TE Vwgh Beschluss 2018/5/29 Ra 2017/15/0001

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Veröffentlicht am 29.05.2018
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

ABGB §1090;
UStG 1994 §2 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision der Röm.-kath. Kirche P in P, vertreten durch die K&E Wirtschaftreuhand GmbH in 8010 Graz, Hofgasse 3, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 5. Oktober 2016, Zl. RV/2100230/2013, betreffend Umsatzsteuer 2008 bis 2012, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, die röm.-kath. Kirche P, hat nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts das in ihrem Eigentum befindliche Gebäude einer "Filialkirche" ab 1. November 2007 an die röm.-kath. Pfarrkirche Y zum ausschließlichen Zweck der Seelsorge und der pastoralen Tätigkeiten vermietet. Als Miete wurde für die 885 m2 große Filialkirche ursprünglich ein Entgelt von 215 EUR inklusive Betriebskosten vereinbart. Hinsichtlich des Mietzinses wurde im Vertrag ausdrücklich keine Wertsicherung vereinbart, sondern die Abmachung getroffen, den Mietzins jährlich neu festzulegen, wobei sich dieser nach der Höhe der tatsächlichen Betriebskosten und der Abschreibungskomponente zuzüglich eines Aufschlages von ca 1% berechnen sollte. Die 215 EUR Monatsmiete entsprachen allerdings nur den angefallenen "Betriebskosten" (jährliche Gebäudeversicherung 1.568,38 EUR und Stromkosten 932,31 EUR) zuzüglich eines "Sicherheitszuschlages" von rund 3% (Aufrundung) und beinhalteten keine Abschreibungskomponente oder Sanierungskosten.

2 Hinsichtlich der Entrichtung wurde zunächst eine Mietfreistellung bis einschließlich April 2009 vereinbart, wobei ab Mai 2009 eine monatliche Nachverrechnung erfolgen sollte. Im Jahr 2011 erfolgte mit Zusatz zum Mietvertrag eine Neuberechnung des Mietzinses. Ab diesem Jahr wurde eine Miete (inklusive Betriebskosten) iHv monatlich 1.173 EUR verrechnet, weil die Absetzung für Abnutzung einer Änderung der USt-Richtlinien des Bundesministeriums für Finanzen folgend einberechnet wurde. Außerdem wurde im Zusatz zum Mietvertrag festgehalten, dass das Mietobjekt entgegen der ursprünglichen Annahme nicht 885 m2, sondern 732,5 m2 groß sei.

3 Im Zuge einer abgabenbehördlichen Überprüfung betreffend Umsatzsteuer 2008 bis 2012 versagte das Finanzamt die Anerkennung des Mietverhältnisses.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die dagegen eingebrachte Beschwerde der Revisionswerberin hinsichtlich der Jahre 2008 bis 2010 ab. Begründend führte es aus, der VwGH habe zu Recht erkannt, dass der Begriff "Vermietung und Verpachtung" in § 2 Abs 3 UStG 1994 anders (enger) auszulegen sei als der allgemeine Vermietungsbegriff des Unionsrechts und für die Vermietungstätigkeit einer Körperschaft öffentlichen Rechts eine Untergrenze für Mietentgelte im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 bestehe. Dabei habe der VwGH unter Verweis auf seine Erkenntnisse vom 11. Dezember 1996, 94/13/0025, und vom 3. September 2008, 2003/13/0086, festgehalten, dass eine Überlassung gegen einen bloßen Anerkennungszins oder gegen Ersatz der Betriebskosten nicht ausreiche, um einen zivilrechtlichen Bestandvertrag und damit eine umsatzsteuerliche Vermietung iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 zu begründen.

5 Im Sinne dieser Rechtsprechung habe die Revisionswerberin in den Jahren 2008 bis 2010 keine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt: Der monatliche Mietzins von 215 EUR stelle eine Gegenleistung dar, die im Sinne der zivilrechtlichen Rechtsprechung gegenüber dem Wert der Benutzung nicht ins Gewicht falle. Nach der Rechtsprechung des OGH sei auch bei Bezahlung eines Mietzinses in Höhe von weniger als 10% des angemessenen ortsüblichen Mietzinses eine Bittleihe anzunehmen. Ein Vergleich mit den im Einzugsgebiet angebotenen Veranstaltungsräumlichkeiten verdeutliche, dass es sich bei dem Betrag nur um einen Anerkennungszins handle, obgleich dem Vergleich nur Indizwirkung zukommen könne, weil es keine einer Kirche vergleichbaren Gebäude gebe. So seien im Jahr 2016 für den 285 m2 großen Saal im nahe gelegenen Volkshaus pro Tag 900 EUR oder für einen rund 200 m2 großen Festsaal 300 EUR, für einen anderen Festsaal 672 EUR zu bezahlen gewesen. Auch die ortsüblichen Büroraummieten seien im Jahr 2008 laut Mietpreisspiegel bei mindestens 4,7 EUR/m2 (das entspräche einer Monatsmiete von 3.456 EUR) gelegen, womit die vereinbarte Miete von 215 EUR weit unter dem vom OGH angesetzten Mindestmietzins iHv 10% des angemessenen Mietzinses liege.

6 Auch nach den Prüfkriterien, die der EuGH vorgebe, sei in den Jahren 2008 bis 2010 nicht von einer wirtschaftlichen Tätigkeit auszugehen. Zwar sei es nach der Rechtsprechung des EuGH für die Beurteilung eines Leistungsaustausches grundsätzlich unerheblich, ob der gezahlte Preis über oder unter den Selbstkosten liege. Das gelte jedoch nur unter der Einschränkung, dass mehr als ein symbolisches Entgelt vorliege (Hinweis auf EuGH 22.6.2016, C-267/15, Gemeente Woerden). Im Urteil vom 12. Mai 2016, C-520/14, Gemeente Borsele, gehe der EuGH bei Leistungen einer Körperschaft öffentlichen Rechts, die nicht kostendeckend durchgeführt würden, davon aus, dass diese (bei Würdigung der Gesamtumstände) gar keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellten. Diesem Grundsatz entsprechend sei nach Ansicht des EuGH (Hinweis auf EuGH 2.6.2016, C-263/15, Lajver Melioracios Nonprofit Kft) bei jedem Unternehmer im Rahmen der Würdigung der Gesamtumstände auch zu prüfen, ob ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einer erbrachten Dienstleistung und dem dafür entrichteten Entgelt im Sinne eines Entgeltlichkeitszusammenhanges bestehe. Dabei sei zu beachten, dass die Gegenleistung die Leistung vollständig und nicht nur teilweise vergüte.

7 Vergleiche man die Kosten der Revisionswerberin, die sich bei einem Gebäude hauptsächlich in der Absetzung für Abnutzung bzw. den Sanierungskosten manifestierten, mit der vereinbarten Gegenleistung, so stelle man fest, dass die Gegenleistung keinesfalls kostendeckend sei, weil der Wertverzehr gar nicht einberechnet worden sei. Auch die Gesamtumstände sprächen nicht für eine Tätigkeit zur Einnahmenerzielung: Laut Mietvertrag dürfe die Kirche ausschließlich für pastorale Zwecke genutzt werden, weshalb als Mieter einzig eine Körperschaft öffentlichen Rechts der röm.-kath. Kirche in Betracht komme. Unter diesen Bedingungen sei eine Marktteilnahme gar nicht denkbar (vgl zur Marktteilnahme auch EuGH 26.6.2007, C-284/04, T-Mobile Austria; 26.6.2007, C-369/04, Hutchison 3G UK td, oder 6.10.2009, C-267/08, SPÖ Kärnten). Aufgrund der Höhe des Mietentgelts und unter Bedachtnahme darauf, dass eine nicht kostendeckende Betätigung gewollt gewesen sei (das Protokoll des Wirtschaftsrates gebe Auskunft darüber, dass nur die Versicherung und die Stromkosten verrechnet werden sollten) und der Vertrag mit einer nahestehenden Körperschaft (die denselben Zweck wie die Revisionswerberin verfolge) abgeschlossen worden sei, sei auch in unionsrechtlicher Betrachtung von keiner wirtschaftlichen Tätigkeit auszugehen.

8 Anders sei das Bild ab dem Jahr 2011: Ab 1. Jänner 2011 sei die Miete auf 1.173 EUR angehoben worden, um den Wertverzehr (die Abschreibung) zu decken. Damit habe die Revisionswerberin zu erkennen gegeben, dass sie einen zivilrechtlichen Bestandsvertrag habe abschließen wollen. Diese Betätigung führe zu einem unmittelbareren Zusammenhang zwischen der Vermietung und dem dafür entrichteten Entgelt iSd Rechtsprechung des EuGH. Im Jahr 2011 sei damit erstmals eine unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit ausgeführt worden, die wegen der erfolgten Option gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 zu einer Umsatzsteuerpflicht für das Mietentgelt und der damit einhergehenden Berechtigung zum Vorsteuerabzug gemäß § 12 UStG 1994 führe. In den Jahren 2011 und 2012 habe die Veranlagung damit erklärungsgemäß zu erfolgen.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, in der zur Zulässigkeit insbesondere vorgebracht wird, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des VwGH ab, weil das Entgelt des Mietvertrages mit der Pfarrkirche Y kein "Anerkennungszins" sei, sondern die höchstgerichtlich definierte Untergrenze für eine Anerkennung als umsatzsteuerliche Vermietung iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 sehr wohl überschreite. Zudem sei das Bundesfinanzgericht durch die fehlende Prüfung einer Vorsteuerberichtigung nach Art. 168a MwSt-System-RL von der hg. Rechtsprechung abgewichen.

10 Die Revision erweist sich als unzulässig.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 10. März 2016, 2013/15/0222, - unter Verweis auf frühere Rechtsprechung - ausgesprochen hat, reicht eine Überlassung gegen einen bloßen Anerkennungszins oder gegen Ersatz der Betriebskosten nicht aus, um einen zivilrechtlichen Bestandvertrag und damit eine umsatzsteuerliche Vermietung im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG 1994 zu begründen. Wird eine für die Anerkennung eines Mietvertrages zivilrechtlich erforderliche Mindestmiete nicht erreicht, kann nicht von einem entgeltlichen Mietverhältnis ausgegangen werden und ist die Gebrauchsüberlassung dem Hoheitsbereich der Körperschaft öffentlichen Rechts zuzuordnen.

15 Mit dem vorliegenden Erkenntnis hat das Bundesfinanzgericht nähere Feststellungen zu der revisionsgegenständlichen Überlassung der Filialkirche der Revisionswerberin an die Pfarrkirche Y in den Streitjahren getroffen und sich im Lichte der obigen Rechtsprechung mit dem Vorliegen eines entgeltlichen Mietverhältnisses näher auseinandergesetzt.

16 Dabei hat das Bundesfinanzgericht für die Jahre 2008 bis 2010 festgestellt, dass für die streitgegenständliche Überlassung einer kirchlichen Gesamtfläche von 885 m2 (bzw. 732,5 m2) ein monatlicher Zins von 215 EUR entrichtet worden sei, der lediglich den angefallenen "Betriebskosten" (jährliche Gebäudeversicherung von 1.568,38 EUR und Stromkosten von 932,31 EUR) zuzüglich eines "Sicherheitszuschlages" von rund 3% (Aufrundung) entspreche und keine Abschreibungskomponente oder Sanierungskosten beinhalte. Vergleiche man die Kosten der Revisionswerberin, die sich bei einem Gebäude hauptsächlich in der Absetzung für Abnutzung bzw. den Sanierungskosten manifestierten, mit der vereinbarten Gegenleistung, so stelle man fest, dass die Gegenleistung schon deshalb keinesfalls kostendeckend sei, weil der Wertverzehr gar nicht einberechnet worden sei.

17 Soweit das Bundesfinanzgericht vor diesem Hintergrund in dem festgestellten Zins einen bloßen Anerkennungszins erblickt hat, der nicht zu einer unternehmerischen Tätigkeit iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 führe, ist es nicht von der Rechtsprechung des VwGH abgewichen (vgl. VwGH 10.3.2016, 2013/15/0222, sowie 3.9.2008, 2003/13/0086).

18 Hinsichtlich der Streitjahre 2011 und 2012, in denen das Bundesfinanzgericht aufgrund einer u.a. auch die Abschreibung abdeckenden Erhöhung des Zinses auf 1.173 EUR von einer umsatzsteuerlichen Vermietungstätigkeit ausgegangen ist, rügt die Revision, dass sich das Bundesfinanzgericht im Lichte des Art. 168a MwSt-System-RL nicht mit der Frage einer Vorsteuerberichtigung auseinandergesetzt hat. Damit kann die Revision aber schon insofern keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen, als im Revisionsfall gar kein gemischt genutztes Grundstück vorliegt, weil in den Jahren vor 2011 keine Teile des Grundstücks umsatzsteuerlich vermietet wurden. Demgegenüber betraf das eine mögliche Prüfung nach Art. 168a MwSt-System-RL ansprechende hg. Erkenntnis vom 10. März 2016, 2013/15/0222, einen Gebäudekomplex im Alleineigentum der Pfarrpfründe, welcher neben den streitgegenständlichen der Pfarrkirche überlassenen Räumlichkeiten auch anderweitig (und zwar unternehmerisch) vermietete Wohnungen umfasste.

19 Soweit die Revision ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung zum unzulässigen Austausch von Wiederaufnahmegründen geltend macht, ist sie darauf zu verweisen, dass mit dem angefochtenen Erkenntnis nicht über die Wiederaufnahme der Verfahren abgesprochen wurde.

20 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 29. Mai 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017150001.L00

Im RIS seit

27.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

23.08.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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