bewaffneten Kampfes der maoistischen Rebellenbewegung unter Führung der Unified Communist Party of Nepal (UCPN-M) gegen das bestehende politische System mit dem Ziel der Etablierung einer Volksrepublik. Der Konflikt zwischen Sicherheitskräften und Maoisten eskalierte nach 1999 landesweit und forderte im Verlauf von zehn Jahren rund 13.000 Todesopfer auf beiden Seiten. Mehr als 1.200 Menschen gelten noch immer als vermisst. Die nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg (1996 - 2006) Anfang April 2008 gewählte erste verfassungsgebende Versammlung erklärte in ihrer konstituierenden Sitzung Nepal zur Demokratischen Bundesrepublik. Die zweite verfassungsgebende Versammlung wurde in allgemeinen Wahlen am 19.11.2013 gewählt. Die endgültige Staatsform, das Regierungs- und Wahlsystem sowie die künftige föderale Gliederung (sieben Provinzen) regelt die neue Verfassung, die am 16.9.2015 durch die verfassungsgebende Versammlung verabschiedet und am 20.9.2015 verkündet wurde. Mit Verkündung der Verfassung hatte sich die verfassungsgebende Versammlung aufgelöst. Die Funktion übernahm in Folge das Parlament. Das Parlament und die sieben neu eingerichteten Provinzparlamente sind am 7.12.2017 gewählt worden (AA 3.2018).

In den im November und Dezember 2017 abgehaltenen Parlaments- und Provinzwahlen erhielten die Vereinte Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (CPN-UML) und ihr Bündnispartner, die Kommunistisch-Maoistische Zentrumspartei (CPN-MC), 121 bzw. 53 Sitze im Unterhaus, das über 275 Sitze verfügt. Bei der bislang stärksten Partei Nepali Congress (NC) verfehlten dagegen viele Politiker den Wiedereinzug ins Parlament. In der südlichen Provinz Nr. 2 erhielten zwei Parteien, die die Minderheit der Madhesi vertreten, eine parlamentarische Mehrheit. Das linke Bündnis der Kommunisten verstärkte seine Position noch, indem es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat erhielt. Die CPN-UML und die CPN-MC gewannen dort 27 bzw. 12 Sitze von insgesamt 59. Nach dem überwältigenden Wahlsieg des linken Bündnisses hat der Führer der CPN-UML Khadga Prasad Sharma Oli das Amt des Premierministers Nepals als Nachfolger von Sher Bahadur Deuba angetreten.

Die verfassungsmäßigen Vorschriften und neuen Mehrheitsverhältnisse machen es wahrscheinlich, dass Nepal, anders als in der Vergangenheit, von Premierministern regiert wird, die mehrere Jahre im Amt bleiben werden. Nach den erfolgreichen Wahlen sind jetzt auf der Gemeinde-, der Provinz- und der Bundesebene gewählte Volksvertreter dabei, die Exekutive zu kontrollieren (GIZ 3.2018b; vgl. DS 14.2.2018).

Auf nationaler Ebene wird Nepal ein Bestehen von demokratischen Institutionen attestiert. Doch sind diese instabil, etwas umstritten und wegen fortwährender politischer Kontroversen wenig effektiv (BTI 2018). Diese ersten nationalen, regionalen und lokalen Wahlen, welche unter einer neuen Verfassung mit einer hohen Wahlbeteiligung stattfanden, bedeuten trotz einiger Gewaltmeldungen einen Aufwärtstrend für Nepal (FH 2018).

2. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage bleibt vor allem in urbanen Zentren wie Kathmandu und Pokhara angespannt. Unruhen, Streiks und Anschläge sind zu keiner Zeit auszuschließen (BMEIA 28.3.2018). Nepal befindet sich in einer politischen Übergangsphase. Seit Inkrafttreten der Verfassung am 20.9.2015 haben sich die politischen Spannungen erhöht, da sie nicht von allen politischen Parteien und Gesellschaftsgruppen akzeptiert wird. Zwischen Herbst 2015 und Frühjahr 2016 führten zahlreiche Proteste und Generalstreiks auf nationaler, regionaler und Distrikt-Ebene zu mehrmonatigen Versorgungsengpässen; vor allem die Treibstoffversorgung war stark eingeschränkt. Erneute Ereignisse dieser Art sind jederzeit möglich. Im ganzen Land, einschließlich Kathmandu, werden sporadisch Anschläge mit kleineren Sprengsätzen verübt. Sie haben vereinzelte Todesopfer und Verletzte sowie Sachschaden verursacht (EDA 18.12.2017). Im jetzigen politischen Umfeld kommt es in Nepal nur noch gelegentlich zu kurzfristig ausgerufenen "Bandhs" (Zwangsstreiks jedweder Art, auch im Kathmandu-Tal, mit Blockaden/Straßensperren); manchmal werden diese auch gewaltsam durchgesetzt. Letzteres gilt auch für sog. Transportstreiks. Nach den bisherigen Erfahrungen können diese Protestaktionen das öffentliche Leben empfindlich stören. Besonders im Terai ist mit Protestaktionen und gewaltsamen, unter Umständen gefährlichen Auseinandersetzungen zu rechnen (AA 20.3.2018).

Kriminelle Organisationen und andere Gruppierungen erpressen in vielen Landesteilen nationale und internationale Organisationen, Geschäftsleute und Einzelpersonen und setzen Forderungen teilweise mit Gewalt durch. Auf Grund der politischen Instabilität und der Unzuverlässigkeit des Rechtssystems ist eine steigende Gewaltbereitschaft und Kriminalität im ganzen Land feststellbar (AA 20.3.2018).

Bedenken bestehen hinsichtlich Aktivitäten von indischen Grenzsicherheitskräften, welche außerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche agieren. Darüber hinaus sollen chinesische Grenztruppen an der nördlichen Grenze zur Autonomen Region Tibet gelegentlich auf nepalesischem Territorium operieren (BTI 2018).

3. Rechtsschutz/Justizwesen

Die Gerichtsbarkeit ist unabhängig und gemäß internationalen Maßstäben des Rechtsdenkens ausgerichtet. Das Justizwesen ist jedoch anfällig für politischen Druck, Bestechung und Drohungen. Das Gerichtswesen ist dreistufig: an der Spitze steht der Oberste Gerichtshof, darunter rangieren Berufungs- und Distriktgerichte. Der Oberste Gerichtshof ist für die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zuständig (GIZ 3.2018; vgl. USDOS 3.3.2017). Durch den Obersten Gerichtshof wurden mehrere politische Führer wegen Korruption anklagt und mutige Entscheidungen mit Bezug auf Übergangsjustiz, Staatsbürgerschaft und Quoten getroffen (BTI 2018).

Die Behörden setzen Gerichtsbeschlüsse, einschließlich Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, nicht konsequent um. Der Respekt für die Einhaltung rechtsstaatlicher Normen und das Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane sind erodiert. Die formelle Justiz ist in Nepal für Konfliktparteien oft kaum erreichbar, unzuverlässig und zu teuer. Die weit verbreitete Korruption der Polizeibehörden und der Staatsverwaltung trägt dazu bei, dass die Bevölkerung kein Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane setzt (GIZ 3.2018; vgl. USDOS 3.3.2017).

Unsichere Eigentumsrechte stellen für Einkommensschwache ein besonderes Problem dar, da es diesem Personenkreis oft an einer geeigneten Dokumentation mangelt, um einen Anspruch auf Grund und Boden bei der Verwaltung und bei örtlichen Gerichten durchzusetzen (BTI 2018).

Bei der Umsetzung und Mittelausstattung für die beiden Übergangsmechanismen der Justiz, der Wahrheitskommission (Truth and Reconciliation Commission - TRC) und der Untersuchungskommission für Verschwindenlassen / verschwundene Personen (Commission on the Investigation of Enforced Disappeared Persons - CIEDP), kommt es zu Verzögerungen. Während der Konfliktzeit begangene Verbrechen werden nur ungenügend strafverfolgt (USDOS 3.3.2017).

Die Regierung hat das vom Obersten Gerichtshof in den Jahren 2014 und 2015 angeordnete Gesetz zur Untersuchung von Fällen verschwundener Personen, Wahrheit und Versöhnung nicht abgeändert. Bis Ende des Jahres hatten die TRC und die CIEDP über 60.000 bzw. 3.000 Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen wie Mord, Folter und Verschwindenlassen durch staatliche Sicherheitskräfte und Maoisten während des Konflikts von 1996 bis 2006 gesammelt. Effektive Untersuchungen fanden nicht statt. Ein akuter Mangel an Ressourcen und Kapazitäten beeinträchtigt die Fähigkeit der beiden Organe, Aufklärung, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu erbringen (AI 22.2.2018; vgl. BTI 2018).

4. Sicherheitsbehörden

Die Aufgabe der Nepal Police (NP) ist die Durchsetzung von Recht und Ordnung, während die Armed Police Force (APF) für die Terrorismusbekämpfung, für die Gewährleistung der Sicherheit während Ausschreitungen und öffentlichen Unruhen, für die Unterstützung bei Naturkatastrophen und für den Schutz wichtiger Infrastruktur zuständig ist. NP und APF können Fahndungs- und Haftbefehle ohne gerichtliche oder staatsanwaltschaftliche Überprüfung erlassen. Beide Einheiten verfügen, genauso wie die Armee (Nepal Army - NA), über eine Menschenrechtskommission, aber nur die Kommissionen von NP und NA verfügen über unabhängige Ermittlungsbefugnisse. Alle Sicherheitskräfte erhalten eine Menschenrechtsschulung. Von der NP wurde festgestellt, dass die Missbrauchsvorwürfe bezüglich der Zeit des Bürgerkriegs durch die Truth and Reconciliation Commission (TRC) behandelt werden sollten. Die Menschenrechtskommission der Nepal Police berichtete zwischen Juli 2015 und Juli 2016 über drei Beschwerden, die sich alle auf Foltervorwürfe bezogen und zur Bestrafung von zehn Polizeibeamten führten. Sieben Offiziere erhielten offizielle Rügen und drei wurden nicht befördert. Zusätzlich rügte die nepalesische Polizei in drei Folterfälle aus dem abgelaufenen Jahr fünf Beamte und mahnte einen anderen Beamten ab. Die NGO Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA) und das Advocacy Forum (AF) berichten jedoch unabhängig voneinander, dass sie seit August 2016 mehrere Beschwerden wegen Polizeigewalt bei den Bezirksgerichten einreichten, die alle noch anhängig sind. AF informiert weiters, dass es keine Beschwerden mehr an die Menschenrechtskommission der NP richtet, da diese auf keine der über 100 Beschwerden, welche AF seit 2010 eingereicht hat, reagiert hat. Die Polizeikorruption, vor allem bei unterbezahlten niederen Polizeibeamten, und die mangelhafte Bestrafung polizeilichen Missbrauchs bleiben weiterhin Probleme (USDOS 3.3.2017).

Bemühungen, die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen zu gewährleisten, werden weiterhin dadurch stark untergraben, dass die Polizei die zur Einleitung von Ermittlungen erforderlichen Berichte (First Information Reports) nicht anfertigt, keine Untersuchungen einleitet und gerichtliche Anweisungen nicht befolgt. Dies gilt selbst in Fällen von mutmaßlichen außergerichtlichen Hinrichtungen, Menschenhandel, geschlechtsspezifischer Gewalt sowie von Folter und anderen Misshandlungen (AI 24.2.2016).

Angebliche unangemessene Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte bei den Protesten zwischen August 2015 und Februar 2016 - besonders in der Region Terai - werden kritisiert und als erhebliches Menschenrechtsproblem betrachtet (USDOS 3.3.2017).

5. Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl sich sowohl die Interimsverfassung von 2007 als auch die Verfassung von 2015 mit dem Thema Folter befassen, wird diese nicht explizit kriminalisiert und das Gesetz enthält keine klaren Leitlinien zur Bestrafung der Täter. Das Folter-Entschädigungs-Gesetz sieht eine Entschädigung für Folteropfer vor; das Opfer muss eine Beschwerde einbringen und den Fall vor Gericht verfolgen. Die NGO Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA) erklärt, dass Folteropfer wegen der Einschüchterungen durch Sicherheitskräfte und aus Angst vor Repressalien oft zögern, eine offizielle Beschwerde einzureichen. Weiters wurden laut THRDA zahlreiche Folterfälle vom Gericht aufgrund fehlender glaubwürdiger Beweise, insbesondere medizinischer Befunde, zurückgewiesen. In Fällen, in denen die Gerichte dem Opfer einen Schadenersatz zusprachen oder eine Disziplinarmaßnahme gegen die Polizei verordneten, wurden die Urteile nur selten umgesetzt. THRDA verzeichnet eine leichte Steigerung von Misshandlungen. In den ländlichen Teilen der Terai-Region ist gemäß NGO-Angaben keine Verbesserung bezüglich Polizeigewalt feststellbar. Berichten zufolge wird der Polizei im Distrikt Kailali willkürliche Verhaftung, Folter und andere Misshandlungen bzw. erzwungene Geständnisse im Zusammenhang mit der Tötung von Demonstranten und einem Kind in Tikapur im August 2015 vorgeworfen (USDOS 3.3.2017).

Während der Untersuchungshaft kommt es nach wie vor zu Fällen von Folter - etwa um Geständnisse zu erzwingen. Das neue Strafgesetz, welches durch das Parlament im August 2017 verabschiedet wurde, enthält Bestimmungen, welche Folter und andere Misshandlungen unter Strafe stellen und mit einer Höchststrafe von fünf Jahren ahnden. Ein eigenständiges Anti-Folter-Gesetz, welches im Parlament anhängig bleibt, entspricht bei weitem nicht den völkerrechtlichen Anforderungen (AI 22.2.2018).

Die Regierung verhindert gründliche Untersuchungen bzw. das Ergreifen schwerwiegender Disziplinarmaßnahmen gegen Polizisten, die wegen Brutalität und Folter angeklagt wurden. Der UN-Ausschuss gegen Folter stellte fest, dass die Folterung von Verdächtigen in Untersuchungshaft weit verbreitet ist. Amnesty International berichtet von Fällen von Folterung von Frauen und Kindern (FH 27.1.2017).

Gemäß dem Folterbericht von AF waren 17,2% der 1.212 befragten Insassen im Jahr 2015 und 16,2% im Jahr 2014, einer körperlichen Misshandlung ausgesetzt. Der gleiche Bericht weist auf einen leicht erhöhten Anstieg der Folterfälle unter Häftlingen indigener Gruppen hin. Laut der Menschenrechtskommission der Nepal Police (NP) wurde der Großteil der angeblichen Vorfälle nicht offiziell angezeigt oder formell untersucht. Bis August 2016 besuchte die Menschenrechtskommission der NP sieben Haftanstalten in vier Distrikten, und befragte die Häftlinge über die Behandlung in der Haft (USDOS 3.3.2017).

6. Korruption

Das Verwaltungssystem ist marode, voller Korruption und dringend reformbedürftig (BTI 2018). Korruption bleibt auf allen Ebenen der Verwaltung ein Problem (USDOS 3.3.2017).

Wie in den meisten südasiatischen Ländern deuten verschiedene Indikatoren auf eine schwache Leistungsfähigkeit des Staates hin. Während die Verwaltungsstruktur des Staates über die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung hinausgeht, ist die schwache Verwaltung nicht in der Lage, allen Bürgern einen gerechten Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen zu gewähren. Gerade im ländlichen Raum ist die Infrastruktur zu schwach, um eine solide administrative Basis für die politische, soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen (BTI 2018).

Obwohl das Gesetz Strafen für Behördenkorruption vorsieht, gibt es weiterhin Berichte darüber, dass korrupte Praktiken ungestraft ausgeübt werden. Es gibt zahlreiche Meldungen über korrupte Handlungen auf allen Regierungsebenen, in politischen Parteien und parteinahen Organisationen. Auch die Gerichtsbarkeit ist von Bestechungen betroffen. Korruption und Straflosigkeit stellen auch innerhalb der Polizei weiterhin ein Problem dar, vor allem in den unteren Rängen (USDOS 3.3.2017).

Nepal liegt im 2017 Corruption Perceptions Index von Transparency

International mit einer Bewertung von 31 (von 100) (0=highly

corrupt, 100=very clean) auf Platz 122 (von 176) (je höher, desto

schlechter) (TI 2018). 2016 lag das Land mit Bewertung 29 auf Platz 131 (von 180) (TI 2016).

7. Allgemeine Menschenrechtslage

Nach dem verheerenden Erdbeben am 25.4.2015 wurde innerhalb weniger Monate eine neue Verfassung verabschiedet, welche im September 2015 in Kraft trat. Sie wies zahlreiche Defizite in Bezug auf den Schutz der Menschenrechte auf und sah eine föderalistische Staatsstruktur vor, die von den ethnischen Gruppen in der Terai-Region abgelehnt wurde. Der Verfassungsänderung folgten gewalttätige Zusammenstöße zwischen Protestierenden und Polizei - besonders in den Gebieten der Terai, und führte von August 2015 bis Februar 2016 zu zahlreichen Toten (AI 22.2.2017; vgl. AI 24.2.2017, AI 22.2.2018, BTI 2018). Im August 2016 genehmigte jedoch die Regierung die Gründung einer unabhängigen Juristischen Kommission, um Menschenrechtsverletzungen während der Unruhen bezüglich der Verfassungsänderung zu untersuchen. Aber seit September wurde die Arbeit noch nicht aufgenommen (USDOS 3.3.2017).

Durch eine ungleiche Verteilung der Katastrophenhilfe nach dem Erdbeben wurden benachteiligte Gruppen diskriminiert; in allen betroffenen Gebieten kam es zu Verzögerungen beim Wiederaufbau (AI 22.2.2017; vgl. AI 24.2.2017). Hunderttausende Überlebende des Erdbebens von 2015 (fast 70% der Betroffenen) leben noch immer in Notunterkünften. Die Regierung hat einen Nachweis des Grundbesitzes als Bedingung für den Erhalt einer Wiederaufbauförderung festgelegt. Da jedoch bis zu 25% der Bevölkerung dieses Kriterium nicht erfüllt haben, sind zehntausende der Überlebenden des Erdbebens nicht förderfähig. Die Situation betrifft vor allem marginalisierte und benachteiligte Gruppen, darunter Frauen, Dalits, wie auch andere ethnische Minderheiten und Kasten (AI 22.2.2018; vgl. BTI 2018).

Weitere Menschenrechtsprobleme sind die Schikanierung von Medien und die Einschränkung der Presse durch Selbstzensur. Die Regierung begrenzte die Versammlungsfreiheit vor allem in den Gebieten, wo die gewalttätigen Proteste gegen die Verfassungsänderung stattfanden. Die Freiheitsrechte von Flüchtlingen, insbesondere tibetischer Herkunft, wurden teilweise eingeschränkt. Die Staatsbürgerschaftsgesetze und -regelungen sind diskriminierend und tragen zur Entstehung von Staatenlosigkeit bei. Früh- und Zwangsehen sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt gegen Frauen, einschließlich Mitgiftmorde, sind nach wie vor ernste Probleme. Es wird weiterhin über Gewalt gegen Kinder, auch in Waisenhäusern, berichtet; die Vorfälle werden jedoch selten gerichtlich verfolgt. Menschenhandel von Kindern und Erwachsenen zu Zwecken sexueller Ausbeutung kommt häufig vor. Personen mit Behinderung und einige ethnische Minderheiten leiden unter Diskriminierung (USDOS 3.3.2017). Jegliche Diskriminierung auf der Basis der Kastenzugehörigkeit ist von der nepalesischen Verfassung verboten. Trotzdem werden Angehörige "unberührbarer Kasten" (Dalits) vielfach ausgegrenzt (GIZ 3.2018). Die Schikanierung aufgrund von Geschlecht oder Zugehörigkeit zu sexuellen Minderheiten ist nach wie vor verbreitet. Die Arbeitnehmerrechte werden teilweise eingeschränkt. Bei der Bekämpfung von Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft gibt es nur geringe Fortschritte. Trotz Verbots sich diese weiterhin gebräuchlich. Bei der Bekämpfung von Kinderarbeit gibt es moderate Fortschritte (USDOS 3.3.2017).

Menschenrechtsorganisationen in Nepal fordern von der Regierung das Schicksal der im Bürgerkrieg verschwundenen, verschleppten und ermordeten Menschen aufzuklären (GIZ 3.2018). Diesbezüglich wurden bereits die ersten Initiativen ergriffen. Die Untersuchungskommission zum erzwungenen Verschwinden von Personen (Commission of Investigation on Enforced Disappeared Persons - CIEDP), hat eine Gesetzesvorlage erarbeitet, die darauf zielt, Verschwindenlassen unter Strafe zu stellen. Daneben möchte die CIEDP auch solche Fälle untersuchen, in denen die Opfer des Verschwindenlassens auch gefoltert wurden oder anderen Verbrechen ausgesetzt waren. Die o.g. Forderungen wurden jedoch bis jetzt von der Regierung ignoriert. Die Regierung hatte die Kommission gebildet, ohne ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden, das das Verschwindenlassen von Personen kriminalisiert, womit sie Vorgaben des Obersten Gerichts ignorierte, den Transitional Justice Act entsprechend zu überarbeiten. Sie sah sich deshalb dem Vorwurf von Zivilgesellschaft, Menschenrechtsorganisationen und internationaler Gemeinschaft ausgesetzt, eine zahnlose Übergangsjustiz etablieren zu wollen, bei der die schweren Verbrechen aus der Konfliktzeit nicht mehr strafrechtlich aufgearbeitet würden. Laut CIEDP dienen die Maßnahmen der Regierung nur dazu, die Erlassung der erforderlichen Gesetze und die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen verzögern zu können (SAB 1.2016; vgl. THT 26.3.2017).

Bis Juni 2017 erhielt der CIEDP 3.093 Beschwerden über Verschwindenlassen. Eine weitere Aufsichtsbehörde, die Wahrheits- und Versöhnungskommission (Truth and Reconciliation Commission - TRC) nahm trotz fehlender Ressourcen bereits ihre Arbeit auf; sie ist in sieben Provinzen anwesend und bis Juni 2017 erhielt sie 58.000 Beschwerden bezüglich Menschenrechtsverletzungen vor allem aus der Zeit des Bürgerkriegs. Der Vorsitzende der TRC berichtet, dass Gerechtigkeit für die Opfer von außergerichtlicher Tötung, Verschwindenlassen, Vergewaltigung und Folter aufgrund der mangelhaften Gesetzeslage nicht gewährleistet werden kann (THT 8.7.2017).

8. Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht Bewegungs- und Reisefreiheit, aber auch das Recht auf Emigration und Rückkehr vor. Eine Ausnahme bilden Flüchtlinge; diese müssen bezüglich ihrer Bewegungsfreiheit oft gesetzlich geregelte Einschränkungen hinnehmen. Die Einschränkungen der Flüchtlingsbewegungen werden aber nicht einheitlich durchgesetzt. Die Regierung stellt seit 20 Jahren keine Ausweisdokumente für tibetische Flüchtlinge mehr aus. Es gibt Berichte über Vertriebene aus Tibet, die aufgrund fehlender Personaldokumente an Kontrollpunkten von der Polizei schikaniert oder zurückgeschickt werden. Um Frauen vor Menschenhandel oder Misshandlung zu schützen, führte die Regierung für Frauen ein Mindestalter von 24 Jahren für Auslandsreisen zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung ein. Diese Regelung wird jedoch von NGOs und Menschenrechtsaktivisten als diskriminierend und kontraproduktiv empfunden, da so Frauen auf informellem Weg über die indische Grenze migrieren (USDOS 3.3.2017). Rekrutierungsunternehmen nutzen weiterhin ihren politischen Einfluss, um Ermittlungen, Strafverfolgung und Wiedergutmachungen für Missbrauch und Ausbeutung von Migranten zu verhindern (AI 22.2.2018).

Während Streiks sind Reisen auf dem Landweg nicht oder nur unter schwierigen Bedingungen möglich (AA 20.3.2018).

9. Grundversorgung und Wirtschaft

Der zehnjährige Bürgerkrieg hat die wirtschaftliche Entwicklung Nepals deutlich beeinträchtigt. Mit dem 2006 eingeleiteten Friedensprozess haben sich die politischen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft bislang nur wenig verbessert. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum bewegte sich in den letzten Jahren real zwischen 2% und 4%. Die schweren Erdbeben vom April / Mai 2015 und die innenpolitische Krise nach Verkündung der neuen Verfassung (20.9.2015) haben zu einem weiteren Einbruch der Wirtschaft geführt, von dem sich das Land nur langfristig erholen wird. Mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von 733,7 US-Dollar (GTAI, prognostiziert für 2016) ist Nepal das zweitärmste Land Südasiens und zählt weiterhin zu den 20 ärmsten Ländern der Welt. Ein Viertel der Bevölkerung lebt unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Die nepalesische Wirtschaft ist faktisch weitgehend privatwirtschaftlich verfasst, aber auch geprägt durch starre sozialstaatliche Elemente sowie durch privilegierte Staatsunternehmen. Ausgeprägte Bürokratie sowie eine unzureichende Infrastruktur beeinträchtigen das Investitionsklima und damit die wirtschaftliche Entwicklung. Nepal ist noch immer ein weitgehend von der Subsistenzwirtschaft geprägter Agrarstaat. Die Landwirtschaft beschäftigt mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen und trägt mehr als ein Drittel zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Der Anteil des verarbeitenden Sektors am BIP hingegen ist aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen für Industriebetriebe in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Der Tourismus im Kathmandu-Tal, im tropischen Regenwald des Terai und im Himalaja ist eine wichtige Deviseneinnahmequelle. Der Dienstleistungssektor profitiert stark vom zunehmenden Fremdenverkehr. Etwa 90% aller Unternehmen des Landes sind Kleinbetriebe, die einen wichtigen Beitrag zur Beschäftigung leisten, aber nur 4% zum BIP beitragen. Die Inflation ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen und liegt aktuell bei etwa 8,5% (IWF, 2015). Ausländische Direktinvestitionen machen nur einen sehr geringen Anteil am gesamten Staatshaushalt aus. Ein Drittel des Budgets wird von der Gebergemeinschaft im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit finanziert (AA 3.2017; vgl. GIZ 1.2018a).

Es existieren keine zuverlässigen Erhebungen zur Arbeitslosigkeit. Die offizielle Erwerbslosenquote ist relativ niedrig (2016: 3.2%), die Unterbeschäftigung ist jedoch weit verbreitet (BTI 2018). In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl jener, die das Land aufgrund der politischen Instabilität und der schweren wirtschaftlichen Krise verließen, exponentiell gestiegen. Neben dem traditionellen Zielland Indien sind mit dem Öl-Boom und dem wirtschaftlichen Aufstieg Asiens, Länder am Persischen Golf und in Südostasien zu attraktiven Destinationen geworden. Schätzungen gehen davon aus, dass heute vier bis fünf Millionen Nepalesen im Ausland arbeiten, deren Geldleistungen an die Familien im Heimatland zwischen 25 und 35% des BIP ausmachen. Mit der zunehmenden Emigration ist die Rekrutierung von Arbeitskräften zu einem lukrativen Geschäft geworden. Über 800 sogenannte "manpower companies" werben über lokale Agenten Arbeitswillige in den Dörfern an und organisieren Transport, Ausreisepapiere und Verträge mit den Arbeitgebern in den Zielländern. Die große Mehrheit der Arbeitsmigranten sind junge Männer. Der Anteil der Frauen hat mit der steigenden Nachfrage nach Hausangestellten in den Golfstaaten im letzten Jahrzehnt zwar zugenommen, Frauen machen aber erst etwa 10% der Arbeitskräfte im Ausland aus und sind besonders gefährdet (GIZ 1.2018b; vgl. AA 3.2017, GIZ 1.2018a, DR 25.4.2017).

Nach zwei schweren Erdbeben, die im April und Mai 2015 Nepal erschüttert und verheerende Schäden im Kathmandu-Tal und den Bergdörfern des Himalaya angerichtet haben, erholt sich das Land nur langsam. Damals kamen fast 9.000 Menschen ums Leben, 3,5 Millionen wurden obdachlos, 400.000 Familien benötigen Hilfe. Der Wiederaufbau läuft auch zwei Jahre später nur schleppend. Laut der Wiederaufbaubehörde wurde bisher erst rund 4.000 Menschen eine zweite Rate der zugesicherten Gelder ausgezahlt, nur 420 bekamen bisher die volle Zahlung. Trotz nationaler und internationaler Unterstützung beklagten die Hilfsorganisationen fehlende Vorgaben der Regierung für den notwendigen Wiederaufbau (DR 25.4.2017; vgl. GIZ 1.2018a).

Nepal verfügt außer den familiären sozialen Netzwerken über kein Wohlfahrtssystem. In bestimmten Fällen sind NGOs bemüht, diese Lücke zu füllen, aber deren Tätigkeit ist sehr stark von dem jeweiligen Standort und von internationalen Spenden abhängig, somit können nicht die gleichen Leistungen im ganzen Land angeboten werden. Es gibt nur vereinzelt Privatinitiativen; die öffentlichen Sozialdienste sind rückständig und unzureichend, obwohl sich die Situation in den letzten Jahren leicht verbesserte (BTI 2018).

10. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen unzureichend und entspricht häufig nicht europäischem Standard. Dennoch hat sich der Gesundheitszustand der nepalesischen Bevölkerung in den vergangenen Jahren stark verbessert. Insbesondere ist es gelungen, die Zahl der Todesfälle von Müttern und Neugeborenen deutlich zu senken. Doch noch gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Armen und Wohlhabenden sowie zwischen Stadt und Land. Qualität und Verfügbarkeit grundlegender Gesundheitsdienstleistungen sind für weite Teile der Bevölkerung nach wie vor unzureichend. Eine ausreichende Grundversorgung besteht in Kathmandu und den gängigen Touristenzielen. In Kathmandu ist die medizinische Versorgung in einzelnen Fachbereichen durchaus auch auf einem hohen Niveau (AA 19.1.2018; vgl. BMZ 3.2018).

Das Gesundheitswesen in Nepal liegt in der Zuständigkeit des Gesundheitsministeriums, das für die kurativen Leistungen, Krankheitsprävention, Gesundheitsförderung und die Einrichtung der medizinischen Grundversorgung zuständig ist. Zusätzliche Gesundheitsleistungen werden von internationalen und nationalen NGOs, von Privatärzten, privaten Krankenschwestern und alternativen Heilpraktikern (z.B. Ayurv

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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