Entscheidungsdatum
05.04.2018Norm
BAO §295aText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn A und Frau B, beide vertreten durch RA C, ***, ***, vom 11. Jänner 2018 gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 13. Dezember 2017, Zl. ***, mit welchem die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 14. September 2017 betreffend Rückzahlung einer Aufschließungsabgabe nach der NÖ Bauordnung als unbegründet abgewiesen worden war, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) stattgegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, dass es wie folgt zu lauten hat:
„Der Berufung vom 10. November 2017 wird stattgegeben und gemäß § 295a BAO iVm §§ 24 Abs. 1 und 38 Abs. 1 Z. 2 NÖ Bauordnung 2014 der Spruch des Abgabenbescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 4. November 2015, Zl. ***, dahingehend abgeändert, als die zu entrichtende Aufschließungsabgabe mit € 0,- festgesetzt wird. Das entstandene Guthaben in der Höhe von € 19.589,30 ist zurückzuerstatten.“
2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Sachverhalt:
1.1. Grundsätzliche Feststellungen:
Herr A und Frau B (in der Folge: Beschwerdeführer) sind grundbücherlicher Eigentümer des Grundstückes Nr. *** EZ *** KG ***, welches die topographische Anschrift ***, ***, aufweist:
[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]
„…
(Quelle: imap geodaten des Landes Niederösterreich, Abfrage vom 5. Februar 2018)“
1.2. Verwaltungsbehördliches Verfahren:
1.2.1.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17. August 2010, Zl. ***, wurde den Beschwerdeführer die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses in ***, ***, auf dem Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG *** erteilt. Gleichzeitig wurde das Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG *** gemäß § 11 in Verbindung mit
§ 23 Abs. 3 NÖ Bauordnung 1996 für die Fläche, die im Bauland liegt zum Bauplatz erklärt. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
1.2.2.
Mit Schreiben vom 24. Juni 2011 zeigten die Beschwerdeführer der Baubehörde an, dass sie mit den Bauarbeiten des mit Bescheid der Stadtgemeinde *** vom 17. August 2010, Zl. ***, bewilligten Vorhabens begonnen hätten.
1.2.3.
Mit Schreiben vom 14. April 2014 zeigten die Beschwerdeführer einen Baustopp auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück an.
1.2.4.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2015 teilten die Beschwerdeführer mit, dass sie hiermit von ihrem Baurecht laut Baubewilligung vom 18. August 2010,
Zl. *** für die Errichtung eines Einfamilienhauses in ***, ***, auf dem Grundstück Nr. ***, (EZ *** KG ***) zurückträten.
1.3. Abgabenbehördliches Verfahren:
1.3.1.
Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 4. November 2015, Zl. ***, wurde den Beschwerdeführer gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 NÖ Bauordnung 2014 eine Aufschließungsabgabe im Betrag von € 19.589,30 vorgeschrieben. Begründend wird unter Wiedergabe der Bestimmung des § 38 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 dargelegt, dass die Gemeinde gesetzlich dazu verpflichtet sei, aus Anlass der erstmaligen Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage einen Beitrag des Grundeigentümers zu den Kosten der Verkehrsaufschließung des Bauplatzes einzuheben. Die Abgabe werde gemäß § 38 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 aus dem Produkt von Berechnungslänge, Bauklassenkoeffizient und Einheitssatz errechnet. Der Einheitssatz betrage € 410,00 und der Bauklassenkoeffizient betrage im Baulandbereich ohne Bebauungsplan mindestens 1,25. Die Berechnung präsentiere sich wie folgt:
Bauplatz Fläche Berechn. x Baukl. x Einheits- = Aufschließungs-
Nr. in m² länge koeff. Satz abgabe (in €)
*** 1.461,00 38,2230 1,25 410,00 19.589,30
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Gesamtsumme 19.589,30
1.3.2.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2015 erhoben die Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung und führten im Wesentlichen aus, dass sie von ihrem Baurecht laut Baubewilligung vom 18. August 2010, Zl. *** für die Errichtung eines Einfamilienhauses in ***, ***, auf dem Grundstück Nr. ***, (EZ *** KG ***) zurückträten.
1.3.4.
Mit Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 8. Februar 2016, Zl. ***, wurde der Berufung der Beschwerdeführer keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.
1.3.5.
Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 19. August 2016, Zl. LVwG-AV-253/001-2016, als unbegründet abgewiesen.
1.3.6.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2016 begehrten die Beschwerdeführer mit einem auf § 42 Abs. 3 NÖ Bauordnung 1996 iVm § 295a BAO gestützten Antrag die Rückzahlung der mit Bescheid vom 4. November 2015 vorgeschriebenen und entrichteten Aufschließungsabgabe.
1.3.7.
Mit Schreiben vom 30. August 2017 brachten die Beschwerdeführer durch ihren ausgewiesenen Vertreter eine Säumnisbeschwerde beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ein. Dieses trug mit Verfügung vom 12. September 2017 dem Bürgermeister der Stadtgemeinde *** gemäß § 284 Abs. 2 BAO auf, innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgericht über den Antrag der Beschwerdeführer zu entscheiden.
1.3.8.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom
10. Oktober 2017, Zl. ***, wurde der Antrag der Beschwerdeführer vom 14. Oktober 2016 abgewiesen.
1.3.9.
Mit Schreiben vom 10. November 2015 erhoben die Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung und führten im Wesentlichen aus, dass im Bescheid vom 4. November 2015 eine Aufschließungsabgabe gemäß § 38 Abs. 1 Zif. 2 NÖ Bauordnung 2014 vorgeschrieben worden sei. Da sich dieser Bescheid auf die Baubewilligung vom 17. August 2010 beziehe, sei iSd § 70 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 zur Berechnung der Höhe der Aufschließungsabgabe sowie zur Beurteilung einer allfälligen Aufhebung bzw. Abänderung der Abgabe die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld, sohin vom 17. August 2010 heranzuziehen. Gemäß § 42 Abs. 3 NÖ Bauordnung 1996 sei die Entscheidung aufzuheben, wenn das Recht aus einer Baubewilligung (§ 23 Abs. 1) erloschen und eine Aufschließungsabgabe nach § 38 Abs. 1 Z 2 vorgeschrieben worden sei.
1.3.10.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 13. Dezember 2017, Zl. ***, wurde die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Begründend wird nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften im Wesentlichen dargelegt, dass die Umsetzung der Baubewilligung über das Durchführen von Probegrabungen nicht hinausgegangen sei und die Baubewilligung daher erloschen sei. Mit Bescheid vom 17. Oktober 2010, Zl. ***, sei nicht nur eine Baubewilligung erteilt worden, sondern sei das Grundstück gleichzeitig mit diesem Bescheid auch zum Bauplatz gemäß § 11 NÖ Bauordnung 1996 erklärt worden. Die Bauplatzerklärung erlösche gemäß § 11 Abs. 2 letzter Satz NÖ Bauordnung 1996 nur dann, wenn das zum Bauplatz erklärte Grundstück durch Umwidmung die Baulandwidmung verliere. Damit möge zwar der Tatbestand des § 42 Abs. 3 NÖ Bauordnung 1996 erfüllt sein, die Abgabenpflicht gemäß § 38 Abs. 1 Z. 1 NÖ Bauordnung 1996 bleibe aber bestehen. Der Bescheid über die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe sei daher nicht aufzuheben.
1.4. Beschwerdevorbringen:
Mit Schreiben vom 11. Jänner 2018 brachten die Beschwerdeführer durch ihren ausgewiesenen Vertreter rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 13. Dezember 2017 ein und begründete diese im Wesentlichen damit, dass sich die angefochtene Entscheidung immer nur auf § 38 Abs. 1 Z. 1 NÖ Bauordnung stütze. Vielmehr sei die Aufschließungsabgabe ausschließlich für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes im Sinne des § 38 Abs. 1 Z. 2 NÖ Bauordnung vorgeschrieben worden. Da das Recht aus der Baubewilligung vom 10. August 2010 erloschen sei, wäre der Tatbestand des § 42 Abs. 3 NÖ Bauordnung 1996 erfüllt. Bei richtiger Beurteilung seien das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 19. August 2016,
LVwG-AV-253/001-2016, sowie in weiterer Folge der Bescheid des Gemeindevorstandes der Stadtgemeinde *** vom 8. Februar 2016,
AZ. ***, sowie in weiterer Folge der Bescheid der Stadtgemeinde *** vom 4. November 2015, AZ ***, ersatzlos aufzuheben.
1.5. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Mit Schreiben vom 16. Jänner 2018 und vom 5. Februar 2018 legte die Stadtgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Plänen, Gutachten sowie Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Stadtrates) vor.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in diesen Akt der Stadtgemeinde *** sowie durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch.
1.6. Beweiswürdigung:
Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführerin, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
2.1. Bundesabgabenordnung - BAO:
§ 1. (1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden.
§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
§ 205a. (1) Soweit eine bereits entrichtete Abgabenschuldigkeit, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, herabgesetzt wird, sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Zinsen für den Zeitraum ab Entrichtung bis zur Bekanntgabe des die Abgabe herabsetzenden Bescheides bzw. Erkenntnisses festzusetzen (Beschwerdezinsen).
(2) Der Antrag (Abs. 1) hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung der Bescheidbeschwerde, von deren Erledigung die Abgabenhöhe unmittelbar oder mittelbar abhängt;
b) die Bezeichnung des Bescheides bzw. Erkenntnisses, mit dem die entrichtete Abgabenschuldigkeit herabgesetzt wurde;
c) die für die Höhe der Bemessungsgrundlage der Zinsen maßgebenden Angaben.
§ 205b. Für Landes- und Gemeindeabgaben gilt § 205a nicht.
§ 254. Durch Einbringung einer Bescheidbeschwerde wird die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten.
§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.
§ 295a. (1) Ein Bescheid kann auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.
(2) Die Entscheidung über die Abänderung steht der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des abzuändernden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs. 3) zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu.
2.2. NÖ Bauordnung 1996:
Bauplatz, Bauverbot
§ 11. (1) Bauplatz ist ein Grundstück im Bauland, das
1. hiezu erklärt wurde oder
2. durch eine vor dem 1. Jänner 1989 baubehördlich bewilligte Änderung von Grundstücksgrenzen geschaffen wurde und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder
3. durch eine nach dem 1. Jänner 1989 baubehördlich bewilligte oder angezeigte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder
4. am 1. Jänner 1989 bereits als Bauland gewidmet und mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude oder Gebäudeteil, ausgenommen solche nach § 15 Abs. 1 Z. 1, § 17 Abs. 1 Z. 9 und § 23 Abs. 3 letzter Satz, bebaut war.
Aufschließungsabgabe
§ 38. (1) Dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland ist von der Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2
1. ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz (§ 11) erklärt oder
2. eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage (§ 23 Abs. 3) auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z. 2 und 3, für den kein der Höhe nach bestimmter Aufschließungsbeitrag oder keine entsprechende Abgabe vorgeschrieben und entrichtet worden ist, erteilt wird. Die Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage auf einem Bauplatz gilt als erstmalig, wenn auf diesem Bauplatz am 1. Jänner 1970 und danach kein unbefristet bewilligtes Gebäude gestanden ist. Die Aufschließungsabgabe nach Z. 2 ist nicht vorzuschreiben, wenn die Errichtung eines Gebäudes nach § 23 Abs. 3, letzter Satz, bewilligt wird. Wird auf demselben Bauplatz ein weiteres Gebäude errichtet, ist die Abgabe vorzuschreiben.
…
(3) Die Aufschließungsabgabe (A) ist eine einmal zu entrichtende, ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Abs. 1 Z. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45/1948 in der Fassung BGBl. I Nr. 103/2007. Sie wird aus dem Produkt von Berechnungslänge (BL), Bauklassenkoeffizient (BKK) und Einheitssatz (ES) errechnet:
A = BL x BKK x ES
Bei der Vorschreibung ist jeweils der zum Zeitpunkt der Bauplatzerklärung oder Erteilung der Baubewilligung (Abs. 1) geltende Bauklassenkoeffizient und Einheitssatz anzuwenden.
…
(4) Die Berechnungslänge ist die Seite eines mit dem Bauplatz flächengleichen Quadrates:
Bauplatzfläche = BF BL =
(5) Der Bauklassenkoeffizient beträgt:
in der Bauklasse I 1,00 und
bei jeder weiteren zulässigen Bauklasse um je 0,25 mehr, in Industriegebieten
ohne Bauklassenfestlegung 2,00
bei einer Geschoßflächenzahl
o bis zu 0,8 1,5 o bis zu 1,1 1,75 o bis zu 1,5 2,0 und o bis zu 2,0 2,5
Ist eine höchstzulässige Gebäudehöhe festgelegt, ist der Bauklassenkoeffizient
von jener Bauklasse abzuleiten, die dieser Gebäudehöhe entspricht.
Wird eine Aufschließungsabgabe aufgrund einer Bauplatzerklärung (Abs. 1 Z. 1) vorgeschrieben und ist für das Grundstück keine
* Bebauungshöhe (Bauklasse) oder Geschoßflächenzahl oder
* höchstzulässige Gebäudehöhe
festgelegt, ist bei der Berechnung kein Bauklassenkoeffizient anzuwenden:
A = BL x ES
Erfolgt die Vorschreibung nach Abs. 1 Z. 1 im Zusammenhang mit einer Baubewilligung oder
* nach Abs. 1 Z. 2 und ist keine
* Bebauungshöhe oder Geschoßflächenzahl oder
* höchstzulässige Gebäudehöhe
festgelegt, dann ist der Bauklassenkoeffizient von der bewilligten Höhe des Gebäudes oder der großvolumigen Anlage abzuleiten; z.B. Höhe entspricht der Bauklasse II = Bauklassenkoeffizient 1,25:
A = BL x 1,25 x ES
Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan beträgt der Bauklassenkoeffizient mindestens 1,25 sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt wird, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II.
(6) Der Einheitssatz ist die Summe der durchschnittlichen Herstellungskosten einer 3,00 m breiten Fahrbahnhälfte,
* eines 1,25 m breiten Gehsteiges,
* der Oberflächenentwässerung und der Beleuchtung der Fahrbahnhälfte und des Gehsteiges
pro Laufmeter. Dabei ist für die Fahrbahn eine mittelschwere Befestigung einschließlich Unterbau und für Fahrbahn und Gehsteig eine dauernd staubfreie Ausführung vorzusehen. Der Einheitssatz ist mit Verordnung des Gemeinderates festzusetzen.
Behebung oder Änderung der Vorschreibung einer Abgabe
§ 42. (1) Entscheidungen, mit denen Abgaben nach den §§ 38 bis 41 vorgeschrieben wurden, sind in den Fällen nach Abs. 2 bis 4 von Amts wegen aufzuheben oder abzuändern. …
(3) Erlischt das Recht aus einer Baubewilligung (§ 23 Abs. 1) und wurde eine
* Aufschließungsabgabe nach § 38 Abs. 1 Z. 2 oder
* Ergänzungsabgabe nach § 39 Abs. 3 oder
* Grundabtretungs-Ausgleichsabgabe nach § 40 Abs. 1 in Verbindung mit § 12
Abs. 1 Z. 2 oder
* Stellplatz-Ausgleichsabgabe nach § 41 Abs. 1
vorgeschrieben, ist die Entscheidung aufzuheben.
Wurde aufgrund einer Anzeige der Änderung des Verwendungszwecks (§ 15 Abs. 1 Z. 2) oder der Herstellung einer Einfriedung (§ 15 Abs. 1 Z. 17) eine Stellplatz- oder eine Grundabtretungs-Ausgleichsabgabe vorgeschrieben und die Änderung oder Einfriedung nicht ausgeführt (§ 24 Abs. 6), ist die Entscheidung aufzuheben.
2.3. NÖ Bauordnung 2014 idF LGBl. 50/2017:
Bewilligungspflichtige Vorhaben
§ 4. Nachstehende Vorhaben bedürfen einer Baubewilligung:
1. Neu- und Zubauten von Gebäuden …
Aufschließungsabgabe
§ 38. (1) Dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland ist von der Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2
1. ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz (§ 11) erklärt oder
2. eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage (§ 23 Abs. 3) auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z 2, 3 und 5 erteilt wird.
Die Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage auf einem Bauplatz gilt als erstmalig, wenn auf diesem Bauplatz am 1. Jänner 1970 und danach kein unbefristet bewilligtes Gebäude gestanden ist. Die Aufschließungsabgabe nach Z 2 ist nicht vorzuschreiben, wenn die Errichtung eines Gebäudes nach § 23 Abs. 3 vorletzter Satz bewilligt wird. Wird auf demselben Bauplatz ein weiteres Gebäude im Sinn des § 23 Abs. 3 erster Satz oder eine großvolumige Anlage errichtet, ist die Abgabe vorzuschreiben. …
(3) Die Aufschließungsabgabe (A) ist eine einmal zu entrichtende, ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Abs. 1 Z 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45/1948 in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012. Die Wahl der Abgabentatbestände kann dabei alternativ vorgenommen werden.
Sie wird aus dem Produkt von Berechnungslänge (BL), Bauklassenkoeffizient (BKK) und Einheitssatz (ES) errechnet:
A = BL x BKK x ES
Bei der Vorschreibung ist jeweils der zum Zeitpunkt der Bauplatzerklärung oder Erteilung der Baubewilligung (Abs. 1) geltende Bauklassenkoeffizient und Einheitssatz anzuwenden. …
(4) Die Berechnungslänge ist die Seite eines mit dem Bauplatz flächengleichen Quadrates:
Bauplatzfläche = BF BL = ?BF
(5) Der Bauklassenkoeffizient beträgt:
in der Bauklasse I 1,00 und
bei jeder weiteren zulässigen Bauklasse um je 0,25 mehr,
in Industriegebieten ohne Bauklassenfestlegung 2,00
bei einer Geschoßflächenzahl
- bis zu 0,8 1,5
- bis zu 1,1 1,75
- bis zu 1,5 2,0
- bis zu 2,0 2,5 und
- über 2,0 3,5
Ist eine höchstzulässige Gebäudehöhe festgelegt, ist der Bauklassenkoeffizient von jener Bauklasse abzuleiten, die dieser Gebäudehöhe entspricht. Im Falle einer gleichzeitig festgelegten Geschoßflächenzahl ist jedoch diese für den Bauklassenkoeffizienten maßgeblich.
Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan beträgt der Bauklassenkoeffizient mindestens 1,25, sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt wird oder zulässig ist, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II.
2.4. Verordnung der Stadtgemeinde *** idF vom 1. Jänner 2010:
§ 1. Der Einheitssatz für die Berechnung der Aufschließungsabgabe wird gemäß § 38 Abs. 6 NÖ Bauordnung mit € 410,- festgesetzt.
2.5. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:
1. Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;
2. Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;
3. Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.
(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden.
…
(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
3. Würdigung:
3.1. Zu Spruchpunkt 1:
Die Beschwerde ist nicht begründet.
3.1.1.
In der Sache ist eingangs festzuhalten, dass die von den Abgabenbehörden der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Abgabenfestsetzung zugrunde gelegten Berechnungen außer Streit stehen. Das Beschwerdevorbringen lässt sich vielmehr auf die Frage reduzieren, ob angesichts des behaupteten Erlöschens der Baubewilligung die entrichtete Aufschließungsabgabe zu refundieren ist.
3.1.2.
Nach § 4 Abs. 1 der von den Verwaltungsbehörden (und dem erkennenden Gericht) anzuwendenden BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Angesichts der Komplexität der Sachlage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass aus der rechtlichen Konstruktion der Abgabenschuldverhältnisse folgt, dass dieses bereits mit Verwirklichung eines gesetzlich normierten Abgabentatbestandes entsteht. Der Abgabenbescheid ist seinen wesentlichen Merkmalen nach lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH vom 25. Juni 2014, Zl. 94/17/0419). Daraus ergibt sich, dass die Abgabenbehörde die Abgabe festzusetzen hat, sobald der Abgabenanspruch entstanden ist. Da sich der Abgabenanspruch der Gemeinde aus der Sicht des Abgabepflichtigen als Abgabenschuld darstellt, ist die Abgabenfestsetzung zulässig, sobald die Abgabenschuld entstanden ist.
3.1.3. Zum Erlöschen der Baubewilligung:
Im Rahmen des Bescheides vom 17. August 2010 wurde den Beschwerdeführern die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses in ***, ***, auf dem Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG *** erteilt. Diese Baubewilligung wurde nie konsumiert, da – bis auf Probebohrungen nach der erfolgten Anzeige des Baubeginnes am 24. Juni 2011 – keinerlei Baumaßnahmen durch die Beschwerdeführer gesetzt wurden. Vielmehr ist die Baubewilligung spätestens am 24. Juni 2016 erloschen, da eine Bauvollendung nicht einmal ansatzweise erfolgt ist (vgl. VwGH vom 27. Februar 2002, Zl. 99/05/0146). Mit dem Erlöschen des Rechtes aus dem Baubewilligungsbescheid wird dieser unwirksam. Wenn die Ausführung des Bauvorhabens trotz des schon eingetretenen Ablaufs der Baubeginns- oder -fertigstellungsfrist weiterhin beabsichtigt wird, dann müsste hiefür eine neuerliche Baubewilligung beantragt und ein neues Baubewilligungsverfahren durchgeführt werden (vgl. VwGH vom 15. Juli 2003, Zl. 2002/05/0772).
Im vorliegenden Fall ist somit die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses erloschen, nicht aber die Erklärung des Grundstückes zum Bauplatz.
3.1.4. Zur Frage der Rückzahlung der entrichteten Aufschließungsabgabe:
Gemäß § 295a BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, dass abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat. Einen Anwendungsbereich im Rahmen der NÖ Bauordnung 2014 stellt hierbei das Erlöschen eines Rechts aus einer Baubewilligung dar (vgl. Kienastberger/Stellner-Bichler, NÖ Baurecht Praxiskommentar, Verlag Österreich, S. 6).
Ereignisse im Sinne des § 295a BAO sind sachverhaltsändernde tatsächliche oder rechtliche Vorgänge, von denen sich - aus den die steuerlich relevanten Tatbestände regelnden Abgabenvorschriften - eine abgabenrechtliche Wirkung für bereits entstandene Abgabenansprüche ergibt (vgl. VwGH vom 25. Juni 2008, Zl. 2006/15/0085, und vom 1. September 2015, Zl. Ra 2015/15/0035). § 295a BAO ist eine rein verfahrensrechtliche Bestimmung, die in keiner Weise Einfluss auf den Tatbestand materieller Abgabengesetze nimmt. Es ist vielmehr den materiellen Abgabengesetzen zu entnehmen, ob einem nachträglich eingetretenen Ereignis abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit zukommt. Es ist sohin an Hand der materiellen Abgabengesetze zu prüfen, ob ein Anwendungsfall des § 295a BAO vorliegen kann (vgl. VwGH vom 24. September 2014, Zl. 2010/13/0062, sowie Ritz, BAO³, § 295a Tz 3f).
Im vorliegenden Fall ist nun durch das Erlöschen der Baubewilligung nach Erlassung des Abgabenbescheids vom 4. November 2015 ein Ereignis eingetreten, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruchs – hier betreffend die Aufschließungsabgabe – hat. Die Rückwirkung im Sinne des § 295a BAO ergibt sich daraus, dass die erloschene Baubewilligung die entstandene Abgabenschuld an ihrer Wurzel berührt. Der abgabenrelevante Sachverhalt muss sich in die Vergangenheit in der Weise auswirken, dass anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhaltes nunmehr ein veränderter Sachverhalt der Besteuerung zu Grunde zu legen ist (vgl. Beiser in Tanzer, Die BAO im 21. Jahrhundert, 151, mit einem Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH zur vergleichbaren Bestimmung des § 175 Abs. 1 Z. 2 AO).
Durch das Erlöschen der Baubewilligung ist nunmehr ein veränderter Sachverhalt der Abgabenvorschreibung im Bescheid des Bürgermeisters vom 4. November 2015 zugrunde zu legen, sodass eine Abgabenvorschreibung gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 NÖ Bauordnung nicht mehr erfolgen kann. Den Beschwerdeführern ist somit die entrichtete Aufschließungsabgabe zurückzuerstatten.
Im Ergebnis haben die Abgabenbehörden der mitbeteiligten Stadtgemeinde dem Grunde nach zu Unrecht eine Rückerstattung der entrichteten Aufschließungsabgabe verneint.
3.1.5. Zur begehrten Verzinsung:
Wenn seitens der Beschwerdeführer nun 4 % Zinsen p.A. im Falle der Rückerstattung der Aufschließungsabgabe verlangt werden, so übersehen sie, dass im Falle des Obsiegens im Verfahrensregime der BAO in § 205a eigene Beschwerdezinsen etabliert wurden. Allerdings normiert § 205b ausdrücklich, dass dies für Landes- und Gemeindeabgaben nicht gilt. Im Ergebnis waren daher keine Zinsen zuzusprechen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.1.6.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs. 1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von den Beschwerdeführern nicht beantragt. Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht und eine gesicherte und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die unter Punkt 3.1. auch dargelegt wird.
Schlagworte
Finanzrecht; Baurecht; Aufschließungsabgabe;Anmerkung
VwGH 26.03.2019, Ra 2018/16/0108-6, ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.96.001.2018Zuletzt aktualisiert am
30.03.2021