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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1090;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision der Pfarrpfründe X in G, vertreten durch die K&E Wirtschaftreuhand GmbH in 8010 Graz, Hofgasse 3, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 20. Jänner 2017, Zl. RV/2100510/2016, betreffend Umsatzsteuer 2007, 2008 sowie Umsatzsteuer 1-9/2010, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, die Pfarrpfründe X, hat nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts das Pfarrhaus um insgesamt 1.292.938,73 EUR + 20% Umsatzsteuer umgebaut und vermietet. Für die 401 m2 großen Pfarrkindergartenräumlichkeiten und die 341 m2 großen Pfarrräumlichkeiten, die für seelsorgerische Tätigkeit und pastorale Dienste der Stadtpfarre X genutzt werden, wurde ein monatlicher Nettomietzins vereinbart, der "über den tatsächlichen Betriebskosten liegt". Da laut Mietvertrag zum Zeitpunkt des Mietanbots noch gar keine verrechnungsfähigen Betriebskosten vorlagen, wurde vorläufig ein Nettomietzins iHv 90 EUR vereinbart. Hinsichtlich der Höhe des Mietzinses wurde ausdrücklich keine Wertsicherung vereinbart, sondern festgelegt, dass der Mietzins jährlich neu anhand der Höhe der Betriebskosten zuzüglich eines Aufschlages von ca 1,5% berechnet wird. Ab 2008 wurden auch die zwischenzeitig angefallenen Betriebskosten iHv 555 EUR verrechnet, wobei diese Verrechnungen Zeiträume ab 2008 betrafen und erst im Jahr 2009 erfasst wurden.
2 Die Revisionswerberin vermietete zudem - im Beschwerdeverfahren unstrittig - dem "Verein Weltladen" Geschäftsräumlichkeiten im Pfarrzentrumgebäude mit einer Nutzfläche von rund 75m2 auf 5 Jahre befristet um monatlich 375 EUR zuzüglich Betriebskosten.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Bundesfinanzgericht - im fortgesetzten Verfahren nach dem Erkenntnis des VwGH vom 10. März 2016, 2013/15/0223 - die (nunmehrige) Beschwerde der Revisionswerberin betreffend Nichtanerkennung der Nutzungsüberlassung der Räumlichkeiten an die Pfarrkirche X als unternehmerische Tätigkeit abgewiesen. Begründend führte es aus, der VwGH habe im Revisionsfall zu Recht erkannt, dass für die Vermietungstätigkeit einer Körperschaft öffentlichen Rechts eine Untergrenze für Mietentgelte im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 bestehe, deren Erreichen das Bundesfinanzgericht im fortgesetzten Verfahren zu prüfen habe. Dabei habe der VwGH unter Verweis auf seine Erkenntnisse vom 11. Dezember 1996, 94/13/0025, und vom 3. September 2008, 2003/13/0086, festgehalten, dass eine Überlassung gegen einen bloßen "Anerkennungszinssatz" oder gegen Ersatz der Betriebskosten nicht ausreiche, um einen zivilrechtlichen Bestandvertrag und damit eine umsatzsteuerliche Vermietung iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 zu begründen. Die näher angeführte Rechtsprechung zum Zivilrecht gehe davon aus, dass die Verpflichtung zur Zahlung eines Entgelts der Annahme eines Leihvertrages (Bittleihe) dann nicht entgegenstehe, wenn das geleistete Entgelt so niedrig gehalten sei, dass es gegenüber dem Wert der Benützung praktisch nicht mehr ins Gewicht falle. Der Charakter einer Bittleihe werde nach ständiger Rechtsprechung nämlich dadurch nicht geändert, dass für die überlassene Sache ein "Anerkennungszins" geleistet werde. Dabei werde im Sinn der zivilrechtlichen Rechtsprechung der Entgeltcharakter etwa ab einem Verhältnis 1:10 zu verneinen sein.
4 Im Revisionsfall sei vereinbart worden, dass die 401 m2 großen Kindergartenräumlichkeiten und die 341 m2 großen Pfarrräumlichkeiten zu einem Nettomietzins iHv zunächst 90 EUR (inklusive nicht bekannter Betriebskosten) bzw. 555 EUR (inklusive Betriebskosten) an die Stadtpfarre X vermietet würden. Laut Mietvertrag seien zum Zeitpunkt des Mietanbots noch gar keine verrechnungsfähigen Betriebskosten angefallen. Damit sei für insgesamt 742 m2 Nutzfläche eine Bruttomiete von 90 EUR (2007 und 2008) bzw. ab Mai 2009 eine Bruttomiete iHv 555 EUR vereinbart worden. Da die Bruttomiete laut Vertrag 101,5% der Betriebskosten entspreche, verblieben als "Nettomietzins ab Mai 2009 (erstmalige Verrechnung von 555 EUR) 5,47 EUR/Monat. Im Jahr 2009 seien weiters Mietentgelte aus dem Jahr 2008 iHv insgesamt 3.429,79 EUR nachverrechnet worden. Aus dem Vertrag ergebe sich, dass dies die angefallenen Betriebskosten plus ein Aufschlag von 1,5% seien. Diese Mietentgelte seien schon nach dem allgemeinen Verständnis als "Anerkennungszins" zu verstehen. Der Zuschlag von 1,5% der Betriebskosten reiche nicht aus, um eine zivilrechtliche Vermietung anzunehmen. Eine entgeltliche Vermietung sei vom VwGH nämlich auch für den Fall verneint worden, in dem geringfügige Mehreinnahmen über den Betriebskosten erzielt wurden (Hinweis auf VwGH 11.12.1996, 94/13/0025).
5 Auch erreichten die Mietentgelte der Höhe nach bei Weitem nicht 10% des angemessenen Mietzinses, ab dessen Erreichung der OGH idR von einem Mietverhältnis ausgehe. Da eine genaue Vergleichsmiete naturgemäß nicht einfach zu ermitteln sei, könne näherungsweise der Mietpreisspiegel des Fachverbandes der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der WKO herangezogen werden. Für das Jahr 2007 liege dabei die Büroraummiete im betreffenden Bezirk mit einem einfachen Nutzwert bei 4,9 EUR pro m2. Tatsächlich handle es sich bei den vermieteten Räumlichkeiten um neu renovierte Gebäude, die wahrscheinlich einen guten (7 EUR) bzw. sehr guten (8,6 EUR) Nutzwert hätten. Die Räumlichkeiten würden allerdings für pastorale Zwecke bzw. als Kindergarten genutzt, was wiederum einen Abschlag rechtfertige. Aus diesem Grund könne für die hier angestrebten Vergleichswerte der einfache Nutzwert herangezogen werden. Für 742 m2 wären damit laut Mietpreisspiegel bei einfachem Nutzwert mindestens 3.635,80 EUR zu zahlen. Selbst die 90 EUR, von denen an sich die Betriebskosten abgezogen werden sollten, machten ohne Abzug rechnerisch nur 2,47% der "angemessenen Miete" aus. Ab Kenntnis der Betriebskosten seien überhaupt nur mehr 5,47 EUR/Monat (das entspreche 0,15% der angemessenen Miete) verrechnet worden. Diese Beträge seien so weit von den vom OGH geforderten 10% entfernt, dass sich weitere Überlegungen über die angemessene ortsübliche Miete erübrigten.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des VwGH ab, weil das Entgelt des Mietvertrages mit der Stadtpfarre X kein "Anerkennungszins" sei, sondern die höchstgerichtlich definierte Untergrenze für eine Anerkennung als umsatzsteuerliche Vermietung iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 sehr wohl überschreite.
7 Die Revision erweist sich als unzulässig.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 10. März 2016, 2013/15/0222 und 2013/15/0223, - unter Verweis auf frühere Rechtsprechung - ausgesprochen hat, reicht eine Überlassung gegen einen bloßen Anerkennungszins oder gegen Ersatz der Betriebskosten nicht aus, um einen zivilrechtlichen Bestandvertrag und damit eine umsatzsteuerliche Vermietung im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG 1994 zu begründen. Wird eine für die Anerkennung eines Mietvertrages zivilrechtlich erforderliche Mindestmiete nicht erreicht, kann nicht von einem entgeltlichen Mietverhältnis ausgegangen werden und ist die Gebrauchsüberlassung dem Hoheitsbereich der Körperschaft öffentlichen Rechts zuzuordnen.
12 Mit dem vorliegenden Erkenntnis hat das Bundesfinanzgericht die im ersten Rechtsgang teilweise fehlenden Feststellungen zu den revisionsgegenständlichen Überlassungen für die Streitjahre getroffen und sich im Lichte der obigen Rechtsprechung mit dem Vorliegen eines entgeltlichen Mietverhältnisses näher auseinandergesetzt.
13 Dabei hat das Bundesfinanzgericht bei der streitgegenständlichen Überlassung von insgesamt 742 m2 Nutzfläche für die Zeit noch nicht näher bekannter Betriebskosten einen monatlichen Bruttozins von 90 EUR (2007 und 2008) sowie ab Mai 2009 bei Kenntnis der Betriebskosten einen Bruttozins iHv 555 EUR, der laut Vertrag 101,5% der Betriebskosten entspreche und wovon somit ein monatlicher Nettozins von 5,47 EUR verbleibe, festgestellt. Soweit das Bundesfinanzgericht darin einen bloßen Anerkennungszins erblickt hat, ist es nicht von der Rechtsprechung des VwGH abgewichen (vgl. VwGH vom 10.3.2016, 2013/15/0222, sowie 3. 9. 2008, 2003/13/0086).
14 Soweit die Revision ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung zum unzulässigen Austausch von Wiederaufnahmegründen geltend macht, ist sie darauf zu verweisen, dass mit dem angefochtenen Erkenntnis nicht über die Wiederaufnahme der Verfahren abgesprochen wurde.
15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 29. Mai 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017150022.L00Im RIS seit
27.06.2018Zuletzt aktualisiert am
23.08.2018