Entscheidungsdatum
14.06.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W191 2145172-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.12.2016, Zahl 1076572400-150802975, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.03.2018 zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben am 06.07.2015 irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).
Eine EURODAC-Abfrage ergab keine Übereinstimmung bezüglich der erkennungsdienstlichen Daten des BF.
1.2. In seiner Erstbefragung am 08.07.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion (PI) Traiskirchen, Erstaufnahmestelle (EAST) Ost, gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes an:
Er sei am XXXX in Jalalabad (Provinz Nangarhar, Afghanistan) geboren, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, sunnitischer Moslem und ledig. Er habe von 2007 bis 2014 die Grundschule in Jalalabad besucht. Seine Familie (Eltern, vier Schwestern, ein Bruder) lebe in XXXX .
Afghanistan habe er vor drei Wochen von Kabul aus per Flugzeug verlassen und sei über ihm unbekannte Länder schließlich per PKW nach Österreich gelangt. Mit der Bahn sei er nun ins Lager gefahren. Sein Vater habe dafür 25.000 US-Dollar bezahlt.
Als Fluchtgrund gab der BF an, dass sein Vater ein Kleidungsgeschäft geführt habe und [wirtschaftlich] gut situiert sei. Die Leute aus ihrem Dorf hätten sich bei ihm regelmäßig Kredite genommen. Als sie geschäftlich unterwegs gewesen seien, wären sie überfallen worden. Sein Vater sei schwer verletzt worden, der BF gefangengenommen worden. Er sei an die Taliban weitergegeben worden, die ihn hätten zwingen wollen, für sie zu arbeiten. Der BF sei geschlagen und gefoltert worden. Schließlich sei ihm die Flucht gelungen.
1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) hatte offenbar Zweifel an dem vom BF angegebenen Alter (Aktenvermerk Indikatoren für Altersfeststellung - Aktenseite 23, Röntgenbild der linken Hand - Aktenseite 33) und veranlasste eine Altersschätzung.
Dem medizinischen Sachverständigengutachten vom 16.10.2015 auf Grundlage einer multifaktoriellen Untersuchung (Anamnese, körperliche Untersuchung, Zahnpanorama und Röntgenbild der Schlüsselbeine) zufolge war beim BF zum Untersuchungszeitpunkt ein Mindestalter von 17,3 Jahren anzunehmen. Das behauptete Lebensalter sei damit nicht vereinbar, die Differenz betrage 1,97 Jahre.
Das BFA setzte dem folgend mit Verfahrensanordnung vom 04.01.2016 das Geburtsdatum des BF mit XXXX fest.
1.4. Bei seiner Einvernahme am 10.11.2016 vor dem BFA, Regionaldirektion Wien, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, bestätigte der BF die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben. Das festgestellte Geburtsdatum akzeptierte er.
Zu seinem Fluchtgrund befragt führte der BF seine Angaben aus der Erstbefragung näher aus und erzählte Einzelheiten über seine Entführung. Die Entführer hätten ihnen insgesamt ca. 15.000 US-Dollar weggenommen und den Vater mit einem Messer schwer am Hals verletzt. Er selbst sei an die Taliban weitergegeben worden, um dort gemeinsam mit anderen Jugendlichen als Selbstmordattentäter ausgebildet zu werden, und erst nach einem Monat nach Zahlung eines Lösegeldes von 8.000 US-Dollar freigelassen worden. Da er nun ins Blickfeld der Taliban geraten sei, sei er aus dem Land geflüchtet. Seine Schwestern sowie sein noch junger Bruder seien nicht in akuter Gefahr.
Als Beleg für sein Vorbringen legte der BF eine Bestätigung eines Krankenhauses in Jalalabad in englischer Sprache vor, demzufolge sein Vater aufgrund einer 20 cm langen Verletzung am Hals stark geblutet habe, im "coma" gewesen und nach einer Operation mehrere Tage dort stationär aufhältig gewesen sei.
Der BF legte weiters die Kopie seiner Tazkira (Identitätsdokument), ausgestellt am 21.06.2012, sowie Belege zu seiner Integration (Bestätigung des Abschlusses der Übergangsstufe an einer Bundeshandelsschule, Deutschkursbestätigung) vor.
1.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 02.12.2016 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 06.07.2015 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt III. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF zwei Wochen [richtig: 14 Tage] ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF sei unglaubhaft. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Afghanistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.
Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.
Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass die BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.
Seine Fluchtgeschichte habe der BF nicht glaubhaft machen können, da die Gefahr einer Rekrutierung von Jugendlichen durch die Taliban einem EASO-Bericht zufolge nicht gegeben sei. Sein Vorbringen sei vage und unstimmig. Der BF habe nicht einmal den Versuch unternommen, irgendein Beweis- oder Bescheinigungsmittel vorzulegen.
Subsidiärer Schutz wurde ihm nicht zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes nicht bestehe. Seine Familie sei wohlhabend und der BF würde daher in seiner Heimat nicht in Gefahr sein, in eine wirtschaftliche Notlage zu geraten.
1.6. Gegen diesen Bescheid brachte der BF fristgerecht mit Schreiben seines zur Vertretung bevollmächtigten Rechtsberaters das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung erheblicher Verfahrensvorschriften ein.
In der weitwendigen Beschwerdebegründung wurden im Wesentlichen Ausführungen zur - nicht verfahrensgegenständlich relevanten - Frage der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsmittelfrist, zur Sicherheitslage in Kabul sowie zu monierten Verfahrensmängeln getätigt und aus diversen Berichten - zum Teil in englischer Sprache - zitiert.
Die Beweiswürdigung sei mangelhaft, der BF habe sein Vorbringen detailliert und lebensnah gestaltet. Ein Abgleich mit den einschlägigen Länderberichten hätte ergeben müssen, dass die geschilderte Verfolgungsgefahr objektiv nachvollziehbar sie. Es sei daher Asyl bzw. in eventu subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen.
1.7. Das BVwG führte am 12.03.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari durch, zu der der BF persönlich im Beisein seines nunmehrigen anwältlichen Vertreters erschien. Die Tante des BF und deren Ehemann wurden als Zeugen einvernommen. Die belangte Behörde verzichtete im Vorhinein auf die Teilnahme an einer Verhandlung.
Dabei gab der BF auf richterliche Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):
" [...] RI [Richter]: Was ist Ihre Muttersprache?
BF: Dari. Ich spreche darüber hinaus Paschtu und ein bisschen Urdu.
RI an D [Dolmetsch]: In welcher Sprache übersetzen Sie für den BF?
D: In Dari.
RI befragt BF, ob er D gut verstehe; dies wird bejaht.
Zur heutigen Situation:
RI: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, der heutigen Verhandlung zu folgen?
BF: Ja.
RI: Leiden Sie an chronischen oder akuten Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen?
BF: Ich habe seit ca. zwei Jahren ein bisschen Nierenprobleme und bekomme manchmal Nierenschmerzen. Ich nehme auch Medikamente dagegen.
[...]
Der BF hat bisher seine Tazkira (Personaldokument) in Kopie, medizinische Belege betreffend seinen Vater sowie Integrationsbelege vorgelegt. Er legt folgende weitere Bescheinigungsmittel vor:
Der BF legt den ärztlichen Befund, der sich in Kopie in Akt befindet, im Original vor. Laut D steht im Kopf des Befundes unterhalb des Wappens:
"Allgemeine Gesundheitsdirektion, das Krankenhaus Bibi Fatemaull Zahra"
Im englischsprachigen Text ist unter "Adders" (Adress) angeführt:
Jalal Abad City. Das Datum "25.02.1394" ist umgerechnet "15.05.2015".
Die vom BF vorgelegten Fotos seines Vaters, auf denen eine lange Schnittverletzung am Hals zu sehen ist, werden kopiert und dem BF ebenso wie der originale medizinische Befundbericht zurückerstattet.
[...]
Zur Identität und Herkunft sowie zu den persönlichen
Lebensumständen:
RI: Sind die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Ihrem Namen und Geburtsdatum sowie zu Ihrer Staatsangehörigkeit korrekt?
BF: Ja.
RI: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volks- oder Sprachgruppe gehören Sie an?
BF: Ich bin Tadschike.
RI: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an, und wenn ja, welcher?
BF: Ich bin sunnitischer Moslem.
RI: Sind Sie verheiratet, oder leben Sie in einer eingetragenen Partnerschaft oder sonst in einer dauernden Lebensgemeinschaft?
BF: Ich bin ledig.
RI: Sind Sie verlobt, oder beabsichtigen Sie, in nächster Zeit zu heiraten?
BF: Nein.
RI: Haben Sie Kinder?
BF: Nein.
RI: Haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat eine Schul- oder Berufsausbildung absolviert?
BF: Ich habe in Afghanistan acht Jahre lang die Grundschule besucht.
RI: Womit haben Sie sich in Ihrem Herkunftsstaat Ihren Lebensunterhalt verdient bzw. wer ist für Ihren Lebensunterhalt aufgekommen?
BF: Mein Vater ist für meinen Unterhalt aufgekommen.
RI: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung?
BF: Nein.
RI: Wann haben Sie Afghanistan verlassen?
BF: Es war Mitte Mai 2015.
Zur derzeitigen Situation in Österreich:
RI: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?
BF: Eine Tante väterlicherseits und deren Ehemann. Er ist zu ihr ein Cousin und auch ein Cousin meines Vaters. Beide sind heute in der Verhandlung anwesend.
RI ersucht D, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen. RI stellt diverse Fragen.
RI: Sprechen Sie Deutsch? Haben Sie mich bis jetzt auch ohne Übersetzung durch den D verstehen können?
BF (auf Deutsch): Ich habe alles verstanden, was Sie gesagt haben.
RI stellt fest, dass der BF die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen verstanden und auf Deutsch beantwortet hat.
RI: Besuchen Sie derzeit einen Deutschkurs oder haben Sie einen Deutschkurs bereits besucht?
BF legt vor: Ein Deutschzertifikat A2 sowie eine Kursbesuchsbestätigung B1, die in Kopie zum Akt genommen werden, ebenso einen Arbeitsvorvertrag vom 19.02.2018.
RI: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?
BF: Nein.
RI: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse oder eine Schule, oder sind Sie aktives Mitglied in einem Verein? Gehen Sie sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach?
BF: Ich gehe vormittags bis zwölf Uhr in die Schule. Wenn ich zurückkomme, mache [ich] die Hausaufgaben mit meinem Cousin (Sohn meiner Tante) zu Hause, und danach besuche ich ein Fitnessstudio. Ich spiele auch dreimal in der Woche Fußball in einem Verein namens Mariahilf.
RI: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt oder von einer Behörde mit einem Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot belegt?
BF: Nein.
RI: Unterhalten Sie von Österreich aus noch Bindungen an Ihren Herkunftsstaat, insbesondere Kontakte zu dort lebenden Familienangehörigen, Verwandten, Freunden oder zu sonstigen Personen? Wenn ja, wie sieht dieser Kontakt konkret aus (telefonisch, brieflich, per E-Mail), bzw. wie regelmäßig ist dieser Kontakt?
BF: Ich telefoniere einmal im Monat mit meinem Vater.
Z1 [Zeugin 1] und Z2 [Zeuge 2] verlassen um 10:13 Uhr auf Ersuchen des RI den Verhandlungssaal.
Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:
RI: Sie wurden bereits im Verfahren vor dem Bundesasylamt zu den Gründen, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe), einvernommen. Die diesbezüglichen Niederschriften liegen im Akt ein.
Sind Ihnen diese Angaben noch erinnerlich und, wenn ja, halten Sie diese Angaben vollinhaltlich und unverändert aufrecht, oder wollen Sie zu Ihren Fluchtgründen noch etwas ergänzen oder berichtigen, das Ihnen wichtig erscheint? Sie haben dafür nun ausreichend Zeit und auch die Gelegenheit, allfällige Beweismittel vorzulegen.
BF: Ich habe alles gesagt.
RI: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?
BF: Wenn Sie mich zurückschicken, wird man mich umbringen. Sie wissen, wie es in Afghanistan zugeht. Viele Leute sind arbeitslos, und dadurch, dass sie nichts zu tun haben, rauchen sie Marihuana.
RI: Ganz konkret, was würde Ihnen passieren?
BF: Man wird mich umbringen, weil wir mit dem XXXX eine alte Feindschaft haben, und wenn er mich findet, wird er mich umbringen.
RI: Ihr Vater ist attackiert und verletzt worden, wieso kann er jetzt in Frieden dort leben?
BF: Im Moment ist auch sein Leben in Gefahr. Er muss täglich von ein bis vier [Uhr] Wache halten, von 22:00 Uhr bis 01:00 Uhr in der Früh halten die Mutter und die Schwestern Wache. Hinter unserem Haus befindet sich ein Wald, dazwischen liegt ein kleiner Bach.
RI: Gibt es keine anderen Menschen in Ihrem Dorf, die Wache halten?
BF: Alle Leute, die in diesem Dorf wohnen, müssen Wache halten.
RI: Sie haben bei Ihrer Einvernahme im November 2016 gesagt, dass Ihre Familienangehörigen jetzt in Kabul sind?
BF: Das ist ein Fehler, den der Dolmetscher gemacht hat. Ich habe gesagt: ‚Als ich geflüchtet bin, war ich eine Woche in Kabul, als mein Vater die Reise nach Europa organisiert war.' Ich war bei einem Freund meines Vaters eine Woche in Kabul versteckt.
RI: Zeigen Sie mir auf der von mir vorgelegten Landkarte des Distriktes Khogiani das von Ihnen angegebene Heimatdorf XXXX .
Festgehalten wird, dass der BF das Heimatdorf nicht anzeigen kann.
BF: XXXX liegt im vierten Bezirk der Stadt Jalalabad.
RI: Welche nahegelegenen, größere Orte kennen Sie?
BF: Ich kenne nur mein Heimatdorf. In die Schule gegangen bin ich in der Stadt Jalalabad.
RI: Zeigen Sie mir auf der von mir vorgelegten Landkarte des Distriktes Behsud das von Ihnen angegebene Dorf XXXX .
Festgehalten wird, dass der BF das Dorf nicht anzeigen kann.
RI: Woher wissen Sie überhaupt, dass Sie in XXXX gefangengehalten worden sind?
BF: Mit mir wurden drei weitere Burschen festgehalten, diese haben mir gesagt, dass wir uns in XXXX befinden.
RI: Wo lebt Ihr Bruder jetzt?
BF: Er lebt im Heimatdorf XXXX .
RI: Wieso haben Sie bei der Erstbefragung nicht erwähnt, dass Sie einen Bruder haben?
BF: Ich habe gesagt, dass ich einen Bruder und vier Schwestern habe. Mein Bruder war 2015 elf Jahre alt.
RI: Wieso kann Ihr Bruder dort in Frieden leben und Sie nicht?
BF: Er kann auch nicht in Ruhe leben. Mein Bruder kann nicht einmal die Schule besuchen, er ist noch sehr jung, aber trotzdem kann er die Schule nicht besuchen.
RI: Er hat noch nie die Schule besucht?
BF: Er hat eine Schule besucht, aber jetzt nicht mehr. Er hat drei Jahre die Schule besucht.
Z1 und Z2 betreten um 10:45 Uhr wieder den Verhandlungssaal.
Belehrung der Zeugen
Der RI belehrt die Zeugen gemäß § 49 AVG und weist auf das Recht auf Verweigerung der Aussage hin.
Der RI macht die Zeugen nach §§ 50 und 49 Abs. 5 AVG auf die Folgen einer ungerechtfertigten Verweigerung (Ersatz der dadurch verursachten Kosten, Verhängung einer Ordnungsstrafe) und einer falschen Beweisaussage vor dem Bundesverwaltungsgericht (gerichtliche Strafbarkeit gemäß § 288 StGB) aufmerksam.
RI an Z2: Was wissen Sie über den Vorfall, wo Ihr Cousin (der Vater des BF) verletzt worden ist.
Z2: Ich habe erst mit meinem Cousin gesprochen, als er nach einem Monat aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Ich fragte ihn danach, was vorgefallen war. Er erzählte mir am Telefon, dass er an einem Tag, um ca. sieben oder acht Uhr in der Früh, mit seinem Sohn von der Provinz Nangarhar Richtung Kunar unterwegs war, um von dort nach Khogiani zu kommen. In Afghanistan ist es üblich, dass man die Ware gibt, und eine Zeit lang später holt man sich das Geld. An dem Tag hat er auch erzählt, dass er sein Geld von den Geschäftsmännern geholt [hat], ca. 16.000 US-Dollar. Um ca. 18 Uhr am Abend war er unterwegs mit einem Fahrzeug mit zwölf weiteren Personen und seinem Sohn nach Hause. Unterwegs wurde das Auto von bewaffneten Männern angehalten. Diese bewaffneten Personen hätten das ganze Auto durchsucht und auch die Personen. Er dachte, dass es nur Räuber wären. Er hat mir erzählt, dass er verschiedene Währungen (Dollar, Afghani und Kaldar) bei sich gehabt hätte, und als sie ihm hätten die Dollar wegnehmen wollen, habe er sich gewehrt. Er hat erzählt, dass zwei, drei Leute ihn festgehalten hätten und einer hätte ihn mit dem Gewehrkolben im Bereich Schulter, Nacken und Hinterkopfbereich geschlagen. Er hat dann erzählt, er hätte das Geld, die Dollar, in der Hand gehabt und wollte es trotz allem nicht hergeben. Einer der bewaffneten Männern hätte ihn mit dem Bajonett im Halsbereich verletzt.
RI: Was wissen Sie darüber, dass der BF gefangengehalten worden ist?
Z2: Mein Schwager bzw. Cousin ist bewusstlos geworden, man hat ihn ins Krankenhaus gebracht, und zu dieser Zeit wurde sein Sohn von diesen Männern mitgenommen.
RI: Wie lange und wohin?
Z2: Ca. ein Monat. Es ist jetzt drei Jahre her, ich glaube in einem Dorf XXXX .
RI: In welchem Distrikt?
Z2: Vom Zentrum von Nangarhar, zehn Minuten mit dem Auto, ich glaube, es gehört zum Distrikt Chaparhar.
RI: Woher wissen Sie das, wo das war?
Z2: Das erzähle ich alles aus den Erzählungen seines Vaters, ich war nicht dort.
RI: Warum ist der BF entführt worden?
Z2: Sie haben ihn mitgenommen, um ihm eine ‚Gehirnwäsche' zu verpassen und ihn als Selbstmordattentäter zu verwenden, laut den Erzählungen seines Vaters.
RI: Wo lebt jetzt die Familie des BF?
Z2: In XXXX .
RI: Was gibt es noch für nähere Verwandte zu dieser Familie?
Z2: Jetzt im Moment sein Vater, seine Mutter, ein Bruder, er ist jünger als er, zwei oder drei Schwestern hat er noch.
Z1: Vier Schwestern.
RI: Hat der Vater des BF Brüder?
Z2: Ja, er hat einen Bruder, er lebt in der Stadt Jalalabad.
RI ermöglicht BFV [Vertreter des BF], Fragen an die Z zu stellen.
BFV: Wo liegt XXXX ?
Z2: Wenn man von der Stadt Jalalabad zu Fuß geht, 15 Minuten, mit dem Auto fünf Minuten.
RI: In welchem Distrikt liegt XXXX ?
Z2: Im vierten Bezirk von Jalalabad. Es gibt noch ein zusätzliches
Problem: Das Haus des BF liegt nahe bei einem Wald, dazwischen liegt nur ein kleiner Bach.
BFV: Was würde passieren - Ihrem Kenntnisstand zufolge - wenn der BF nach Afghanistan zurückkehren würde?
Z2: Ich glaube, dass, wenn er zurückkehren muss, er von diesen Leuten getötet oder mitgenommen und als Selbstmordattentäter verwendet wird, nicht nur er, sondern auch andere Jugendliche werden wie er benutzt und getötet.
BFV an Z2: Wie kann das sein, dass der Onkel des BF in dieser selben Region leben kann, der BF selber aber eine Verfolgung bzw. Entführung irgendwelcher Banden zu befürchten hätte?
Z2: Erstens: Der Onkel des BF hat einen Sohn, der erst acht oder neun Jahre alt ist. Zweitens: Er hat nicht so viel Geld, er kauft die Ware auf Kommission, im Gegensatz zum Vater des BF. Er hat mehrere Geschäfte und auch mehr Geld.
BFV an Z2: Können Sie Angaben dazu liefern, warum der BF seinen Angaben zu Folge nicht in das Stadtzentrum von Jalalabad gegangen ist, sondern immer nur zu Hause war?
Z2: Er hatte Angst, von den Leuten nochmals entführt zu werden, deshalb hat er sich zu Hause aufgehalten.
BFV an Z2: Haben Sie Informationen darüber, wer genau an dieser Entführungsbande beteiligt gewesen sein könnte?
Z2: Darüber weiß ich nichts. Sein Vater hatte den Namen eines Mannes genannt. Der Mann heißt XXXX .
BFV an Z2: Ist diese Person oder die dahinterstehende Bande einer größeren politischen Gruppierung zuzordnen, wie der Al Kaida oder den Taliban?
Z2: Sein Vater hat gesagt, dass sie zu den Taliban gehören.
BFV an Z2: Es geht um die Frage, ob der BF in Kabul leben könnte und dass Sie so viel Geld aufbringen könnten, um den BF zu unterstützen?
Z2: Nein, ich bekomme gerade so viele, dass ich meine eigene Familie ernähern kann. Ich habe als Küchenhilfe bei den Wiener Linien acht Jahre lang gearbeitet, derzeit bin ich arbeitslos.
RI: Warum finden Sie keine Arbeit?
Z2: Ich habe für die Firma XXXX gearbeitet, und die Chefin hat mir gesagt, ich soll ein wenig warten, vielleicht ergibt sich bald etwas. Ich habe auch gesundheitliche Probleme mit meinem Bein, das vor Jahren von einem Bombensplitter verletzt wurde. Meine Frau arbeitet bei einer Firma als Bügelhilfe, ist aber derzeit bis Sommer ebenfalls nicht beschäftigt. Unser Tochter arbeitet dort derzeit Vollzeit. Meine beiden Söhne arbeiten als Paketzusteller.
Um 11:20 Uhr werden die Z aus dem Zeugenstand entlassen und nehmen hinten im Verhandlungsaal wieder Platz.
RI an BF: Was würde Ihnen passieren, wenn Sie jetzt nach Kabul zurückkehren und dortleben würden?
BF: In Kabul kann ich ebenfalls nicht leben, weil ich nicht nur eine Person als Feind habe, sondern die Taliban, und sie können mich überall finden.
RI: Wieso sollten die Taliban überhaupt nach Ihnen suchen?
BF: Weil die Taliban die Jugendlichen rekrutieren, um sie gegen die Regierung zu benutzen.
RI: Da würden die Taliban Sie extra in Kabul suchen?
BF: Die Taliban haben Spione überall.
RI: Sie würden Sie nur deshalb suchen, um Sie zwangszurekrutieren?
BF: Ja, diesmal werden sie mich sowieso umbringen, weil ich vor ihnen geflüchtet bin.
RI: Ich habe im Akt gelesen, dass Sie Ihr Vater freigekauft hat?
BF: Ja, einmal hat mein Vater bezahlt. Ein Mann, der Geschäftspartner meines Onkels väterlicherseits war, hat gesagt, dass die Taliban 8.000 US-Dollar verlangen würden. Der Geschäftspartner meines Onkels hatte einen Freund bei den Taliban gehabt, er lebte auch damals in XXXX .
RI: Warum würden die Taliban Sie fangen wollen, um Sie zwangszurekrutieren oder Lösegeld zu verlangen?
BF: Sie wollen mich als Selbstmordattentäter benutzen.
RI: Da bekommen sie aber kein Lösegeld.
BF: Sie rekrutieren Jugendliche. Wenn sie mich in Kabul finden, bringen sie mich nach Jalabad, und dort benutzen sie mich als Selbstmordattentäter.
RI: Wenn dann ein Lösegeld angeboten wird, werden Sie dann freigelassen?
BF: Nein, sie lassen sich nicht bestechen.
RI: Sie sind schon einmal freigelassen worden!
BF: Wenn einer von denen sich bestechen lasst, wie damals, aber der XXXX selbst macht das nicht.
Der RI bringt unter Berücksichtigung des Vorbringens des BF auf Grund der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Informationen die dieser Niederschrift beiliegenden Feststellungen und Berichte [...] in das gegenständliche Verfahren ein.
Der RI erklärt die Bedeutung und das Zustandekommen dieser Berichte. Im Anschluss daran legt der RI die für die Entscheidung wesentlichen Inhalte dieser Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat dar.
RI folgt BFV Kopien dieser Erkenntnisquellen aus und gibt ihm die Möglichkeit, dazu sowie zu den bisherigen Angaben des BF eine mündliche Stellungnahme abzugeben oder Fragen zu stellen.
Die Verhandlung wird um 11:35 Uhr zur internen Besprechung unter Teilnahme der D unterbrochen und um 11:50 Uhr wieder fortgesetzt.
BFV an BF: Wenn man Ihnen vorhält, dass Sie landesintern nach Kabul flüchten könnten, wäre das aus Ihrer Sicht möglich?
BF: Nein, das ist nicht möglich. Ich habe in Kabul niemanden, und ich kenne mich in Kabul nicht aus.
BFV an BF: Wenn man Ihnen vorhält, dass mehrere Familienangehörige von Ihnen viel Geld haben, um Ihnen das Leben zu ermöglichen, was sagen Sie dazu?
BF: Mein Vater hat nicht genug Geld. Selbst das Geld für meine Freilassung hat er sich von Leuten ausgeborgt.
BFV an BF: Hat der Vater dieses ausgeborgte Geld für die Lösegeldzahlung an die Kreditgeber zurückzahlen können?
BF: Das weiß ich nicht, er wird es wahrscheinlich langsam zurückzahlen, wenn er arbeitet.
BFV an BF: Können Sie abschätzen, was Ihr Vater derzeit im Monat verdient?
BF: Ich weiß nur, dass er so viel verdient, dass er gerade noch meine Familie versorgen kann.
BFV an BF: Hat Ihr Vater Vermögen, das er verkaufen könnte?
BF: Wir haben nur das Haus, wo die Familie darinnen wohnt, sonst nichts.
BFV an BF: Könnten Sie in Kabul bei irgendjemand anderem eine Wohnung finden und dort Arbeit finden?
BF: Nein, wenn meine Familie nicht dort ist und ich niemand anderen kenne, wie soll das gehen?
BFV an BF: Könnte Ihr Vater einen Aufenthalt in Kabul für Sie finanzieren?
BF: Nein.
BFV an BF: Haben Sie andere Familienangehörige, die Ihnen Geld für einen Aufenthalt in Kabul finanzieren könnten?
BF: Nein.
BFV an BF: Haben Sie selbst Ersparnisse?
BF: Nein, ich bekomme hier gerade so viel, dass ich davon leben kann.
BFV: Der BF ist offenbar nicht in der Lage, seinen Aufenthalt in Afghanistan in eine andere Gegend zu verlegen, insbesondere auch nicht nach Kabul. Dies ergibt sich aus seiner Einvernahme und der Einvernahme des heute anwesenden Zeugen, wonach keine finanziellen Mitteln zur Verfügung stehen, um dem BF ein Leben in Kabul ermöglichen zu können, weshalb aus meiner Sicht, selbst bei Abweisung des Asylantrages, zumindest eine subsidiäre Schutzberechtigung zu geben wäre und die Anträge aufrechterhalten bleiben.
RI befragt BF, ob er noch etwas Ergänzendes vorbringen will; dies wird verneint.
RI befragt BF, ob er D gut verstanden habe; dies wird bejaht. [...]"
Das erkennende Gericht brachte weitere Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF in das Verfahren ein (aufgelistet unter Punkt 2.).
Dem BFA wurde die Verhandlungsschrift samt Beilagen übermittelt. Es hat sich am Verfahren vor dem BVwG nicht beteiligt.
2. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 08.07.2015 und der Einvernahme vor dem BFA am 10.11.2016, das medizinische Sachverständigengutachten zur Altersschätzung des BF vom 16.10.2015 sowie die Beschwerde vom 28.12.2016
* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (Aktenseiten 190 bis 211)
* Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 12.03.2018 sowie Einsichtnahme in die in der Verhandlung vorgelegten Belege betreffend die Gesundheit des Vaters und die Integration des BF
* Einsichtnahme in folgende vom BVwG in der mündlichen Verhandlung am 12.03.2018 zusätzlich in das Verfahren eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF:
o Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat sowie in der Provinz Logar (Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, zuletzt aktualisiert am 30.01.2018)
o Zusammenfassung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom April 2016 sowie Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Innern vom Dezember 2016
o Artikel in Asylmagazin 3/2017 "Überleben in Afghanistan? Zur humanitären Lage von Rückkehrenden und ihren Chancen auf familiäre Unterstützung" von Friederike Stahlmann sowie
o Auszug aus Landinfo report Afghanistan: Rekrutierung durch die Taliban, vom 29.06.2017 (Arbeitsübersetzung)
3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):
Folgende Feststellungen werden aufgrund des glaubhaft gemachten Sachverhaltes getroffen:
3.1. Zur Person des BF:
Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Dari, er spricht auch Paschtu und etwas Urdu.
Der BF stammt aus XXXX , einem Dorf in der Nähe von Jalalabad, Provinz Nangarhar (Afghanistan), und lebte dort bis Sommer 2015 gemeinsam mit seinen Eltern, einem jüngeren Bruder und vier Schwestern. Er besuchte acht Jahre die Grundschule und half dann seinem Vater in seinem Kleidungsgeschäft.
3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Im Jahr 2015 wurde der BF mit seinem Vater, als er diesen bei einer Geschäftsreise begleitete, von bewaffneten Männern - unter dem Kommando eines alten Gegners des BF - angehalten und um ca. 15.000 US-Dollar beraubt. Als sich der Vater des BF wehrte, wurde er mit einem Messer in den Hals gestochen und schwer verletzt. Er wurde in Jalalabad im Krankenhaus operiert und war dort mehrere Tage lang stationär aufhältig.
Der BF wurde den Taliban übergeben, die ihn gemeinsam mit anderen Jugendlichen zum Attentäter ausbilden wollten. Mithilfe eines bestechlichen Taliban wurde der BF nach Zahlung eines Lösegeldes (8.000 US-Dollar) wieder freigelassen. Als der Kommandant davon hörte, forderte er unter Drohungen, dass der BF zu den Taliban zurückzukehre. Deswegen entschied sein Vater, dass der BF das Land verlassen solle.
3.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:
Es konnte vom BF glaubhaft vermittelt werden, dass er im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus den oben (in Punkt 3.2. angeführten) asylrelevanten Gründen (unterstellte politische bzw. religiöse Gründe) ausgesetzt wäre.
Dem BF steht keine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative zur Verfügung, zumal er - nachdem er ins Blickfeld der Taliban geraten ist - landesweit aufgefunden werden könnte und die staatlichen Einrichtungen seines Herkunftsstaates nicht hinreichend imstande wären, ihn vor dieser Verfolgung zu schützen.
3.4. Es liegen keine Gründe vor, nach denen der BF von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen ist.
Der BF hat beachtliche Bemühungen zur Integration in Österreich gesetzt.
3.5. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:
Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG zusätzlich in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:
3.5.1. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, zuletzt aktualisiert am 30.01.2018, Schreibfehler teilweise korrigiert):
Politische Lage:
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.) und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.01.2004).
Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.01.2017), nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vgl. CRS 12.01.2017).
Parlament und Parlamentswahlen:
Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9.2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.01.2017).
Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.04.2016 vgl. auch: CRS 12.01.2017).
Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.04.2016).
Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge zum Teil über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9.2016).
Parteien:
Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einigen von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).
Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016).
Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, das von allen Parteien verlangte, sich neu zu registrieren, und zum Ziel hatte, ihre Anzahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber anscheinend nur wenig zur Konsolidierung des Parteiensystems bei (USIP 3.2015).
Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder ein Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani verbrachte selbst die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 9.2016).
Friedens- und Versöhnungsprozess:
Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9.2016).
Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG):
Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.09.2016) unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.01.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.09.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.09.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.01.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.09.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 04.02.2017).
Sicherheitslage:
Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.01.2017).
In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint Einzelberichten zufolge auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.02.2017).
INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).
Mit Stand September 2016 schätzt die Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.01.2017).
Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 05.01.2017).
Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: Intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen den Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.08. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).
Kontrolle von Distrikten und Regionen:
Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im dritten Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.01.2017).
Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal an: Zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit fünf von sechs Distrikten und Helmand mit acht von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.01.2017).
Rebellengruppen:
Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin, durch Bedrohungen, Entführungen und gezielte Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).
Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistische Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).
Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihre Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).