TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/18 W171 2122609-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.06.2018
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Entscheidungsdatum

18.06.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W171 2122609-1/9E

W171 2122608-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Russische Föderation, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.02.2016, 1.) Zl. XXXX , 2.) Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.05.2018, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden werden gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2), sind ein Ehepaar, Staatsangehörige der Russischen Föderation und gehören der tschetschenischen Volksgruppe an.

Die BF reisten illegal nach Österreich ein und stellten am 17.10.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 18.10.2014 gab der BF1 zu seinen Fluchtgründen an, dass er im Mai 2014 eine Ladung von den tschetschenischen Behörden bekommen habe. Darin sei er aufgefordert worden, zur Polizeistation zu kommen, sie würden ihn danach in die Ukraine schicken. Er habe das nicht getan, weil er erfahren habe, dass die Leute in der Ukraine getötet würden. Einige Monate später seien uniformierte Männer gekommen und hätten ihn mitnehmen wollen, seine Mutter und Schwester hätten dies aber verhindert.

Die BF2 gab in ihrer Erstbefragung an, dass ihr Mann in der Ukraine für die russische Regierung kämpfen sollte. Er wolle das nicht und habe deshalb Tschetschenien verlassen, sie sei ihm gefolgt.

1.2. Am 11.01.2016 wurden der BF1 und die BF2 durch das Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Der BF1 gab dabei zu seinen Fluchtgründen an, dass er im Mai 2014 eine Ladung erhalten habe, dass er in die Ukraine geschickt werden solle, um dort zu kämpfen. Er habe der Ladung nicht Folge geleistet. Zwei oder drei Wochen später seien uniformierte Männer zu ihm nach Hause gekommen, hätten ihn gefragt, weshalb er nicht gekommen sei, und hätten ihn mitnehmen wollen. Seine Eltern hätten dann Lärm gemacht und sie wären ohne ihn wieder davongefahren. Zwei oder drei Wochen später seien maskierte Männer gekommen und hätten versucht ihn in ein Auto zu zerren. Seine Eltern seien wieder eingeschritten. Als sie ihn ins Auto verfrachten wollten, habe sich seine Frau auf ihn gestützt, einem der Männer ins Gesicht gespuckt und sei weggestoßen worden. Sie sei mit dem Kopf aufgeschlagen und habe das Bewusstsein verloren. Dann seien die Nachbarn hinzugekommen. Die Männer seien daraufhin weggefahren. Da seine Frau das Bewusstsein nicht wiedererlangt habe, seien sie ins Krankenhaus gefahren, wo eine Gehirnerschütterung festgestellt worden sei. Sie hätten am Dorfrand gelebt, bewaffnete Kämpfer seien in der Nacht zu ihnen gekommen und hätten bei ihnen gegessen. Die "Anderen" hätten gewusst, dass diese Leute zu ihnen kommen würden. Sie seien als Volksfeinde angesehen worden. Ihm seien alle seine Dokumente abgenommen worden, auch der Auslandspass. Wenn die "Gegner" gewusst hätten, dass sie wegfahren wollten, hätten sie das sicher verhindert. Der Bruder seiner Mutter arbeite bei der Polizei. Er habe ihnen bei der Ausreise geholfen. Sein Onkel habe ihm den Pass besorgt. Dies habe drei oder vier Wochen gedauert.

Die Vorladung stamme vom Kommando XXXX und sei von einer Frau persönlich seiner Mutter im Geschäft der Familie übergeben worden. Er könne die Ladung nicht vorlegen. Sie sei zuhause. Sie habe kein Datum enthalten. Er solle einfach dringend vorstellig werden. Er habe der Ladung nicht Folge geleistet und sei weiter zur Arbeit gegangen. Er sei Sportlehrer in einer staatlichen Schule gewesen. Drei Wochen nach Erhalt der Ladung seien sieben oder acht Personen mit einem Bus zu seinem Haus gekommen. Sie hätten Polizeiuniformen getragen. Sein Onkel habe von der Ladung gewusst. Er habe gesagt, dass er in die Ukraine geschickt werden solle. Auf die Frage, weshalb er als Lehrer für die russischen Operationen in der Ukraine einen Beitrag leisten solle, gab er an, dass der Sinn daran liege, dass sie Rebellen versorgt hätten und die Behörden ihn wahrscheinlich vorgeladen hätten, um mehr dazu zu erfahren. Nachgefragt, ob er nicht die Rekrutierung, sondern die Inhaftierung aufgrund Unterstützung der Rebellen fürchte, antwortete er: "Genau! Das andere wäre ja verrückt!"

Beim ersten Vorfall seien die Leute einfach in ihr Haus gekommen. Einer der Männer habe mit ihm gesprochen und ihn aufgefordert, mitzukommen. Fünf Personen seien in sein Haus gekommen Alle seien mit Maschinegewehren bewaffnet gewesen. Er habe sich geweigert, worauf sie gesagt hätten, dass er gezwungen werde, wenn er nicht mitkomme. In der Ladung sei nichts von der Ukraine gestanden. Ein Verwandter habe davon gewusst. Auf Nachfrage gab er an, dass es sich um den Onkel bei der Polizei handle. Er habe ihn nach Erhalt der Ladung angerufen. Seine Eltern hätten nicht zugelassen, dass er mitgenommen werde. Seine Schwester habe geweint und seine Mutter habe sich vor ihn gestellt. Seine Frau sei nicht zuhause gewesen.

Der zweite Vorfall habe sich zwei oder drei Wochen später ereignet, es sei Abend gewesen. Seine Eltern, zwei Schwestern und seine Ehefrau seien daheim gewesen. Die acht oder zehn Männer seien maskiert und bewaffnet gewesen, davon seien drei ins Haus gekommen. Sie seien ruhig ins Haus gekommen und hätten gesagt, dass sie ihn mitnehmen würden. Seine Eltern und die Nachbarn hätten großes Aufsehen gemacht. Er sei mitgenommen worden und sie hätten versucht ihn ins Auto zu setzen. Seine Eltern seien vor dem Auto gestanden und hätten die Leute aufhalten wollen. Dann sei seine Frau gekommen und niedergestoßen worden. Die Nachbarn hätten auch Widerstand geleistet und geschrien. Wie viele Nachbarn es gewesen seien, könne er nicht angeben. Es habe sich um eine Familie aus dem Haus gehandelt. Seine Frau sei bewusstlos geworden und einige Minuten später zu sich gekommen. Er sei dann mit dem Auto seines Vaters, in Begleitung seiner Eltern mit seiner Frau ins Krankenhaus gefahren.

Er wisse nicht, wer von den Geschehnissen mit den Rebellen gewusst habe. Er könne auch nicht angeben, wie oft und in welchem Zeitraum diese gekommen seien. Auf Nachfrage gab er 2010 und vielleicht 2013 an. Das letzte Mal sei 2013 gewesen, 2014 sei sicher niemand gekommen. Auf die Frage, was die Versorgung von Rebellen im Jahr 2013 mit der Ladung zu tun haben solle, antwortete er, dass er es nicht wisse. Die Leute die gekommen seien, hätten jetzt auch Probleme. Manche seien im Gefängnis oder in die Ukraine geschickt worden. Auf die Frage, weshalb Gegner des Regimes für Kadyrov in der Ukraine kämpfen sollten, antwortete er, dass der Sinn sei, dass er getötet werden könnte und sie sich so seiner entledigen könnten. Als die Rebellen bei ihnen gewesen seien, sei er noch nicht verheiratet gewesen.

Sein Bruder habe keine Ladung erhalten, aber ihm sei gesagt worden, sie würden auch einen Grund finden, ihn zu bestrafen. Dies sei im Oktober gewesen. Er habe es von seiner Mutter erfahren.

Die BF2 gab in ihrer Einvernahme an, an einer psychischen Erkrankung zu leiden und in psychiatrischer Behandlung zu sein. Sie sei seit einem Jahr in Behandlung und nehme mehrmals täglich Medikamente.

Ihr Auslandspass sei ihr in Polen abgenommen worden. Diesen habe der Onkel ihres Mannes besorgt. Dies habe eine Woche gedauert.

Sie selbst habe keine Fluchtgründe. Ihr Ehemann sollte in der Ukraine kämpfen, das hätten sie nicht gewollt. Deshalb sei er bedroht worden. Mehr könne sie nicht angeben.

Es habe zwei Vorfälle gegeben. Einmal sei sie nicht zuhause gewesen. Wann der zweite Vorfall gewesen sei, könne sie nicht angeben. Sie sei von der Küche in den Wohnbereich des Hauses gelaufen. Die Mutter ihres Mannes habe geschrien und die Nachbarn seien gekommen. Dies habe sich alles im Haus zugetragen. Einige "Gegner" seien noch im Freien gestanden. Die Nachbarn seien im Haus gewesen. Mehrere Nachbarsfamilien seien gekommen. Man habe ihren Mann mitnehmen wollen und sie hätten sich dazwischengeworfen. Sie habe einem Mann ins Gesicht gespuckt und ihn beschimpft. Dieser habe sie gestoßen. Sie sei mit dem Kopf gegen die Wand neben der Eingangstür unter dem Balkon gestoßen. Das Fahrzeug der Männer habe sie nicht gesehen. Sie habe das Bewusstsein verloren und sei erst im Auto auf dem Weg ins Krankenhaus wieder aufgewacht. Im Krankenhaus sei eine Venenverengung festgestellt worden.

Auf Nachfrage gab sie an, dass es noch Kämpfer im Wald gegeben habe. Deshalb habe man sie auch belästigt. Sie hätten die Rebellen oft verpflegt. Vor allem im Sommer. Im letzten Jahr als sie mit ihrem Mann zusammengelebt habe, seien sie einige Male gekommen. Wann der letzte Besuch gewesen sie könne sie nicht angeben.

Die BF2 legte im Zuge des Verfahrens eine Reihe medizinischer Unterlagen vor, aus dem die Diagnosen posttraumatische Belastungsstörung, dissoziative Anfälle, Depression sowie Blasenentzündung hervorgehen.

1.3. Mit Bescheiden des BFA vom 08.02.2016 wurden die Anträge auf internationalen Schutz der BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Anträge bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 55 und 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage gemäß § 55 Abs. 1 - 3 FPG zwei Wochen (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Angaben des BF1 widersprüchlich und unplausibel gewesen seien und in wesentlichen Punkten den Angaben der BF2 widersprechen würden.

1.4. Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, worin zunächst vorgebracht wurde, dass die BF2 mehrere Befunde vorgelegt habe, die im Bescheid nicht aufgelistet worden seien. Auch sei aktenwidrig behauptet worden, dass die BF2 angegeben habe, gesund zu sein. Sie leide an einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung mit dissoziativen Anfällen, Depressionen, einer Angststörung sowie psychisch bedingten starken Kopfschmerzen. In mehreren Befunden werde die Möglichkeit einer Abschiebung aus ärztlicher Sicht ausgeschlossen. Die BF2 sei aufgrund der Medikamenteneinnahme nicht im Besitz ihrer vollen psychischen Leistungsfähigkeit. Im Beschwerdegespräch habe sie angegeben, in der Einvernahme nicht alles gesagt zu haben, was ihr in Tschetschenien widerfahren sei, da sie nicht vor fremden Leuten über diese traumatischen Erlebnisse sprechen könne. Es werde daher beantragt, die Einvernahme eventuell unter Zuziehung einer Psychotherapeutin, mit Hilfe einer weiblichen Dolmetscherin zu wiederholen. Die Einvernahmefähigkeit sei fachärztliche abzuklären. Die medizinische Versorgung für psychische Erkrankungen in Tschetschenien sei mangelhaft. Die BF2 brauche psychiatrische Behandlung, um nicht die Gefahr einer Verschlechterung ihres Zustandes und einer Gefährdung ihrer nach Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte einzugehen.

Der Behörde wurde eine mangelhafte Beweiswürdigung vorgeworfen und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Auf einzelne Punkte der Beweiswürdigung wurde näher eingegangen. Nach der Flucht der BF sei auch der Bruder des BF1 festgenommen worden. Einen Monat später seien auch die Eltern festgenommen worden. Die Familie sei wieder freigelassen worden. Der Bruder sei gedrängt worden, ein Schreiben zu unterzeichnen, das den Nachbarn des Bruders der Zusammenarbeit mit den Rebellen bezichtige. Der Bruder sie allerdings nach Frankreich geflüchtet. Über die Festnahmen in der Nachbarschaft des BF1 sei ein Bericht im Fernsehen erschienen, der auf dem beiliegenden USB-Stick zu sehen sei.

Es wurde ein Bericht zur Verfolgung und Verhaftung in Tschetschenien wegen angeblicher Unterstützung der Rebellen zitiert. Den BF drohe eine Verletzung ihrer Grundrechte, da sie bereits aufgrund ihrer Asylantragstellung in Österreich um ihr Leben fürchten müssten.

Der Beschwerde lagen ein Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe zum Gesundheitswesen und der Behandlung von psychischen Erkrankungen in Tschetschenien sowie mehrere, bereits vorgelegte Befunde betreffend die BF2 bei.

1.5. Aus einem seitens des Bundesverwaltungsgerichtes in Auftrag gegebenem psychiatrisch-neurologischen Gutachten vom 03.03.2018 geht zusammenfassend hervor, dass bei der BF2 aus psychiatrischer Sicht ein chronifiziertes depressives Syndrom im Sinne einer depressiven Episode mit somatischem Syndrom (ICD-10: F32.01) vorliege. Hierbei handle es sich um einen chronischen depressiven Verstimmungszustand, der sich durch depressive Stimmungslage, leichtgradige Antriebmilderung, Tagesrhythmusstörungen, vegetative Symptomatik und Ein- und Durchschlafstörungen äußere. Neurologische Untersuchungen hätten keinen organischen Befund für die chronisch bestehende Kopfschmerzsymptomatik ergeben. Es sei von einem Spannungskopfschmerz auszugehen. Hinweise auf eine posttraumatische Belastungsstörung, wie in Vorbefunden als Verdachtsdiagnose angeführt, hätten sich zum nunmehrigen Untersuchungszeitpunkt nicht gefunden. Es sei keine psychische Erkrankung in einem Ausmaß fassbar, die die BF2 daran hindern würde, an einer Beschwerdeverhandlung teilzunehmen. Die geistige Leistungsfähigkeit sei nicht dermaßen beeinträchtigt, dass dadurch die Einvernahmefähigkeit eingeschränkt wäre. In Hinblick auf die Fragestellung der Folgen einer Abschiebung werde ausgeführt, dass eine solche entgegen den Wünschen und Zielen der BF2 stünde und eine neuerliche Belastung darstellen würde, die zu einer Verschlechterung des depressiven Syndroms beitragen könnte. Betreffend die Einvernahmefähigkeit am 08.01.2016 seien keine Hinweise für eine psychische Erkrankung, die die Einvernahmefähigkeit grundlegend beeinträchtigt hätte, fassbar. Aus psychiatrischer Sicht sei von einer ausreichenden Einvernahmefähigkeit auszugehen.

1.5. Am 22.04.2016 wurde ein Dokument in russischer Sprache in Kopie übermittelt. Eine Übersetzung ergab, dass es sich dabei um eine Vorladung des BF1 handelt. Dieser sollte am 28.05.2014 beim lokalen Wehrkommando erscheinen.

1.6. In einer vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.05.2018 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme des BF1 und der BF2, Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und durch Einsicht in den Akt des Bundesverwaltungsgerichts.

Der BF1 gab an, er habe in Österreich bereits zwei Basis-Deutschkurse besucht und legte diesbezüglich zwei Bescheinigung vor. Derzeit besuche er einen Vorbereitungskurs für die Niveaustufe A1 in Baden.

In Österreich lebe seine Schwägerin, deren Ehemann und Kinder. Sonst habe er keine Verwandtschaftsbeziehungen hier. Er habe in Österreich noch nicht gearbeitet, sei nicht Mitglied eines Clubs und habe keine karitativen Tätigkeiten ausgeführt.

Es wurde festgehalten, dass der BF1 einfache Sätze in Deutsch gut verständlich sagen konnte, eine Verständigung im engeren Sinne war auf Deutsch noch nicht möglich.

In Tschetschenien lebten noch seine Eltern und zwei Schwerstern, Cousins und Cousinen. Sein Bruder lebe in Frankreich. Er stehe mit seinen Eltern über Skype und WhatsApp in Kontakt. Seine Eltern lebten in einem eigenen Haus und bezögen Pension.

Auf den Vorhalt, dass er in der Einvernahme vom 08.01.2016 bestätigt habe, dass er davor Angst habe, sowohl aufgrund der Unterstützung der Rebellen inhaftiert als auch für den Krieg in der Ukraine zwangsrekrutiert zu werden, gab er an, dass dies für ihn keine unterschiedlichen Dinge seien. Er sehe das als Ganzes.

Es sei so, dass normalerweise Personen mit etwa 18 Jahren Vorladungen dieser Art erhalten würden. Er sei damals schon ca. 24 Jahre alt und wäre auch normal als Lehrer vom Militärdienst befreit gewesen. Er gehe davon aus, dass die Ladung zum Wehrdienst in Wahrheit keine solche gewesen sei. Ein Freund habe eine ebensolche Vorladung erhalten und sei in weiterer Folge in der Ukraine gestorben. Er könne nicht sagen, ob sich dieser Freund "zuvor etwas zu Schulden kommen lassen hat".

Auf Vorhalt, dass er in der Einvernahme angegeben habe, dass auf der Vorladung kein konkretes Datum gestanden sei, antwortete er:

"Ja, es ist so, da stand kein Datum drauf. Ich sollte Unterlagen mithaben und in Klammer stand als Erklärung etwa den Passport."

Auf den Vorhalt, dass auf der von ihm selbst übersandten Vorladung als Termin konkret der 28.05.2014 um 10.00 Uhr genannt ist, gab er zu diesem Widerspruch an, dies sei richtig, er sei für den 28. Mai geladen gewesen. Er habe "andere Gedanken" gehabt und das falsch verstanden.

Auf die Frage, weshalb die Serie 06110 Nummer nicht weiter ausgefüllt worden sei (rechts oben in der Ladung) gab er an, dass dies dann bei seiner Einvernahme fertig ausgefüllt worden wäre.

Mit der anwesenden Rechtsvertreterin wurde erörtert, dass sich im Rahmen der Beschwerdeschrift ersehen ließ, dass es offenbar einen USB-Stick mit relevantem Material geben könnte. Es wurde mitgeteilt, dass sich im gesamten Akt des BF1 kein Hinweis darauf findet, dass ein USB-Stick vorgelegt worden wäre. Der BF1 gab dazu an, dass er einen derartigen USB-Stick einer Vertreterin der Diakonie übergeben habe. Auf diesem USB-Stick befänden sich persönliche Fotos. Dann befände sich darauf noch ein Video mit seiner Familie und seinem Bruder. Am Video sei zu sehen, dass sein Bruder festgenommen worden sei. Das sei nach seiner Ausreise aus Tschetschenien gewesen. Dann gebe es noch eine Sequenz, in der Kadyrov verschiedene junge Männer als Rebellen bezeichne. Darunter befände sich auch sein Bruder.

Er sei nach Erhalt der Ladung weiter arbeiten gegangen. Er sei sicher gewesen, dass die Ladung nicht korrekt gewesen sei, weil er nicht mehr 18 Jahre alt gewesen sei und als Lehrer nicht zum Wehrdienst verpflichtet werde. Weiters habe er einen Onkel, welcher bei der Polizei arbeite, der ihm gesagt habe, er solle dieser Ladung nicht Folge leisten. Er habe außerdem seine Arbeit nicht verlieren wollen. Er habe damals gewartet, dass sein Onkel herausfinde, worum es sich dabei handeln könnte. Sein Onkel habe zunächst nichts Konkretes mitteilen können. Als er dann jedoch von den Militärangehörigen besucht worden sei, habe er ihm nur gesagt, sie müssten etwas unternehmen. Zirka 3 Wochen nach der Vorladung seien dann die Personen vom Militär gekommen und da habe sein Onkel gemeint, es stehe im Zusammenhang mit der Vorladung.

Auf Nachfrage, gab er an, nie daran gedacht zu haben über den Direktor der Schule intervenieren zu lassen, indem dieser bestätige, dass er als Lehrer tätig sei und daher nicht eingezogen werden könne. Er habe zuerst die Information seines Onkels abwarten und dann derartige Schritte unternehmen wollen.

Er habe etwa im Mai 2014 die Vorladung erhalten. Etwa 2-3 Wochen nach Erhalt der Vorladung seien dann etwa 7-8 Polizisten zu ihm gekommen. Ihr Grundstück habe eine Mauer mit einem Tor, das meist nicht verschlossen sei. Wenn man durch dieses Tor gehe, komme man in einen Vorhof und im Hintergrund sei dann das Haus. Die Polizisten seien ohne zu klopfen durch die Eingangstüre in den Vorhof gekommen. Ins Haus sei keiner mehr gekommen, es habe sich das Ganze im Hof abgespielt. Die Männer hätten gerufen und seine Eltern und er seien in den Hof hinaus. Seine Schwester sei auch anwesend gewesen. Ob sie jedoch hinausgekommen sei oder nicht, könne ich nicht sagen. Die Männer hätten ihn gefragt, warum er nicht zur Vorladung erschienen sei und ihm mitgeteilt, dass er mit seinen Dokumenten nun mitkommen müsse. Als Erste habe seine Mutter begonnen mit den Polizisten zu reden und ihnen zu erklären, dass er Lehrer und auch schon zu alt sei. Ein Polizist habe gesagt, dass es eine Ladung gegeben habe und dass er jetzt mitkommen müsse. Seine Mutter habe dann aus Aufregung laut geschrien und die Nachbarn seien aufmerksam geworden. Sie seien dann in den Hof gekommen. Er habe in Erinnerung, dass konkret 5-7 Nachbarn dagewesen seien. Es seien aber sicher mehr gewesen. Die Polizisten seien alle mit einer Kalaschnikow bewaffnet gewesen. Sie hätten keine Anstalten gemacht, die Waffe zu gebrauchen. Der Polizist habe dann gemeint, dass er beim nächsten Mal jedenfalls gewaltsam mitgenommen werden würde. Danach seien die Polzisten weggefahren.

Der zweite Vorfall habe sich ca. 2-3 Wochen nach dem ersten Vorfall ereignet. Er sei in der Zwischenzeit nicht mehr in die Schule gegangen und habe ihm sein Onkel den Grund für die Verfolgung mitgeteilt. Die etwa 10 Personen seien in der Dämmerung gekommen und zwei der Männer hätten ihn aus der Küche herausgezerrt. Sie seien maskiert und mit einer Kalaschnikow bewaffnet gewesen. Seine Mutter oder seine Schwester habe im Zuge dieses Vorfalls seinen Pass an die Männer weitergegeben. Er habe laut geschrien und habe auch Widerstand geleistet. Sie hätten ihn dann durch den Vorhof vor die Eingangstüre gebracht und wollten ihn in den dort wartenden Bus hineindrücken. Dabei sei seine Frau gekommen und habe einem der Männer ins Gesicht gespuckt. Dieser habe sie dann so stark gestoßen, dass sie mit dem Kopf auf einen Stein gefallen sei. Es sei Panik ausgebrochen, da sich seine Frau nicht bewegt habe. Einige hereilende Frauen hätten geschrien und geschrien, dass seine Frau jetzt tot sei. In dieser allgemeinen Panik hätten dann sein Vater und seine Mutter an ihm gezerrt und die Männer dürften entweder ausgelassen oder nicht so darauf geachtet haben, sodass ihn sein Vater und seine Mutter zurückziehen konnten. Die Männer seien dann nicht sofort, aber doch zeitnahe ins Auto gestiegen und weggefahren.

Er habe die Rebellen nachts unterstützt. Es gebe keine Personen, die das wissen bzw. beobachtet haben könnten. Er gehe daher davon aus, dass einer der Kämpfer ihn verraten haben müsse. Es seien bewaffnete Rebellen gewesen, die etwa 2-3 Mal pro Monat zu ihnen gekommen seien, um Lebensmittel zu erhalten. Das letzte Mal seien sie glaublich im Februar 2013 gekommen. Er sei sicher, dass ihre Nachbarn davon nichts gewusst hätten. Die nächtlichen Besuche der Rebellen seien ca. über 2-3 Jahre gegangen. Es werde nach ihm und seinem Bruder gefragt und sein Vater habe wegen ihm seinen Job verloren. Sonst habe er keine Probleme. Sein Bruder sei etwa ein Jahr nach seiner Ausreise verhaftet worden.

Der Rechtsvertreterin wurde die Anfragebeantwortung des BVwG vom 27.06.2017 hinsichtlich einer Zwangsrekrutierung zum Kampfeinsatz in der Ukraine übergeben. Sie gab hierzu folgende Stellungnahme ab: Aus dem Inhalt des konkreten Vorhalts über die Problematik der Zwangsrekrutierung in Tschetschenien für den Kampfeinsatz in der Ukraine lasse sich das Vorbringen des BF1 weder wiederlegen noch untermauern.

Die BF2 gab in der Verhandlung an, dass sie aufgrund ihrer Krankheit keinen Deutschkurs besuchen könne.

Sie habe in Österreich eine Schwester und deren Familie als Verwandte. Die Schwester besuche sie mehrmals pro Woche. In Tschetschenien lebten noch ihre Eltern und zwei Schwestern. Sie habe in Österreich noch nicht gearbeitet, sei nicht Mitglied in einem Verein und verfüge über keine sozialen Kontakte. Sie sei mit ihren Eltern 1-2 Mal in der Woche über WhatsApp in Kontakt. Sie habe den Beruf einer Krankenschwester erlernt.

Zu dem zweiten Vorfall gab sie an, die maskierten Männer seien gekommen und hätten ihren Mann vor das Tor gezerrt. Sie wollten ihn in das Auto hineinziehen und sie wollte die Männer daran hindern. Einen Moment habe sie versucht ihren Mann zu retten. Der eine Mann habe dann etwas Beleidigendes zu ihr gesagt und sie stark gestoßen. Sie sei hingefallen und habe ab dann keine Erinnerung mehr. Sie könne sich dann in weiterer Folge nur mehr daran erinnern im Krankenhaus gewesen zu sein.

Sie habe damals schon gewusst, dass zu ihrem Mann bzw. Schwiegervater manchmal Rebellen ins Haus kämen. Sie selbst sei aber niemals dabei gewesen. Sie könne nicht sagen, ob die Nachbarn von den Rebellenbesuchen gewusst hätten. Ihr Mann habe ihr seinerzeit vom ersten Vorfall mit den Polizisten erzählt. Sie könne leider nicht genau sagen, bis zu welchem Tag ihr Mann noch in die Schule arbeiten gegangen sei.

Sie sei seit dem Zeitpunkt nach ihrer Verletzung in einem schlechten psychischen Zustand. Unter Verletzung verstehe sie den eben erörterten Vorfall. Sie habe dann in Tschetschenien eine Behandlung gehabt und da habe es begonnen. Die Behandlung in Tschetschenien habe ihr nicht geholfen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Aufgrund jener der Entscheidung zugrundeliegenden Akten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des Bundesverwaltungsgerichtes steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

Die Beschwerdeführer, ein Ehepaar, sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe und bekennen sich zum muslimischen Glauben.

Die BF reisten illegal in das Bundesgebiet ein und stellten am 17.10.2014 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Die BF waren vor ihrer Ausreise keiner konkreten, individuellen Verfolgung ausgesetzt und konnten von ihnen asylrelevante Gründe für das Verlassen ihres Heimatstaates nicht glaubhaft gemacht werden. Es konnte von ihnen auch nicht glaubhaft vermittelt werden, dass sie im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wären.

Im Falle einer Verbringung der BF in ihrem Herkunftsstaat droht diesen kein reales Risiko einer Verletzung der Artikel 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK).

In der Russischen Föderation leben weiterhin jeweils die Eltern sowie Geschwister der BF. Im Herkunftsstaat absolvierten beide eine Schul- und Berufsausbildung und waren berufstätig.

Die BF halten sich seit Oktober 2014 ununterbrochen im Bundesgebiet auf.

Der BF1 ist gesund. Die BF2 leidet an einem chronisch depressiven Syndrom und Spannungskopfschmerzen.

Nicht festgestellt werden kann, dass eine ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche individuelle Integration der BF in Österreich vorliegt. Der BF1 weist geringe Deutschkenntnisse auf. Nachweise über absolvierte Deutschprüfungen wurden nicht vorgelegt. Der BF1 und die BF2 haben sich im Bundesgebiet nicht aus-, fort- oder weitergebildet. Beide sind strafgerichtlich unbescholten. Sie sind nicht erwerbstätig und engagieren sich nicht ehrenamtlich. Die BF leben im gemeinsamen Haushalt in einer Unterkunft für Asylwerber. Sie beziehen finanzielle Leistungen aus der Grundversorgung und sind nicht selbsterhaltungsfähig. Die BF2 hat laut eigenen Angaben eine Schwester im Bundesgebiet. Die von der BF2 genannten Daten der Schwester ergaben keine Suchergebnisse im Zentralen Melderegister. Die BF2 wohnt mit der Schwester nicht im gemeinsamen Haushalt und es besteht kein Abhängigkeitsverhältnis.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat:

Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, jederzeit zu Attentaten kommen. Die russischen Behörden haben zuletzt ihre Warnung vor Attentaten bekräftigt und rufen zu besonderer Vorsicht auf (AA 1.6.2016b).

Russland hat den IS erst Ende Dezember 2014 auf seine Liste terroristischer Organisationen gesetzt und dabei andere islamistische Gruppierungen außer Acht gelassen, in denen seine Staatsbürger, insbesondere Tschetschenen und Dagestaner, in Syrien und im Irak ebenfalls aktiv sind - wie die Jaish al-Muhajireen-wal-Ansar, die überwiegend von Kämpfern aus dem Nordkaukasus gegründet wurde. Ausländische und russische Beobachter, darunter die kremlkritische Novaja Gazeta im Juni 2015, erhoben gegenüber den Sicherheitsbehörden Russlands den Vorwurf, der Abwanderung von Jihadisten aus dem Nordkaukasus und anderen Regionen nach Syrien tatenlos, wenn nicht gar wohlwollend zuzusehen, da sie eine Entlastung für den Anti-Terror-Einsatz im eigenen Land mit sich bringe. Tatsächlich nahmen die Terroraktivitäten in Russland selber ab (SWP 10.2015). In der zweiten Hälfte des Jahres 2014 kehrte sich diese Herangehensweise um, und Personen, die z.B. Richtung Türkei ausreisen wollten, wurden an der Ausreise gehindert. Nichtsdestotrotz geht der Abgang von gewaltbereiten Dschihadisten weiter und Experten sagen, dass die stärksten Anführer der Aufständischen, die dem IS die Treue geschworen haben, noch am Leben sind. Am 1.8.2015 wurde eine Hotline eingerichtet, mit dem Ziel, Personen zu unterstützen, deren Angehörige in Syrien sind bzw. planen, nach Syrien zu gehen. Auch Rekrutierer und Personen, die finanzielle Unterstützung für den Dschihad sammeln, werden von den Sicherheitsbehörden ins Visier genommen. Einige Experten sind der Meinung, dass das IS Rekrutierungsnetzwerk eine stabile Struktur in Russland hat und Zellen im Nordkaukasus, in der Wolga Region, Sibirien und im russischen Osten hat (ICG 14.3.2016).

Das "Kaukasus-Emirat", das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Dem russischen Islamexperten Aleksej Malaschenko zufolge reisten gar Offizielle aus der Teilrepublik Dagestan nach Syrien, um IS-Kämpfer aus dem Kaukasus darin zu bestärken, ihren Jihad im Mittleren Osten und nicht in ihrer Heimat auszutragen. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Jihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren. Seitdem mehren sich am Südrand der Russischen Föderation die Warnungen vor einer Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat. Kurz zuvor hatten die föderalen und lokalen Sicherheitsorgane noch den Rückgang terroristischer Aktivitäten dort für sich reklamiert. Als lautester Mahner tut sich wieder einmal der tschetschenische Republikführer Ramzan Kadyrow hervor. Er rief alle muslimischen Länder dazu auf, sich im Kampf gegen den IS, den er mit Iblis-Staat - also Teufelsstaat - übersetzt, zusammenzuschließen. Für Kadyrow ist der IS ein Produkt anti-islamischer westlicher Politik, womit er sich im Einklang mit der offiziellen Sichtweise des Kremls befindet, der dem Westen regelmäßig fatale Eingriffe im Mittleren Osten vorwirft. Terroristische Aktivitäten im Nordkaukasus, die eindeutig den Überläufern zum IS zuzuschreiben sind, haben sich aber bislang nicht verstärkt. Bis September 2015 wurden nur zwei Anschläge in Dagestan der IS-Gefolgschaft zugeschrieben: die Ermordung des Imam einer Dorfmoschee und ein bewaffneter Angriff auf die Familie eines Wahrsagers. Auch im Südkaukasus mehren sich die Stimmen, die vor dem IS warnen. Aus dem Pankisi-Tal in Georgien, das mehrheitlich von einer tschetschenischen Volksgruppe bewohnt wird, stammen einige Teilnehmer an den Kämpfen in Syrien - so Umar al-Shishani (eigentl. Tarkhan Batiraschwili), der dort prominenteste Milizen-Führer aus dem Kaukasus (SWP 10.2015).

Seit Ende 2014 mehren sich Meldungen über Risse im bewaffneten Untergrund und Streitigkeiten in der damaligen Führung des Emirats, die vor allem mit der Beteiligung nordkaukasischer Kämpfer am Jihad des IS in Syrien zu tun haben. Eine wachsende Zahl von Feldkommandeuren (Emiren) aus Dagestan, Tschetschenien und anderen Teilen des Nordkaukasus haben IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi den Treueid geschworen (SWP 4.2015). Nach Dokku Umarows Tod 2013 wurde Aliaschab Kebekow [aka Ali Abu Muhammad] zum Anführer des Kaukasus Emirates. Dieser ist im Nordkaukasus bei einem Einsatz russischer Spezialkräfte im Frühling 2015 getötet worden (Zeit Online 20.4.2015). Abu Usman Gimrinsky (Magomed Suleimanov) wurde zum Nachfolger (Open Democracy 29.6.2015). Im August 2015 erlitt der Rest des noch bestehenden Kaukasus Emirat einen erneuten harten Rückschlag. Drei der Top-Kommandanten wurden im Untsukul Distrikt in Dagestan von Regierungskräften getötet, darunter der neue Anführer des Emirates Abu Usman Gimrinsky (Magomed Suleimanov) (Jamestown 14.8.2015).

Bis ins Jahr 2015 hinein hat Russland die vom sogenannten Islamischen Staat ausgehende Gefahr eher relativiert und die Terrormiliz als einen von vielen islamistischen Akteuren abgetan, die das mit Moskau verbündete Assad-Regime, die ‚legitime Regierung Syriens', bekämpfen. In seiner jährlichen Tele-Konferenz mit der Bevölkerung am 18. April 2015 hatte Präsident Putin noch geäußert, der IS stelle keine Gefahr für Russland dar, obwohl die Sicherheitsbehörden schon zu diesem Zeitpunkt eine zunehmende Abwanderung junger Menschen nach Syrien und Irak registriert und vor den Gefahren gewarnt hatten, die von Rückkehrern aus den dortigen Kampfgebieten ausgehen könnten. Wenige Tage später bezeichnete Außenminister Lawrow den IS in einem Interview erstmals als Hauptfeind Russlands (SWP 10.2015).

Der russische Generalstaatsanwalt erklärte im November 2015, dass 650 Strafverfahren aufgrund der Beteiligung in einer illegalen bewaffneten Gruppierung im Ausland eröffnet wurden. Laut Chef des FSB (Inlandsgeheimdienst) sind davon 1.000 Personen betroffen. Zusätzlich wurden 770 Aufständische und ihre Komplizen inhaftiert und 156 Kämpfer wurden im Nordkaukasus 2015 getötet, einschließlich 20 von 26 Anführern, die dem IS die Treue geschworen hatten. Mehr als 150 Rückkehrer aus Syrien und dem Irak wurden zu Haftstrafen verurteilt. 270 Fälle wurden eröffnet, um vermeintliche Terrorfinanzierung zu untersuchen; 40 Rekrutierer sollen allein in Dagestan verhaftet und verurteilt worden sein. Vermeintliche Rekrutierer wurden verhaftet, da sie Berichten zufolge junge Personen aus angesehenen Familien in Tschetschenien, aber auch aus Moskau, St. Petersburg, Jekaterinburg, der Stavropol Region und der Krasnodar Region für den IS gewinnen wollten (ICG 14.3.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.6.2016b): Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/RussischeFoederationSicherheit_node.html, Zugriff 1.6.2016

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ICG - International Crisis Group (14.3.2016): The North Caucasus Insurgency and Syria: An Exported Jihad?

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1458642687_238-the-north-caucasus-insurgency-and-syria-an-exported-jihad.pdf, S. 16-18, Zugriff 1.6.2016

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Jamestown Foundation (14.8.2015): After Loss of Three Senior Commanders, Is the Caucasus Emirate on the Ropes? Eurasia Daily Monitor Volume 12, Issue 154,

http://www.jamestown.org/programs/edm/single/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=44288&tx_ttnews%5BbackPid%5D=27&cHash=e1581c2f53e999f26a5cc0261f489d38, Zugriff 1.6.2016

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Open Democracy (29.6.2015): Is this the end of the Caucasus Emirate?,

https://www.opendemocracy.net/regis-gente/is-this-end-of-caucasus-emirate, Zugriff 1.6.2016

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan:

Russlands schwierigste Teilrepublik, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf, Zugriff 1.6.2016

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (10.2015): Reaktionen auf den "Islamischen Staat" (ISIS) in Russland und Nachbarländern, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2015A85_hlb.pdf, Zugriff 1.6.2016

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Zeit Online (20.4.2015): Islamistischer Rebellenführer Kebekow im Nordkaukasus getötet,

http://www.zeit.de/news/2015-04/20/russland-islamistischer-rebellenfuehrer-kebekow-im-nordkaukasus-getoetet-20222007, Zugriff 1.6.2016

Nordkaukasus allgemein

Die patriotische Begeisterung, mit der in Russland die Annexion der Krim einherging, rückte die Sicherheitslage im Nordkaukasus in ein trügerisch positives Licht. Dieser Landesteil ragt in der nachsowjetischen Periode aus dem regionalen Gefüge der Russischen Föderation wie kein anderer hervor, bedingt durch die zwei Kriege in Tschetschenien, anhaltende Kämpfe zwischen Sicherheitskräften und einem bewaffneten islamistischen Untergrund in weiteren Teilen der Region sowie mannigfache sozial-ökonomische Probleme. Bis vor kurzem rangierte der Nordkaukasus in der Gewaltbilanz des gesamten post-sowjetischen Raumes an oberster Stelle, fielen den bewaffneten Auseinandersetzungen doch jährlich mehrere Hundert Menschen zum Opfer - Zivilisten, Sicherheitskräfte und Untergrundkämpfer. 2014 wurde der Nordkaukasus in dieser Hinsicht von der Ostukraine überholt. Zugleich stufen auswärtige Analysen die Sicherheitslage im Nordkaukasus aber weiterhin mit ‚permanent low level insurgency' ein. Im Unterschied zum Südkaukasus mit seinen drei unabhängigen Staaten (Armenien, Aserbaidschan, Georgien) haben externe Akteure und internationale Organisationen kaum Zugang zum Nordkaukasus, dessen Entwicklung als innere Angelegenheit Russlands gilt (SWP 4.2015).

2015 wurden aus dem Nordkaukasus weniger Angriffe bewaffneter Gruppen gemeldet als in den Vorjahren. Die Strafverfolgungsbehörden setzten bei der Bekämpfung bewaffneter Gruppen weiterhin vor allem auf Operationen der Sicherheitskräfte. Es bestand nach wie vor der Verdacht, dass diese mit rechtswidrigen Inhaftierungen, Folter und anderen Misshandlungen von Häftlingen sowie Verschwindenlassen einhergingen (AI 24.2.2016).

Während sich die Situation im westlichen Nordkaukasus in den letzten Jahren stabilisiert hat, gibt es immer wieder Meldungen über gewaltsame Vorfälle mit Toten und Verletzten in der Region. Besonders betroffen ist weiterhin die Republik Dagestan. Aber auch in Tschetschenien, Kabardino-Balkarien und Inguschetien kommt es regelmäßig zu gewaltsamen Zwischenfällen, so dass von einer Normalisierung nicht gesprochen werden kann. Anschlagsziele der Aufständischen sind vor allem Vertreter der Sicherheitskräfte und anderer staatlicher Einrichtungen sowie den Extremisten nicht genehme muslimische Geistliche. Auf Gewalt durch islamistische Aufständische oder im Zuge von Auseinandersetzungen zwischen Ethnien und Clans reagieren die regionalen und föderalen Behörden weiterhin mit Repression. Die Spirale von Gewalt und Gegengewalt dreht sich dadurch weiter, wobei manche Repressalien - etwa gegen Angehörige angeblicher Islamisten, wie z.B. die Zerstörung ihrer Wohnhäuser - zu einer Radikalisierung der Bevölkerung beitragen und damit die Sicherheitslage weiter eskalieren lassen könnten.

Menschenrechtsorganisationen beklagen, dass im Nordkaukasus Recht und Gesetz auf beiden Seiten missachtet werden und für Täter aus den Reihen der Sicherheitskräfte ein Klima der Straflosigkeit herrsche (AA 5.1.2016).

Trotz der Versuche Moskaus, die sozioökonomische Situation im Nordkaukasus zu verbessern, ist die Region nach wie vor weitgehend von Transferzahlungen des föderalen Zentrums abhängig. Im Mai 2014 wurde ein neues Ministerium für die Angelegenheiten des Nordkaukasus geschaffen und der bevollmächtigte Vertreter des Präsidenten im Nordkaukasischen Föderalbezirk Alexander Chloponin, durch den früheren Oberbefehlshaber der Vereinigten Truppen des Innenministeriums im Nordkaukasus, Generalleutnant Sergej Melikov, ersetzt. Insbesondere in Dagestan, wo es immer wieder zu blutigen Zusammenstößen zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften kommt, ist die Lage weiterhin kritisch. In Tschetschenien hat Ramzan Kadyrov die Rebellen mit Gewalt und Amnestieangeboten dezimiert bzw. zum Ausweichen auf die Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan gezwungen. Anschläge auf den Expresszug nach St. Petersburg im November 2009, die Moskauer Metro im April 2010, den Moskauer Flughafen Domodedovo im Jänner 2011 (mit zwei österr. Staatsbürgern unter den Opfern) sowie im Oktober und Dezember 2013 in Wolgograd zeigten, dass die Gefahr des Terrorismus auch Zentralrussland betrifft (ÖB Moskau 10.2015).

Ein Sicherheitsrisiko stellt auch die mögliche Rückkehr von nach Syrien oder in den Irak abwandernden russischen Kämpfern dar, sowie die Extremisten im Nordkaukasus, die ihre Loyalität gegenüber dem IS bekundet haben. Der Generalsekretär des russischen Nationalen Sicherheitsrats Nikolai Patrushev sprach von rund 1.000 russischen Staatsangehörigen, die an der Seite des IS kämpfen würden, der Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB Alexander Bortnikov hingegen sprach von mehreren Tausend Kämpfern). Laut einem rezenten Bericht der regierungskritischen Zeitschrift "Novaya Gazeta" nehmen die russischen Sicherheitsdienste diese Abwanderung nicht nur stillschweigend zur Kenntnis, sondern unterstützen sie teilweise auch aktiv, in der Hoffnung, die Chance auf eine Rückkehr der Extremisten aus den Kampfgebieten in Syrien und dem Irak zu reduzieren. Gegen IS-Kämpfer, die aus den Krisengebieten Syrien und Irak zurückkehren, wird v.a. gerichtlich vorgegangen. Zu Jahresbeginn 2015 liefen rund 60 Strafprozesse, die meisten davon basierend auf Art. 58 StGB (Teilnahme an einer terroristischen Handlung), Art. 205.3 StGB (Absolvierung einer Terror-Ausbildung) und Art. 208 StGB (Organisation einer illegalen bewaffneten Gruppierung oder Teilnahme in ihr). Im nordkaukasischen Kreismilitärgericht wurde Ende August 2015 ein 26-jähriger Mann aus Dagestan wegen Absolvierung einer Terror-Ausbildung, Teilnahme an einer illegalen bewaffneten Gruppierung und illegalen Waffenbesitzes zu 14 Jahren Straflager verurteilt. Der Nordkaukasus ist und bleibt trotz anhaltender politischer wie wirtschaftlicher Stabilisierungsversuche ein potentieller Unruheherd innerhalb der Russischen Föderation. Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Extremisten, teils ohne Rücksicht auf Verluste innerhalb der Zivilbevölkerung, trägt zur Bildung neuer Konflikte und Radikalisierung der Bevölkerung bei. Das Risiko einer Destabilisierung steigt darüber hinaus aufgrund der allfälligen Rückkehr von Kämpfern aus Syrien und dem Irak bzw. aufgrund des steigenden Einflusses des IS im Nordkaukasus selbst (ÖB Moskau 10.2015).

Im Jahr 2015 gab es nach Angaben von Caucasian Knot im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 258 Opfer des bewaffneten Konfliktes (2014: 525 Opfer). 209 davon wurden getötet (2014: 341), 49 verwundet (2014: 184) (Caucasian Knot 8.2.2016). Im ersten Quartal 2016 gab es im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 48 Opfer des bewaffneten Konfliktes, 20 davon getötet, 28 davon verwundet (Caucasian Knot 10.5.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (5.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation, http://www.ecoi.net/local_link/319681/458907_de.html, Zugriff 1.6.2016

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Caucasian Knot (8.2.2016): Statistics of victims in Northern Caucasus for 2015, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/34527/, Zugriff 25.5.2016

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Caucasian Knot (10.5.2016): Statistics of victims in Northern Caucasus in Quarter 1 of 2016,

http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/35530/, Zugriff 1.6.2016

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ÖB Moskau (10.2015): Asylländerbericht Russische Föderation

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan:

Russlands schwierigste Teilrepublik, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf, Zugriff 25.5.2016

Tschetschenien

Als Epizentrum der Gewalt im Kaukasus galt lange Zeit Tschetschenien. Die Republik ist in der Topographie des bewaffneten Aufstands mittlerweile aber zurückgetreten; angeblich sind dort nur noch kleinere Kampfverbände aktiv. Dafür kämpfen Tschetschenen in zunehmender Zahl an unterschiedlichen Fronten außerhalb ihrer Heimat - etwa in der Ostukraine sowohl auf Seiten prorussischer Separatisten als auch auf der ukrainischen Gegenseite, vor allem jedoch an der derzeit prominentesten und brutalsten Jihad-Front in Syrien und im Irak (SWP 4.2015).

2015 gab es in Tschetschenien 30 Opfer des bewaffneten Konfliktes (2014: 117), davon 14 Tote und 16 Verwundete (Caucasian Knot 8.2.2016).

Im Dezember 2014 ist Tschetschenien von den schwersten Gefechten zwischen islamistischen Kämpfern und Sicherheitskräften seit Jahren erschüttert. Dabei wurden am Donnerstag, den 4.12.2014, in der Hauptstadt Grosny mindestens 10 Angreifer und 10 Beamte getötet sowie 20 weitere Personen verletzt (NZZ 4.12.2014).

Quellen:

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Caucasian Knot (8.2.2016): Statistics of victims in Northern Caucasus for 2015, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/34527/, Zugriff 1.6.2016

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (4.12.2014): Tote bei Gefechten in Grosny,

http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/tote-bei-gefechten-in-grosny-1.18438064, Zugriff 1.6.2016

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan:

Russlands schwierigste Teilrepublik, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf, Zugriff 1.6.2016

11.3. Rebellentätigkeit / Unterstützung von Rebellen

Im August 2014 meldete der Inlandsgeheimdienst FSB Erfolge bei der Bekämpfung von Terrorismus im Nordkaukasus, was in Expertenkreisen jedoch auf Zweifel stieß. Die Rede war von 328 potentiellen Terroristen, die im ersten Halbjahr 2014 verhaftet wurden. Da die Sicherheitskräfte im Nordkaukasus aber nach dem Prinzip kollektiver Bestrafung vorgehen, handelte es sich hierbei möglicherweise weniger um aktive Untergrundkämpfer als um Personen aus deren sozialem und verwandtschaftlichem Umfeld. Im Januar 2015 berichtete das russische Innenministerium, 2014 sind 259 Rebellen, darunter 36 Kommandeure, von Sicherheitskräften getötet und 421 Untergrundkämpfer verhaftet worden (SWP 4.2015).

Die Anzahl der Rebellen in Tschetschenien ist schwer zu konkretisieren, Schätzungen gehen von einem Dutzend bis ca. 120 Personen aus. Die Anzahl der tschetschenischen Rebellen ist sicherlich geringer, als jene z.B. in Dagestan, wo der islamistische Widerstand seinen Hotspot hat. Sie verstecken sich in den bergigen und bewaldeten Gebieten Tschetscheniens. Sie bewegen sich hauptsächlich zwischen Tschetschenien und Dagestan, weniger oft auch zwischen Tschetschenien und Inguschetien. Kidnappings werden von tschetschenischen Sicherheitskräften begangen. In Tschetschenien selbst ist also der Widerstand nicht sehr aktiv, sondern hauptsächlich in Dagestan und auch in Inguschetien. Die Kämpfer würden auch nie einen Fremden um Vorräte, Nahrung, Medizin oder Unterstützung im Allgemeinen bitten, sondern immer nur Personen fragen, denen sie auch wirklich vertrauen, so beispielsweise Verwandte, Freunde oder Bekannte (DIS 1.2015).

Im November 2013 wurden in Russland neue Gesetze verabschiedet, welche die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen vorsehen. Sie legalisieren Kollektivbestrafungen, welche bereits in mehreren Republiken des Nordkaukasus als Form des Kampfs gegen den Aufstand praktiziert werden. Die Gesetzgebung erlaubt es den Behörden, Vermögenswerte der Familien von Terrorverdächtigen zu beschlagnahmen und die Familien zu verpflichten, für Schäden aufzukommen, welche durch Handlungen der Terrorverdächtigen entstanden sind. Das Gesetz sieht vor, dass Familienangehörige und Verwandte von Terrorverdächtigen belegen müssen, dass ihre Vermögenswerte, Immobilien und weitere Besitztümer nicht durch "terroristische Aktivitäten" erworben wurden. Wenn nicht bewiesen werden kann, dass die Vermögenswerte legal erworben wurden, kann der Staat sie beschlagnahmen. Auch Personen, welche Terrorverdächtigen nahestehen, können mit dem Gesetz belangt werden. Nach Einschätzung von Experten wi

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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