TE Vwgh Beschluss 2018/5/30 Ra 2018/01/0034

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.05.2018
beobachten
merken

Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E19103000;
E6J;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

32003L0086 Familienzusammenführung-RL;
62016CJ0550 A und S VORAB;
AsylG 2005 §35;
EURallg;
NAG 2005;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/01/0035 Ra 2018/01/0037 Ra 2018/01/0036

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision 1. des M K I, 2. der S I, 3. des

R I, 4. des H I, alle vertreten durch MMag. Roman Rericha, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Dezember 2017,

1)

Zl. W235 2176823-1/2E, 2) Zl. W235 2176825-1/2E,

3)

Zl. W235 2176824-1/2E und 4) Zl. W235 2176821-1/2E, betreffend Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Botschaft Damaskus), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerber sind Staatsangehörige Syriens und stellten am 29. Juli 2016 elektronisch und am 21. September 2016 persönlich bei der Österreichischen Botschaft Damaskus (ÖB Damaskus) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Dies begründeten sie damit, dass der Sohn des Erstrevisionswerbers und der Zweitrevisionswerberin sowie der Bruder der minderjährigen Dritt- und Viertrevisionswerber in Österreich seit 15. Juli 2016 asylberechtigt sei.

2 Mit Bescheid vom 17. Juli 2017 wies die ÖB Damaskus die Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 AsylG 2005 ab.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde der Revisionswerber gemäß § 35 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen (A) und die Revision für nicht zulässig erklärt (B).

4 Begründend führt das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im Wesentlichen aus, aus den vorliegenden Akten ergebe sich zweifelsfrei, dass die angegebene Bezugsperson im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde bereits volljährig gewesen sei. Somit sei der Familienbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 betreffend den Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin nicht erfüllt. Der Dritt- und der Viertrevisionswerber seien als minderjährige Brüder der Bezugsperson "per definitionem" nicht vom Familienbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 erfasst.

5 Der Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 erweise sich daher als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen der Revisionswerber auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich befindlichen (bereits volljährig gewordenen) Sohn bzw. Bruder zu entsprechen. Vielmehr seien diese auf die anderen, im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) und Fremdenpolizeigesetz (FPG) eröffneten Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Ausstellung von entsprechenden Einreisetiteln zu verweisen.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. VwGH 20.12.2016, Ro 2015/01/0010).

11 Die Revision begründet ihre Zulässigkeit im Wesentlichen mit einem Widerspruch des angefochtenen Erkenntnisses zum jüngst ergangenen Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 12. April 2018, C-550/16, A und S, wonach ein unbegleiteter Minderjähriger, der zum Zeitpunkt seiner Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates und Stellung seines Asylantrags in diesem Mitgliedstaat unter achtzehn Jahre alt sei, sein Recht auf Familienzusammenführung behalte. Demnach könne das Recht auf Familienzusammenführung aus Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86/EG nicht von dem Zeitpunkt der Entscheidung der zuständigen nationalen Behörde über die Anerkennung des Zusammenführenden als Flüchtling abhängen.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mit dem Urteil des EuGH vom 12. April 2018, C-550/16, in seinem Erkenntnis vom 3. Mai 2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611, näher befasst.

13 Zusammengefasst hat der Verwaltungsgerichtshof darin ausgeführt, dass es nach der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (Familienzusammenführungsrichtlinie) auch weiterhin nicht geboten ist, den Anwendungsbereich des § 35 AsylG 2005 zu erweitern, um dem Anliegen auf Familienzusammenführung in unionsrechtskonformer Weise Rechnung zu tragen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es hinreichend, dass sichergestellt ist, dass im Einklang mit den Vorgaben der Familienzusammenführungsrichtlinie ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt wird. Eine unionsrechtliche Verpflichtung, eine über dieses Ziel hinausgehende Rechtsstellung, die die Familienzusammenführungsrichtlinie gar nicht zum Regelungsinhalt hat, zu verschaffen (nämlich letztlich den Status des Asylberechtigten), ist weder zu sehen, noch ist solches aus dem zur Rechtssache C-550/16 ergangenen Urteil des EuGH abzuleiten (vgl. VwGH 3.5.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611, Rn. 38; gemäß § 43 Abs. 2 und Abs. 9 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.)

14 Ausgehend davon werden in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 30. Mai 2018

Gerichtsentscheidung

EuGH 62016CJ0550 A und S VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018010034.L00

Im RIS seit

27.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

11.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten