Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Mag. Brandl sowie Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der D M in M, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 29. Jänner 2018, LVwG-S-756/001-2017, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Tulln),
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe und die Verfahrenskosten wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 28. Februar 2017 wurde die Revisionswerberin als unbeschränkt haftende Gesellschafterin einer näher bezeichneten KG, sohin als gemäß § 9 Abs. 1 VStG nach außen vertretungsbefugtes Organ wegen zweier Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) zur Zahlung von zwei Geldstrafen in der Höhe von je EUR 1.000,-- verpflichtet und im Fall der Uneinbringlichkeit je eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 200 Stunden verhängt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab, bestätigte das angefochtene Straferkenntnis, verpflichtete die Revisionswerberin zur Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von EUR 400,-- und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, sind gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Liegen - wie hier - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. VwGH 9.3.2018, Ra 2018/17/0005).
8 Die Revision erweist sich in ihrem Zulässigkeitsvorbringen zur mangelnden Begründung der in einem auffallenden Missverhältnis zur Höhe der festgesetzten Geldstrafen jeweils ausgemessenen Ersatzfreiheitsstrafen sowie zur Anführung der korrekten Strafsanktionsnorm im Spruch im Umfang der Überprüfung des Strafausspruchs als zulässig und begründet:
9 Die hg. Rechtsprechung räumt dem Beschuldigten ein Recht darauf ein, dass im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint. Gleiches gilt für die Anführung der Strafnorm nach § 44a Z 3 VStG. Darunter ist jene Verwaltungsvorschrift zu verstehen, die bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist (vgl. zuletzt VwGH 9.3.2018, Ra 2018/17/0005, mwN). Im vorliegenden Fall ist bei einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG die Strafsanktionsnorm § 52 Abs. 2 GSpG.
10 Das Verwaltungsgericht hat daher insoweit, als der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides fehlerhaft ist, weil z.B. die angewendeten Gesetzesstellen unrichtig oder unvollständig zitiert wurden, dies in seinem Abspruch zu ergänzen bzw. richtigzustellen (vgl. zu § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG und § 52 Abs. 2 GSpG VwGH 15.11.2017, Ra 2017/17/0021).
11 Das Verwaltungsgericht hat das angefochtene Erkenntnis bereits insofern mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, als es das Straferkenntnis trotz des fehlerhaften Abspruchs nicht korrigiert hat.
12 Zum Ausspruch bezüglich der Ersatzfreiheitsstrafe ist festzuhalten, dass nach dem - vom Verwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen anzuwendenden - § 16 Abs. 2 VStG die Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen darf. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.
13 § 52 Abs. 2 GSpG sieht weder eine Freiheitsstrafe vor, noch ist für die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe von § 16 Abs. 2 VStG Abweichendes vorgesehen.
14 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht durch die Bestätigung des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses - ausgehend von einem Strafrahmen von EUR 1.000,-- bis EUR 10.000,-- pro Glücksspielgerät - eine Geldstrafe von EUR 1.000,-- verhängt. Die Ersatzfreiheitsstrafe hingegen wurde bei einer Höchststrafe von 14 Tagen mit 200 Stunden und somit im Umfang von acht Tagen und 8 Stunden ausgemessen. Diese Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe mit mehr als der Hälfte der möglichen Höchststrafe steht in einem auffallenden Missverhältnis zur Höhe der Geldstrafe, die mit der Mindeststrafe (zehn Prozent der Höchststrafe) festgesetzt wurde. Eine Begründung für die Ausmessung der Ersatzfreiheitsstrafe in dieser Höhe ist weder dem Straferkenntnis noch dem angefochtenen Erkenntnis zu entnehmen.
15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist jedenfalls dann, wenn zwischen der Höhe der verhängten Geldstrafe und der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe ein erheblicher, nach dem Verhältnis zur Höchststrafe zu bemessender Unterschied besteht, dafür eine Begründung erforderlich. Da eine solche im angefochtenen Erkenntnis nicht erfolgt, belastet dies den Strafausspruch mit Rechtswidrigkeit (vgl. VwGH 6.9.2016, Ra 2016/09/0056, mwN).
16 Ist der Ausspruch bezüglich der Ersatzfreiheitsstrafe rechtswidrig, so ist der Strafausspruch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Gänze aufzuheben (vgl. VwGH 23.6.2017, Ra 2016/08/0141, mwN).
17 Zum weiteren Zulässigkeitsvorbringen der Revision ist auszuführen, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff, sowie 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn 28, 62 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.
18 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH ua, C- 685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55).
19 Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, keine Rechtsfrage auf, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
20 Die Revision war daher insoweit nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
21 Im Umfang des Strafausspruchs und im Ausspruch über die Verfahrenskosten wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
22 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 28. Mai 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170081.L00Im RIS seit
27.06.2018Zuletzt aktualisiert am
27.08.2018