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20/02 Familienrecht;Norm
EheG §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des HP, (geboren 1. Juni 1959), in Wien, vertreten durch Mag. Dr. Michael Swoboda, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 24, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. Oktober 1998, Zl. SD 764/98, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 13. Oktober 1998 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I. Nr. 75/97, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei erstmals am 28. Mai 1988 in das Bundesgebiet eingereist und habe in weiterer Folge - nicht zuletzt auf Grund einer eingegangenen Scheinehe - Sichtvermerke erhalten. Diese Ehe sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 3. November 1994 rechtskräftig für nichtig erklärt worden. Ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 22. September 1995 rechtskräftig abgewiesen worden. Wegen des Eingehens einer Scheinehe sei gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot erlassen worden, welches jedoch durch den Verwaltungsgerichtshof behoben worden sei.
Ungeachtet der Tatsache, dass der gestellte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung rechtskräftig abgewiesen worden sei, habe der Beschwerdeführer seinen Aufenthalt in Österreich fortgesetzt, ohne im Besitz eines dafür erforderlichen Aufenthaltstitels zu sein. Noch im Ersatzberufungsbescheid der belangten Behörde vom 14. Jänner 1998 im Aufenthaltsverbotsverfahren sei der Beschwerdeführer ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden, dass er für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet eine Niederlassungsbewilligung benötige. Der Beschwerdeführer sah sich jedoch nicht dazu veranlasst, den unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich zu beenden und sich um die Legalisierung desselben - erforderlichenfalls auch vom Ausland aus - zu kümmern. Dieses Fehlverhalten beeinträchtige die öffentliche Ordnung in hohem Maß, sodass sich die Ausweisung des Beschwerdeführers - vorbehaltlich der Bestimmung des § 37 Abs. 1 FrG - im Grunde des § 33 Abs. 1 leg. cit. als gerechtfertigt erweise.
Was die Zulässigkeit der Ausweisung nach § 37 Abs. 1 FrG betreffe, sei zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass der Beschwerdeführer seit etwa zehn Jahren, davon die letzten drei Jahre unrechtmäßig, in Österreich aufhältig sei. Dass der Beschwerdeführer die für die Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts während der ersten sieben Jahre erforderlichen Sichtvermerke zum Großteil durch die eingegangene Scheinehe erwirkt habe, sei der Vollständigkeit halber angemerkt. Er führe eine Lebensgemeinschaft, dieser entstammten zwei Kinder im Alter von 16 und 18 Jahren. Zweifelsfrei sei daher von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dieser Eingriff erscheine jedoch zulässig, weil dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Der Beschwerdeführer sei aber rechtens nicht im Stande, unter den gegebenen Voraussetzungen einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet zu erlangen und seinen Aufenthalt dadurch zu legalisieren. Die dadurch bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien, als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Es liefe dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen grob zuwider, wenn ein Fremder auf diese Weise seinen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen können würde. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, sein Unterhalt sei gesichert und sein Aufenthalt würde daher zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen, vermöge an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Ausschlaggebend sei vielmehr, dass der Beschwerdeführer durch sein Fehlverhalten sehr augenfällig dokumentiert habe, dass er keinerlei Bedenken habe, sich über die für ihm maßgebenden fremdenpolizeilichen Vorschriften in geradezu beharrlicher Weise hinwegzusetzen. Das dadurch in hohem Maß beeinträchtigte öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden könne.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Auffassung der belangten Behörde, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 22. September 1995 rechtskräftig abgewiesen worden sei, er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, und im Beschwerdefall von daher die Voraussetzung des § 33 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FrG erfüllt sei, lässt die Beschwerde unbekämpft. Auf dem Boden der unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen besteht gegen diese Auffassung kein Einwand.
2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich indes gegen die von der Behörde im Grund des § 37 Abs. Abs. 1 vorgenommene Beurteilung. Diesbezüglich macht der Beschwerdeführer insbesondere geltend, dass er und seine Lebensgefährtin seit 1988 in Österreich lebten und mit ihren beiden Kindern im gemeinsamen Haushalt wohnten. Der Beschwerdeführer und seine Familie seien nachhaltig in Österreich integriert, im Fall einer Ausweisung wäre die Familie auf Grund der persönlichen Bindungen dazu angehalten, ebenfalls das Bundesgebiet zu verlassen. Auch sei der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers durch seine Familienangehörigen gesichert. In Anbetracht des Zusammenlebens mit seiner Lebensgefährtin und seinen Kindern sowie im Hinblick auf das Ausmaß seiner Integration würde eine Ausweisung des Beschwerdeführers einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben darstellen, der keinesfalls zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei.
2.2. Dieses Vorbringen ist im Ergebnis zielführend. Im angefochtenen Bescheid wird zutreffend die Auffassung vertreten, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt. Die belangte Behörde hat aber im vorliegenden Fall den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich nicht das ihnen gebührende Gewicht beigemessen. Der Beschwerdeführer hält sich unbestritten schon seit zehn Jahren - somit seit längerer Zeit - in Österreich auf und verfügte nach Ausweis der Verwaltungsakten bis zum 24. März 1995 - somit über etwa zwei Drittel des Aufenthaltsdauer - über eine Aufenthaltsberechtigung. Zwar war damit der Aufenthalt des Beschwerdeführers während der letzten dreieinhalb Jahre vor Erlassung des angefochtenen Bescheides unrechtmäßig, dieser Umstand wird aber in seinem für die Interessenslage des Beschwerdeführers negativen Gewicht dadurch relativiert, dass die vom angefochtenen Bescheid in diesem Zusammenhang als maßgeblich herausgestellte Scheinehe des Beschwerdeführers, bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, schon vor neun Jahren eingegangen wurde (vgl. Blatt 61 der vorgelegten Verwaltungsakten). Von daher trifft die von der Behörde vorgenommene Beurteilung, dass die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als die für seine Ausweisung sprechenden maßgeblichen öffentlichen Interessen, nicht zu. Insoweit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt und den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.
3. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die vom Beschwerdeführer verlangten Stempelgebühren für die lediglich in Kopie vorgelegte Vollmacht des Beschwerdevertreters vorliegend nicht entrichtet wurden.
Wien, am 17. Februar 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998180397.X00Im RIS seit
20.11.2000