TE Lvwg Erkenntnis 2016/6/14 VGW-002/059/10540/2015, VGW-002/V/059/10541/2015, VGW-002/V/059/10543/2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.06.2016
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Entscheidungsdatum

14.06.2016

Index

34 Monopole

Norm

GSpG §2 Abs1
GSpG §2 Abs4
GSpG §3
GSpG §4
GSpG §12a
GSpG §52 Abs1
GSpG §52 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Schattauer über die Beschwerden 1) des Herrn M. D., SK- B., Sk. und 2) der U. s.r.o., SK- B., Sk., beide vertreten durch Rechtsanwalt, sowie 3) des Finanzamtes …, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Landeskriminalamt - Referat 2, Wirtschaftspolizeiliche Angelegenheiten und Vermögenssicherung, vom 16.07.2015, Zahl VStV/915300069908/2015, wegen Verwaltungsübertretungen nach 1) § 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG), 2) § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG, 3) § 52 Abs. 1, 4) § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG, 5) § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG, 6) § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG, 7) § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG, 8) § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG, 9) § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG und 10) § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG

zu Recht e r k a n n t:

I.a. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde des Herrn M. D. sowie der U. S.r.o. insofern Folge gegeben, als das Straferkenntnis zu Spruchpunkt 10) behoben und insoweit das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt wird.

I.b. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde des Herrn M. D. sowie der U. S.r.o., bezogen auf den zu den Spruchpunkten 7) bis 9) des Straferkenntnisses erhobenen Tatvorwurf, der Beschwerdeführer M. D. habe zu verantworten, dass sich die U. s.r.o. an verbotenen Ausspielungen iSd § 2 Abs 4 GspG unternehmerisch beteiligt habe, indem die H. GmbH die zu diesen Spruchpunkten bezeichneten Geräte („Cashcenter“ mit den FA-Nr. 1+2, 3+4, 5+6) betrieben habe, an denen Personen die Möglichkeit zur Teilnahme an Glücksspielen ermöglicht worden sei, Folge gegeben, das Straferkenntnis in diesem Umfang behoben und das Verfahren in diesem Umfang gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde des Herrn M. D. sowie der U. s.r.o. gemäß § 50 VwGVG in Schuldfrage mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als in Stattgabe der Beschwerde des Finanzamtes Wien ... der Schuldspruch des angefochtenen Bescheides wie folgt zu lauten hat:

„Sie, Herr M. D., haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma U. S.r.o. und somit als zur Vertretung nach außen Berufener und für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften strafrechtlich Verantwortlicher gem. § 9 Abs. 1 VStG zu verantworten, dass diese Gesellschaft zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG ohne die dafür erforderliche Konzession und ohne dass eine Ausnahme vom Glücksspielmonopol gemäß § 4 GspG gegeben war veranstaltet hat, indem von der U. S.r.o. als Unternehmerin, auf eigene Rechnung und Risiko, entgegen den Bestimmungen des Glücksspielgesetzes in Wien, S.-straße Lokal „...“, sechs funktionsfähige und in betriebsbereitem Zustand aufgestellte Glücksspielgeräte betrieben wurden, an denen Personen die Möglichkeit zur Teilnahme an Glücksspielen (virtuelle Walzenspiele) ermöglicht wurde, und zwar

a)   im Zeitraum vom 16.12.2014 bis 07.01.2015 um 12.00 Uhr an den Geräten der Marke/Type:

1) Ma. mit der Seriennummer ... (FA Kontrollnr. 01)

2) Ma. mit der Seriennummer ... (FA Kontrollnr. 02), diese in Verbindung mit einem Cashcenter-Gerät (FA Kontrollnr. 1+2)

3) Ma. mit der Seriennummer ... (FA Kontrollnr. 03)

4) Ma. mit der Seriennummer ... (FA Kontrollnr. 04), diese in Verbindung mit einem Cashcenter-Gerät (FA Kontrollnr. 3+4)

b)   im Zeitraum vom 02.01.2015 bis 07.01.2015 um 12.00 Uhr an den Geräten der Marke/Type:

5) J. mit der Seriennummer ... (FA Kontrollnr. 05)

6) Ma. mit der Seriennummer ... (FA Kontrollnr. 06), diese in Verbindung mit einem Cashcenter-Gerät (FA Kontrollnr. 5+6)“

In der Straffrage wird die Beschwerde des Herrn M. D. sowie der U. s.r.o. zu den Spruchpunkten 1) bis 4) gleichfalls abgewiesen. Zu den Spruchpunkten 5) und 6) wird dieser Beschwerde dahingehend Folge gegeben, als die verhängten Geldstrafen auf jeweils € 4000,--, herabgesetzt werden; falls diese uneinbringlich sind, werden Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils zwei Tagen verhängt. Dementsprechend verringert sich der zu den Spruchpunkten 5) und 6) aufzuerlegende Verfahrenskostenbeitrag gem. § 64 VStG auf jeweils € 400,--.

Die Strafsanktionsnorm lautet: § 52 Abs. 2 GspG dritter Fall iVm § 52 Abs. 1 GspG.

III. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer zu den Spruchpunkten II. 1) bis 4) einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von jeweils € 1.200,-- [das sind jeweils 20% der zu diesen Spruchpunkten verhängten Geldstrafen] zu leisten. Zu den Spruchpunkten I.a., I.b., II. 5) und II. 6) wird ein Verfahrenskostenbeitrag gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG nicht auferlegt.

IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Beschwerdegegenstand:

1. Die Landespolizeidirektion Wien, Landeskriminalamt, Referat 2, Wirtschaftspolizeiliche Angelegenheiten und Vermögenssicherung, erließ gegen Herrn M. D. einen Bescheid mit folgendem Spruch:

Sie sich haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma U. s.r.o. und somit als zur Vertretung nach außen Berufener und für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften strafrechtlich Verantwortlicher gem. § 9 Abs. 1 VStG im Zeitraum vom 16.12.2015 (Geräte 1- 4, Cashcenter 1-4) und vom 02.01.2015 (Geräte 5-6, Cashcenter 5-6) bis am 07.01.2015 um 12.00 Uhr, in Wien, S.-straße Lokal „...“, zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG unternehmerisch beteiligt, indem die Firma H. GmbH, als Unternehmerin entgegen den Bestimmungen des Glücksspielgesetzes drei funktionsfähige und in betriebsbereiten Zustand aufgestellte Glücksspielgeräte Marke/Type;

1)       Ma. mit der Seriennummer ... (FA Kontrollnr. 01)

2)       Ma. mit der Seriennummer ... (FA Kontrollnr. 02)

3)       Ma. mit der Seriennummer ... (FA Kontrollnr. 03)

4)       Ma. mit der Seriennummer ... (FA Kontrollnr. 04)

5)       J. mit der Seriennummer ... (FA Kontrollnr. 05)

6)       Ma. mit der Seriennummer ... (FA Kontrollnr. 06)

7)       1 Cashcenter (FA Kontrollnr. 1+2)

8)       1 Cashcenter ( FA Kontrollnr. 3+4)

9)       1 Cashcenter ( FA Kontrollnr. 5+6)

betrieben, an denen Personen die Möglichkeit zur Teilnahme an Glückssielen ermöglicht wurde, wobei durch Kontrollorgane der Finanzpolizei Team …, am 07.01.2015, im Zeitraum von 12.10 Uhr bis 13.30 Uhr wahrgenommen werden konnte, dass mit den Eingriffsgegenständen virtuelle Walzenspiele in unterschiedlichen Einsatzhöhen gespielt werden können.

Die Firma U. s.r.o. haftet gem. § 9 Abs. 7 VStG für die verhängte Geldstrafe, sonstige in Geld bemessenen Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

10) Des weiteren haben Sie gegen die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten verstoßen, das Sie die Testspiele nicht ermöglicht haben, indem bei den zu kontrollierenden Glücksspielgeräten die Datenleistungen und die Stromversorgung unterbrochen wurden und keine Person im Lokal bestimmt haben, welche während Ihrer Abwesenheit den Organen der öffentlichen Aufsicht, bei einer Kontrolle, umfassende Auskunft erteilen kann.

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 52 Abs. 1 Z 1 (4. Fall) i.V.m. § 2 Abs. 4 GSpG BGBl. Nr. 620/1989 i.d.g.F., BGBl I Nr. 76/2011, i.V.m. § 9 Abs. 1 VStG, iVm § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

Geldstrafe von           falls diese uneinbringlich            Gemäß

                            ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

1) € 6.000,00            66 Stunden                                § 52 Abs. 1 Z 1

                                                                        Glücksspielgesetz (GSpG)

2) € 6.000,00            66 Stunden                                § 52 Abs. 1 Z 1

                                                                        Glücksspielgesetz (GSpG)

3) € 6.000,00            66 Stunden                                § 52 Abs. 1 Z 1

                                                                        Glücksspielgesetz (GSpG)

4) € 6.000,00            66 Stunden                                § 52 Abs. 1 Z 1

                                                                        Glücksspielgesetz (GSpG)

5) € 6.000,00            66 Stunden                                § 52 Abs. 1 Z 1

                                                                        Glücksspielgesetz (GSpG)

6) € 6.000,00            66 Stunden                                § 52 Abs. 1 Z 1

                                                                        Glücksspielgesetz (GSpG)

7) € 6.000,00            66 Stunden                                § 52 Abs. 1 Z 1

                                                                        Glücksspielgesetz (GSpG)

8) € 6.000,00            66 Stunden                                § 52 Abs. 1 Z 1

                                                                        Glücksspielgesetz (GSpG)

9) € 6.000,00            66 Stunden                                § 52 Abs. 1 Z 1

                                                                        Glücksspielgesetz (GSpG)

10) € 6.000,00           66 Stunden                                § 52 Abs. 1 Z 1

                                                                        Glücksspielgesetz (GSpG)

Weitere Verfügungen: (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Vorhaft: keine

Ferner hat der Beschuldigte gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG zu zahlen:

1)    € 600,00

2)    € 600,00

3)    € 600,00

4)    € 600,00

5)    € 600,00

6)    € 600,00

7)    € 600,00

8)    € 600,00

9)    € 600,00

10)  € 600,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens 10 Euro für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher € 66.000,00.“

2.1. Dagegen richten sich die form- und fristgerecht eingebrachten Beschwerden des Herrn M. D., der zur Haftung gem. § 9 Abs 7 VStG verpflichteten U. s.r.o. sowie des Finanzamtes Wien ... vom 17.8.2015. Herr M. D. bzw. die U. s.r.o. begehren in ihren Beschwerden die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Einstellung des Strafverfahrens. Das Finanzamt rügt in seiner Beschwerde Spruchmängel, unrichtige Tatsachenfeststellung bzw. fehlerhafte rechtliche Subsumtion des Tatvorwurfes unter die Bestimmung des § 52 Abs. 1 Z 1 4. Fall GspG und begehrt, die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass die Tat als Veranstaltung verbotener Ausspielungen durch die U. s.r.o. gemäß § 52 Abs 1 Z 1 GspG anzulasten sei; Bezüglich des zu Spruchpunkt 10) erhobenen Tatvorwurfes wird vom Finanzamt ausgeführt, dass dieser bezüglich des Vorwurfes des Nichtermöglichen von Testspielen sowie des Nichteinblick-Gewährens in die Aufzeichnungen nicht korrekt sei.

2.2. In der Beschwerde des Herrn M. D. wird begründend im Wesentlichen das Folgende vorgebracht:

„IV. Beschwerdegründe

1.)

Der Beschuldigte hat die ihm angelastete Tat nicht zu verantworten.

Insbesondere unrichtig ist, dass die U. s.r.o. sich an verbotenen Ausspielungen beteiligt hat. Dies im Übrigen besonders nicht hierdurch, dass die H. GmbH Glücksspielgeräte aufgestellt hat. Letzteres Unternehmen hat mit den gegenständlichen Geräten noch nicht einmal etwas zu tun.

2.)

Glücksspiele iSd GSpG wurden zudem auf den Geräten keine angeboten. 

Dies insbesondere bei den Geräten „Cashcenter". Bei diesen Geräten handelt es sich um reine Geldautomaten. Wenn der Betrieb dieser Geräte eine gesonderte Verwaltungsübertretung bildete, müsste auch für das Vorhandensein einer Steckdose [oder auch eines Modems] eine Strafe verhängt werden, ist der Betrieb der sonstigen im Straferkenntnis näher bezeichneten Glücksspielgeräte doch auch ohne Anbindung an ein Stromnetz auf der Hand liegend nicht möglich. Gleiches gelte bei Vorliegen von Banknotenakzeptoren.

3.)

Die Tatanlastung ist unschlüssig und genügt nicht den Konkretisierungserfordernissen nach § 44a VStG.

So wäre etwa in den Tatvorwurf zur Überprüfung ein Spielablauf der angeblichen Glücksspiele mitaufzunehmen gewesen. Der nicht näher konkretisierte Verweis auf "virtuell'; Walzenspiele" genügt jedenfalls nicht.

Zudem ist nicht erkennbar, worin das konkret der U. s.r.o. angelastete Verhalten gelegen haben soll; unklar ist weiters, um welche drei angeblichen Glückspielgeräte es sich handeln sollte. Ebenso ist unklar, worin im angelasteten Tatvorwurf ein Verstoß gegen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten gelegen haben soll; Aufzeichnungen erfolgen elektronisch auf den Geräten. Für auftretende technische Mängel kann die U. s.r.o. auch nicht verantwortlich gemacht werden

4.)

Den - angeblich - erhobenen Einsatzmöglichkeiten folgend, kann ein Eingriff in das Glücksspielmonopol des Bundes denkunmöglich vorliegen.

Das vom Glückspielmonopol des Bundes ausgenommene kleine Glückspiel fällt gem. A t. 15 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung in die Zuständigkeit der Länder.

5.)

Selbst für den Fall, dass der Beschuldigte die ihm anqelastete Verwaltungsübertretung zu verantworten hätte, ist das Straferkenntnis aufzuheben und da: gegen ihn eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, da mit einem Straferkenntnis - in unvertretbarer Rechtsansicht - gegen das unionsrechtlich begründete Anwendungsverbot der SS 52 bis 54 GSpG verstoßen werden würde:

Es ist ständige Rsp. des EuGH, dass jede Monopol- oder Konzessionsregelung eine Beschränkung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit darstellt und daher grundsätzlich den unmittelbar anwendbaren Grundfreiheiten widerspricht und nicht anwendbar ist, sofern diese Beschränkung nicht vom Mitgliedstaat ausnahmsweise gerechtfertigt werden kann. So führte der EuGH im Urteil Pfleger in der Rs. C-390/12 betreffend eines Vorlageverfahrens des UVS Oberösterreich erst jüngst mit Urteil vom 30 04.2014 aus:

„39. Eine Regelung eines Mitgliedstaats wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende, die den Betrieb von Glücksspielautomaten ohne vorab erteilte behördliche Erlaubnis verbietet, stellt eine Beschränkung des durch Art. 56 AEUV garantierten freien Dienstleistungsverkehrs dar (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Placanica u, a., C-338/04, C-359/04 und C-360/04, EU:C:2007:133, Rn. 42). [..]

54.   Das Gericht scheint ferner anzunehmen, dass das wahre Ziel der fraglichen restriktiven Regelung nicht in der Kriminalitätsbekämpfung und dem Spielerschutz liegt, sondern in einer bloßen Maximierung der Staatseinnahmen, obwohl der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass das Ziel, die Einnahmen der Staatskasse zu maximieren, für sich allein eine solche Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nicht rechtfertigen kann (vgl. Urteil Dickinger und Ömer, EU:C:2011:582, Rn. 55). Diese Regelung erscheine, so das Gericht, jedenfalls unverhältnismäßig, da sie nicht geeignet sei, die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs geforderte Kohärenz zu garantieren, und über das hinausgehe, was zur Erreichung der angeführten Ziele erforderlich sei.

55.   Sollte das vorlegende Gericht bei dieser Auffassung bleiben, müsste es zu dem Ergebnis kommen, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist."

Im Ergebnis erkannte der erkannte der EuGH mit Urteil zu Recht:

„Art. 56 AEUV [Dienstleistungsfreiheit] ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, sofern diese Regelung nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und nicht tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen“.

Im weiterführenden Verfahren hat das nunmehr zuständige Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in dieser Sache ausgehend von den obigen Vorgaben des EuGH mit Erkenntnis vom 09.05.2014, LVwG-410287/4/Gf/Rt, zusammenfassend das im GSpG verankerte Monopolsystem als unionsrechtswidrig klassifiziert und das anhängig gewesene Verwaltungsverfahren eingestellt. Begründet führte das LVwG OÖ aus, dass das im Glücksspielgesetz verankerte Monopolsystem nur vordergründig das Ziel des Spielerschutzes und nicht wirklich das Ziel der Kriminalitätsbekämpfung, sondern in erster Linie vielmehr das Ziel einer Maximierung der Staatseinnahmen verfolgt.

Auch vom Obersten Gerichtshof wurde schon dargelegt, dass das Glückspielmonopol des GSpG und das darauf basierende Konzessionssystem prinzipiell der europarechtlichen Dienstleistungsfreiheit (und darüber hinaus auch der Niederlassungsfreiheit) widerstreiten Ganz deutlich führt der OGH schließlich am 27.11.2)13(2 Ob 243/12t) aus:

„Die europarechtliche Zulässigkeit des Monopols unterliegt aber als besonders girierender Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit [...] strengen Voraussetzungen, sowohl was die Modalitäten der Vergabe der das Monopol nutzenden Berechtigungen bzw. Konzessionen als auch das Verhalten der Berechtigten bzw. des Konzessionärs selbst und deren/dessen Überwachung durch die nationalen Behörden betrifft.“ (Vl.2).

[.. ] Werden diese Vorgaben nicht eingehalten, ist das Monopol gemeinschaftsrechtswidrig und sind die Monopol-Vorschriften aufgrund des Ai Wendungsvorrangs des Unionsrechts unanwendbar. Im Sinne einer effektiven Umsetzung des EU-Rechts („effet utile") muss sich in einem solchen Fall die Unanwendbarkeit auf alle Bestimmungen des GSpG beziehen, die das Monopol normieren und seine Umsetzung regeln. Auch die Strafbestimmung de s § 168 StGB ist in diesem Licht zu sehen.

[.. ] Da das ABGB selbst nicht Glücksspiele verbietet, sondern diesbezüglich auf die „politischen Gesetze" verweist und dieses konkrete Verbot sich aus dem GSpG und seiner Monopolregelung ergibt, bestünde im Fall der Ui1anwendbarkeit dieser Bestimmungen wegen Verstoßes gegen das EU-Recht kein innerstaatliches Verbot von Glücksspielen in „politischen Gesetzenmehr [...]".

Der grundsätzliche Widerspruch des Glücksspielmonopols des Bundes zur Dienstleistungsfreiheit (aber auch zur Niederlassungsfreiheit) des Unionsrechts (Art. 56 ff. AEUV) ist damit (spätestens) seit dem Urteil des EuGH vom 30.04.2014 in der Rs. C-390/12, Pfleger, und dem Beschluss des OGH v. 27.11.2013 evident. Der österreichische rechtliche Rahmen für die Regulierung des Glücksspiels wird darüber hinaus auch vom rechtswissenschaftlichen Schrifttum mit unterschiedlichen Begründungen, im Ergebnis aber einhellig, als unionsrechtswidrig qualifiziert.

Prüfprogramm:

Der EuGH hat in seiner ab dem Jahr 2010 ergangenen Judikatur im Bereich des Glückspiels ein sehr präzises Prüfprogramm entwickelt, unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise eine Monopol oder Alleinkonzessionsregelung als solche - die ja als solche schon eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt - zulässig ist.

Vjl. EuGH, verb. Rs. C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-

4   0/07, Stoß, Rs. C-46/08, Carmen Media Group; Rs. C-212/08, Zeturf-, Rs. C- 3- 7/09, Dickinger und Ömer.

Wie der EuGH im Zusammenhang mit dem Glücksspiel in Auslegung des Art. 56 AEUV bereits mehrfach entschieden hat (verb. Rs. C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/ 7 und C-410/07, Stoß, Rz. 83; Rs. C-347/09, Dickinger und Ömer, Rz. 54; Rs. C-:12/08, Zeturf; Rz. 58), ist eine so restriktive Maßnahme wie die Errichtung eines Monopols zur Beurteilung ihrer Vereinbarkeit mit dem freien Dienstleistungsverkehr hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit im Zuge der Prüfung der Geeignetheit von den nationalen Gerichten und Behörden zwingend auf folgende drei (kumulativ zu bejahende) Fragen zu prüfen:

Kann vom Mitgliedstaat der Nachweis geführt werden, dass die kriminellen und betrügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht im betreffenden Mitgliedstaat ein Problem waren und nur eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten diesem Problem hätte abhelfen können?

Kann vom Mitgliedstaat weiters der Nachweis geführt werden, dass die Geschäftspolitik des Konzessionärs - und insbesondere seine Werbeaktivitäten - maßvoll und begrenzt sind? Dies, so der EuGH, ist z.B. dann nicht der Fall, wenn „verführerisch bedeutende Gewinne in Aussicht“ gestellt werden.

Genügt das Gesamtsystem der innerstaatlichen Glücksspielregelungen vor dem Hintergrund der konkreten Anwendungspraxis den Vorgaben des EuGH hinsichtlich seiner (rechtlichen und praktischen) Kohärenz?

In seinen Schlussanträgen vom 20.9.2012 in der verb. Rs. C-186/11 u. C-209/11, Stanleybet, fasst EuGH-Generalanwalt Mazäk die Kernaussage der Rechtssprechung wie folgt zusammen:

 „Die Art. 49 AEUV und 56 AEUV sind in dem Sinne auszulegen, dass eine nationale Regelung, die das ausschließliche Recht zur Durchführung, zur Verwaltung, zur Organisation und zum Betrieb von Glücksspielen einem einzigen Unternehmen überträgt, das in der Form einer börsennotierten Aktiengesellschaft errichtet worden ist, gerechtfertigt sein kann, soweit sie tatsächlich das Ziel der Verminderung des Angebots von Glücksspielen oder de s Ziel der Bekämpfung der mit Glücksspielen zusammenhängenden Kriminalität durch Lenkung der Spieler in kontrollierte Bahnen verfolgt und sc weit sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, diese Ziele kohärent und systematisch zu erreichen. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu entscheiden, welches dieser Ziele mit der streitigen nationalen Regelung tatsächlich verfolgt wird und ob die Regelung tatsächlich dem Anliegen gerecht w\ d, die Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen. In besondere kann das nationale Gericht, soweit es entscheidet, dass das Ziel d(.r streitigen nationalen Regelung in der Beschränkung des Glücksspielangebots in Griechenland besteht, nicht zu dem Ergebnis gelangen, dass die Regelung tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, dieses Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen, wenn es feststellen sollte, dass der Monopolinhaber tatsächlich eine Expansionspolitik betreibt und dass das ihm übertragene ausschließliche Recht zu einer Ausweitung statt einer Verminderung des Glücksspielangebots führt. Sollte das nationale Gericht hingegen feststellen, dass das alleinige Ziel der streitigen nationalen Regelung darin besteht, die mit Glücksspielen zusammenhängende Kriminalität zu bekämpfen, indem Spieler in erlaubte und geregelte Bahnen gelenkt werden, kann eine vom Monopolinhaber betriebene Expansionspolitik, die u. a. durch eine Ausweitung des Glücksspielangebots und Werbung für diese Glücksspiele gekennzeichnet ist, nur dann als kohärent angesehen werden, wenn die kriminellen und bi trügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Glücksspiel in Griechenland tatsächlich ein Problem erheblichen Umfangs darstellen, dem eine Ausweitung der zugelassenen und regulierten Tätigkeiten abhelfen könnte. Im Übrigen müssen erstens die Ausweitung des Glücksspielangebots und die Werbung für diese Glücksspiele maßvoll und eng auf das begrenzt b eiben, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielernetzwerken zu lenken, und zweitens muss das Glücksspielangebot des Monopolinhabers einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegen

Dass die Vornahme dieses Prüfprogramms (insb. auch die Würdigung der Werbeaktivitäten des Alleinkonzessionärs) für die Beurteilung der Unionsrechtskonformität - und damit der Anwendbarkeit - des österreichischen Glücksspielmonopols unerlässlich ist, wird auch vom OGH bestätigt (vgl. OGH 27.11.; 013, 2 Ob 243/12t. VI.2. und VII. 1.).

Eine Prüfung des Charakters der Geschäfts- und Werbepolitik des Alleinkonzessionärs führt zum Ergebnis, dass das faktische Verhalten der Konzessionsinhaber Österreichische Lotterien GmbH und Casinos Austria AG den klaren Vorgaben des EuGH eindeutig und offenkundig widerspricht.

Nichtdiskriminierung und Transparenz:

Schlißlich sind auch die verfahrensrechtlichen Vorgaben des Unionsrechts für die Zulässigkeit einer Monopolregelung im Glücksspielbereich, nämlich Nichtdiskriminierung und Transparenz nicht gegeben.

In seinem Urteil im Fall Engelmann hat der EuGH die Kriterien für die Vergabe der Konzessionen im Zusammenhang mit dem österreichischen GSpG klargestellt. Der EuGH weist darauf hin, dass

„49 [...] die öffentlichen Stellen, die solche Konzessionen vergeben, [...] die Grundregeln der Verträge, insbesondere Art. [49] und [56 AEUV ...] zu beachten haben".

Aus den betreffenden Bestimmungen über die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit leitet der EuGH ein Diskriminierungsverbot sowie ein Transparenzqebot ab.

Aus diesem Grund hat er die damals gegebene Verpflichtung der Konzessionsinhaber, ihren Sitz im Inland zu haben, als unvereinbar mit der in Art. 49 AEUV gewährleisteten Niederlassungsfreiheit angesehen (Rs. C-64/08, Engelmann, Rz.32).

Außerdem stellte nach Auffassung des EuGH die ohne angemessenen Grad an Öffentlichkeit durchgeführte Vergabe einer Konzession an einen Wirtschaftsteilnehmer, der in dem Mitgliedstaat niedergelassen ist, dem der öffentliche Auftraggeber angehört (die Österreichische Lotterien GmbH), eine Ungleichbehandlung zum Nachteil von in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmern dar, die keine reale Möglichkeit hatten, ihr Interesse an der fraglichen Konzession zu bekunden. Eine derartige Ungleichbehandlung verstößt laut EuGH daher gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und stellt eine (mittelbare) Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar, die nach den Art. 49 und 56 AEUV verboten ist.

Siehe EuGH, Rs. C-64/08, Engelmann, Rz. 43, 51 u. 58. Zum Transparenzgebot vgl Stadler/Aquilina, Der unionsrechtliche Transparenzgrundsatz im Glücksspiel, 60 »lex 2010, 813 ff

Ob mit der im Jahr 2011 auf Basis der GSpG-Novelle 2011 (BGBl. I Nr. 111/2010) durchgeführten Neuvergabe der Konzession für Ausspielungen gem. § 14 GSpG den Anforderungen des EuGH an ein nicht-diskriminierendes und transparentes Verfahren tatsächlich Genüge getan wurde, ist zu bezweifeln. Die vom EuGH im Urteil Engelmann festgestellten Unionsrechtswidrigkeiten wurden immer noch nicht beseitigt.

Zwar werde das Sitzerfordernis für die Ausspielungskonzession derart abgeändert, dass en Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat ausreichend wäre, allerdings nur, wenn Her potentielle Konzessionär auch im anderen Mitgliedsstaat, in dem er niedergelassen ist, über eine „vergleichbare Lizenz" verfügt. Andernfalls muss der Konzessionär, im Fall einer erfolgreichen Bewerbung, eine Niederlassung in Österreich gründen. Die Erläuternden Bemerkungen des Ministerialentwurfs (zu den §§ 14 i und 21 GSpG) führen weiters aus, dass es die Pflicht der Bewerber (!), die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind, ist, den Nachweis der Vergleichbarkeit der Konzessionen sowie eine Erklärung der ausländischen Glücksspielaufsichtsbehörde zur Bereitschaft zur Verwaltungszusammenarbeit mit den österreichischen Behörden beizubringen.

Diese Änderungen durch die GSpG-Novelle 2011, auf deren Grundlage das Vergabeverfahren für die Ausspielungskonzession durchgeführt wurde, diskriminieren Konzessionswerber aus anderen Mitgliedstaaten weiterhin, weil es für Konzessionswerber aus Österreich ausreicht, einen Sitz im Inland zu haben, währen i Interessenten aus anderen Mitgliedstaaten zahlreiche Hürden zu absolvieren haben: Selbst mit einem Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat muss eine vergleichbare Lizenz in diesem Mitgliedstaat nachgewiesen und die Erklärung der dortigen Behörde beigebracht werden, während ein österreichischer Bewerber keines von beidem vorweisen muss, Darüber hinaus lässt die Bestimmung „vergleichbare Aufsicht und Kontrolle im Ausland“ der österreichischen Behörde einen «allzu weiten Ermessensspielraum. Eine Erklärung seitens der ausländischen Glücksspielbehörde, die der Bewerber einholen muss, ist nicht rechtfertigbar. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist es die Pflicht der österreichischen Behörden (und nicht des Bewerbers), die Verwaltungszusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden aufrecht zu erhalten. Zudem war die Vergabe der Ausspielungslizenz an Kriterien geknüpft, die auf den bisherigen Konzessionsinhaber, die Österreichische Lotterien GmBH zugeschnitten waren (Mindestkapital, Namensaktien, Verbot von Filialbetrieben außerhalb Österreichs, Bestellung eines Staatskommissars usw.) und über das zur Zielerreichung erforderliche hinausgehen und daher mit der Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar sind.

Siehe Talos/Stadier, EuGH kippt österreichisches Glücksspielmonopol, ecolex 20'0, 1006 ff. (1007); Leidenmühler, Internet-Glücksspiel und Dienstleistungsfreiheit nach „Liga Portuguesa" - Weiterhin viele offene Fragen, Eul.F 2010, 11-1 ff. (4); Kattinger, Als ob Casinos Austria ausgeschrieben hätte, NZ : v.27.12.2011.

Dies führt zum Ergebnis, dass das GSpG selbst nach den Novellierungen 2011 weiterhin nicht unionsrechtskonform ausgestaltet ist und die Konzessionsvergabe an die Österreichische Lotterien GmbH nicht in einem den Anforderungen des Unionsrechts genügenden Verfahren erfolgt ist.

Eingehend Stadler/Aquilina, Das Engelmann-Urteil und seine Auswirkungen auf Österreich, TIME Law News 05/2010,10 ff. (15 f.).

Diese Rechtslage dauert so lange an, bis in einem tatsächlich diskriminierungsfreien Verfahren eine unionsrechtskonforme Konzessionsvergabe erfolgt ist.

Eine Kohärenzprüfung hinsichtlich des gesamten rechtlichen Rahmens für das Glücks spiel führt zum Ergebnis fehlender Kohärenz des innerstaatlichen rechtlichen Rahmens für das Glücksspiel sowie seiner konkreten praktischen Anwendungsmodalitäten (vgl. etwa LVwG OÖ vom 08.05.2014, Zlen. LVwG- 410269/6/Gf/Rt und LVwG-410285/4/Gf/Rt; LVwG OÖ vom 29.05.2015, ZI. LVwG- 410287/42/Gf/Mu).

Und selbst dann, wenn ein reiner innerstaatlicher Sachverhalt zu beurteilen wäre, läge aufgrund des Verbots der Inländerdiskriminierung als auch der Anwendbarkeit der GFC (Insb Art 51) kein anderes Ergebnis vor, kann es nämlich nicht sein, dass ein EU ausländischer Dritter Ausspielungen ohne Konzession veranstalten bzw. am Ausspielungsangebot Dritter mitwirken kann, wohingegen dies einem österreichischen Unternehmer nicht erlaubt sein sollte (vgl. Maschke: Glücksspielmonopol und EuGH C-390/12, Pfleger ua in ZGV 2014/5, 416ff)). Die Beschwerdeführer stützen sich (auch) auf das Verbot der Diskriminierung von Inländer.

Zur Inländerdiskriminierung der OGH in seinem Beschluss v. 21.10.2014, GZ 4 Ob 145/14

5.2 Eine verfassungswidrige Inländerdiskriminierung setzte voraus, dass das Glücksspielmonopol in Fällen mit Unionsrechtsbezug aufgrund der dargestellten Entscheidung des EuGH tatsächlich unanwendbar wäre. Denn dann wären österreichische Unternehmer, die vergleichbare Dienstleistungen im Inland erbringen wollen, gegenüber Unternehmern aus anderen Mitgliedstaaten der Union ohne sachliche Rechtfertigung schlechter gestellt. Anders als in den bisher vom Verfassungsgerichtshof entschiedenen Fällen ergäbe sich die Unionsrechtswidrigkeit allerdings nicht unmittelbar aus einem Urteil des EuGH, sondern aus der Anwendung der von diesen vorgegebenen Grundsätzen auf das nationale Recht. Das rechtfertigt al er keine andere Behandlung einer möglichen Inländerdiskriminierung. Denn zum einen sind es immer nationale Behörden, die unionsrechtswidriges nationales Recht unangewendet lassen; eine Vorabentscheidung des EuGH dient in diesem Zusammenhang immer nur der Klarstellung der unionsrechtlichen Rechtslage. Nicht die Entscheidung des EuGH „bewirkt“ daher die Unanwendbarkeit nationalen Rechts, maßgebend ist vielmehr dessen objektive Unvereinbarkeit mit unmittelbar anwendbarem Unionsrecht, die von nationalen Behörden - ob ohne oder nach Befassung des EuGH - wahrzunehmen ist. Zum anderen ist es für inländische Unternehmer aus dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes unerheblich, ob sich ihre Schlechterstellung gegenüber EU-Ausländern unmittelbar aus einer Entscheidung des EuGH oder aus der Wahrnehmung der Unanwendbarkeit durch nationale Behörden ergibt.

Widerspricht eine innerstaatliche Regelung dem Unionsrecht, so hat diese nach ständig der Rechtsprechung des EuGH faktisch unangewendet zu bleiben. Dieser Grund; atz ist - zumal in Österreich auch nach mittlerweile mehr als 20 jähriger Mitgliedschaft zur Europäischen Union noch immer keine spezifischen prozessualen Regelungen hinsichtlich einer spezifischen Kompetenz eines innerstaatlichen Organs zur national-verbindlichen Feststellung der Unionsrechtswidrigkeit sowie einer damit

im Zusammenhang stehenden allfälligen übergangsweisen Weitergeltung unionsrechtswidriger Normen bestehen - von jedem staatlichen Organ auf jeder Ebene les Verfahrens unmittelbar zu beachten (vgl. LVwG OÖ vom 10.07.2015, ZI. LVwG-H0701/6/Gf/Mu, mwN: jüngst EUGH vom 11. September 2014, C-112/13 (EU:C: >014:2195), RN 36, und vom 4. Juni 2015, C-5/14 (Kernkraftwerke Lippe- Ems; B U:C:2015:354), RN 32.)

6.)

Eine Verletzung der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht liegt nicht vor; Aufzeichnungen erfolgen elektronisch auf den Geräten.

Für offenbar aufgetretene technische Gebrechen, kann die U. s.r.o. nichts dafür und ist nicht schlüssig nachvollziehbar, wodurch durch die Nichtbestimmung einer vor Ort anwesenden Person gegen die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht verstoßen worden sein sollte, sind die Aufzeichnungen doch auf den Geräten in elektronischer Form vorhanden.

Zudem ist letzterer Tatvorwurf unrichtig; anlässlich der Kontrolle wurden von einem Mitarbeiter der U. s.r.o., Herrn Hl., telefonisch alle gewünschten Auskünfte erteilt und hatte sich dieser zudem bereiterklärt, persönlich der weiteren Amtshandlung beizuwohnen bzw. einen anderen informierten Mitarbeiter der U. S.r.K vorbeizuschicken.

7.)

Die verhängte Strafe ist zudem überhöht.

Es wird beantragt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.

Sodann wird beantragt, der Beschwerde Folge zu geben, die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.“

Beschwerdeverfahren:

3.1. Im Hinblick auf dieses Vorbringen und den entsprechenden in der Beschwerde gestellten Antrag wurde am 24.9.2015, und, nach Durchführung weiterer Ermittlungen zur Frage der wirtschaftlichen Betätigung der U. s.r.o. im Glücksspielsektor im Gebiet der Europäischen Union sowie zwecks Erörterung zwischenzeitig vorgelegter weiterer Stellungnahmen des Bundesministers für Finanzen bzw. der Stabsstelle für Spielerschutz fortgesetzt am 28.4.2016, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu welcher neben dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers sowie den Vertretern der belangten Behörde bzw. der Abgabenbehörde die Zeugen F., T. und Be. erschienen sind.

3.2. Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtes vom 22.1.2016, insbesondere zur Frage der wirtschaftlichen Betätigung der U. s.r.o. im Glücksspielsektor auf dem Gebiet der Europäischen Union ein Vorbringen zu erstatten und durch ein entsprechendes Beweisanbot zu untermauern wurde vom Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 17.2.2016 ein Konvolut von Unterlagen vorgelegt, in dem die bisherigen Ausführungen zur behaupteten Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielgesetzes näher ausgeführt wurden sowie auf Gerichtsurteile der Zivilgerichte, Urteile des OGH sowie einzelne Entscheidungen von Landesverwaltungsgerichten verwiesen wurde, die den Standpunkt des Beschwerdeführers stützen sollen. Zudem wird, wollte man annehmen, dass ein rein innerstaatlicher Sachverhalt zur Beurteilung stehe, verfassungswidrige Inländerdiskriminierung behauptet. Zur U. s.r.o. wird in diesem Schriftsatz ausgeführt:

„Die U. s.r.o. verfügt in Österreich über eine Zweigniederlassung und führt von ihren inländischen Betriebsstätten die sonstige inländische Geschäftstätigkeit aus. Sie beschäftigt in Österreich mehrere Mitarbeiter und ist in Österreich steuerlich erfasst. Über einen Kooperationsvereinbarung mit dem maltesischen MS. Ltd. ist sie über die maltesischen Lizenzen der MS. Ltd., Lizenzen zu den Registerzahlen …), zur Erbringung von Glücksspieldienstleistungen aller Art (inkl. Sportwetten) in Malta berechtigt.

Beweis:

- Gesellschaftsvertrag U. s.r.o. (Beilage ./18),

- Steuernummerbekanntgabe des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel vom 04.06.2013; (Beilage ./19)

- Bestätigung des inländischen steuerlichen Vertreters der U. s.r.o. vom 06.07.2015 (Beilage ./20)

- Kooperationsvertrag vom 01.04.2014 (Beilage ./21)“

Der vorgelegte „Kooperationsvertrag /Grundsatzvereinbarung“ hat folgenden Inhalt:

Kooperationsvertrag/Grundsatzvereinbarung

abgeschlossen zwischen den Vertragsparteien:

1. MS. Ltd

A. – Malta

und

2. U. s.r.o.

Sk., B. – Slowakei

Allgemein

Die MS. Ltd ist Inhaberin der von der Republik Malta - Malta Gaming Authority – mit Bescheid erteilten Lizenzen mit den Registerzahlen …, über welche sie in Verbindung mit der europarechtlich garantierten Dienstleistungsfreiheit die Berechtigung zur Anbietung von Sportwetten und Glücksspielen im europäischen Binnenmarkt halt.

Vertragsgegenstand

Die MS. Ltd räumt der U. s.r.o. das nicht weiter abtretbare Recht ein, unter Inanspruchnahme der Lizenzen mit den Registerzahlen 1. … 2. … und 3. …, auf Rechnung und auf alleinige Gefahr der U. s.r.o. Glücksspiele anzubieten.

Die MS. Ltd stellt die für die Anbietung von Glücksspielen aus diesen Lizenzen notwendige Software (EDV-Programme, Datenbestände, ... ) zur Verfügung und erklärt sich bereit, allenfalls erforderliche Support- und Hilfeleistungen für die technisch fehlerfreie Installation und den Betrieb der Software zu leisten.

Die MS. Ltd verpflichtet sich, alle erhaltenen Zahlungen auf Steuern und sonstige Abgaben, welche aus dem Anbieten von Glücksspielen aufgrund dieses Vertrages durch die U. s.r.o. anfallen, der Maltesischen Republik gegenüber ordnungsgemäß und zeitgerecht weiterzuleiten und somit abzuführen.

Die U. s.r.o. verpflichtet sich, auf eigene Kosten alle für den Betrieb der von ihr für das Anbieten der Glücksspiele in Verwendung zu nehmenden Terminals erforderlichen Voraussetzungen (Hardware, Stromversorgung und Internetanschluss) während der Vertragslaufzeit alleinig bereitzustellen und etwaig eintretende technische Störungen (insb Softwarefehler) ehemöglichst der MS. Ltd zu melden.

Die U. s.r.o trägt das wirtschaftliche Risiko aus dem Anbieten von Glücksspielen aus dieser Vereinbarung heraus ausschließlich selbst und verpflichtet sich, alle Gewinne von Kunden aus ihrem auszuzahlen und im Besonderen die MS. Ltd aus diesem schad- und klaglos zu halten.

Die U. s.r.o. verpflichtet sich, alle Steuern und sonstige Abgaben, welche aus dem Anbieten von Glücksspielen aufgrund dieses Vertrages durch die U. s.r.o. in der Maltesischen Republik anfallen, der MS. Ltd so zeitgerecht zur Zahlung zu bringen, dass diese fristgerecht von der MS. Ltd abgeführt werden können.

Die U. s.r.o. verpflichtet sich, alle nationalen Abgaben, des jeweiligen Landes, in welchem sich der Endkunde befindet, korrekt und pünktlich an die jeweils zuständige Behörde des Landes abzuführen und auf Verlangen der Ms. Ltd Einsicht in die Buchhaltungs- und Rechnungsdaten zu gewahren.

Die U. s.r.o. verpflichtet sich, alle im Zusammenhang mit dem Anbieten von Glücksspielen stehenden nationalen Bestimmungen einzuhalten, wie im Besonderen für die Einhaltung der jeweiligen Bestimmungen des Jugendschutzes hinsichtlich der Teilnahme am Spiel Sorge zu tragen, und die Einhaltung dieser Bestimmungen zu kontrollieren.

Entgelt und Abrechnung zwischen den Vertragsteilen

Die Höhe des von der U. s.r.o. zu leistenden Entgelts sowie die Abrechnungsmodalitäten zwischen den Vertragsteilen werden in einer gesonderten Vereinbarung geregelt.

Vertragsdauer und Auflösung

Diese Vereinbarung beginnt am Tag der Unterfertigung und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Die Vertragsteile können diesen Vertrag jederzeit unter Einhaltung einer 6-wöchigen Kündigungsfrist mittels eingeschriebenen Briefes zum Monatsende aufkündigen.

Für die Rechtzeitigkeit der Aufkündigung ist die nachweisliche Postaufgabe maßgeblich.

Anwendbares Recht, Gerichtsstand

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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