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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §19;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 98/18/0214 E 4. April 2001Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des R K, (geb. 5.2.1969), in Wien, vertreten durch Dr. Manfred Steininger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. Jänner 1998, Zl. SD 1390/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 8. Jänner 1998 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesh, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei am 30. November 1994 über Salzburg nach Österreich eingereist. Am 16. Dezember 1994 habe er einen Asylantrag gestellt. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers sei ihm schon deshalb keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 zugekommen, weil er den Antrag nicht im Sinn des § 7 Abs. 1 leg. cit. innerhalb von sieben Tagen nach der Einreise gestellt habe. Diese Frage sei aber im vorliegenden Fall nicht von entscheidender Bedeutung gewesen, weil mit der Ablehnung seines Asylantrages - dies sei der Zeitpunkt der Zustellung des Berufungsbescheids vom 11. August 1997 - eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz geendet hätte. Die Einbringung einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof habe keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zur Folge. Selbst eine - nach der Aktenlage bisher nicht erfolgte - Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde hätte dem Beschwerdeführer keine andere Rechtsstellung verschaffen können, als er im Asylverfahren gehabt habe. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei jedenfalls nicht rechtmäßig.
Im vorliegenden Fall sei die Ausweisung gemäß § 33 Abs. 1 FrG gerechtfertigt. Werde im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG in das Privat- und Familienleben des Fremden eingegriffen, so sei die Ausweisung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei von diesem nicht geltend gemacht gemacht worden. Soweit man aber dennoch einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privatleben im Hinblick auf den - bisher immerhin nur drei Jahre währenden, bloß während des laufenden Asylverfahrens tolerierten - Aufenthalt des Beschwerdeführers, der über ein sicheres Drittland eingereist und erst nach über zwei Wochen einen Asylantrag gestellt habe, annehmen wollte, sei dieser Eingriff zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens - somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung dringend geboten, zumal dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften ein hoher Stellenwert zukomme. Von besonderer Bedeutung sei in diesem Zusammenhang, dass der Beschwerdeführer im Laufe der Zeit bereits viermal wegen unerlaubten Aufenthalts bestraft worden sei. Die Ausweisung enthalte nur die Verpflichtung, den illegalen Zustand zu beenden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass sein Asylantrag rechtskräftig abgewiesen worden sei. Er leitet indes aus der Übergangsbestimmung des § 44 Abs. 2 des Asylgesetzes 1997 ab, dass sein rechtskräftig abgeschlossenes Asylverfahren mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes wieder in das Stadium vor Erlassung des Berufungsbescheides zurückgetreten sei. Nach § 19 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 sei der Beschwerdeführer in dem solcherart wieder offenen Asylverfahren vorläufig zum Aufenthalt in Österreich berechtigt, weil er sich im Bundesgebiet befinde, sein Antrag nicht wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sei, und er nicht unter Umgehung der Grenzkontrolle oder entgegen den Bestimmungen des 2. Hauptstückes des FrG eingereist sei. Aus den Feststellungen des angefochtenen Bescheides lasse sich nicht herleiten, dass der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrolle und/oder entgegen den Bestimmungen des 2. Hauptstückes des FrG eingereist sei, so dass primär § 19 Abs. 1 leg. cit. anzuwenden sei. Aber auch gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. sei dem Beschwerdeführer unverzüglich die vorläufige Aufenthaltsberechtigung durch Aushändigung der Bescheinigung zuzuerkennen, weil sein Antrag zulässig und nicht offensichtlich unbegründet sei. Der Beschwerdeführer wäre daher selbst dann, wenn er unter Umgehung der Grenzkontrolle oder entgegen den Bestimmungen des 2. Hauptstückes des FrG eingereist wäre, vorläufig zum Aufenthalt berechtigt.
2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
§ 44 Abs. 2 und Abs. 4 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76, lauteten in der zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides maßgeblichen Stammfassung wie folgt:
"(2) Verfahren betreffend Bescheide nach dem Asylgesetz 1991, die beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof angefochten sind, und nicht gemäß § 34 Abs. 1 VwGG oder § 19 Abs. 3 Z. 2 lit. a, b, d oder e VfGG zurückzuweisen sind, treten mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in das Stadium vor Erlassung des Berufungsbescheides zurück, sofern die Anfechtung vor Kundmachung dieses Bundesgesetzes erfolgte.
...
(4) Sofern den Asylwerbern nach diesem Bundesgesetz keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukommt (§ 19), richtet sich deren Aufenthaltsrecht bis zur Entscheidung durch den unabhängigen Bundesasylsenat danach, ob sie auf Grund der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes über die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde während des höchstgerichtlichen Verfahrens zum Aufenthalt berechtigt waren oder nicht. Im übrigen richtet sich die Stellung der Asylwerber während dieser Zeit nach der eines Fremden, dessen Asylantrag rechtskräftig abgewiesen ist."
Die zitierten Bestimmungen sind nach § 42 Abs. 2 des Asylgesetzes 1997 mit 1. Jänner 1998, somit vor Erlassung des mit 8. Jänner 1998 datierten bekämpften Bescheides, in Kraft getreten. Der letzte Halbsatz des § 44 Abs. 2 leg.cit. wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 13. Juni 1998, G 78/98-10, als verfassungswidrig aufgehoben; der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis weiters ausgesprochen, dass die aufgehobene Gesetzesbestimmung auch hinsichtlich jener Bescheide nach dem Asylgesetz 1991 nicht mehr anzuwenden ist, die zum damaligen Zeitpunkt bei einem der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts angefochten waren. Vor diesem Hintergrund ist der besagte letzte Halbsatz für den Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Beschwerdefall unmaßgeblich, war doch die (mit 21. Oktober 1997 datierte, in Anbetracht der Kundmachung des Asylgesetzes 1997 am 14. Juli 1997 nach dieser Kundmachung erhobene) Beschwerde gegen den negativen Asylbescheid zum Zeitpunkt der Kundmachung des zitierten Erkenntnisses des VfGH am 12. August 1998 unter BGBl. I Nr. 110/1998 noch beim VwGH angefochten (vgl den Beschwerdeakt betreffend den negativen Asylbescheid Zl. 97/20/0639).
Die genannten Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 sind somit für die vorliegende gegebene Fallkonstellation maßgeblich. Nach § 44 Abs. 4 des Asylgesetzes 1997 wäre daher (zunächst) zu prüfen gewesen, ob dem Beschwerdeführer während des gemäß § 44 Abs. 2 leg. cit. wieder eröffneten Berufungsverfahrens eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 19 leg. cit. zukommt. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid aber die Regelung des § 44 Abs. 2 und 4 des Asylgesetzes 1997 außer Acht gelassen und die Frage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers ausschließlich anhand der Rechtslage nach dem Asylgesetz 1991 beurteilt (vgl. Punkt I.1.) und solcherart die Rechtslage verkannt. Sie hat es von daher unterlassen, im angefochtenen Bescheid Feststellungen betreffend die für eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Sinn des § 19 leg. cit. maßgeblichen Umstände zu treffen. An diesem Mangel vermögen die Ausführungen der Behörde in ihrer Gegenschrift, dass dem Beschwerdeführer angesichts seiner Einreise ohne Reisedokument und Sichtvermerk, mithin entgegen den Bestimmungen des 2. Hauptstückes des FrG, eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Abs. 2 des Asylgesetzes 1997 nur zukäme, wenn sie ihm zuerkannt worden wäre, dies aber nicht geschehen sei, nichts zu ändern, weil solche Ausführungen Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht ersetzen können (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 1987, auf S 607, dritter und vierter Absatz, angegebene hg. Rechtsprechung).
3. Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 17. Februar 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998180161.X00Im RIS seit
20.09.2001