TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/15 W151 2116977-1

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Veröffentlicht am 15.06.2018
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Entscheidungsdatum

15.06.2018

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W151 2116982-1/29E

W151 2116979-1/27E

W151 2116977-1/25E

W151 2116981-1/25E

W151 2122864-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX , 2. XXXX , geb. XXXX , 3. XXXX , geb. XXXX , 4. XXXX , geb. XXXX , und 5. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Afghanistan, BF 3 bis 5 durch BF 2 gesetzlich vertreten, alle vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt, Mozartstraße 11, 4020 Linz, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.10.2015, Zl. XXXX (BF 1), Zl. XXXX (BF 2), Zl. XXXX (BF 3), Zl. XXXX (BF 4), wegen §§ 8, 10, 55 und 57 AsylG 2005, sowie §§ 46, 52 und 55 FPG 2005 und gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2016, Zl. XXXX (BF 5), wegen §§ 8, 10, 55 und 57 AsylG 2005, sowie §§ 46, 52 und 55 FPG 2005 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden der BF 1 bis 5 wird stattgegeben und XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 34 Abs. 2 Asylgesetz 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 14.06.2019 erteilt.

B)

Die Revisionen sind gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF 1), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste mit seiner Ehefrau (BF 2) und seinen zwei minderjährigen Töchtern (BF 3 und 4) illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 17.02.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am selben Tag fand vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF 1 im Beisein eines Dolmetschers, welcher in die Sprache Punjabi übersetzte, statt. Dort gab der BF an, sein Name sei XXXX , geboren am XXXX in der Provinz Nangarhar, XXXX , afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Punjabi und Sikh. Er sei mit der BF 2 traditionell verheiratet und spreche Punjabi, Dari und Paschtu. Er habe keine Schulbildung und sei zuletzt als Verkäufer tätig gewesen. Er legte seine Geburtsurkunde und die seiner Frau und Kinder vor.

Seine Frau XXXX (BF 2) sei am XXXX , seine Tochter XXXX (BF 3) sei am XXXX und seine Tochter XXXX (BF 4) sei am XXXX geboren.

Zum Fluchtgrund gab der BF an, dass er und seine Familie aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit von den dortigen Moslems misshandelt und verfolgt worden seien. Sie hätten gedroht, die Töchter des BF 1 zu verschleppen. Ebenso habe man von ihnen verlangt, die Religion zu wechseln. Aus Angst um ihr Leben hätten sie das Heimatland verlassen.

Die BF 2 gab ergänzend an, dass sie und ihre Töchter sexuell belästigt worden seien. Sie seien oft beschimpft und bedroht worden. Darum hätten sie kaum das Haus verlassen können. Für die beiden minderjährigen Kinder würden dieselben Fluchtgründe gelten.

3.1. Am 15.10.2015 wurde der BF 1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, im Beisein und eines Dolmetschers für die Sprache Punjabi niederschriftlich einvernommen. Darin gab der BF 1 an, dass er bis jetzt die Wahrheit gesagt habe. Die Familie habe zuletzt in XXXX , gelebt. Der BF 1 habe ein Textilgeschäft gehabt, mit der er die ganze Familie erhalten habe können. Dieses habe er ca. eineinhalb Monate vor der Ausreise aufgegeben. Zu seiner Familie habe er keinen Kontakt mehr. Er wisse darum nicht, ob seine Eltern und sein Bruder noch in XXXX aufhältig seien. Bis zu ihrer Ausreise habe die ganze Familie zusammen gewohnt. Die Töchter des BF 1 seien nicht zur Schule gegangen, da sie aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit attackiert worden seien. Zum Fluchtgrund brachte der BF 1 vor, dass sie als Sikhs in Afghanistan keine Geschäfte machen und auch nicht ihre Religion ausüben hätten können. Seiner Frau sei schon öfter das Kopftuch entrissen und dem BF 1 sein Turban heruntergerissen worden. Man hätte von ihnen verlangt, dass sie Moslems werden. Der BF 1 sei auch geschlagen worden und man habe ihm sein Geld gestohlen. Anzeige habe der BF 1 wegen dieser Vorfälle aber nicht erstattet. Hätte er sich beschwert, hätte man ihn sicher umgebracht. Die Eltern seiner Frau und ihr Bruder hätten bis vor 5 Monaten ebenfalls in XXXX gewohnt. Der Schwager des BF 1 sei seit ein paar Monaten in Österreich. Die Kinder hätten die Schule auch deshalb nicht besuchen können, da nicht auf Punjabi unterrichtet worden sei und die Kinder kein Dari sprechen würden. Außerdem wäre es zu gefährlich für sie gewesen. Einmal sei der Familie auf dem Weg zum Sikh Tempel gedroht worden, dass man die BF 2 und die Töchter entführen wollen würde.

Dem BF 1 wurden die aktuellen Länderfeststellungen angeboten und ihm eine Frist zur Stellungnahme zu diesen eingeräumt. Dies lehnte der BF 1 ab.

In Österreich lebe der BF 1 nun von der Grundversorgung und besuche einen Deutschkurs. Er habe einmal den Sikh Tempel in Wien besucht. In Vereinen sei er nicht, die Kinder würden die Schule besuchen.

Ergänzend brachte der BF 1 vor, dass sein Kastenname XXXX sei.

3.2. Ebenso wurde die BF 2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, am 15.10.2015 im Beisein und eines Dolmetschers für die Sprache Punjabi niederschriftlich einvernommen. Darin gab die BF 2 an, dass sie bis jetzt die Wahrheit gesagt habe. Sie machte dieselben Angaben wie der BF 1. Weiters brachte sie vor, dass sie Angst habe bei einer Rückkehr vergewaltigt zu werden.

4. Mit Bescheiden vom 23.10.2015, Zln: XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , wies das Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen die Anträge der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs.1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) ab, wies die Anträge bezüglich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt, gegen sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zu den Personen der BF und zur Lage in ihrem Herkunftsstaat. Die Identität der BF stehe aufgrund der Vorlage der Geburtsurkunden fest. Es könne nicht festgestellt werden, dass ihnen unter Zugrundelegung ihres Vorbringens in Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten Verfolgung drohen würde. Eine Verfolgung im Herkunftsstaat habe ebenso wenig festgestellt werden können wie eine Bedrohungssituation im Fall einer Rückkehr. Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan sei von der erfolgreichen Abdeckung ihrer lebensnotwenigen Bedürfnisse auszugehen. Die BF hätten außer sich (Kernfamilie) keine familiären Beziehungen in Österreich. Den Angehörigen sei weder Asyl noch subsidiärer Schutz gewährt worden. Sie hätten in Österreich keine sozialen Kontakte, die sie binden würden. Sie würden über kein Eigentum verfügen und seien auf Dauer nicht selbsterhaltungsfähig. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine besondere Integrationsverfestigung in Österreich bestehe.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass die Identität der BF aufgrund der Vorlage der Geburtsurkunden feststehe. Die BF seien bezüglich ihrer behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund ihrer Sprach- und Lokalkenntnisse glaubwürdig. Die Behörde gehe davon aus, dass die Angaben, wonach die BF als Angehörige der Religionsgemeinschaft der Sikh zahlreichen Diskriminierungen und Anfeindungen ausgesetzt gewesen seien, glaubhaft seien. Den geschilderten Vorfällen würde aber die erforderliche Intensität des Eingriffes fehlen um asylrelevant zu sein. Die angesprochene "Verschleppung" der Töchter habe vom BF 1 trotz Befragung nicht konkretisiert werden können. Auch das Vorbringen, dass er in Afghanistan "keine Geschäfte" machen könne, entbehre jeglicher Grundlage, zumal der BF 1 in der Befragung schilderte, dass er bis zum Verkauf seines Textilgeschäftes davon gut leben habe können. Mit den Einnahmen habe er seine Familie und auch seine Eltern ernähren können. Ebenso deute der Umstand, dass die Ausreise von langer Hand geplant und vorbereitet war daraufhin, dass keine akute asylrelevante Verfolgung gesetzt worden sei. Die BF hätten ihr Heimatland aufgrund der jahrelangen Anfeindungen und Diskriminierungen der moslemischen Bevölkerung verlassen. Die BF hätten keinerlei Gründe, die für eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK bzw. Art 3 EMRK sprechen würden, vorgebracht, sodass auch im Zusammenhang mit der fehlenden Asylrelevanz keine außergewöhnlichen Umstände im Sinne der Judikatur des EGMR feststellbar gewesen seien, die gegen eine Abschiebung nach Afghanistan sprechen würden. Der BF 1 habe bereits vor dem Verlassen Afghanistans in XXXX durch eigene Arbeitsleistung als Inhaber eines Textilgeschäfts für sich und seine Familie gesorgt. Es bestehe kein Grund, warum der BF 1 bei seiner Rückkehr nach Afghanistan nicht wieder in der Lage sein sollte, für den Unterhalt seiner Familie zu sorgen.

Rechtlich beurteilend wurde ausgeführt, dass die BF keine Verfolgung ihrer Person oder eine wohlbegründete Furcht vor einer Verfolgung in keinster Weise vorgebracht hätten, weshalb die Anträge auf internationalen Schutz aufgrund des Fehlens der Flüchtlingseigenschaft abzuweisen gewesen seien. Es könne nicht von systematischen weit verbreiteten Übergriffen gegen alle Angehörigen der Religionsgruppe der Sikh gesprochen werden. Es handle sich um ein Familienverfahren.

Subsidiärer Schutz wurde den BF ebenso nicht zuerkannt, da im Falle ihrer Rückkehr in ihrem Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes aufgrund der derzeitigen, allgemeinen Lage in Afghanistan bestehe. Da keinem Angehörigen subsidiärer Schutz gewährt worden sei, sei die Entscheidung mit einer Ausweisung zu verbinden gewesen. Auch habe keine Voraussetzung für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vorgelegen. Ebenso seien die Rückkehrentscheidungen nach §9 Abs. 1-3 BFA-VG als zulässig erachtet worden.

5. Für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wurde den BF am 23.10.2015 mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG der Verein Menschenrechte Österreich gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt.

6. Mit Schreiben vom 02.11.2015 erhoben die BF 1 bis 4, BF 3 und 4 vertreten durch die BF 2, Beschwerde wegen unschlüssiger Beweiswürdigung/ rechtlicher Beurteilung und in Folge dessen, mangelhaftem Ermittlungsverfahren gegen die Spruchpunkte II. und III. der oben angeführten Bescheide. Darin wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass den BF der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Nach einer kurzen Zusammenfassung des Sachverhalts wurde ausgeführt, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, auf das individuelle Vorbringen der BF einzugehen. Ebenso habe sie eine Gesamtbeurteilung anhand der verfügbaren Herkunftsstaat-spezifischen Informationen verabsäumt. Nach Zitaten aus dem aktuellen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zur Sicherheitslage in Afghanistan und den Gefährdungsprofilen der Sikhs wurde zusammenfassend festgehalten, dass die BF im Falle ihrer Rückkehr nach Indien mit maßgeblicher Verfolgung asylrelevanter Intensität durch Privatpersonen zu gewärtigen hätten. In Afghanistan sei es zu einer staatlich gebilligten Einschränkung der Religionsausübung, tätlichen Angriffen auf Nicht-Muslime und zur Verhinderung des Schulbesuchs der Kinder gekommen. Somit sei davon auszugehen, dass die BF als Angehörige der Sikh-Minderheit im Fall einer Rückkehr allein schon wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung entgegen Art 3 EMRK ausgesetzt wären.

7. Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 11.11.2015 vom BFA vorgelegt.

8. Am 15.01.2016 stellten der BF 1 und die BF 2 als gesetzliche Vertreter für die neugeborene, minderjährige Tochter XXXX (BF 5), geb. XXXX , StA. Afghanistan, einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 AsylG.

9. Mit Bescheid vom 23.02.2016, Zl: XXXX , wies das Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs.1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) ab, wies den Antrag bezüglich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt, gegen sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Der Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz sei unter Bezugnahme auf das Asylverfahren der Eltern beantragt worden. Die Asylverfahren der Eltern seien in 1. Instanz negativ entschieden worden. Es habe eine Verfolgung im Herkunftsstaat ebenso wenig wie eine Bedrohungssituation im Falle einer Rückkehr festgestellt werden können. Da auch keinem anderen Familienmitglied der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei, komme auch für die BF 5 keine Zuerkennung aufgrund des vorliegenden Familienverfahrens in Betracht. Dasselbe gelte für die Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz.

10. Für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wurde der BF 5 am 24.02.2016 mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG der Verein Menschenrechte Österreich gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt.

11. Mit Schreiben vom 07.03.2016 erhob die BF 5, gesetzlich vertreten durch die BF 2, Beschwerde wegen unschlüssiger Beweiswürdigung/ rechtlicher Beurteilung und in Folge dessen, mangelhaftem Ermittlungsverfahren gegen die Spruchpunkte I., II. und III. des angeführten Bescheides. Darin wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der BF 5 Asyl gewährt werde, in eventu der BF 5 der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde, in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG zu erteilen.

Die BF 5 habe keine eigenen Fluchtgründe. Es werde gebeten, die mündliche Verhandlung im Sinne der Verfahrenseffizienz für das Familienverfahren gleichzeitig durchzuführen.

12. Vor dem BVwG wurde durch die erkennende Richterin in der gegenständlichen Rechtssache am 22.06.2016 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Rechtsberaters, eines länderkundigen Sachverständigen sowie eines Dolmetsch für die Sprache Punjabi durchgeführt, zu der die BF 1 bis 5 persönlich erschienen. Die belangte Behörde entschuldigte ihr Fernbleiben. Die Verhandlungsschrift wurde der Erstbehörde übermittelt. Darin wurden die BF 1 und 2 ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt. Die BF 2 zog als gesetzliche Vertreterin der BF 5 deren Beschwerde zu Spruchpunkt I (Asyl) zurück.

13. Am 15.11.2016 langte die von der Richterin beauftragte gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen für Afghanistan, Dr. Sarajuddin Rasuly, vom 15.11.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein (Auszug siehe Punkt II.1.2.c).

14. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.11.2016 wurden die BF und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs Gelegenheit eingeräumt, binnen 14 Tagen eine Stellungnahme dazu abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zu entscheiden, soweit nicht eine eingelangte Stellungnahme anderes erfordert.

Die Parteien ließen dieses Schreiben unbeantwortet.

15. Mit Erkenntnis des BVwG vom 31.03.2017, Zln: XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX , wurde ausgesprochen, dass das Verfahren hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides des BF 5 wegen Zurückziehung der Beschwerde zu Spruchpunkt I. gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt wird. Zudem wurden die Beschwerden der BF 1 bis 5 gemäß den §§ 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF. als unbegründet abgewiesen.

16. Gegen dieses Erkenntnis erhoben die BF 1 bis 5 durch ihre rechtliche Vertretung mit Schreiben vom 17.05.2017 Beschwerde wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander sowie des Rechts auf Asylgewährung und stellten die Anträge, auf Aufhebung des Erkenntnisses wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie auf Verfahrenshilfe.

17. Mit Erkenntnis des VfGH vom 11.10.2017, XXXX , wurde das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und gegen die Festsetzung einer vierzehntägigen Frist zur freiwilligen Ausreise, abgewiesen wird, wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander, insoweit aufgehoben. Ebenso wurde den Anträgen auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs. 1 lit. a ZPO stattgegeben und ausgesprochen, dass der Bund schuldig ist, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 3.270,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

18. Am 23.11.2017 langte die Vollmacht des rechtsfreundlichen Vertreters beim BVwG ein.

19. Mit Schreiben vom 25.01.2018 erging ein Parteiengehör zur beabsichtigten Bestellung eines Sachverständigen zur aktuellen spezifischen Situation von erwachsenen und minderjährigen weiblichen Sikhs in Afghanistan.

20. Am 21.03.2018 wurde das Gutachten des länderkundlichen Sachverständigen in Vorlage gebracht.

21. Mit Parteiengehör vom 22.03.2018 wurde den BF das Sachverständigengutachten zur aktuellen spezifischen Situation von erwachsenen und minderjährigen weiblichen Sikhs in Afghanistan zur Kenntnis gebracht und ihnen eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme eingeräumt.

22. Am 04.04.2018 langte die Stellungnahme der BF vom 03.04.2018 ein, in der auf die prekäre Sicherheitslage in Afghanistan sowie die spezifischen Gefahren der Sikhs in Afghanistan hingewiesen wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Personen der BF 1 bis 5:

Die BF sind afghanische Staatsangehörige, gehören der Volksgruppe der Chopra an und bekennen sich zur Religion der Sikh. Ihre Muttersprache ist Punjabi. Alle BF sind gesund und befinden sich nicht in ärztlicher Behandlung. Die BF konnten ihre Geburtsurkunden und weitere diverse Unterlagen vorlegen.

Es konnte nicht festgestellt werden, ob die Familien der BF noch in Afghanistan leben.

Der BF 1, der Ehegatte, ist mit der BF 2 traditionell verheiratet. Es bestand vor der Einreise nach Österreich eine aufrechte Ehe des BF 1 und der BF 2. Der BF 1 und die BF 2 sind die leiblichen Eltern der BF 3, 4 und 5.

Der BF 1 stammt aus der Provinz Nangarhar, Stadt XXXX , Bezirk XXXX wo er bis zu seiner Ausreise mit seinen Eltern sowie seiner Kernfamilie zusammenlebte. Er hat keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern; der letzte Kontakt bestand zum Zeitpunkt der Flucht. Er verfügt über keine Schulbildung. Er spricht Punjabi, Dari und Paschtu. Zuletzt war der BF 1 Inhaber seines eigenen Textilgeschäfts. Der monatliche Verdienst lag zwischen 15.000 und 20.000 Afghani. Davon konnte er die gesamt Familie erhalten und nebenbei monatlich einen Betrag ersparen. Im Hinblick auf die Versorgungs- und Sicherheitslage von erwachsenen Sikhs wird festgestellt, dass sie Einschränkungen aufgrund der ethnischen Volksgruppenzugehörigkeit unterliegen, der BF aber bisher in XXXX leben und arbeiten konnte.

Die BF 2 stammt aus der Provinz Nangarhar, Stadt XXXX , Bezirk XXXX , wo sie bis zu ihrer Ausreise mit ihren Schwiegereltern sowie ihrer Kernfamilie zusammenlebte. Sie hat keinen Kontakt zu ihrer Familie. Sie verfügt über keinerlei Schulbildung. Sie spricht Punjabi und Dari. Die BF 2 ist Hausfrau. Sikh-Frauen können sich, im Vergleich zu muslimischen Frauen, nicht frei bzw. alleine in der Öffentlichkeit bewegen. Selbst bei Einhaltung der Bekleidungs- und Verhaltensregeln können sie Opfer von Übergriffen werden. Sie benötigen den Schutz eines Mannes. Die BF 2 ist aufgrund der ständigen Gefährdung in ihrer Bewegungsfreiheit äußerst eingeschränkt. Es wird festgestellt, dass eine Versorgung durch den BF 1 gewährleistet werden kann.

Die BF 3 ist die älteste minderjährige Tochter des BF 1 und der BF 2 und wurde in der Provinz Nangarhar, Stadt XXXX , Bezirk XXXX , geboren. Dort lebte sie mit ihren Eltern und Großeltern zusammen. Sie verließ im Alter von acht Jahren ihre Heimat. In Afghanistan besuchte sie keine Schule. In Österreich besucht sie nun seit September 2014 die Volksschule. Im Hinblick auf die ethnische Zugehörigkeit der minderjährigen Sikh-Mädchen wird zur Versorgungs- und Sicherheitslage festgestellt, dass eine Versorgung der BF 3 durch den BF 1 gewährleistet werden kann. In Bezug auf Entführungen und Vergewaltigungen kommt es zu einem erhöhten Risiko für Sikh-Mädchen im Vergleich zu muslimischen Mädchen. Es wird festgestellt, dass den Sikh-Mädchen ein Schulbesuch, zum einen in ihren Tempeln, zum anderen in einer staatlichen finanzierten Schule für Sikh-Kinder in Kabul, möglich ist. Die BF 3 könnte zwar weiterhin eine Schule besuchen, aber ist es ihr aufgrund der vorherrschenden Sicherheitslage und nicht gegebenen Bewegungsfreiheit für Sikh-Frauen und Sikh-Mädchen nicht möglich, den Weg zu einer Schule selbständig zurückzulegen. Es besteht die Möglichkeit, dass Sikh-Kinder von muslimischen Kindern beschimpft oder angetastet werden, wenn sie alleine auf der Straße unterwegs sind. Aufgrund der Berufstätigkeit des BF 1 ist es diesem nicht möglich, seine Kinder in die Schule zu bringen und von dort wieder abzuholen. Aufgrund der massiven Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Sikh-Frauen und Sikh-Mädchen ist der BF 3 eine Rückkehr nach Afghanistan nicht möglich und zumutbar.

Die BF 4 ist die mittlere minderjährige Tochter des BF 1 und der BF 2 und wurde ebenfalls in der Provinz Nangarhar, Stadt XXXX , Bezirk XXXX , geboren. Dort lebte sie mit ihren Eltern und Großeltern zusammen. Sie verließ im Alter von sechs Jahren ihre Heimat. In Afghanistan besuchte sie keine Schule. In Österreich besucht sie nun seit September 2014 die Volksschule. Im Hinblick auf die ethnische Zugehörigkeit der minderjährigen Sikh-Mädchen wird zur Versorgungs- und Sicherheitslage festgestellt, dass eine Versorgung der BF 4 durch den BF 1 gewährleistet werden kann. In Bezug auf Entführungen und Vergewaltigungen kommt es zu einem erhöhten Risiko für Sikh-Mädchen im Vergleich zu muslimischen Mädchen. Es wird festgestellt, dass den Sikh-Mädchen ein Schulbesuch, zum einen in ihren Tempeln, zum anderen in einer staatlichen finanzierten Schule für Sikh-Kinder in Kabul, möglich ist. Die BF 4 könnte zwar weiterhin eine Schule besuchen, aber ist es ihr aufgrund der vorherrschenden Sicherheitslage und nicht gegebenen Bewegungsfreiheit für Sikh-Frauen und Sikh-Mädchen nicht möglich, den Weg zu einer Schule selbständig zurückzulegen. Es besteht die Möglichkeit, dass Sikh-Kinder von muslimischen Kindern beschimpft oder angetastet werden, wenn sie alleine auf der Straße unterwegs sind. Aufgrund der Berufstätigkeit des BF 1 ist es diesem nicht möglich, seine Kinder in die Schule zu bringen und von dort wieder abzuholen. Aufgrund der massiven Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Sikh-Frauen und Sikh-Mädchen ist der BF 4 eine Rückkehr nach Afghanistan nicht möglich und zumutbar.

Die BF 5 wurde am 11.12.2015 in Österreich geboren und ist die jüngste minderjährige Tochter des BF 1 und der BF 2. Es fand zwar noch keine Sozialisierung der zweieinhalb Jährigen in Afghanistan statt, dennoch aber eine Sozialisierung in ihrem afghanischen Familienverband. Im Hinblick auf die ethnische Zugehörigkeit der minderjährigen Sikh-Mädchen wird zur Versorgungs- und Sicherheitslage festgestellt, dass eine Versorgung der BF 5 durch den BF 1 gewährleistet werden kann. In Bezug auf Entführungen und Vergewaltigungen kommt es zu einem erhöhten Risiko für Sikh-Mädchen im Vergleich zu muslimischen Mädchen. Es wird festgestellt, dass den Sikh-Mädchen ein Schulbesuch, zum einen in ihren Tempeln, zum anderen in einer staatlichen finanzierten Schule für Sikh-Kinder in Kabul, möglich ist. Die BF 5 könnte zwar bei Erreichen des schulpflichtigen Alters eine Schule besuchen, aber ist es ihr aufgrund der vorherrschenden Sicherheitslage und nicht gegebenen Bewegungsfreiheit für Sikh-Frauen und Sikh-Mädchen nicht möglich, den Weg zu einer Schule selbständig zurückzulegen. Es besteht die Möglichkeit, dass Sikh-Kinder von muslimischen Kindern beschimpft oder angetastet werden, wenn sie alleine auf der Straße unterwegs sind. Aufgrund der Berufstätigkeit des BF 1 ist es diesem nicht möglich, seine Kinder in die Schule zu bringen und von dort wieder abzuholen. Aufgrund der massiven Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Sikh-Frauen und Sikh-Mädchen ist der BF 5 eine Rückkehr nach Afghanistan nicht möglich und zumutbar.

Die BF befinden sich seit spätestens 17.02.2014 in Österreich. Sie sind illegal in das Bundesgebiet eingereist.

Die BF sind unbescholten. Die BF 1 und 2 haben in Österreich einen Deutschkurs besucht. Die BF 1 und 2 gehen in Österreich keiner Arbeit nach und verfügen auch nicht über eine Einstellungszusage. Die BF haben in Österreich vor allem Kontakt zu anderen Sikhs. Der Schwager des BF 1 lebt mit seiner Familie in Österreich. Ein besonders enger Kontakt konnte nicht festgestellt werden.

Die BF sind in ihrem Herkunftsstaat nicht vorbestraft, bzw. sind die BF 3, 4 und 5 noch nicht strafmündig. Der BF 1 und die BF 2 haben sich im Herkunftsstaat nicht politisch betätigt, waren nicht Mitglied einer politischen Partei oder Bewegung und hatten keine Probleme mit den Behörden im Herkunftsstaat.

Nach konkreter Auseinandersetzung mit der in Kabul herrschenden Rückkehrsituation, unter besonderer Berücksichtigung der vorherrschenden Sicherheitslage und Bewegungsfreiheit wird festgestellt, dass es Frauen und Mädchen aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Sikh nicht möglich ist, sich alleine in der Öffentlichkeit zu bewegen wie es andere Frauen in Afghanistan tun, da sie angefasst und beschimpft werden können. Sie haben männlichen Schutz zwingend nötig. Aufgrund der anzunehmenden Berufstätigkeit des BF 1 ist es der BF 2 als Frau nicht möglich, ihre Töchter, die BF 3 bis 5, alleine zur Schule zu bringen oder sich sonst ohne Gefahr vor Übergriffen - im Vergleich zu anderen muslimischen Frauen - frei zu bewegen. Auch den Töchtern ist ein alleiniges Bewegen in der Öffentlichkeit, selbst im Beisein der Mutter, nicht möglich.

Soweit im Übrigen in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Name, Geburtsdatum und Geburtsort) getroffen wurden, beruhen diese auf den vom Sachverständigen festgestellten Angaben und auf den glaubwürdigen Angaben und vorgelegten Beweismitteln, wie etwa der österr. Geburtsurkunde der BF 5. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Personen der BF im Asylverfahren.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden zugrunde gelegt:

a) nachstehende Länderberichte über die Lage/Sicherheitslage in Afghanistan, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Wien am 02.03.2017, (letzte Kurzinformation eingefügt am 30.01.2018) - (auszugsweise werden nur die für die Personen der BF relevanten Stellen angeführt)

"Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 30.01.2018: Angriffe in Kabul (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Landesweit haben in den letzten Monaten Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (The Guardian; vgl. BBC 29.1.2018). Die Gewalt Aufständischer gegen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen hat in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (Asia Pacific 30.1.2018).

Im Stadtzentrum und im Diplomatenviertel wurden Dutzende Hindernisse, Kontrollpunkte und Sicherheitskameras errichtet. Lastwagen, die nach Kabul fahren, werden von Sicherheitskräften, Spürhunden und weiteren Scannern kontrolliert, um sicherzustellen, dass keine Sprengstoffe, Raketen oder Sprengstoffwesten transportiert werden. Die zeitaufwändigen Kontrollen führen zu langen Wartezeiten; sollten die korrekten Papiere nicht mitgeführt werden, so werden sie zum Umkehren gezwungen. Ebenso werden die Passagiere in Autos von der Polizei kontrolliert (Asia Pacific 30.1.2018).

Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie 29.1.2019

Am Montag den 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

Quellen zufolge operiert der IS in den Bergen der östlichen Provinz Nangarhar (The Guardian 29.1.2018); die Provinzhauptstadt Jalalabad wird als eine Festung des IS erachtet, dessen Kämpfer seit 2015 dort aktiv sind (BBC 24.1.2018). Nachdem der IS in Ostafghanistan unter anhaltenden militärischen Druck gekommen war, hatte dieser immer mehr Angriffe in den Städten für sich beansprucht. Nationale und Internationale Expert/innen sehen die Angriffe in den Städten als Überlappung zwischen dem IS und dem Haqqani-Netzwerk (einem extremen Arm der Taliban) (NYT 28.1.2018).

Angriff im Regierungs- und Diplomatenviertel in Kabul am 27.1.2018

Bei einem der schwersten Angriffe der letzten Monate tötete am Samstag den 27.1.2018 ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 28.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (The Guardian 27.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Der Vorfall ereignete sich im Regierungs- und Diplomatenviertel und wird als einer der schwersten seit dem Angriff vom Mai 2017 betrachtet, bei dem eine Bombe in der Nähe der deutschen Botschaft explodiert war und 150 Menschen getötet hatte (Reuters 28.1.2018).

Die Taliban verlautbarten in einer Aussendung, der jüngste Angriff sei eine Nachricht an den US-amerikanischen Präsidenten, der im letzten Jahr mehr Truppen nach Afghanistan entsendete und Luftangriffe sowie andere Hilfestellungen an die afghanischen Sicherheitskräfte verstärkte (Reuters 28.1.2018).

Angriff auf die NGO Save the Children am 24.1.2018

Am Morgen des 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden dabei getötet und zwölf weitere verletzt. Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich 50 Mitarbeiter/innen im Gebäude. Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018).

Der jüngste Angriff auf eine ausländische Hilfseinrichtung in Afghanistan unterstreicht die wachsende Gefahr, denen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in Afghanistan ausgesetzt sind (The Guardian 24.1.2018).

Das Gelände der NGO Save the Children befindet sich in jener Gegend von Jalalabad, in der sich auch andere Hilfsorganisationen sowie Regierungsgebäude befinden (BBC 24.1.2018). In einer Aussendung des IS werden die Autobombe und drei weitere Angriffe auf Institutionen der britischen, schwedischen und afghanischen Regierungen (Reuters 24.1.2018).

Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul am 20.1.2018

Der Angriff bewaffneter Männer auf das Luxushotel Intercontinental in Kabul, wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018).Fünf bewaffnete Männer mit Sprengstoffwesten hatten sich Zutritt zu dem Hotel verschafft (DW 21.1.2018). Die exakte Opferzahl ist unklar. Einem Regierungssprecher zufolge sollen 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet worden sein. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden(BBC 21.1.2018). Alle Fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

The Guardian (22.1.2018)

Wie die Angreifer die Sicherheitsvorkehrungen durchbrechen konnten, ist Teil von Untersuchungen. Erst seit zwei Wochen ist eine private Firma für die Sicherheit des Hotels verantwortlich. Das Intercontinental in Kabul ist trotz des Namens nicht Teil der weltweiten Hotelkette, sondern im Besitz der afghanischen Regierung. In diesem Hotel werden oftmals Hochzeiten, Konferenzen und politische Zusammentreffen abgehalten (BBC 21.1.2018). Zum Zeitpunkt des Angriffes war eine IT-Konferenz im Gange, an der mehr als 100 IT-Manager und Ingenieure teilgenommen hatten (Reuters 20.1.2018; vgl. NYT 21.1.2018).

Insgesamt handelte es sich um den zweiten Angriff auf das Hotel in den letzten acht Jahren (NYT 21.1.2018). Zu dem Angriff im Jahr 2011 hatten sich ebenso die Taliban bekannt (Reuters 20.1.2018).

Unter den Opfern waren ausländische Mitarbeiter/innen der afghanischen Fluggesellschaft Kam Air, u.a. aus Kirgisistan, Griechenland (DW 21.1.2018), der Ukraine und Venezuela. Die Fluglinie verbindet jene Gegenden Afghanistans, die auf dem Straßenweg schwer erreichbar sind (NYT 29.1.2018).

Quellen:

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Asia Pacific (30.1.2018): Taliban and IS create perfect storm of bloodshed in Kabul,

https://www.channelnewsasia.com/news/asiapacific/taliban-and-is-create-perfect-storm-of-bloodshed-in-kabul-9909494, Zugriff 30.1.2018

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BBC (29.1.2018): Kabul military base hit by explosions and gunfire, http://www.bbc.com/news/world-asia-42855374, Zugriff 29.1.2018

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BBC (24.1.2018): Save the Children offices attacked in Jalalabad, Afghanistan, http://www.bbc.com/news/world-asia-42800271, Zugriff 29.1.2018

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BBC (21.1.2018): Kabul: Afghan forces end Intercontinental Hotel siege, http://www.bbc.com/news/world-asia-42763517, Zugriff 29.1.2018

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DW - Deutsche Welle (21.1.2018): Taliban militants claim responsibility for attack on Kabul hotel, http://www.dw.com/en/taliban-militants-claim-responsibility-for-attack-on-kabul-hotel/a-42238097, Zugriff 29.1.2018

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NYT - The New York Times (28.1.2018): Attack Near Kabul Military Academy Kills 11 Afghan Soldiers, https://www.nytimes.com/2018/01/28/world/asia/kabul-attack-afghanistan.html, Zugriff 29.1.2018

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NYT - The New York Times (21.1.2018): Siege at Kabul Hotel Caps a Violent 24 Hours in Afghanistan,

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Reuters (28.1.2018): Shock gives way to despair in Kabul after ambulance bomb,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast/shock-gives-way-to-despair-in-kabul-after-ambulance-bomb-idUSKBN1FG086, Zugriff 29.1.2018

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Reuters (24.1.2018): Islamic State claims attack on Jalalabad in Afghanistan,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast-claim/islamic-state-claims-attack-on-jalalabad-in-afghanistan-idUSKBN1FD1HC, Zugriff 29.1.2018

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Reuters (20.1.2018): Heavy casualties after overnight battle at Kabul hotel,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attacks/heavy-casualties-after-overnight-battle-at-kabul-hotel-idUSKBN1F90W9, Zugriff 29.1.2018

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The Guardian (29.1.2018): Afghanistan: gunmen attack army post at Kabul military academy,

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/29/explosions-kabul-military-academy-afghanistan, Zugriff 29.1.2018

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The Guardian (28.1.2018): 'We have no security': Kabul reels from deadly ambulance bombing,

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/28/afghanistan-kabul-reels-bomb-attack-ambulance, Zugriff 29.1.2018

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The Guardian (27.1.2018): Kabul: bomb hidden in ambulance kills dozens,

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/27/scores-of-people-wounded-and-several-killed-in-kabul-blast, Zugriff 29.1.2018

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The Guardian (24.1.2018): Isis claims attack on Save the Children office in Afghanistan,

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/24/explosion-attack-save-the-children-office-jalalabad-afghanistan, Zugriff 29.1.2018

KI vom 21.12.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).

(Grafik: Staatendokumentation gemäß Daten aus INSO o.D.)

Zivilist/innen

Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017).Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren - führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer - speziell in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).

Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).

High-profile Angriffe:

Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)

Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).

Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).

Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).

Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)

Interreligiöse Angriffe

Serienartige gewalttätige Angriffe gegen religiöse Ziele, veranlassten die afghanische Regierung neue Maßnahmen zu ergreifen, um Anbetungsorte zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempeln vor Angriffen zu schützen (UN GASC 20.12.2017).

Seit 1.1.2016 wurden im Rahmen von Angriffen gegen Moscheen, Tempel und andere Anbetungsorte 737 zivile Opfer verzeichnet (242 Tote und 495 Verletzte); der Großteil von ihnen waren schiitische Muslime, die im Rahmen von Selbstmordattentaten getötet oder verletzt wurden. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017).

Im Jahr 2016 und 2017 registrierte die UN Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Seit 1.1.2016 wurden 27 gezielte Tötungen religiöser Personen registriert, wodurch 51 zivile Opfer zu beklagen waren (28 Tote und 23 Verletzte); der Großteil dieser Vorfälle wurde im Jahr 2017 verzeichnet und konnten großteils den Taliban zugeschrieben werden. Religiösen Führern ist es möglich, öffentliche Standpunkte durch ihre Predigten zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Informationen zur Stärke der ANDSF und ihrer Opferzahlen werden von den US-amerikanischen Kräften in Afghanistan (USFOR-A) geheim gehalten; im Bericht des US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR) werden Schätzungen angegeben:

Die Stärke der ANDSF ist in diesem Quartal zurückgegangen; laut USFOR-A Betrug die Stärke der ANDSF mit Stand August 2017 etwa 320.000 Mann - dies deutet einen Rückgang von 9.000 Mann gegenüber dem vorhergehenden Quartal an. Dennoch erhöhte sich der Wert um

3.500 Mann gegenüber dem Vorjahr (SIGAR 30.10.2017). Die Schwundquote der afghanischen Nationalpolizei war nach wie vor ein großes Anliegen; die Polizei litt unter hohen Opferzahlen (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen eines Memorandum of Understanding (MoU) zwischen dem afghanischen Verteidigungs- und Innenministerium wurde die afghanische Grenzpolizei (Afghan Border Police) und die afghanische Polizei für zivile Ordnung (Afghan National Civil Order Police) dem Verteidigungsministerium übertragen (UN GASC 20.12.2017). Um sogenanntem "Geisterpersonal" vorzubeugen, werden seit 1.1.2017 Gehälter nur noch an jenes Personal im Innen- und Verteidigungsministerium ausbezahlt, welches ordnungsgemäß registriert wurde (SIGAR 30.10.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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