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L80005 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Salzburg;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl und Mag. Rehak sowie Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision 1. des P L und 2. der H L, beide in P, beide vertreten durch Dr. Peter Lechenauer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 2. Februar 2016, LVwG- 3/292/7-2016, betreffend Einwendungen im Bauverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevertretung der Gemeinde Puch bei Hallein; mitbeteiligte Parteien: 1. T B in A, und 2. M P in P; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Gemeinde Puch bei Hallein hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Eingabe vom 18. Oktober 2012 ersuchten die mitbeteiligten Parteien (im Folgenden: Bauwerber) um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für den Umbau des bestehenden Wohnhauses und den Neubau eines Carports auf einer näher bezeichneten Liegenschaft der KG T, welche je zur Hälfte im Eigentum der Bauwerber steht.
2 In der am 10. Juli 2013 durchgeführten mündlichen Verhandlung erhoben die Revisionswerber als Eigentümer des südlich an die Bauliegenschaft unmittelbar angrenzenden Grundstückes Einwendungen gegen das geplante Bauvorhaben und brachten vor, dass durch den vorgesehenen Umbau die zulässigen Ausmaße bzw. Nutzflächen für Bauten im Grünland überschritten würden und das geplante Bauvorhaben gegen die höchstzulässige Baumassenzahl nach § 32 Abs. 3 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 - ROG 2009 bzw. Geschoßflächenzahl nach § 32 Abs. 4 ROG 2009 verstoße.
3 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde P. vom 20. Dezember 2013 wurde die beantragte baubehördliche Bewilligung nach Maßgabe der diesem Bescheid zugrunde liegenden Pläne und Baubeschreibung erteilt. Zu den Einwendungen der Revisionswerber wurde ausgeführt, die in den Einreichunterlagen enthaltene und seitens des bautechnischen Sachverständigen überprüfte Geschoßflächenzahlberechnung entspreche der in der Bauplatzerklärung festgesetzten baulichen Ausnutzbarkeit gemäß § 56 ROG 2009; diese dürfe für widmungswidrige Bestandsbauten im Grünland gemäß § 47 ROG 2009 300 m2 nicht überschreiten und werde durch die geplante Erweiterung nachweislich eingehalten.
4 Die dagegen erhobene Berufung der Revisionswerber wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde P. vom 22. Dezember 2014 als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde den Ausführungen der Revisionswerber, wonach die Behörde insofern unrichtige Überlegungen angestellt habe, als sie nur den vom Bauwerber B. persönlich genutzten und nicht auch den von der Bauwerberin Mag. P. genutzten Teil des Baukörpers auf dem Baugrundstück in die maßgebliche Flächenberechnung einbezogen habe, entgegengehalten, dass sich auf dem gegenständlichen Bauplatz zwei Baukörper befänden, welchen jeweils unterschiedliche baubehördliche Bewilligungen zu Grunde lägen. Ungeachtet des optischen Eindruckes, es handle sich um ein Wohnhaus, verfügten die beiden Objekte über keine direkte Verbindung und erfüllten jeweils für sich die Anforderungen an ein eigenständiges Bauwerk, weshalb sie nicht als ein Baukörper zu sehen seien. In Bezug auf die Voraussetzungen des § 47 ROG 2009 sei damit nur auf das westlich gelegene, "im Eigentum" des Bauwerbers B. stehende Wohnhaus abzustellen gewesen. Darüber hinaus erkenne § 47 ROG 2009 den Revisionswerbern kein subjektiv-öffentliches Recht zu.
5 In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wiederholten die Revisionswerber im Wesentlichen ihr bereits erstattetes Vorbringen und führten näher aus, dass schlichtes Miteigentum der Bauwerber B. und Mag. P. je zur Hälfte an der gesamten Bauliegenschaft und dem darauf befindlichen Gebäude bestehe. Das darauf errichtete Wohnhaus weise eine Hausnummer für beide Gebäudeteile auf und es bestehe auch ein einheitlicher Bauplatz. Der von der Bauwerberin Mag. P. genutzte Teil des Baukörpers hätte in die Flächenberechnung nach § 47 ROG 2009 einbezogen werden müssen. Es sei unzulässig, Teile des Baukörpers von der Flächenberechnung auszunehmen, da eine getrennte Nutzung lediglich auf einem privatrechtlichen Konsens zwischen den Liegenschaftseigentümern beruhe.
6 In der am 10. Dezember 2015 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) hielten die Revisionswerber fest, dass Abstandsunterschreitungen oder Höhenunterschreitungen (gemeint offenbar: Höhenüberschreitungen) oder immissionsschutzrechtliche Probleme irgendwelcher Art ausdrücklich nicht geltend gemacht würden und lediglich auf das in der Beschwerde dargestellte "Kubatur-Problem" rekurriert werde.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der Revisionswerber als unbegründet abgewiesen und der bekämpfte Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass im letzten Satz seines Spruches die Worte "unbegründet abgewiesen" durch die Worte "unzulässig zurückgewiesen" ersetzt werden. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
8 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges und von Rechtsvorschriften zu dem von den Revisionswerbern geltend gemachten Verstoß gegen die Bestimmung des § 47 Abs. 2 Z 1 in Verbindung mit Z 2 lit. b ROG 2009 im Wesentlichen aus, dass aus dieser Bestimmung im vorliegenden Fall subjektiv-öffentliche Rechte der Nachbarn im geltend gemachten Sinn - durch die geplante Bauführung werde die Grenze von 300 m2 überschritten - nicht abzuleiten seien, werde doch in der Regierungsvorlage (Hinweis auf RV 86 BlgLT 13. GP 6. Sess.) ausgeführt, dass der Begriff Nachbarschaft so wie in § 30 Abs. 1 ROG zu verstehen sei. Gegenständlich sei jedoch die Genehmigung für den Umbau und die Sanierung des Wohnhauses sowie für die Errichtung von Carports erteilt worden, bzw. seien immissionsschutzrechtliche Probleme seitens der Revisionswerber ausdrücklich nicht geltend gemacht worden. Das Verwaltungsgericht übersehe dabei nicht die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 19 Abs. 3 ROG 1968 (Hinweis auf VwGH 20.2.1973, 1418/72), sei jedoch der Ansicht, dass diese im vorliegenden Fall nicht einschlägig sei, zumal es sich hier einerseits nicht um ein Ansuchen um Einzelbewilligung handle und andererseits spezifisch nachbarrechtliche Interessen (Immissionsschutz) in § 47 Abs. 2 Z 1 ROG 2009 berücksichtigt seien.
9 Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur entscheidungswesentlichen Frage, ob Nachbarn in Bezug auf die gegenständlich konkret geltend gemachte Einwendung im Umfang des Berufungs- bzw. Beschwerdevorbringens ein Nachbarrecht zukomme oder nicht, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle.
10 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, in der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Die Revision erweist sich angesichts des Fehlens von hg. Judikatur zur Frage, ob den Nachbarn ein subjektivöffentliches Recht auf Einhaltung der in § 47 Abs. 2 Z 2 lit. b ROG 2009 normierten Begrenzung der Geschoßfläche auf 300 m2 zukommt, als zulässig.
12 Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen des ROG 2009, LGBl. Nr. 30 in der Fassung LGBl. Nr. 9/2016, lauten auszugsweise:
"Wirkungen des Flächenwidmungsplans
§ 45
(1) Ab Inkrafttreten des Flächenwidmungsplans dürfen Bauplatzerklärungen und nach baurechtlichen Vorschriften des Landes erforderliche Bewilligungen nur in Übereinstimmung mit den Festlegungen im Flächenwidmungsplan (Widmungen und Kennzeichnungen) erteilt werden. Rechtmäßig bestehende bauliche Anlagen und Nutzungen bleiben von den Festlegungen unberührt.
... "
"Einzelbewilligung
§ 46
(1) Die Wirkungen des Flächenwidmungsplans gemäß § 45 Abs. 1 können auf Ansuchen für ein genau zu bezeichnendes Vorhaben durch Bescheid der Gemeindevertretung ausgeschlossen werden (Einzelbewilligung). Das Ansuchen kann vom Grundeigentümer oder einer Person gestellt werden, die einen Rechtstitel nachweist, der für die grundbücherliche Einverleibung seines Eigentumsrechts an der Grundfläche geeignet ist.
(2) Die Erteilung einer Einzelbewilligung liegt im
Planungsermessen der Gemeinde und ist nur zulässig, wenn
1. ein besonderer Grund für die Ausnahme vorliegt;
2. der vorgesehene Standort für das Vorhaben geeignet ist;
3. dem Vorhaben das Räumliche Entwicklungskonzept bzw die
erkennbare grundsätzliche Planungsabsicht der Gemeinde nicht
entgegensteht und
4. das Vorhaben keine Zweitwohnungen, Handelsgroßbetriebe,
Beherbergungsgroßbetriebe oder Seveso-Betriebe betrifft.
Der Nachweis des Vorliegens dieser Voraussetzungen ist vom Antragsteller zu erbringen.
(3) Eine Einzelbewilligung kommt im Grünland nur in Betracht:
1. für Änderungen der Art des Verwendungszwecks von
bestehenden Bauten und eine damit verbundene Vergrößerung auf
höchstens 300 m2 Geschoßfläche;
2. für die Neuerrichtung von Bauten von untergeordneter
Bedeutung, die im Zusammenhang mit bestehenden Bauten oder
Nutzungen erforderlich sind und nicht Wohnzwecken dienen;
3. für an die Grünlandnutzung gebundene Bauvorhaben für
Erwerbsgärtnereien, Fischzuchtanlagen oder Reithallen;
4. für die Neugründung land- und forstwirtschaftlicher
Betriebe.
... "
"Widmungswidrige Bestandsbauten
§ 47
(1) Ein bestehender widmungswidriger Bau im Sinn dieser Bestimmung liegt vor, wenn der Bestand, allenfalls auch unter Zugrundelegung raumordnungsrechtlicher Ausnahme- oder Einzelbewilligungen, rechtmäßig ist und der festgelegten Widmung nicht entspricht.
(2) Änderungen von Bauten gemäß Abs. 1 sowie die Errichtung
oder Änderung von Nebenanlagen sind nur zulässig, soweit diese
baulichen Maßnahmen
1. zu keiner zusätzlichen wesentlichen Beeinträchtigung der
grundsätzlichen Planungsabsicht, der Widmung und der Nachbarschaft
führen und
2. nicht zum Gegenstand haben:
a) Änderungen der Art des Verwendungszwecks;
b) die Vergrößerung von im Grünland liegenden Bauten über
300 m2 Geschoßfläche, ausgenommen bei Reithallen und Bauten für
Erwerbsgärtnereien oder Fischzuchtanlagen;
c) die Vergrößerung der Verkaufsfläche oder solche
Änderungen, die die Festlegung einer anderen Kategorie eines
Handelsgroßbetriebs erfordern würden;
d) die Änderung von Seveso-Betrieben.
... "
13 Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen des Baupolizeigesetzes 1997 - BauPolG, LGBl. Nr. 40 in der Fassung LGBl. Nr. 32/2013, lauten auszugsweise:
"Parteien
§ 7
(1) Parteien im Bewilligungsverfahren sind der Bewilligungswerber und außerdem
1. als Nachbarn
a) bei den im § 2 Abs. 1 Z 1 angeführten baulichen Maßnahmen die Eigentümer jener Grundstücke, die von den Fronten des Baues nicht weiter entfernt sind, als die nach § 25 Abs. 3 BGG maßgebenden Höhen der Fronten betragen. Bei oberirdischen Bauten mit einem umbauten Raum von über 300 m3 haben jedenfalls auch alle Eigentümer von Grundstücken, die von den Fronten des Baues weniger als 15 m entfernt sind, Parteistellung. ... "
"Entscheidungen über das Bewilligungsansuchen § 9
(1) Die Bewilligung ist zu versagen, wenn die bauliche Maßnahme vom Standpunkt des öffentlichen Interesses unzulässig erscheint. Dies ist der Fall, wenn
1. die bauliche Maßnahme der durch den Flächenwidmungsplan
gegebenen Widmung oder der jeweiligen Kennzeichnung widerspricht, sofern es sich nicht um eine im Einzelfall zulässige Verwendung (§§ 40 Abs. 4, 46 und 47 ROG 2009) handelt;
...
6. durch die bauliche Maßnahme ein subjektiv-öffentliches
Recht einer Partei verletzt wird; solche Rechte werden durch jene baurechtlichen Vorschriften begründet, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch den Parteien; hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über die Höhe und die Lage der Bauten im Bauplatz;
... "
14 Bei dem auf der gegenständlichen Bauliegenschaft, welche nach dem maßgeblichen Flächenwidmungsplan im Grünland liegt, befindlichen Gebäude handelt es sich unbestritten um einen widmungswidrigen Bestandsbau im Sinn des § 47 Abs. 1 ROG 2009. Die Zulässigkeit der im Revisionsfall bewilligten Baumaßnahmen setzt gemäß § 47 Abs. 2 ROG 2009 voraus, dass diese zu keiner zusätzlichen wesentlichen Beeinträchtigung der grundsätzlichen Planungsabsicht, der Widmung und der Nachbarschaft führen (Z 1 leg. cit.) und diese unter anderem nicht die Vergrößerung des Baues über 300 m2 Geschoßfläche zum Gegenstand haben (Z 2 lit. b leg. cit.).
15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektivöffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. etwa VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0007).
16 Nach § 9 Abs. 1 Z 6 BauPolG haben die Nachbarn auch ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der raumordnungsrechtlichen Vorschriften über die Flächennutzung und die Bebauungsplanung, sofern diese auch im Interesse des Nachbarn gelegen sind (vgl. VwGH 28.2.2018, Fe 2016/06/0001, mwN).
17 Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind dem Nachbarn im Verfahren zur Erteilung einer raumordnungsrechtlichen Einzelbewilligung, mit welcher die Wirkungen des Flächenwidmungsplanes auf Ansuchen für ein genau zu bezeichnendes Vorhaben durch Bescheid ausgeschlossen werden können, keine über die Anhörung hinausgehenden Rechte eingeräumt (vgl. VwGH 7.11.1991, 91/06/0082 und 0094, mwN, zu § 19 Abs. 3 ROG 1977). Der Nachbar ist allerdings berechtigt, im Baubewilligungsverfahren geltend zu machen, dass eine solche Ausnahmegenehmigung unter Verletzung seiner Rechte erteilt worden sei; dabei muss die Rechtswidrigkeit der Ausnahmegewährung im Baubewilligungsverfahren als Einwendung gegen die Erteilung der Baubewilligung geltend gemacht werden. Die Baubehörde hat sich mit derartigen Einwendungen auseinanderzusetzen (vgl. VwGH 27.6.1978, 0552/76, zu § 19 Abs. 3 ROG 1968, und VwGH 16.12.2002, 2000/06/0191, zu § 24 Abs. 3 ROG 1998, jeweils mwN). Zur näheren Begründung dieser Rechtsansicht verwies der Verwaltungsgerichtshof auf sein Erkenntnis vom 20.2.1973, 1418/72, VwSlg. 8368 A, in welchem er ausgeführt hat, dass es den Nachbarn freistehe, im Baubewilligungsverfahren ihre Einwendungen auch gegen die Bewilligung einer Ausnahme vom Bauverbot nach § 19 Abs. 1 ROG 1968 zu erheben. Es obliege den Nachbarn, auszuführen, dass ihrer Auffassung nach entweder die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Bewilligung an sich nicht gegeben waren oder aber die Gewährung einer Ausnahme nicht im Sinn des Gesetzes liege. Zu einer solchen Einwendung seien sie legitimiert, weil ein gesetzliches Bauverbot an sich geeignet sei, subjektiv-öffentliche Nachbarrechte zu begründen.
18 Diese Aussagen lassen sich auf die nunmehr für die Erteilung solcher raumordnungsrechtlicher Einzelbewilligungen maßgebliche Bestimmung des § 46 ROG 2009 übertragen. Demnach ist der Nachbar berechtigt, im Baubewilligungsverfahren das Nichtvorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Bewilligung, somit auch die Nichteinhaltung der in § 46 Abs. 3 Z 1 ROG 2009 enthaltenen Geschoßflächenbegrenzung, geltend zu machen. Fraglich ist im Revisionsfall, ob der Nachbar auch die Nichteinhaltung der in § 47 Abs. 2 Z 2 lit. b ROG 2009 statuierten Geschoßflächenbegrenzung für die Änderung widmungswidriger Bestandsbauten geltend machen kann.
19 Dazu ist zunächst eine historische Betrachtung der Entwicklung der genannten Bestimmungen anzustellen. Während die Möglichkeit der Erteilung einer raumordnungsrechtlichen Ausnahmegenehmigung von den Wirkungen des Flächenwidmungsplanes bereits im ROG 1956, LGBl. Nr. 19, vorgesehen war, fand die Regelung über die Abänderung widmungswidriger Bestandsbauten, welche zunächst als Übergangsbestimmung konzipiert war, erst mit der Raumordnungsgesetz-Novelle 1959, LGBl. Nr. 103, Eingang in das ROG. Eine flächenmäßige Begrenzung in Bezug auf das jeweilige Bauvorhaben war in beiden Bestimmungen nicht vorgesehen.
20 Eine Geschoßflächenobergrenze für Wohnbauten wurde erstmals mit der Raumordnungsgesetz-Novelle 1984, LGBl. Nr. 52, als eine der Voraussetzungen für die Erteilung einer raumordnungsrechtlichen Einzelbewilligung nach § 19 Abs. 3 ROG 1977 vorgesehen, nicht hingegen als Voraussetzung für die Änderung widmungswidriger Bestandsbauten nach § 24 Abs. 1 ROG 1977. Mit der Novelle LGBl. Nr. 57/1987 wurde diese Geschoßflächenbegrenzung auch als Voraussetzung für die Abänderung von Bauten, die auf Grund einer Einzelbewilligung nach § 19 Abs. 3 ROG 1977 errichtet wurden, in § 24 Abs. 1 ROG aufgenommen.
21 Im ROG 1992, LGBl. Nr. 98, wurde die Geschoßflächenobergrenze für die Erweiterung von Wohnbauten im Grünland beibehalten, während eine Einzelbewilligung nach (nunmehr) § 24 Abs. 3 ROG 1992 für die Neuerrichtung von Wohnbauten im Grünland ausgeschlossen wurde. Die Bestimmungen über die Änderung widmungswidriger Bestandsbauten wurden insoweit unverändert in das ROG 1992 übernommen (vgl. § 45 Abs. 1 ROG 1992).
22 Mit der Baurechts-Novelle 1994, LBGl. Nr. 13/1995, wurden die zuvor in einer Übergangsbestimmung enthaltenen Regelungen (unter anderem) betreffend die Änderung widmungswidriger Bestandsbauten in die die Wirkungen des Flächenwidmungsplanes regelnde Bestimmung des § 24 ROG 1992 übernommen (vgl. § 24 Abs. 8 ROG 1992). Gleichzeitig wurde eine Geschoßflächenbegrenzung als Voraussetzung für die Abänderung aller - nicht Erwerbsgärtnereien oder Fischzuchtanlagen dienenden - widmungswidrigen Bauten im Grünland normiert. In den Erläuterungen zu dieser Novelle (vgl. RV 77 BlgLT 11. GP 2. Sess. Zu Z 7.7) wird ausgeführt, dass diese Bestimmungen (betreffend die Änderung widmungswidriger Bestandsbauten) aus systematischen Gründen in den § 24 ROG 1992 über die Wirkungen des Flächenwidmungsplanes gehörten. "In ihnen werden die Möglichkeiten behandelt, die für bereits bestehende Anlagen trotz nachträglicher, nicht entsprechender Flächenwidmung offenstehen. Davon erfasst werden nicht nur Bauten, die bereits aus einer Zeit stammen, in der es noch keine Flächenwidmungsplanung gab. Desgleichen fallen darunter Bauten, die durch eine Rückwidmung von Bauland, das im übrigen sonst nicht oder nur zusammenhanglos verbaut worden ist, im Grünland zu liegen kommen. Eine weiter Fallgruppe sind die Bauten, die auf Grund einer § 19 Abs. 3/§ 24 Abs. 3 ROG-Bewilligung errichtet worden sind (und auf die diese Bestimmung unabhängig davon anzuwenden ist, ob zwischenzeitlich die Nutzungsart oder Widmung für die Grundfläche geändert worden ist oder nicht). Für alle diese Bauten soll aus raumordnerischen Gründen wie auch aus Gründen der Gleichbehandlung die gleiche Obergrenze wie im § 24 Abs. 3 gelten."
23 Mit der Raumordnungsgesetz-Novelle 1997, LGBl. Nr. 75, wurde eine Klarstellung des Verhältnisses des § 24 Abs. 3 zu § 24 Abs. 8 ROG 1992 vorgenommen und eine Änderung der Art des Verwendungszweckes von Bauten unter Anwendung des § 24 Abs. 8 ROG 1992 ausgeschlossen. Den Erläuterungen zu dieser Novelle zufolge (vgl. AB 603 BlgLT 11. GP 4. Sess. Zu § 24 Abs. 3 und § 24 Abs. 8) sei zuerst zu prüfen, ob nicht die Voraussetzungen des Abs. 8 vorliegen und eine Baubewilligung unter dessen Anwendung erteilt werden könne, bevor ein Einzelbewilligungsverfahren durchgeführt werde. Weiters habe der Verwendungszweck eines Baues etwa für die Erteilung einer Einzelbewilligung, die von der Gemeindevertretung bzw. dem Gemeinderat erteilt worden sei, entscheidende Bedeutung gehabt. Davon solle erst mit Bewilligung desselben Organes abgegangen werden können. In allen anderen Fällen, bei Altbestandsbauten nämlich, sei die Gemeindevertretung bzw. der Gemeinderat bisher nicht beteiligt gewesen. Aus Gleichheitsgründen könne eine baubewilligungspflichtige Nutzungsänderung hier nicht anders als bei Bauten, die unter der Geltung des ROG entstanden seien, behandelt werden.
24 Mit dem ROG 2009, LGBl. Nr. 30, wurden die in § 24 ROG 1998 enthaltenen Regelungen teilweise abgeändert und deren Inhalt auf drei Bestimmungen (§ 45 - Wirkungen des Flächenwidmungsplanes, § 46 - Einzelbewilligung und § 47 - Widmungswidrige Bestandsbauten) aufgeteilt. Demnach kommt die Erteilung einer Einzelbewilligung im Grünland bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen unter anderem nur für Änderungen der Art des Verwendungszweckes von bestehenden Bauten und eine damit verbundene Vergrößerung auf höchstens 300 m2 Geschoßfläche in Betracht (vgl. § 46 Abs. 3 Z 1 ROG 2009). Änderungen von widmungswidrigen Bestandsbauten sollen bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen nur dann zulässig sein, soweit diese baulichen Maßnahmen unter anderem nicht Änderungen des Verwendungszweckes oder die Vergrößerung von im Grünland liegenden Bauten über 300 m2 Geschoßfläche - ausgenommen bei Reithallen und Bauten für Erwerbsgärtnereien oder Fischzuchtanlagen - zum Gegenstand haben. In den Erläuterungen zu diesem Gesetz (vgl. RV 86 BlgLT 13. GP 6. Sess. 117) wird zu § 46 Abs. 3 Z 1 ROG 2009 ausgeführt, dass eine Vergrößerung ohne entsprechende Verwendungszweckänderung des Bestandsbaues unter § 47 ROG 2009 falle.
25 Wie sich aus dieser Darstellung ergibt, besteht zwischen den Bestimmungen betreffend die Erteilung einer raumordnungsrechtlichen Einzelbewilligung (nunmehr: § 46 Abs. 3 ROG 2009) und den Bestimmungen über die Änderung widmungswidriger Bestandsbauten (nunmehr: § 47 ROG 2009) ein enger inhaltlicher und systematischer Zusammenhang, wobei nach der oben dargelegten Intention des Landesgesetzgebers insofern ein Gleichklang zwischen beiden Bestimmungen hergestellt werden sollte, als in beiden Fällen die gleiche Geschoßflächenobergrenze gelten solle.
26 Aus all dem folgt, dass die oben dargestellte hg. Judikatur, wonach der Nachbar das Nichtvorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer raumordnungsrechtlichen Einzelbewilligung im Baubewilligungsverfahren geltend machen kann, auch für die Abänderung widmungswidriger Bestandsbauten gelten muss, weil es aus Sicht der Nachbarn keinen Unterschied macht, ob für die Zulässigkeit der baulichen Maßnahme eine Einzelbewilligung nach § 46 Abs. 3 ROG 2009 erforderlich ist oder ob diese Maßnahme unmittelbar auf Grund des Gesetzes (§ 47 ROG) bewilligt werden kann. Das bedeutet, dass der Nachbar eine allfällige Überschreitung der Geschoßflächenobergrenze nicht nur dann geltend machen kann, wenn die beabsichtigte bauliche Maßnahme neben einer Vergrößerung des bestehenden Baues auch eine Änderung des Verwendungszweckes umfasst und daher einer Einzelbewilligung bedarf, sondern auch bei bloßen Vergrößerungen widmungswidriger Bestandsbauten.
27 Im Revisionsfall steht den Revisionswerbern somit ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der in § 47 Abs. 2 Z 2 lit. b ROG 2009 normierten Geschoßflächenbegrenzung zu. Indem es das Verwaltungsgericht - ausgehend von seiner unzutreffenden Rechtsansicht in Bezug auf das Fehlen eines solchen subjektivöffentlichen Rechtes - verabsäumt hat, sich mit den Einwänden der Revisionswerber betreffend die Überschreitung der Geschoßflächenbegrenzung auseinanderzusetzen und dazu auch keinerlei Feststellungen getroffen hat, belastete es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
28 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
29 Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II. Nr. 8/2014.
30 Für das fortzusetzende Verfahren wird im Hinblick auf die im Bescheid der belangten Behörde getroffenen Ausführungen, wonach sich auf dem gegenständlichen Bauplatz zwei Baukörper befänden, bemerkt, dass allein der Umstand, dass sich im gegenständlichen Bau zwei, nicht miteinander verbundene Wohneinheiten befinden, nicht den Schluss zulässt, dass es sich dabei auch um zwei eigenständig zu betrachtende Bauten im Sinn des § 47 ROG 2009 handelt, zumal die seitens des Landesgesetzgebers stetig vorgenommene Erhöhung der Geschoßflächenobergrenze gerade die Unterbringung mehrerer Wohnungen im betreffenden Bau ermöglichen sollte (vgl. etwa die Erläuterungen zur Baurechts-Novelle 1994, RV 77 BlgLT 11. GP 2. Sess. Zu Z 7.4). Auch die von der belangten Behörde angesprochenen Baubewilligungen sprechen nicht für das Vorliegen zweier Bauten, zumal die zweite Bewilligung vom 21. Oktober 1963 einen An- und Zubau zum bestehenden Wohnhaus betrifft. Zudem wurde das gegenständliche Grundstück Nr. X mit der Baufläche Y mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde P. vom 12. Juli 2013 zu einem (einheitlichen) Bauplatz erklärt. Es ist daher davon auszugehen, dass die in § 47 ROG 2009 normierte Geschoßflächenbegrenzung, ebenso wie die sonst in der Bauplatzbewilligung festzusetzende bauliche Ausnutzbarkeit der Grundflächen nach § 56 ROG 2009, für den gesamten auf dem Bauplatz bestehenden Bau gelten soll. In der genannten Bauplatzerklärung wurde demgemäß unter ausdrücklichem Hinweis auf die Geschoßflächenbegrenzung des § 47 ROG 2009 keine (weitere) Bestimmung über die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundfläche getroffen.
Wien, am 29. Mai 2018
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Baurecht NachbarNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2016060010.J00Im RIS seit
27.06.2018Zuletzt aktualisiert am
11.07.2018