TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/18 W264 2185756-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.06.2018
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Entscheidungsdatum

18.06.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W264 2185756-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der Beschwerdeführerin XXXX, geb. XXXX, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, Staatsangehörigkeit Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle Wien vom 8.1.2018, Zl. 1091286904-151563928, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 5 AslyG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) ist iranische Staatsangehörige und reiste in Umgehung der Grenzkontrollen ein und stellte am 2.10.2015 den Antrag auf internationalen Schutz.

Die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgte am 2.10.2015. Die BF gab in Anwesenheit eines Dolmetsch für die Sprache Farsi an, am XXXX in Tabriz im im Iran geboren worden zu sein, der Volksgruppe der Perser anzugehören und Moslem (Schiit) zu sein. Sie sei mit dem afghanischen Staatsbürger XXXX, verheiratet und habe keine Kinder. Befragt zu weiteren Familienangehörigen gab sie ihre Eltern im Iran an.

2. Im den mit der BF eingereisten XXXX betreffenden Akt liegt ein bei einer Dienststelle der LPD Wien gestellter Asylantrag vom 2.10.2015, erstellt von GrInsp. XXXX ein, wonach sich der XXXX mit "Heiratsurkunde Afghanistan, Personalausweis Afghanistan" legitimierte und die XXXX mit "Iran. Personalausweis" legitimierte. Dem Asylantrag des XXXX sind ein Foto der XXXX sowie Fotos von den genannten Dokumenten angeschlossen. Bei dessen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gab der mit der BF eingereiste XXXX an, dass die Ehe mit der BF auf Antrag der BF XXXX bei Gericht geschieden worden, ein schriftliches Dokument zur Scheidung gäbe es nicht. Es sei bei Gericht bloß mündlich ausgesprochen worden, eine Verschriftlichung habe es nicht gegeben.

3. Die BF wurde am 1.3.2016 als Opfer gemäß § 65 Z 1 lit a) StPO wegen des Verdachts der Körperverletzung und der Gefährlichen Drohung am 1.3.2016 jeweils durch XXXX zum Nachteil der BF einvernommen. Mit Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Wien vom 30.3.2016, XXXX, wurde die BF über die Einstellung des Verfahrens gegen XXXX hinsichtlich §§ 107 Abs 1 verständigt.

4. Die BF wurde mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 28.4.2017 zu

XXXX wegen zweimalig begangener Vergehen des versuchten Diebstahls am XXXX und am XXXXrechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat (drei Jahre bedingt nachgesehen) verurteilt (Eintritt der Rechtskraft am 3.5.2017).

5. Die erstmalige Einvernahme vor dem BFA fand am 22.10.2016 statt. Die BF gab an, geborene Muslime zu sein, aus der schiitischen Glaubensrichtung. Sie sei gläubig, aber bete nicht. Sie trinke Alkohol am Wochenende in der Freizeit. Sie gab an, mit dem XXXX nicht mehr heiratet zu sein, da dieser sie geschlagen habe und habe keinen Kontakt mehr zu ihm.

Am 19.9.2017 wurde die BF vor dem BFA einvernommen. Sie gab an, in einem italienischen Lokal in Wien namens "XXXX" in der XXXX ein Jobangebot bekommen zu haben und im Iran die Universität fast abgeschlossen zu haben. Vor der Aufnahme eines Studiums habe sie sich im Iran im medizinischen Bereich fortgebildet. Sie verneinte, in Österreich ein Familienleben, eine familienähnliche Beziehung bzw eine Lebensgemeinschaft zu haben.

Sie verneinte ein religiöser Mensch zu sein und begründete, dass sie im Iran zur Akzeptanz des Islam gezwungen worden sei. Seit sie sich scheiden lassen habe, habe sie sich immer mehr davon entfernt und überlege nun ernsthaft zum Christentum zu konvertieren. Zu den Frauenrechten im Islam befragt gab sie an, dass es eine Religion gegen Frauen sei. Die Männer hätten die Macht und würden die Frauen unterdrücken. Sie sei auf der Suche nach einer Religion, wo Mann und Frau gleichgestellt sind. Sie werde sich die beste Religion für Frauen aussuchen. Sie habe genug vom Islam und sei auf der Suche nach einem friedlichen Leben.

6. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 18.1.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und ihr der Status einer Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs 1 Z 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 leg.cit. der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Im Spruchpunkt III. wurde ihr ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 leg.cit. nicht erteilt und mit Spruchpunkt IV. die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen. Mit Spruchpunkt V. wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt. Im Spruchpunkt VII. wurde festgestellt, dass die BF gemäß § 13 Abs 2 Z 1 AsylG das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 22.2.2016 verloren hat.

6. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt und langte am 9.2.2018 ein. In der Beschwerde wird zusammengefasst vorgebracht, dass die BF den Iran wegen ihres Ex-Mannes - einem afghanischen Staatsbürger - verlassen habe, sie selbst dort aber keine Rechte als Frau gehabt habe. Es wird in der Beschwerde weiters zu den Lebensumständen der BF im Iran ausgeführt und dass sie nach westlichen Werten orientiert sei. XXXX habe sie in Österreich immer wieder geschlagen und misshandelt, unter Druck gesetzt sodass sie Straftaten in Österreich begangen habe. Auf ihrem Instagram-Acoount habe sie Fotos gepostet, auf welchen sie ohne Kopftuch zu sehen sei. Diese Fotos und ihre Lebensweise würde sie im Fall der Rückkehr dem Risiko aussetzen, von der Polizei festgenommen, misshandelt und unter Umständen sogar zum Tode verurteilt zu werden. Dabei wies sie auf die Länderinformationen zum Iran hin. Sie sei aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten und sei auf der Suche nach der für sie richtigen Religion. Sie akzeptiere die islamischen Vorschriften nicht und werde im Falle der Abschiebung im Iran der Gefahr von Folter und Tötung ausgesetzt werden. Die Aufhebung des Aufenthaltsrechts sei rechtswidrig erfolgt, da sie von einem Bezirksgericht verurteilt worden sei.

Der Beschwerde waren Unterlagen über erworbene Sprachkenntnisse, ein Sozialbericht der Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH vom 26.1.2018, ein Artikel aus ZEIT ONLINE "Iran nimmt Models wegen Fotos ohne Kopftuch fest" vom 16.5.2016, ein Artikel aus derStandard.at "Fotos ohne Kopftuch: Iranische Polizei verhaftet Instagram-Nutzerinnen" vom 18.5.2016, Fotos aus dem Instragram-Account der BF (Username: XXXX, Ortsangabe: Vienna, Austria) und eine Religionsaustrittserklärung der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den XXXX, GZ XXXX, wonach die BF am 29.1.2018 den Austritt aus der Islamischen-Schiitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (Schia) anmeldete.

Auf den vorgelegten Fotos ist die BF in einer Runde junger Menschen beim Tanzen, Party feiern zu sehen. Auf einem Foto ist eine Partygesellschaft junger Menschen rund um die BF abgebildet und steht darunter zu lesen, dass die BF mit Username: XXXX "Halloween" darunter postete. Auf einem Foto ist die BF vor einem Baum in Jeans-Hotpants mit einem bauchfreien Shirt abgebildet. Auf einem weiteren Foto ist die BF mit einem jungen Mann, welcher den Arm um ihren Hals legt. Vor den beiden ist ein Stück Torte samt zwei Sektflöten platziert. Auf einem weiteren Foto ist die BF mit einem jungen Mann abgebildet. Über dem Foto steht zu lesen "best friends" und unter dem Foto hat die BF mit Username: XXXX "One of a best days with best friends" gepostet.

8. Am 25.4.2018 fand die öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, zu welcher die BF - laut ihren Angaben aus Kostengründen - ohne ihren Rechtsvertreter erschien. Die BF gab, dass XXXX ihr gegenüber jeweils tätig gewesen sei, sodass die Polizei gesagt habe, dass sie nicht mehr zusammenleben könnten. Zu einer Scheidung Gericht oder drei Visionäre es nicht gekommen, aber die Polizei habe sie und XXXX getrennt, da er der BF gegenüber gewalttätig gewesen sei. Nach islamischem Recht im Iran seien die beiden noch verheiratet, so die BF. Sie berichtete, den XXXX im Jahre 2007 geheiratet zu haben. Er sei Aufgabe und offiziell habe es keine Heiratsurkunde gegeben. Man habe entschieden, gemeinsam den Iran zu verlassen. Beide hätten gewollt, offiziell heiraten zu können und sie habe in Iran keine Freiheiten gehabt. Die BF beschrieb ihre Kleidung, welche sie im Iran getragen habe und legte dem Gericht ein von ihr verfasstes Schreiben in deutscher Sprache darüber, was ihr "am Herzen liegt" vor (als Beilage ./B der Verhandlungsschrift zum Akt genommen). Zusammengefasst bringt sie darin vor dass sie wie ein europäisches Mädchen leben wolle und nicht religiös sei und beklagt sich darin über die Religion im Iran. Sie wolle gerne in einer Gemeinschaft leben, wo der Vater seine Tochter nicht bedrohe wenn er Muslim ist und Angst wegen Stolz hat. Sie wollen nicht in einer Gemeinschaft leben, wo der Familie das Recht gegeben wird, ein Mädchen, welches ein freies Leben begehre, zu steinigen und wo man nicht das Recht auf eine Freiheit hat. Man könne nicht leicht sagen, dass man sich scheiden lassen will. Man habe nicht das Recht zu entscheiden, weil die Familie das Sagen hat man brauche für eine Reise in das Ausland als Mädchen die Erlaubnis des Vaters und dem Vater der Familie wird erlaubt "Schlagen, Säure, Zwangsheirat, Verständigung, Bildung verhindern". Sie sehe hier in der Gemeinschaft, dass sie hier ihre Ziele erreichen könne. Sie sei immer bestraft worden, selbst als sie auf die umliegenden zu studieren und es sei nie verstanden worden, dass jemand ein Privatleben habe. In der Gesellschaft und in der Familie gebe es nur "Zwang, Zwang, Zwang".

Die BF wies in der Verhandlung im Mobiltelefon vor, auf welchem der Instragram-Account der BF zugänglich war und wurden vom vorgewiesenen Mobiltelefon mit dem Inhalt dieses Accounts (Fotos)XXXX Fotografien angefertigt, welche zum Akt genommen wurden. Darauf ist die BF mit einem jungen Mann vor einem Stück Torte und zwei Sektgläsern zu sehen. [Anm: Dieser junge Mann ist nicht XXXX, welcher der erkennenden Richterin aus der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 24.10.2017 (Verfahren des XXXX, V264 2150706-1) bekannt ist.] Der Instagram-Account XXXX zeigt bei Aufruf "Dieses Konto ist privat" an und zeigt - außer dem Profilfoto - keine Fotos der BF an.

Die BF brachte vor, ihr Vater sei nicht einverstanden gewesen, dass sie mit XXXX das Land verlasse und habe sie ihm versprochen, mit dem XXXX zusammenzubleiben.

Unter anderem gab die BF an, die Schwiegerfamilie sei sehr religiös gewesen und habe nicht erlaubt, dass sich die BF weiterentwickeln und weiterstudieren könne. Der Iran sei von jüngsten Führen beherrscht und sie wolle frei von religiösen Vorschriften leben, so die BF. Hieran könne sie nicht mit Männern Kontakt aufnehmen oder ganz normal mit Männern reden, sei es für sie normal geworden. Ihr Vater habe Fotos von einer Geburtstagsfeier gesehen und habe ihr gedroht für den Fall dass sie zurückkehre. Zu XXXX habe sie keinen Kontakt mehr. Sie habe einmal Mifegyne genommen, da sie gedacht habe schwanger zu sein. Sie habe vermutet von XXXX schwanger zu sein. Er sei immer spät nach Hause gekommen und das alkoholisiert. Sie wolle mit ihm keine Kinder haben. Für den Fall der Rückkehr befürchte sie die Todesstrafe, dass sie keine Muslime nunmehr ist. Ihr Vater beschuldige sie, mit anderen Männern als dem XXXX eine Beziehung gehabt zu haben und laut islamischen Recht dürfe der Vater sie dafür bestrafen, nämlich mit Steinigung. Der Vater beschuldige sie, dass sie mit anderen Männern eine Beziehung habe und das soll gegen den Islam sein. Wenn sie in den Iran zurückkehren müsse, verliere sie alles, auch ihr Leben. Jede Entscheidung in Iran müsse von ihrem Vater genehmigt werden und die Beziehung zu ihrem Vater sei inzwischen sehr schlecht geworden.

Auf Befragen warum sie genau ein paar Tage, nachdem sie den negativen Bescheid bekommen habe, aus dem Islam ausgetreten sei, gab sie an, bereits bei der belangten Behörde bei der Einvernahme gesagt zu haben, dass sie eine Religion für sich auswählen wolle, entweder das Christentum oder eine andere. Das habe sie schon gesagt, bevor Sie den Bescheid bekommen habe.

Die BF legte dem Gericht weitere Unterlagen vor, nämlich:

* Mangellehrberufsliste des AMS

* Informationsblatt über eine Infoveranstaltung betreffend "Wege in die Pflege", CORE Integration im Zentrum

* Informationsblatt über eine Vollzeitausbildung von fünf Wochen für den Beruf "mehrstündige Alltagsbegleitung", AWZ Soziales Wien

* Informationsblatt über eine Vollzeitausbildung von 14 Wochen für den Beruf "Heimhelferin", AWZ Soziales Wien

* Informationsblatt über eine Vollzeitausbildung von einem Jahr für den Beruf "Pflegeassistentin", AWZ Soziales Wien

* Informationsblatt über eine Vollzeitausbildung von zwei Jahren für den Beruf "Fach-Sozialbetreuerin Behindertenarbeit", AWZ Soziales Wien

* Informationsblatt über eine Vollzeitausbildung von zwei Jahren für den Beruf "Fach-Sozialbetreuerin alten Arbeit", AWZ Soziales Wien

* Kostenvoranschlag für eine Ausbildung zum Hairstylisten, XXXX vom 16.3.2018

* Niederschrift des Magistrat Wien, Magistratisches Bezirksamt für den XXXX, vom 28.2.2018, GZ XXXX

* Religionsaustrittsbescheinigung des Magistrat Wien, Magistratisches Bezirksamt für den XXXX, vom 12.2.2018, GZ XXXX

* Zertifikat über die Teilnahme "Sprachkurs Deutsch B1" vom 22.12.2017

* Kursbesuchsbestätigung Deutsch B1 vom 30.3.2018

* ÖSD- Zertifikat B1 vom 8.1.2018 (nicht bestanden; 152 Punkte erreicht; Mindestanzahl 180 Punkte)

* Sozialbericht der Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH vom 26.1.2018, wonach die BF auf der Warteliste für freiwillige Arbeit beim Roten Kreuz stehe, regelmäßig bei diversen Tätigkeiten unterstütze und den Hausbewohner/Innen als Vorbild dienende und bereits eine Zusage zu einer Arbeitsstelle habe.

* Sozialbericht der Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH vom 16.4.2018, wonach die BF sich auf die Integrationsmaßnahmen konzentriere, eine mündliche Zusage für die Lehrstelle als Friseurin erhalten habe und aufgrund ihrer Traumatisierung und ihrer Lebensgeschichte bisher auch weiterhin sozialarbeiterische Betreuung brauche. Die BF sei kooperativ und offen und nutze jede Möglichkeit, um sich über die österreichische Kultur zu informieren.

* Anmeldebestätigung zum Deutschkurs B1+ im Mai und Juni 2018

* Teilnahmebestätigung "Werte- und Orientierungskurs am 7.12.2017

* Lebenslauf der BF

In der Verhandlung wurden Fotographien von dem am Mobiltelefon der BF aufgerufenen Instagram-Fotos angefertigt und zum Akt genommen. Auf einem dieser Fotos ist die BF unter ihrem Instagram-Account XXXX unter einem Weihnachtsbaum sitzend abgebildet.

9. Mit Erledigung vom 30.4.2018 wurde der beim Bezirksgericht XXXX geführte Strafakt XXXX zur Einsichtnahme angefordert. Mit Erledigung vom 30.4.2018 wurde der BF zu Handen ihres damaligen Rechtsvertreters Dr. Blum der Länderbericht Iran in das Parteiengehör übermittelt, die Verhandlungsschrift wurde zum Zwecke der Information des Rechtsvertreters angeschlossen. Für eine allfällige Stellungnahme wurde eine Frist von vier Wochen ab Zustellung eingeräumt.

10. Die Strafakte des Bezirksgericht XXXX langte am 14.5.2018 ein. Mit Schriftsatz Dris. Blum vom 25.5.2018 wurde dem Gericht mitgeteilt, dass das Vollmachtverhältnis zur BF mit sofortiger Wirkung aufgelöst bei uns der Rechtsanwalt den Länderbericht Iran der BF bereits übermittelt habe.

11. Am 28.5.2018 langte die Stellungnahme und Vollmachtbekanntgabe der nunmehrigen Vertreterin der BF beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde eine Stellungnahme zum Länderbericht abgegeben. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass im Iran Apostasie verboten ist und mit langen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe geahndet würden. Apostasie werde laut Länderbericht als ein Angriff auf die islamische Religionsordnung und somit auf einen der Grundfeste des iranischen Staates gesehen. Würde die BF in den Iran zurückkehren, würde ihr die Verhaftung aufgrund der gelebten Inanspruchnahme ihrer Grundrechte drohen, sie würde mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit festgenommen, inhaftiert und gefoltert werden.

Seit Dezember 2017 fühlen sich vermehrt iranische Frauen für die Abschaffung der Kopftuchpflicht einsetzen und sind solche Frauen bereits inhaftiert und in der Haft laut Angabe einer Anwältin geschlagen und misshandelt worden. Weiters wird darauf hingewiesen, dass Gewalttaten auf Frauen verübt werden, welche der Kopftuchpflicht nicht nachkommen.

12. Das Bundesverwaltungsgericht begehrte mit Email vom 28.5.2018 von der Staatendokumentation die Auskunft, ob dieser bekannt sei, ob in Österreich vorgenommene Religionsaustritte seitens der Islamisch-Schiitischen Glaubensgemeinschaft in den Herkunftsstaat Iran gemeldet werden. Weiters wurde von der Staatendokumentation eine Auskunft zum Umgang der Staatsführung des Irans mit Social Media begehrt: es wurde auch ersucht mitzuteilen ob im Falle dass ein aus dem Ausland zurückkehrender iranischer Staatsbürger, welcher im Ausland einen Instragram-Account - dessen Status auf "privat" gesetzt war (also nur solchen Followern, welche als durch Bestätigungsklick vom Instagram-Account-Inhaber akzeptiert wurden) betrieb - in das Visier der iranischen Staatsführung kommt, wenn dieser allenfalls im Iran nicht goutierte Fotos postet (zB solche, wo die betroffene Person ein alkoholhaltiges Getränk in der Hand hält, als Frau mit einer Runde männlicher Freunde abgebildet ist, Fotos von einer Halloween-Party postet).

13. Mit Erledigung vom 14.6.2018, XXXX, übermittelte die Staatendokumentation die gewünschten Auskünfte.

Zu der ersten an sie herangetragenen Frage wurde berichtet, dass laut einer Auskunftsperson zum Schutze der ausgetretenen Personen die Daten gesperrt bleiben, da diese Informationen bei den Herkunftsstaaten der jeweiligen ausgetretenen Personen sehr empfindlich sind und es zum Todesurteil für die Ausgetretenen kommen kann. Deshalb bleibt diese Information nur in Österreich und wer austreten möchte, dem sei es seine Sache und seine Überzeugung dies zu tun.

Auf die Frage ob es Informationen zur Verfolgungsgefahr für aus dem Ausland zurückkehrende iranische Staatsbürger mit im Ausland betriebenen Instagram-Account, auf welchen dieser "unislamische" Fotos gepostet hat, gäbe, wurde dem Gericht mitgeteilt, dass einer Vertrauensperson zufolge das Hauptziel der iranischen Cyberspace-Polizei (FATA) und anderer staatlicher Geheimdienste darin bestehe, offene Bedrohungen politischer Natur (wie z.B. frontale Opposition, Anstiftung zu Gewalt und Aktionen jeglicher Art) gegen das Establishment zu überwachen. Sofern der Kontoinhaber in solchen Medien kein "hochkarätiger Fisch" oder anderweitig auf dem "Radarschirm der iranischen Polizei" steht, würde sich diese nicht einmal die Mühe machen zu überprüfen, was gesagt oder ausgetauscht wird. Darüber hinaus kann die bloße Zurschaustellung eines Getränks oder einer Frau ohne Schal, selbst bei aller Phantasie, nicht unter den extraterritorialen Aspekt

(§ 5 des islamischen Strafgesetzbuches) fallen, der eine strafrechtliche Verfolgung rechtfertigen würde, wenn der Täter im Iran gefunden wird.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

Die Identität steht mit für das Verfahren ausreichender Sicherheit fest.

1.1. Feststellungen zur BF:

1.1.1. Die BF führt den Namen XXXX und als Geburtsdatum XXXX. Sie ist Staatsangehörige der Islamischen Republik Iran und Angehörige der Volksgruppe der Perser.

1.1.2. Sie reiste unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte am 2.10.2015 den Antrag auf internationalen Schutz.

1.1.3. Die BF lebt von der Grundversorgung und scheint sie betreffend im Strafregister der Republik Österreich eine strafrechtliche Verurteilung wegen versuchten Diebstahls auf (rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat (drei Jahre bedingt nachgesehen, rechtskräftig seit 3.5.2017).

1.1.4. Die BF ist aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten. Sie ist nunmehr ohne religiöses Bekenntnis.

1.1.5. Die Herkunftsprovinz der BF ist Tabriz. Die BF ist im Iran geboren. Die BF hat bis zu ihrer Ausreise im Iran gelebt.

1.1.6. Die BF hat eine Schulbildung im Iran absolviert sowie ein nicht beendetes Universitätsstudium vorzuweisen.

1.1.7. Die Muttersprache der BF ist Farsi, sie spricht auch Türkisch und kann sich in deutscher Sprache sehr gut und flüssig verständigen.

1.1.8. Die BF hat in Österreich bereits einen Werte- und Orientierungskurs sowie Deutschkurse belegt.

1.1.9. Die BF hat in Österreich keine Familienangehörigen. Die Kernfamilie der BF lebt im Iran.

1.1.10. Die BF ist nicht die Ehefrau von XXXX XXXX.

1.1.11. Die BF ist eine gesunde junge Erwachsene im erwerbsfähigen Alter.

1.2. Feststellungen zu den Fluchtgründen und den Fall der Rückkehr:

1.2.1. Die BF gibt als Fluchtgrund an, dass sie einen Afghanen im Iran im Jahr 2007 geheiratet habe und sich die beiden gemeinsam entschlossen hätten, wegen der Problemen wegen dessen illegalen Aufenthalts im Iran das Land verlassen zu haben.

Sie habe im Iran keine Freiheit gehabt und die Bekleidungsvorschriften gegen ihren Willen einhalten müssen. Ca. vier Mal sei sie von der Polizei kontrolliert und sehr schlecht behandelt worden, weil das Gewand etwas kurzärmelig war und außerdem die Haare etwas zu sehen waren.

Ihr Vater sei zunächst nicht damit einverstanden gewesen, dass sie mit dem Ehemann den Iran verlassen wollen. Sie habe dem Vater versprochen, mit dem Ehemann zusammenzubleiben.

1.2.2. Die BF war ursprünglich schiitischen Glaubens. Sie habe frei von religiösen Vorschriften leben wollen. Im Iran, der von religiösen Führern beherrscht werde, werde verlangt, dass man so lebt, wie es im Islam vorgegeben ist, aber sie wollte ein freies Leben haben, wie alle Frauen hier. Nunmehr bekennt sich die BF nicht mehr zum muslimischen Glauben und ist dies amtlich bekannt.

1.3. Feststellungen zum Herkunftsstaat Iran:

Sicherheitslage

Auch wenn die allgemeine Lage als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land, speziell in den größeren Städten. Sie haben in der Vergangenheit gelegentlich zu Kundgebungen geführt, besonders während (religiöser) Feiertage und Gedenktage. Dabei ist es verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Das Risiko von Anschlägen kann nicht ausgeschlossen werden (EDA 9.2.2015).

Iran war in den letzten Jahren unregelmäßig Ziel terroristischer Anschläge, zuletzt zunehmend in Minderheitenregionen. Am 15. April 2011 kam es in der Provinz Khusestan anlässlich des sechsten Jahrestages der Niederschlagung der Proteste der arabischstämmigen Bevölkerung gegen eine Politik der Iranisierung im Jahre 2005 zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und der arabischen Minderheit in Ahwaz und mehreren anderen Städten der Provinz (u.a. Hamidiyeh, Abadan, Khorramshahr). Dabei wurden mindestens 12 Menschen getötet und 20 verletzt (AA 9.2.2015a, vgl. BMEIA 9.2.2015).

Sicherheitsbehörden

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung zur Vollstreckung der Gesetze und Aufrechterhaltung der Ordnung. So das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums und die Revolutionsgarden, die direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Die Sicherheitskräfte werden nicht als völlig effektiv bei der Verbrechensbekämpfung angesehen und Korruption und Straffreiheit sind weiter problematisch. Menschenrechtsgruppen beschuldigten reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Es gibt keinen transparenten Mechanismus um Missbräuche der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt auch keine Berichte, dass die Regierung Täter disziplinieren würde (US DOS 27.2.2014).

Seit 1991 sind die islamischen Revolutionskomitees, die Polizei und die Gendarmerie zu einer einzigen Sicherheitsbehörde mit einheitlichem Befehlsstrang und einheitlicher Verwaltung verschmolzen. Bei Straßenprotesten nach den Präsidentschaftswahlen 2009 ist es beim Einsatz von Sicherheitskräften zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit tödlichem Ausgang und einer Vielzahl von Verhaftungen gekommen. Seit 2005 gibt es eine klare Aufgabenverteilung und Zuständigkeitsregelung zwischen den einzelnen Polizeikräften (Kriminalpolizei, Sittenpolizei und Verkehrspolizei). Das Sepah-Pasdaran-Corps ("Revolutionswächter", "Revolutionsgarde") war unmittelbar nach der Revolution von 1979 zunächst als kleine Elitetruppe gegründet worden, um die Revolution gegen innere und äußere Feinde zu verteidigen. Im Laufe des Krieges gegen den Irak entwickelte sich das Pasdaran-Corps neben dem regulären Militär zu einer zweiten Streitmacht, die heute in ihrer Bedeutung höher als das reguläre Militär einzuschätzen und moderner als dieses ausgerüstet ist. Die Pasdaran haben einen eigenen Generalstab, der jedoch eingegliedert ist in den Gemeinsamen Generalstab der Streitkräfte. Dieser wiederum untersteht dem Revolutionsführer Khamenei als oberstem Befehlshaber. Während der Proteste im Juni 2009 stellten Pasdaran einen Großteil der Sicherheitskräfte.

Aufgaben der Sepah-Pasdaran sind gemäß ihrem Statut:

* Schutz der Islamischen Republik und der Errungenschaften der islamischen Revolution gegen ausländische Feinde;

* Bekämpfung von Verschwörungen innerer Feinde; gemeint ist nicht Zuständigkeit zur Verfolgung einzelner Oppositioneller oder Oppositionsgruppen, sondern Gewährleistung der inneren Sicherheit bei Aufständen oder Unruhen;

* Sicherheitsschutz für Politiker und strategische Zentren im Lande,

* seit einigen Jahren auch Bekämpfung des Rauschgiftschmuggels, insbesondere in den Provinzen Sistan-Belutschistan und Khorrasan (AA 11.2.2014, vgl. DW 13.6.2013).

Die Pasdaran verfügen über eigene Gefängnisse und einen eigenen Geheimdienst. Die Liquidierung Oppositioneller wurde in den Jahren nach der Revolution v.a. von den Pasdaran durchgeführt; das Corps war und ist ein Instrument zur gewaltsamen Durchsetzung der Revolution und Islamisierung der Gesellschaft. Die Pasdaran sind darüber hinaus eng mit der Politik verzahnt; insbesondere unter der Regierung von Ex-Präsident Ahmadinedschad wurden - und werden weiterhin - viele Positionen im Staatsapparat zunehmend mit Revolutionswächtern besetzt und weitreichende institutionelle Freiräume eröffnet. Ihre wachsende kommerzielle Vormachtstellung wird von allen Wirtschaftsakteuren respektiert (AA 11.2.2014, vgl. DW 13.6.2013). Sie sind in allen Sektoren aktiv, mit teilweise monopolartigen Stellungen in der Rüstungs- und Bauindustrie, bei Energieprojekten, im Schmuggel von Konsumgütern und im Telekommunikationssektor. Es gibt aber auch glaubwürdige Berichte, wonach Angehörige der Pasdaran in den Monaten nach den Wahlen 2009 inhaftiert waren, da sie sich geweigert hatten, gegen Demonstranten vorzugehen (AA 11.2.2014, vgl. FH 4.12.2014, DW 13.6.2013).

Neben einem "Hohen Rat für den Cyber Space" wurde Ende 2008 innerhalb der Pasdaran eine neue Einheit gegründet, welche sich ausschließlich mit Internetkriminalität befasst ("cyber army" - FATAH). Seit Sommer 2009 fanden die Aktionen dieser Einheit immer wieder Erwähnung in der iranischen Presse. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Einheit bei der Überwachung der Aktionen der Oppositionsbewegung im Internet eine maßgebliche Rolle gespielt hat. Die Einheit dürfte auch für mehrere Hacker-Angriffe auf oppositionelle und westliche, regierungskritische Webseiten, z.B. das zur News Corp. gehörende Farsi 1 verantwortlich sein. Bassij-Kommandeur General Ali Fasli verkündete am 14. März 2011, es seien mehrere Cyber-Angriffe gegen Websites von Feinden des Irans durchgeführt worden. Zu den Angreifern gehörten Professoren, Studenten und Geistliche (AA 11.2.2014).

Die sog. Bassij-Bewegung wurde 1980 von Khomeini mit dem Ziel gegründet, neben Militär und Sepah-Pasdaran eine bei Bedarf schnell mobilisierbare Volksmiliz zur Verfügung zu haben. Sie ist ein paramilitärischer Freiwilligenverband, der organisatorisch den Sepah-Pasdaran unterstellt und meist Moscheen und staatlichen Institutionen angegliedert ist. Die Bassij-Organisation ist zweigeteilt: Die militärisch ausgebildeten und bewaffneten Einheiten der Bassij haben 2009 ihre Unabhängigkeit eingebüßt und sind in den Landstreitkräften der Pasdaran aufgegangen. Sie nehmen polizeiähnliche Aufgaben zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit wahr. Die Angehörigen der Bassij-Milizorganisation hingegen sind ehrenamtlich tätig. Mitglieder ohne militärische Ausbildung erhalten von den Sepah-Pasdaran eine militärische Grundausbildung. Zu diesem Zweck werden sie in so genannten Aschura-Bataillonen zusammengefasst. Diese Bataillone kommen auch bei inneren Unruhen zum Einsatz. Bei den Bassij gibt es auch die weiblichen Freiwilligenbataillone "Al Zahra". Die Bassij spielten neben den Pasdaran die wichtigste Rolle bei der Niederschlagung der Proteste rund um die Präsidentschaftswahlen 2009 und gingen teilweise mit großer Brutalität vor. Auch einige der Todesfälle sind ihnen zuzurechnen. Die dezentrale und intransparente Organisationsstruktur der Bassij erschwert hierbei klare Schuldzuordnungen. Mangelhafte Ausbildung und Disziplin machen sie für Gewaltexzesse gegenüber Demonstranten besonders anfällig (AA 11.2.2014).

Der Geheimdienst "Vezarat-e Etela'at" (Ministerium für Information) ist mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung und Aufklärung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Das Ministerium für Information ist aufgeteilt in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität. Der Inlandsgeheimdienst hat die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition. Er stellt eine engmaschige Überwachung der Bürger sicher, die potentiell für das Regime gefährlich werden könnten. Seine Mitglieder sitzen in den Ministerien und öffentlichen Behörden, in staatlichen und privaten Betrieben sowie in den Universitäten. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz. Ladungen zu Anhörungen beim Geheimdienst ergehen grundsätzlich nur mündlich. Vom Geheimdienst veranlasste Verhaftungen und Durchsuchungen erfolgen nach außen in der Regel aufgrund von Haftbefehlen, Durchsuchungsbeschlüssen u. ä. der Revolutionsgerichte oder schriftlicher Anordnungen der Sicherheitskräfte, niemals aber als solche des Geheimdienstes. Der Trakt 209 des Evin-Gefängnisses in Teheran untersteht der Kontrolle des Geheimdienstes.

Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung (AA 11.2.2014).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da vor allem die Basijis nicht nach iranisch-rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander. Viele Schätzungen nehmen an, dass heute mehrere Millionen Basijis im Iran tätig sind. Bereits auffälliges Hören (insb. westlicher) Musik, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen kann den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügelung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 10.2014).

Sicherheitsbeamte nahmen weiterhin willkürlich Regierungskritiker und Oppositionelle fest. Die Festgenommenen blieben oft über lange Zeiträume ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert. Man verweigerte ihnen die notwendige medizinische Behandlung. Viele wurden gefoltert oder anderweitig misshandelt (AI 23.5.2013).

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit waren 2016 weiterhin stark eingeschränkt. Personen, die friedlich Kritik äußerten, wurden festgenommen und nach grob unfairen Verfahren von Revolutionsgerichten zu Gefängnisstrafen verurteilt. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen waren weiterhin an der Tagesordnung und blieben straflos. Die Behörden verhängten und vollstreckten nach wie vor grausame Körperstrafen wie Auspeitschungen und Zwangsamputationen. Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten wurden diskriminiert und strafrechtlich verfolgt. Frauen und Mädchen erlitten Gewalt und Diskriminierung in vielfacher Weise. Die Behörden verhängten zahlreiche Todesurteile und richteten Hunderte von Menschen hin, einige von ihnen in der Öffentlichkeit. Unter den Hingerichteten waren mindestens zwei Personen, die zur Tatzeit noch minderjährig waren. Im März 2016 verlängerte der UN-Menschenrechtsrat das Mandat des UN-Sonderberichterstatters über die Menschenrechtssituation in der Islamischen Republik Iran. Die iranische Regierung verweigerte sowohl dem Sonderberichterstatter als auch anderen UN-Experten weiterhin die Einreise. Die iranische Regierung und die EU berieten über eine Wiederaufnahme des Menschenrechtsdialogs (AI 22.2.2017, vgl. UN Human Rights Council 26.5.2016). Die Behörden erhöhten 2016 vor allem den Druck auf Menschenrechtsverteidiger und verurteilten sie für ihr friedliches Engagement zu langen Haftstrafen. Immer häufiger wurde Angeklagten vorgeworfen, sie hätten die Menschenrechtssituation im Iran in den sozialen Medien kritisiert oder mit internationalen Menschenrechtsinstitutionen zusammengearbeitet, insbesondere mit dem UN-Sonderberichterstatter für den Iran und ausländischen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International. Sie hätten damit "kriminelle" Aktivitäten verübt, die dazu dienen sollten, die nationale Sicherheit zu gefährden. Die Behörden gingen auch hart gegen Musikveranstaltungen vor, indem sie Konzerte unterbrachen oder deren Absage erzwangen, darunter auch solche, die das Ministerium für Kultur und islamische Führung zuvor genehmigt hatte. Außerdem untersagten sie Veranstaltungen, wie z. B. private Feiern, an denen sowohl Männer als auch Frauen teilnahmen, mit der Begründung, sie seien "sozial verdorben" und "unislamisch". Hunderte Personen wurden deswegen festgenommen und viele zu Auspeitschungen verurteilt. Die Oppositionsführer Mehdi Karroubi und Mir Hossein Mussawi sowie dessen Ehefrau Zahra Rahnavard standen immer noch ohne Anklage oder Gerichtsverfahren unter Hausarrest, der 2011 gegen sie verhängt worden war. Ihre Privatsphäre wurde mehrfach empfindlich verletzt, und sie hatten keinen ausreichenden Zugang zu medizinischer Versorgung. Im Januar 2016 wurde ein neues Gesetz zu politischen Straftaten verabschiedet, das im Juni in Kraft trat. Als politische Straftat galt demnach alles, was sich nach Ansicht der Behörden "gegen die Führung des Landes, seine politischen Institutionen und die Innen- und Außenpolitik" richtet und "darauf abzielt, die Angelegenheiten des Landes zu reformieren, ohne den Grundlagen des Systems schaden zu wollen" (AI 22.2.2017).

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen in iranischen Gefängnissen sind von massiven Überbelegungen geprägt. Auf Basis von offiziellen Daten vom März 2015 gehen Schätzungen von ca. 218.000 Häftlingen aus, bei einer offiziellen Kapazität von 113.000. Berichten zufolge kommt es auch vor, dass bei Überbelegung der Zellen Häftlinge im Freien untergebracht werden. Auch wurde berichtet, dass Häftlingen der Kontakt zu Familienangehörigen über lange Zeit untersagt oder nur sehr eingeschränkt gewährt wird. Die Haftbedingungen sind sehr oft auch gesundheitsschädigend. Entsprechende Schilderungen von ehemaligen Häftlingen, dass sie gesundheitliche Schäden erlitten hätten, sind daher durchaus glaubwürdig. Berichtet wird über unzureichende Ernährung in den Gefängnissen, die langfristig zu entsprechenden Folgeschäden führen kann. Des Weiteren wird Häftlingen die notwendige medizinische Behandlung verweigert, was Berichten zufolge zu gesundheitlichen Schäden geführt hat, in Einzelfällen bis hin zum Tod. Auch ist von mangelnder Hygiene auszugehen. In den Gefängnissen werden auch Körperstrafen vollzogen, auch von Misshandlungen mit Elektroschocks wurde berichtet. Dies gilt auch und gerade im Zusammenhang mit Häftlingen, die unter politischem Druck stehen, zu intensive Kontakte mit Ausländern pflegen etc. In größerer Zahl können Elektroschocks zu dauerhaften gesundheitlichen Schäden führen. Als weitere Foltermethoden wird von Prügel, Einzelhaft sowie Vergewaltigungen berichtet. Eines der berüchtigtsten Gefängnisse ist nach wie vor das im Norden Teherans gelegene - von Amerikanern für den Schah (und den Geheimdienst SAVAK) errichtete - Evin-Gefängnis. Von außen fällt auf, dass es weniger aus Gebäuden, sondern eher aus Hügeln besteht, zumal sich ein Großteil des Gefängnisses in unterirdischen Anlagen befindet, was den psychischen Druck (Mangel an Tageslicht) verstärkt. Manche Trakte unterstehen nicht der Justiz/Polizei, sondern direkt den Nachrichtendiensten oder Revolutionsgarden (ÖB Teheran 10.2016, vgl. US DOS 3.3.2017).

Häftlinge stehen unter enormem psychischem Druck, es kommt zu häufigen und systematischen Erniedrigungen, die oft das Ziel verfolgen, Häftlinge zu brechen. Im Sommer 2009 gab es Berichte über extreme Übergriffe: Häftlinge wurden (was in einem islamischen Land noch schwerer wiegt als in Mitteleuropa) gezwungen, ganz leicht bekleidet oder überhaupt nackt zu exerzieren, dabei mit Wasser bespritzt, etc. Dazu kommt vielfach der nicht oder nur ganz selten mögliche Kontakt mit der Außenwelt. Oft ist es Angehörigen während mehrerer Wochen oder Monate nicht möglich, Häftlinge zu besuchen. Dabei ist zu bedenken, dass die Grenzen zwischen Freiheit, Hausarrest und Haft im Iran manchmal fließend sind. Politisch als unzuverlässig geltende Personen werden manchmal in "sichere Häuser" gebracht, die den iranischen Sicherheitsbehörden unterstehen, und wo sie ohne Gerichtsverfahren Monate oder sogar Jahre festgehalten werden (ÖB Teheran 10.2016).

Vereinzelt werden im Iran Gefängnisse mit besseren Haftbedingungen betrieben, die dann auch gelegentlich Ausländern, insb. ausländischen Diplomaten und Mitarbeitern internationaler Organisationen, gezeigt werden. Vor allem straffällig gewordene Drogenabhängige werden gelegentlich in solchen Gefängnissen untergebracht. Solche Gefängnisse sind jedoch in keiner Weise mit für politische Häftlinge vorgesehenen Gefängnissen wie z.B. dem Evin-Gefängnis vergleichbar. Von Hungerstreiks in iranischen Gefängnissen wird des Öfteren berichtet, in der Regel entschließen sich dazu politische Häftlinge (ÖB Teheran 10.2016, vgl. AA 8.12.2016).

Die Justizbehörden, insbesondere die Staatsanwaltschaft und Gefängnisverwaltungen, verweigerten gewaltlosen politischen Gefangenen und anderen, die aus politischen Gründen inhaftiert waren, häufig eine angemessene medizinische Behandlung. In vielen Fällen geschah dies, um Gefangene zu bestrafen oder zu "Geständnissen" zu zwingen. Im Juni 2016 starb der Häftling Nader Dastanpour in Gewahrsam. Nach Angaben seiner Familie erlag er Folterverletzungen, die ihm auf einer Teheraner Polizeiwache zugefügt worden waren. Es gab keine Hinweise darauf, dass der Fall unabhängig untersucht worden wäre (AI 22.2.2017, vgl. HRW 12.1.2017).

Im Frühling 2016 wurde ein Gesetz zu politischen Verbrechen erlassen, welches zwar eine Sonderbehandlung für politische Häftlinge einführt (eigene Gefängnisse, keine Gefängniskleidung), den Begriff "politisches Vergehen" aber sehr offen definiert, weshalb weiter willkürliche Verfolgung zu befürchten ist. Statistiken zur Zahl der politischen Gefangenen sind nicht verfügbar. Es wird aber von mehr als 1.000 politischen Gefangenen ausgegangen, wobei diese Zahl auch Menschen, die wegen ihrer religiösen Überzeugung festgehalten werden, beinhaltet (ÖB Teheran 10.2016). Willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Häftlinge ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden (AA 8.12.2016).

Gegen Ende 2016 traten viele gewaltlose politische Gefangene in den Hungerstreik, um gegen ihre ungerechte Inhaftierung zu protestieren und deutlich zu machen, in welchem Maß das iranische Strafrechtssystem für politische Zwecke missbraucht wird (AI 22.2.2017).

In Zeiten innenpolitischer Spannung können chaotische Verhältnisse auch dazu führen, dass das Schicksal regimekritischer Personen unklar ist. Im Sommer 2009 mussten Angehörige von Demonstranten diese oft tagelang in Spitälern suchen, um später festzustellen, dass diese nicht mehr am Leben sind. Vielfach müssen Angehörige oft Wochen warten, um eine Bestätigung einer Verhaftung und den Aufenthaltsort der/s Gefangenen zu erfahren. Oft gibt es auch keine endgültige Klarheit über die Vorgänge in iranischen Gefängnissen, z. B. werden manchmal als offizielle Todesursache Krankheiten angegeben, an denen der Häftling ganz kurz vor seinem Tod noch nicht gelitten hatte (ÖB Teheran 10.2016).

Todesstrafe

Die Todesstrafe steht auch auf vergleichsweise geringe Vergehen wie Drogenkonsum oder außerehelichem Geschlechtsverkehr; u.a. auch für Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, "Mohareb", außerehelicher Geschlechtsverkehr, Abfall vom islamischen Glauben (=Apostasie) und homosexuelle Handlungen. Vor allem bei Drogendelikten wird die Todesstrafe häufig angewendet, regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießung, zum Teil öffentlich, und auch gegen (zum Tatzeitpunkt) Minderjährige. Der zweitgrößte Anteil an Hinrichtungen ist auf Verurteilungen wegen Mord bzw. Sexualdelikten zurückzuführen. Der Iran exekutiert weltweit pro Kopf der Bevölkerung die meisten Menschen (ÖB Teheran 10.2014, vgl. HRW 20.1.2015, FCO 10.4.2014, AA 11.2.2014).

Bei Drogenverbrechen verhängt die Justiz in der Regel nicht schon bei bloßem Besitz oder Schmuggel von Mengen, die laut Gesetz zur Verhängung der Todesstrafe ausreichen (mehr als 5 kg Opium oder 30 g Heroin), die Todesstrafe, sondern erst bei Vorliegen zusätzlicher erschwerender Umstände wie bewaffnetem Schmuggel und Bandenbildung sowie bei Wiederholungstätern, die zum dritten Mal wegen Drogendelikten verurteilt werden. Wenn keine erschwerenden Umstände vorliegen, wird nicht selten eine Strafe an der Untergrenze des gesetzlichen Strafmaßes verhängt. Seit Ende 2010 ist die Zahl der Hinrichtungen in Verbindung mit Drogendelikten allerdings stark angestiegen. Dies könnte unter anderem auf eine Verschärfung des Drogengesetzes Ende 2010 zurückzuführen sein, wodurch auch synthetische Drogen wie Speed, Ecstasy und LSD in den Anwendungsbereich der Drogengesetzgebung eingeschlossen wurden. Der Besitz von 30 Gramm solcher Substanzen zieht nunmehr laut Gesetz bereits die Todesstrafe nach sich. Nicht immer wird eine verhängte Todesstrafe auch vollstreckt. An religiösen Feiertagen oder zum iranischen Neujahrsfest werden auch zu langen Freiheitsstrafen Verurteilte bisweilen begnadigt. Darüber hinaus haben die Angehörigen der Opfer ein Begnadigungsrecht bei Qesas-Strafen. Im Mai 2013 hing ein Mann bereits sekundenlang wegen Mordes am Strick, ehe die Familie des Opfers ihn doch noch begnadigte. In absoluten Zahlen weniger auffällig (mindestens 6 Fälle im Jahr 2012) aber dennoch höchst alarmierend sind die Hinrichtungen wegen "Kampf gegen Gott" ("Moharebeh"). Der Tatbestand ist rechtlich betrachtet sehr offen formuliert und eignet sich in besonderem Maße für einen Missbrauch in politischen Schauprozessen. Mit Einführung des neuen Strafgesetzes sind die Tatbestandsvoraussetzungen für "Kampf gegen Gott" ("Moharebeh") und "Korruption auf Erden"("Efsad fil Arz") noch weiter gefasst und bieten somit zusätzlichen Spielraum für politischen Missbrauch. Die Entscheidung über die Art der Vollziehung der Todesstrafe obliegt dem erkennenden Richter. In der Regel wird die Todesstrafe durch Erhängen vollstreckt. Seit Januar 2008 ist die öffentliche Vollstreckung von Hinrichtungen aufgrund eines Erlasses des damaligen Chefs der Justiz, Ayatollah Sharoudi grundsätzlich untersagt. Dennoch werden Hinrichtungen immer häufiger öffentlich vollstreckt (AA 11.2.2014).

Laut iranischen Quellen haben die Behörden 2014 einschließlich Oktober 2014 mindestens 200 Personen hingerichtet, jedoch berichten oppositionelle Quellen von 400 zusätzlichen Hinrichtungen. Einige davon wurden öffentlich ausgeführt. Laut inoffiziellen Quellen wurden mindestens acht jugendliche Straftäter, die zum Tatzeitpunkt minderjährig waren, hingerichtet. Dutzende jugendliche Straftäter befinden sich in den Todeszellen. Das iranische Recht erlaubt die Todesstrafe, wenn Personen die Pubertät erreicht haben, dies ist bei Mädchen neun, bei Jungen 15 Jahre. Die Justiz erlaubte weiterhin die Hinrichtung von Personen die aufgrund von moharebeh inhaftiert wurden, obwohl es diesbezüglich Änderungen im Strafgesetzbuch gab. Es wird nun verlangt, dass solche Fälle überprüft werden und die Todesstrafe aufgehoben wird, bis es einen Beweis gibt, dass der mutmaßliche Täter zu Waffen gegriffen hat (HRW 20.1.2015).

Religionsfreiheit

Die Bevölkerung besteht zu 98% aus Muslimen, darunter ca. 88% Schiiten und ca. 10% Sunniten (v.a. Araber, Turkmenen, Belutschen, Kurden). Die in Iran lebenden Schiiten gehören zum größten Teil zu den sogenannten 12er-Schiiten. Sie folgen einer Reihe von 12 Imamen. Es gibt keine offiziellen Zahlen zur Anzahl der Sufis, sie wird auf zwei bis fünf Millionen geschätzt. Die restlichen zwei Prozent verteilen sich auf Christen (ca. 117.000, davon 80.000 Armenisch-Apostolisch, 11.000 Assyrer, 10.000 Lateiner, 7.000 Chaldäer und mehrere Tausend Protestanten), Baha'i (25.000 -300.000), Zoroastrier (ca. 19.000), Juden (ca. 10.000) und Mandäer (ca. 5.000) (AA 11.2.2014).

Im Iran ist der schiitische Islam (Zwölfer-Schia) Staatsreligion. Anerkennte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) ChristInnen - werden diskriminiert, nicht anerkannte nicht-schiitische Gruppen - Bahá'í, konvertierte evangelikale ChristInnen, Sufi (Derwisch-Orden), Sunni - werden in unterschiedlichem Grad verfolgt. Missionarische Tätigkeit - d.h. jegliches nichtislamisches religiöses Agieren in der Öffentlichkeit

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und Konversion vom Islam sind verboten und werden streng geahndet. Statistische Daten über missionarische Tätigkeit bzw. deren regionaler Aufteilung liegen nicht vor. Es gibt im Iran anerkannte religiöse Minderheiten, deren Vertreter zumindest selbst immer wieder betonen, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Anerkannte religiöse Minderheiten sind laut Verfassung Christen, Juden und Zoroastrier. Diese sind in ihrer Religionsausübung - im Vergleich mit anderen Ländern der Region - nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten). Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa - unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke

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eigene Vertreter im Majlis sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Moslems anwesend sind. Grundrechtlich besteht "Kultusfreiheit" im Rahmen der Mauern der Gemeindezentren und der - auch von außen als solche klar erkennbaren - Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime keine Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, weder Freiheit der Meinungsäußerung noch Versammlungsfreiheit (Proselytismus-Verbot). Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor. Infolge des Proselytismus-Verbots wird - entgegen autochthoner Kirchen, welche sich an das Verbot aus unterschiedlichen Gründen penibel halten - gegen evangelikale Gruppen ("Hauskirchen") oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Die Mitglieder mancher Glaubensgemeinschaften sind angewiesen Mitgliedskarten mit sich zu tragen, die von Behördenvertretern außerhalb von Gottesdiensten kontrolliert werden. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Dennoch sind die hauptsächlichen Akteure von denen eine Verfolgung ausgeht staatliche Agenten. Der Auswanderungsdruck ist auf Grund der für alle IranerInnen geringeren wirtschaftlichen Perspektiven auch bei den Angehörigen der anerkannten religiösen Minderheiten weiterhin groß. Auch oppositionelle schiitische Geistliche sind der Verfolgung ausgesetzt. Während vielfach über die Verhaftung von Bahá'ís, Christen, Sunniten und Derwischen berichtet wird, gibt es keine Berichte über die Verfolgung von Juden. Seit dem Amtsantritt von Präsident Rohani im August 2013 ist trotz positiver Regierungsaussagen zur Gleichberechtigung von Minderheiten, einschließlich religiöser Minderheiten keine signifikante Besserung der Situation religiöser Minderheiten im Iran zu vermerken (ÖB Teheran 10.2014, vgl. US DOS 28.7.2014).

Religions- und Glaubensfreiheit besteht in Iran nur in eingeschränktem Maße. Die wirtschaftliche, berufliche und soziale Diskriminierung religiöser Minderheiten zusammen mit der von einem Großteil der Betroffenen empfundenen wirtschaftlichen Perspektivlosigkeit führen zu einem unverändert starken Auswanderungsdruck dieser Gruppen. Diskriminierungen von Nichtmuslimen äußern sich u.a. darin, dass diese weder höhere Positionen in den Streitkräften (Art. 144 der Verfassung) einnehmen noch Richter werden können (Art. 163 der Verfassung i.V.m. dem Gesetz über die Wahl der Richter von 1983). Seit der Islamischen Revolution waren sämtliche Kabinettsmitglieder, Generalgouverneure, Botschafter und hochrangige Militärs sowie Polizeikommandeure ausschließlich schiitische Muslime. Art. 14 der Verfassung statuiert, dass Nichtmuslime "nach bester Sitte, mit Anstand und unter Wahrung islamischer Gerechtigkeit zu behandeln und ihre Menschenrechte zu achten sind". Dies gilt aber "nicht gegenüber jenen, die sich gegen den Islam und die Islamische Republik Iran verschwören und hiergegen handeln". Im Bereich des Strafrechts variieren die Strafen je nach Religionszugehörigkeit von Täter bzw. Opfer. Im Bereich des Zivilrechts besagt z.B. § 881a des islamischen Zivilgesetzbuches, das Nichtmuslime nicht von Muslimen erben können. Ist dagegen der Erblasser ein Nichtmuslim und befindet sich an irgendeiner Stelle in der Erbfolge ein Muslim, so werden alle nichtmuslimischen Erben von der Erbfolge ausgeschlossen und der muslimische Erbe wird Alleinerbe. Diese Regelung kann jedoch durch Errichtung eines Testaments zum Teil umgangen werden (AA 11.2.2014, vgl. ÖB Teheran).

Apostasie / Konversion zum Christentum / Proselytismus

Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) ist im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund von "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der 2013 dokumentierten Hinrichtungen gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2014). Im Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind. Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen. Die Zahl der politischen Gefangenen, die sich aufgrund von Apostasie oder missionarischer Tätigkeit in Haft befinden, wird auf mindestens zehn geschätzt. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter im Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2014, vgl DIS 23.6.2014).

Stark eingeschränkt sind das Recht, eine Religion zu wählen oder zu wechseln, sowie das Recht, für einen Glauben oder eine Religion frei zu werben. Ehemals muslimischen Konvertiten droht Verfolgung und Bestrafung. In Einzelfällen werden Gerichtsverfahren eingeleitet, Verurteilungen erfolgen allerdings oft nicht wegen Apostasie, sondern wegen Sicherheitsdelikten. Es gibt allerdings auch Konvertiten, die unbehelligt eine der anerkannten Religionen ausüben. Die Konvertiten und die Gemeinden, denen sie angehören, stehen jedoch insofern unter Druck, als den Konvertiten hohe Strafen drohen und auch die Gemeinden mit Konsequenzen rechnen müssen (z.B. Schließung), wenn die Existenz von Konvertiten in der Gemeinde öffentlich bekannt wird. Zum anderen wird die "Ausübung" der Religion restriktiv ausgelegt und schließt jede missionierende Tätigkeit aus. Missionierende Angehörige auch von Buchreligionen werden verfolgt und hart bestraft, ihnen kann als "Kämpfer gegen Gott" ("Moharebeh") sogar eine Verurteilung zum Tode drohen (AA 11.2.2014, vgl. HRW 29.1.2015).

Die Regierung sieht Konversion vom Islam als Apostasie an. Dies kann mit der Todesstrafe bestraft werden. Nicht-Muslime sollten ihren Glauben nicht öffentlich kundtun oder Muslime von ihrem Glauben überzeugen wollen, da dies als Missionierung angesehen werden kann und auch dies mit der Todesstrafe bestraft werden kann. Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken. Zum Christentum konvertierte Muslime sehen sich Schikanen, Verhaftungen und Strafverfolgung ausgesetzt. Viele dieser Verhaftungen finden während Polizeirazzien bei religiösen Versammlungen statt und es wird auch religiöses Eigentum konfisziert. Die Regierung vollzieht das Verbot des Proselytismus, ind

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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