TE Lvwg Erkenntnis 2018/4/27 LVwG-AV-31/001-2018

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Veröffentlicht am 27.04.2018
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Entscheidungsdatum

27.04.2018

Norm

KFG 1967 §20 Abs5 litc
KFG 1967 §22 Abs4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Marzi als Einzelrichter über die Beschwerde der A e.U., vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 7. Dezember 2017, Zl. ***, betreffend Zurückweisung eines Antrages i.A. Bewilligung für die Anbringung von Blaulicht- und Tonfolgeanlagen nach KFG 1967, zu Recht:

1.   Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

2.   Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich nachstehender, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

1.1.  Mit E-Mail vom 17. August 2016 richtete die beschwerdeführende Partei folgenden Antrag an die belangte Behörde (Wiedergabe hier und in der Folge im Original):

„Sehr geehrte Damen und Herren,

Hiermit beantrage ich eine weitere Blaulichtbewilligung für ein zweites Rettungsfahrzeug in unserer Firma.

Wir benötigen diese Genehmigung für dringende Blaulichttransporte für das Landesklinikum *** und das Landesklinikum ***.

Diese Transporte bestehen aus CT Bilder, Röntenbilder, Operationsbesteck, Proben, Blut und diversen Medizinisch dringenen Materialien für die beiden Kliniken.

Die Bewilligung die wir schon haben ist eine Blaulichtbewilligung für den Rettungsdienst örtlich eingeschränkt auf das Gebiet der Bundesländer Niederösterreich und Wien. Für Warnleuchte mit blauem Licht sowie Tonfolgehorn am Fahrzeug.

Ich hoffe auf positive Erledigung […]“

1.2.  Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27. September 2016,
Zl. ***, wurde dieser Antrag abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Antrags vom 17. August 2016 auszugsweise wie folgt aus:

„Das in Rede stehende A Fahrzeug (pol. KFZ-Kennzeichen: ***) zählt nicht zu den in § 20 Abs. 1 Z. 4 KFG 1967 genannten, weswegen es für die Anbringung einer Blaulichtanlage einer Bewilligung des zuständigen Landeshauptmannes von Niederösterreich bedarf. Diese darf gemäß § 20 Abs. 5 erster Satz KFG 1967 nur erteilt werden, wenn

1. die Verwendung des Blaulichts im öffentlichen Interesse gelegen ist,

2. dagegen vom Standpunkt der Verkehrs- und Betriebssicherheit keine Bedenken

bestehen und

3. es sich um ein Fahrzeug handelt, welches für Aufgaben bestimmt ist, die unter Iit. a bis j taxativ aufgezählt sind.

Lit. b und c nennen als hier zu betrachtende Aufgaben „den öffentlichen Hilfsdienst“ bzw. „den Rettungsdienst oder den Bergrettungsdienst“. Gemäß § 22 Abs. 4 KFG 1967 gelten für die Anbringung von T o n f o I g e a n l a g e n die Bestimmungen des § 20 Abs. 5 sinngemäß. Das zur Anbringung von Blaulicht Dargetane gilt demnach sinngemäß auch für die Anbringung von Tonfolgeanlagen.

A. Qualifikation als öffentlicher Hilfsdienst

[…]

Vor dem Hintergrund der besonderen Regeln für Einsatzfahrzeuge in der StVO 1960 ist davon auszugehen, daß ein öffentliches Interesse an der Verwendung von Blaulicht (und wegen des Verweises in § 22 Abs. 4 auf 5 20 Abs. 5 KFG 1967 auch von Tonfolgehorn) nur dann gegeben ist, wenn das Fahrzeug, für das die Bewilligung angestrebt wird, nicht nur in Ausnahmefällen, sondern mit entsprechender Häufigkeit zu Fahrten bestimmt ist, bei denen Gefahr im Verzug iSd. § 26 Abs. 1 StVO 1960 vorliegt, bei denen also anzunehmen ist, daß die durch die Verwendung von Blaulicht oder Tonfolgehorn bewirkte Erleichterung des Vorankommens ausschlaggebend sein wird, um drohende Gefahr für das Leben oder für die Gesundheit von Menschen abzuwenden.

Anhand dieser Kriterien ist zu beurteilen, ob bei einem Fahrzeug, das für den öffentlichen Hilfsdienst iSd. § 20 Abs. 5 erster Satz Iit. b KFG 1967 bestimmt ist, ein öffentliches Interesse an der Verwendung von Warnleuchten mit blauem Licht und eines Tonfolgehornes gegeben ist.

Aus der Äußerung des Inhabers der A eU vom 17. August 2016 ist zu entnehmen, daß der Transport von Medikamenten und Blutkonserven angedacht sei (... dringende Blaulichttransporte für das Landesklinikum *** und das Landesklinikum ***. Diese T[r]ansporte bestehen aus CT*Bilder[n]‚ Rönt[g]enbilder[n], Operationsbesteck, Proben, Blut und diversen Medizinisch dringen[d]en Materialien für die beiden Kliniken). Diese Beschreibung reicht jedenfalls n i c h t aus, um ausreichende Anhaltspunkte für das Bestehen eines öffentlichen Interesses aufzuzeigen, weil nichts dafür spricht, daß die in Rede stehenden Fahrten mit entsprechender Häufigkeit bei Gefahr im Verzug zu erfolgen

hätten, bei denen die erwähnte Dringlichkeit vorliegt, es also gleichsam „um Minuten“ geht.

Es kann somit nicht nachvollzogen werden, weshalb bei den Fahrten des in Rede stehenden Fahrzeugs *** ein hinreichendes öffentliches Interesse an der Verwendung von Blaulicht oder Tonfolgehorn bestehen soll.

Angemerkt wird, daß hier – angesichts des Nichterfüllens der ersten Voraussetzung – kein Anlaß (mehr) zur Prüfung der weiteren Kriterien „entsprechende Verwendungsbestimmung der Fahrzeuge“ (2.), also ob es sich tatsächlich um einen Hilfsdienst iSd § 20 Abs. 5 Iit. b KFG 1967 handelt, und „Fehlen von Bedenken vom Standpunkt der Verkehrs- und Betriebssicherheit“ (3.) besteht.

B. Qualifikation als Rettungsdienst

[…]

Ungeachtet der Äußerung des Inhabers der A eU vom 17. August 2016, der zu entnehmen ist, daß der vermehrte Transport von Medikamenten und Blutkonserven angedacht sei, kann im Licht der insofern eindeutigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht davon ausgegangen werden, daß die Antragstellerin als Rettungsdienst iSd § 20 Abs. 5 Iit. c KFG 1967 zu qualifizieren ist.

Angemerkt wird, daß hier – angesichts des Nichterfüllens der (dritten) Voraussetzung – kein Anlaß (mehr) zur Prüfung der weiteren Kriterien „Verwendung des Blaulichts im öffentlichen Interesse gelegen“ (1.) und „Fehlen von Bedenken vom Standpunkt der Verkehrs- und Betriebssicherheit“ (2.) besteht.

Auch wenn die Motive der Ansuchenden zweifellos anerkennenswert sind, muß das Ansuchen infolge Nichterfüllens der gesetzlichen Voraussetzungen abgewiesen werden.“

Dieser Bescheid wurde der beschwerdeführenden Partei am 3. Oktober 2016 zugestellt. Ein Rechtsmittel wurde gegen diesen Bescheid nicht erhoben.

1.3.  Mit E-Mail vom 8. November 2017 beantragte die beschwerdeführende Partei wie folgt:

„Im Anhang sende ich Ihnen eine Blaulichtbewilligung eines ausgeschiedenen Fahrzeuges wie ich auch die Abmeldebestätigung.

Leider wurde mir nicht gesagt bei der Bewilligung das ich eine Abmeldung unverzüglich melden muss dieses Vorgehen tut mir sehr leid.

Unser Blaulichtfahrzeug wurde auf Grund eines Motorschadens ausgeschieden. Nur würde ich gerne ein neues Fahrzeug auf diese Bewilligung eintragen lassen

Die Daten des neuen Fahrzeuges habe ich Ihnen ebenfalls im Anhang geschickt

Ich hoffe auf baldige positive Erledigung“

1.3.1.  Dieser Antrag wurde durch ein E-Mail vom 15. November 2017 ergänzt. Dem E-Mail waren als „Transportjournal“ bezeichnete Aufzeichnungen betreffend von der beschwerdeführenden Partei zwischen diversen Landeskrankenhäusern durchgeführte Transportfahrten in den Jahren 2010 bis 2017 angefügt.

1.3.2.  Überdies war diesem E-Mail folgender Schriftsatz angefügt:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

die A e.U. stellt hiermit den Antrag auf Bewilligung der Anbringung von Blaulicht- und Tonfolgeanlagen nach KFG 1967 für das KFZ mit dem behördlichen Kennzeichen *** in eventu auf Bewilligung der Anbringung von Blaulicht- und Tonfolgeanlagen nach KFG 1967 für das KFZ mit dem behördlichen Kennzeichen *** eingeschränkt auf das Gebiet des Bundeslandes Niederösterreich und Wien.

Der Antrag wird wie folgt begründet:

Die Anbringung von Blaulichtanlagen ist auch bei anderen Fahrzeugen als in
§ 20 Abs 1 Z 4 KFG genannten Fahrzeugen zulässig wenn eine Bewilligung erteilt wird. Die Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn die Verwendung des Blaulichts im öffentlichen Interesse gelegen ist, vom Standpunkt der Verkehrs- und Betriebssicherheit keine Bedenken bestehen und es sich um ein Fahrzeug handelt, das für den Rettungsdienst bestimmt ist.

Nach § 22 Abs 4 KFG gelten nun für die Anbringung von Tonfolgeanlagen die Bestimmungen des § 20 Abs 5 KFG sinngemäß.

Die A e.U. ist im Rettungsdienst tätig. Hauptaufgabe ist die Beförderung von gehenden, sitzenden, liegenden Patienten und Notfallpatienten für die Landeskliniken *** und ***. Die Patienten sind in zumeist in stationärer Behandlung und werden in andere Kliniken zu weiteren Untersuchungen und Behandlungen transportiert. Ein Rettungsfahrzeug mit ausgebildetem Personal ist vorhanden.

Beispielsweise transportiert die A e.U. einmal die Woche Patienten von den Kinderstationen die von *** nach *** zu einer MRT Untersuchung. Im

Landesklinikum Baden bekommen diese Patienten eine Sedierung für den Zeitraum der Untersuchung und wenn Sie dann in das Landesklinikum *** zurück gebracht werden sind die Kinder nicht selten noch immer von der Sedierung stark mitgenommen und müssen weiterhin im Fahrzeug medizinisch beobachtet werden. Diese Transporte können jeder Zeit von einem normalen Krankentransport zu einem Notfall werden wo man gezwungen ist unter Einschaltung eines Blaulichtes mit Tonfolgehorn in das Zielspital weiter zu fahren um die Transportzeit zu verkürzen.

Aufgrund der konkreten Transporte ergibt sich eine Dringlichkeit wie Leistung erster Hilfe und die Zuführung zur dringend benötigten ärztlichen Versorgung.

Die A e.U. transportiert auch regelmäßig Material und Bluttransporte für die Kliniken *** und ***. Hier kommt es öfter das für den Zentral OP *** ein dringend benötigtes Besteck oder auch Implantate von Zentral 0P *** geliefert werden müssen. Diese Transporte müssen unter Verwendung eines Blaulichtes durchgeführt werden, da es sich in diesen Fällen um Notoperationen handelt wo bei der Operation entweder ein Besteck beschädigt wurde oder defekt sind.

Um dafür das benötigte Material so schnell wie möglich zu liefern und die Gefahr für

Patienten zu minimieren zu können wird die A e.U. als spezialisiertes

Rettungsdienstunternehmen von den Landeskliniken beauftragt.

In den Jahren 2015 und 2016 waren es 387 Blaulichtfahrten von Operationsbestecken, Bluttransporten oder dringenden CT Bildern die auch in andere Spezialkliniken transportiert wurden zur weiteren Begutachtung. Bei all diesen Blaulichtfahrten für die Operationssäle ging es um jede Minute weil bei laufenden Operationen irgendetwas nicht Vorhersehbares eingetreten ist. Die Blaulichtfreigaben werden in unserem Fall nur von den Landeskliniken gegeben und auch nur dann wenn es eine Dringlichkeit für die Gesundheit eines Patienten gibt.

Die A e.U. hat im Jahr 2015 und 2016 5872 Patienten und Materialtransporte für die Landeskliniken *** und *** durchgeführt.

Es ist für die Landeskliniken *** und *** von hohem Interesse das auch weiterhin dringende Transporte unter Verwendung eines Blaulichtes für die zwei Standorte durchgeführt werden können, da ohne Einsatz der A e.U. viele laufenden Operationen ohne schnelles Liefern unterbrochen werden müssten. Die Gefahr für Patienten ist evident, sollte das notwendige Material nicht entsprechend rasch geliefert werden.

Die Zeitvorgabe von den Landeskliniken für dringende Transporte liegen bei 20 Minuten für die Anfahrt in das jeweilige Spital das den Rettungswagen anfordert und von dort in das jeweilige Zielspital z.B: vom LK *** nach LK *** Z OP maximal 20 min bzw. vom LK *** nach LK *** Labor maximal 20 min vorschreibt.

Desto länger man für die Strecke zu und zwischen den Spitälern brauchen desto länger müssen Spitäler auf OP Besteck oder dringend benötigte Implantate warten. Diese zusätzliche Wartezeit kann für die Patienten erhebliche Gesundheitliche Schäden verursachen oder zum Tod eines Patienten führen

Das gleiche gilt auch für Bluttransporte die hauptsächlich von den zwei Standorten in das Labor *** gebracht werden um dort dringend begutachtet oder gekreuzt werden können um dann in Folge auch für laufende Operationen dringend benötigte Blutkonserven aus dem Landesklinikum *** zu den Kliniken *** oder *** zu bringen. Eine örtliche Beschränkung auf das Land Niederösterreich und Wien würde die A e.U. daran hindern, schwerkranke Personen, Blut und Operationsmaterial z.B. in das Burgenland zu befördern.

Weiters führt die A e.U. Rückholtransporte von Patienten für diverse

Versicherungen Österreich und Europaweit durch. Für diese Transporte ist nicht selten auch ein Arzt erforderlich. Und je nach Zustand des Patienten ist für diese Transporte auch nicht selten die Verwendung von einem Blaulicht mit Tonfolgehorn notwendig um die Leistung erster Hilfe und die folgende Zuführung zur ärztlichen Versorgung gewährleisten zu können.

Die Fahrten mit dem angeführten Fahrzeuge sind als dringend zu beurteilen. Insbesondere wird das Fahrzeuge nicht ausschließlich und überwiegend zum Krankentransport verwendet sondern ist dieses, wie sich anhand der Anführung der Zahl der dringenden Einsätze zeigt, mit einer Häufigkeit für zu erwartende dringende Einsätze bestimmt.

Die Genehmigung zum Anbringen einen Blaulichtes mit Tonfolgehorn betrifft das Fahrzeug mit beiliegender Zulassungsschein Kopie und dem behördlichen Kennzeichen.

Die Voraussetzungen des öffentlichen Interesses an der Verwendung von Blaulicht, das Fehlen von Bedenken vom Standpunkt der Verkehrs- und Betriebssicherheit sowie die Verwendung des Fahrzeugs für den Rettungsdienst sind erfüllt. Aus diesem Grund ist die Beantragte Bewilligung zu erteilen. Die Erteilung der Bewilligung liegt nicht im Ermessen der Behörde und muss bei Vorliegen der Voraussetzungen erteilt werden.

Mit freundlichen Grüßen“

1.3.3.  Weiters war dem E-Mail vom 15. November 2017 ein Antrags-Formblatt angefügt, in welchem ein Antrag auf Erteilung der Bewilligung zur Anbringung von Warnleuchten mit blauem Licht und/oder von Vorrichtungen zum Abgeben von Warnzeichen mit aufeinander folgenden, verschieden hohen Tönen für das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen ***, VW T5 4 Motion Fahrgestellnummer *** „für den Rettungsdienst oder den Bergrettungsdienst“, gestellt wird. Dieses Formular trägt die Unterschrift des Geschäftsführers der beschwerdeführenden Partei und ist mit 15. November 2017 datiert.

1.3.4.  Mit E-Mail vom 16. November 2017 wurde der Antrag dahingehend „berichtigt“, dass die örtliche Einschränkung sich nur auf Wien und Niederösterreich beziehen solle.

1.4.  Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 7. Dezember 2017 wurde der Antrag vom 8. November 2017 „wegen entschiedener Sache“ zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass „die – mit dem nun gegenständlichen Begehren gleichartigen – Ansuchen vom 17. August 2016“ mit rechtskräftig gewordenem Bescheid vom 27. September 2016 abgewiesen worden seien. Dieser, der Beschwerde nicht bzw. nicht mehr unterliegende Bescheid sei am 3. Oktober 2016 nachweislich zugestellt worden. Im vorliegenden Fall sei von der Identität der Sache im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auszugehen, da sowohl die Ansuchen vom 17. August 2016, als auch jene vom
8. November 2017 „dasselbe Parteibegehren“ beinhalten, und zwar die (örtlich auf Niederösterreich und Wien eingeschränkte) Erteilung der Bewilligungen zur Anbringung von Warnleuchten mit blauem Licht und Tonfolgehorn am PKW mit dem Kennzeichen *** und der Fahrgestellnummer ***.

1.5.  Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher mit näherer Begründung bestritten wird, dass eine „entschiedene Sache“ vorliegt.

2.   Rechtliche Erwägungen:

2.1.1  Eine die Zurückweisung eines Antrags wegen entschiedener Sache rechtfertigende Identität der Sache liegt nur dann vor, wenn bei gleich gebliebener maßgeblicher Sach- und Rechtslage auch das neue Parteienbegehren im Wesentlichen, d.h. abgesehen von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, mit dem früheren Begehren übereinstimmt, also in derselben „Sache“ eine nochmalige Entscheidung fordert (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 36 [Stand 1. März 2018, rdb.at], mit zahlreichen Hinweisen auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

2.1.2.  Vor dem Hintergrund der besonderen Regeln für Einsatzfahrzeuge in der StVO 1960 ist davon auszugehen, dass ein öffentliches Interesse an der Verwendung von Blaulicht (und wegen des Verweises in § 22 Abs. 4 auf § 20 Abs. 5 erster Satz lit. c KFG 1967 auch von Tonfolgehorn) nur dann gegeben ist, wenn das Fahrzeug, für das die Bewilligung angestrebt wird, nicht nur in Ausnahmefällen, sondern mit entsprechender Häufigkeit zu Fahrten bestimmt ist, bei denen Gefahr im Verzug iSd. § 26 Abs. 1 StVO 1960 vorliegt, bei denen also anzunehmen ist, dass die durch die Verwendung von Blaulicht oder Tonfolgehorn bewirkte Erleichterung des Vorankommens ausschlaggebend sein wird, um drohende Gefahr für das Leben oder für die Gesundheit von Menschen abzuwenden. Anhand dieser Kriterien ist im Einzelfall zu beurteilen, ob bei einem Fahrzeug, das für den Einsatz im Rettungsdienst iSd. § 20 Abs. 5 erster Satz lit. c KFG 1967 bestimmt ist, ein öffentliches Interesse an der Verwendung von Blaulicht oder Tonfolgehorn gegeben ist (VwGH vom 21. August 2014, Ro 2014/11/0068).

Die Bewilligung von Warnleuchten mit blauem Licht setzt auch bei Fahrzeugen gemäß § 20 Abs. 5 lit. c KFG 1967 (Fahrzeuge für den Rettungsdienst oder den Bergrettungsdienst) das Vorliegen eines öffentlichen Interesses voraus, welches dann anzunehmen ist, wenn das Fahrzeug nicht nur in Ausnahmefällen, sondern mit entsprechender Häufigkeit (in einer größeren Zahl von Fällen) zu Fahrten bestimmt ist, bei denen anzunehmen ist, dass die durch die Verwendung von Blaulicht oder Tonfolgehorn bewirkte Erleichterung des Vorankommens ausschlaggebend sein wird, um drohende Gefahr für das Leben oder für die Gesundheit von Menschen abzuwenden (bei denen es also gleichsam "um Minuten geht"). Der VwGH hat dazu klargestellt, dass diese Voraussetzung im Regelfall weder bei bloßen Krankentransporten, bei denen in seltenen Fällen Komplikationen auftreten können, noch bei Patiententransporten vom Flughafen zu umliegenden Spitälern im Rahmen internationaler Krankenlufttransporte (somit beim Transport von Personen, deren Gesundheitszustand einen Flug zulässt) erfüllt sein werden (VwGH vom 13. Juli 2016, Ra 2016/11/0078).

Unter dem in § 20 Abs. 5 lit c KFG genannten Rettungsdienst ist nicht jede Tätigkeit zu verstehen, die unter den Begriff des Rettungswesens (iSd Art 10 Abs. 1 Z 12 B-VG) subsumiert werden kann. § 20 Abs. 5 lit c KFG ist vielmehr auf Fahrzeuge einzuschränken, die für –  mit einer gewissen Häufigkeit zu erwartende –  dringende Einsätze (Leistung erster Hilfe und die folgende Zuführung zur ärztlichen Versorgung) bestimmt sind. Fahrzeuge, die ausschließlich oder nahezu ausschließlich als Krankentransportfahrzeuge verwendet werden, fallen nicht darunter. Auch der Transport von Medikamenten und Blutkonserven für Krankenhäuser gehört nicht zum Rettungsdienst gemäß § 20 Abs. 5 lit c KFG (VwGH vom 24. März 1999, 98/11/0123).

2.1.3.  Der mit Bescheid vom 27. September 2016 abgewiesene Antrag führte begründend aus, dass eine Blaulichtbewilligung für Transporte bestehend aus CT-Bildern, Röntgenbildern, Operationsbesteck, Proben, Blut und diversen dringenden medizinischen Materialen für das Landesklinikum *** und ***, gebraucht werde.

Schon vor dem Hintergrund, dass der nunmehr zurückgewiesene Antrag demgegenüber begründend nicht bloß den Transport von Material und Blut, sondern darüber hinaus auch die Beförderung von Patienten und Notfallpatienten sowie europaweite Rückholtransporte von Patienten angibt, kann nicht davon gesprochen werden, dass insofern schon eine entschiedene Sache im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt; darauf, dass die „Blaulichtbewilligung“ für dasselbe Kraftfahrzeug beantragt wird, kommt es im gegebenen Zusammenhang nicht an.

2.1.4.  Wurde der Antrag von der Unterinstanz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, darf das Verwaltungsgericht nur über die verfahrensrechtliche Frage der Zurückweisung absprechen und nicht darüber hinaus – wie in der Beschwerde beantragt – eine Sachentscheidung fällen. Für eine erstmalige Sachentscheidung ist die Rechtsmittelinstanz nicht zuständig, weil dadurch der Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens, der allein die Rechtmäßigkeit der Verweigerung der meritorischen Behandlung des Antrages durch die Behörde zum Inhalt hat, unzulässigerweise überschritten würde. Kommt die Rechtsmittelinstanz zum Ergebnis, dass die Zurückweisung zu Unrecht erfolgt ist, hat sie den Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die Unterinstanz in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelinstanz den gestellten Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO, Rz 46, mit zahlreichen Hinweisen auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Der angefochtene Bescheid ist daher – gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unter Entfall einer Verhandlung – aufzuheben, wobei zur Vermeidung von Missverständnissen darauf hingewiesen sei, dass mit der gegenständlichen Entscheidung nicht ausgesagt wird, dass der von der beschwerdeführenden Partei eingebrachte Antrag zu bewilligen ist.

2.2.  Zur Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und lediglich die Auslegung eines Antrags im Einzelfall vorzunehmen war (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision im Falle einer vertretbaren Auslegung zB VwGH vom 1. Februar 2017, Ra 2017/04/0001, sowie vom 28. Februar 2018, Ra 2018/11/0010).

Schlagworte

Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Tonfolgehorn; Warnleuchte;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.31.001.2018

Zuletzt aktualisiert am

27.06.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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