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E000 EU- Recht allgemeinNorm
B-VG Art133 Abs4Beachte
Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: F-2018/0001Vorabentscheidungsverfahren:* Vorabentscheidungsantrag des VwGH oder eines anderen Tribunals:C-396/17Betreff
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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des Bundesministers für Landesverteidigung, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. November 2016, W122 2107962- 2/3E, betreffend Feststellungen i.A. besoldungsrechtliche Stellung (mitbeteiligte Partei: C J in H, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte steht als Amtsdirektor in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
2 Mit Antrag vom 6. Februar 2015 begehrte er u.a. die besoldungsrechtliche Einstufung gemäß dem "neu festgesetzten Vorrückungsstichtag".
3 Mit Bescheid des (damaligen) Bundesministers für Landesverteidigung und Sport vom 4. Mai 2015 wurde der Antrag auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages als unzulässig zurückgewiesen, wogegen der Mitbeteiligte Beschwerde erhob und eine Beschwerdeergänzung einbrachte, über die in der Folge vom (damaligen) Bundesminister für Landesverteidigung und Sport mit Beschwerdevorentscheidung dahingehend entschieden wurde, dass die im Spruch des Bescheides enthaltene Absprache über die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages unter Berücksichtigung von Zeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahres aufgehoben und die besoldungsrechtliche Stellung näher festgestellt werde. Der Mitbeteiligte brachte einen Vorlageantrag ein.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundessverwaltungsgericht (BVwG) der Beschwerde des Mitbeteiligten statt und änderte den angefochtenen Bescheid in seinem Anfechtungsumfang in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung dahingehend ab, dass "gemäß Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 6 Abs. 2, Art. 9 und 16 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000" die für die Vorrückung aus der Gehaltsstufe 1 in die Gehaltsstufe 2 erforderliche Zeit zwei Jahre betrage. Es sprach aus, dass dem Mitbeteiligten die entsprechenden Bezüge ab 1. Jänner 2004 gebührten. Die Revision wurde nicht zugelassen. 5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
6 Mit Urteil vom 8. Mai 2019, C-396/17, hat der EuGH in Beantwortung der vom BVwG in seiner Vorlageentscheidung vom 30. Juni 2017 aufgeworfenen Fragen Folgendes erkannt:
"1. Die Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind in Verbindung mit Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass sie einer rückwirkend in Kraft gesetzten nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, wonach zur Beseitigung einer Diskriminierung wegen des Alters die Überleitung von Beamten im Dienststand in ein neues Besoldungs- und Vorrückungssystem vorgesehen ist, in dem sich die erste Einstufung dieser Beamten nach ihrem letzten gemäß dem alten System bezogenen Gehalt richtet.
2. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 9 der Richtlinie 2000/78 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens den Umfang der Kontrolle, die von den nationalen Gerichten ausgeübt werden kann, einschränkt, indem Fragen im Zusammenhang mit der Grundlage des anhand des alten Besoldungs- und Vorrückungssystems berechneten ‚Überleitungsbetrags' ausgeschlossen werden.
3. Das nationale Gericht ist, wenn nationale Rechtsvorschriften nicht im Einklang mit der Richtlinie 2000/78 ausgelegt werden können, verpflichtet, im Rahmen seiner Befugnisse den Rechtsschutz, der dem Einzelnen aus dieser Richtlinie erwächst, zu gewährleisten und für ihre volle Wirkung zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Vorschrift unangewendet lässt. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass die Wiederherstellung der Gleichbehandlung in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, wenn eine unionsrechtswidrige Diskriminierung festgestellt wurde und solange keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erlassen wurden, voraussetzt, dass den durch das alte Besoldungs- und Vorrückungssystem benachteiligten Beamten die gleichen Vorteile gewährt werden wie den von diesem System begünstigten Beamten, sowohl in Bezug auf die Berücksichtigung vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegter Vordienstzeiten als auch bei der Vorrückung in der Gehaltstabelle, und dass den diskriminierten Beamten infolgedessen ein finanzieller Ausgleich in Höhe der Differenz zwischen dem Gehalt, das der betreffende Beamte hätte beziehen müssen, wenn er nicht diskriminiert worden wäre, und dem tatsächlich von ihm bezogenen Gehalt gewährt wird."
7 Die Revision erweist sich als unzulässig:
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 Die belangte Behörde bringt zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, dass mit der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im vorliegenden Fall nicht das Auslangen gefunden werden könne, zumal mit BGBl. I Nr. 104/2016 das Besoldungsrechtsanpassungsgesetz am 6. Dezember 2016 erst kundgemacht worden sei und somit keine Judikatur existieren könne. Die Sachlage sei durch den Verwaltungsgerichtshof angesichts der noch offenen Revisionsfrist neu zu beurteilen. Darüber hinaus stelle sich die Frage, ob im Zusammenhang mit dem Vorrückungsstichtag Anträge wie jener des Mitbeteiligten im Licht des Besoldungsrechtsanpassungsgesetzes zurückzuweisen seien oder einer inhaltlichen Entscheidung zugeführt werden müssten. Der Begriff des Vorrückungsstichtages sei aus dem Rechtsbestand entfernt worden.
12 Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt:
13 Mit der angefochtenen Entscheidung wurde eine den Mitbeteiligten diskriminierende Bestimmung unangewendet gelassen und ein unionsrechtskonformer Rechtsbestand dadurch hergestellt, dass der für die Vorrückung in die nächste Gehaltsstufe erforderliche Zeitraum zwei Jahre beträgt. Wie der EuGH in seinem Urteil vom 8. Mai 2019 festgehalten hat, widerspricht eine rückwirkend in Kraft gesetzte Regelung (§ 169c Gehaltsgesetz 1956 - GehG, BGBl. Nr. 54/1956 idF des Besoldungsrechtsanpassungsgesetzes
BGBl. I Nr. 104/2016), die die diskriminierende Wirkung der alten Regelung perpetuiert, dem Unionsrecht. Die nationalen Gerichte sind verpflichtet, den Rechtsschutz zu gewährleisten und gegebenenfalls widersprechende nationale Regelungen unangewendet zu lassen. Damit ist geklärt, dass der Verwaltungsgerichtshof das Besoldungsrechtsanpassungsgesetz BGBl. I Nr. 104/2016, soweit es - auch in § 175 Abs. 79, Abs. 79a, Abs. 79b und Abs. 86 GehG - die Diskriminierung des Mitbeteiligten rückwirkend festzuschreiben versucht, wegen Widerspruchs zum Unionsrecht keinesfalls anzuwenden hat. Im Zusammenhang mit der Erlassung des Besoldungsrechtsanpassungsgesetzes stellt sich daher infolge der nunmehrigen Klarstellung der Rechtslage durch den EuGH keine vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung mehr. Ebenso ergibt sich aus diesem Urteil des EuGH, dass der Mitbeteiligte einen Anspruch auf inhaltliche Überprüfung seiner besoldungsrechtlichen Stellung hat, weil Fragen im Zusammenhang mit der Grundlage des anhand des alten Besoldungs- und Vorrückungssystems berechneten "Überleitungsbetrags" nicht von der gerichtlichen Überprüfung ausgeschlossen werden dürfen. 14 Folglich wäre auch nach Herausgabe des Besoldungsrechtsanpassungsgesetzes unionsrechtskonform inhaltlich über den Antrag des Mitbeteiligten zu entscheiden. Auf die Frage, ob der Verwaltungsgerichtshof aus dem Grunde des § 175 Abs. 79a GehG - wäre dieser nicht ohnedies infolge Verstoßes gegen das Unionsrecht unanwendbar - das Besoldungsrechtsanpassungsgesetz ausnahmsweise auch bei Überprüfung bereits vor seiner Herausgabe ergangener Entscheidungen anzuwenden gehabt hätte, kommt es eben im Hinblick auf die Unanwendbarkeit des dort verankerten "Anwendungsverbotes" nicht an.
15 Die vorliegende Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat nach § 34 Abs. 1 iVm Abs. 3 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG mit Beschluss zurückzuweisen.
16 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
17 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.
Wien, am 27. Mai 2019
Gerichtsentscheidung
EuGH 62017CJ0396 Leitner VORABSchlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017120001.L00Im RIS seit
22.07.2019Zuletzt aktualisiert am
22.07.2019