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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1991 §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des G A in Wien, geboren am 2. Februar 1968, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien,
Schottenfeldgasse 2 - 4/II/23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. September 1998, Zl. SD 445/98, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. September 1998 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen vom 26. November1997 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 Abs. 4 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, als unzulässig zurückgewiesen.
§ 10 Abs. 4 FrG sehe ausdrücklich eine amtswegige Erteilung der darin normierten Aufenthaltserlaubnis vor. Die Behörde habe von Amts wegen zu prüfen und darüber zu befinden, ob die in dieser Bestimmung genannte Voraussetzung ("in besonderes berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen") vorlägen. In Anbetracht der solcherart gegebenen Verpflichtung der Behörde, allein von sich aus - ohne dass eine Alternative in Form einer darauf abzielenden Antragstellung vorgesehen wäre - das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 4 FrG zu prüfen, komme dem Fremden ein diesbezügliches Antragsrecht nicht zu; Er könne ein solches Tätigwerden der Behörde nur anregen. Hiezu verwies die belangte Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 30. April 1998, Zl. 98/18/0129.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 8. Juni 1999, B 1911/98-10, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie mit Beschluss vom 29. Juni 1999, B 1911/98-13 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren begehrt der Beschwerdeführer unter Geltendmachung des Beschwerdegrundes der inhaltlichen Rechtswidrigkeit die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die hier maßgebliche Bestimmung des § 10 Abs. 4 FrG hat folgenden Wortlaut:
"Die Behörde kann Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs.1 Z. 2, 3 und 4 sowie gemäß Abs. 2 Z. 1, 2 und 5 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Fälle liegen insbesondere vor, wenn die Fremden einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 ausgesetzt sind. Fremden, die ihre Heimat als Opfer eines bewaffneten Konfliktes verlassen haben, darf eine solche Aufenthaltserlaubnis nur für die voraussichtliche Dauer dieses Konfliktes, höchstens für drei Monate erteilt werden. Im Falle strafbarer Handlungen gemäß § 217 StGB darf Zeugen zur Gewährleistung der Strafverfolgung sowie Opfern von Menschenhandel zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gegen die Täter eine solche Aufenthaltserlaubnis für die erforderliche Dauer erteilt werden."
2. Die Beschwerde vertritt die Ansicht, die Formulierung "von Amts wegen" bedeute lediglich, "dass eine Behörde nicht nur über einen Antrag einer Partei aktiv werden muss, sondern eben auch ohne einen entsprechenden Antrag".
Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Vielmehr ist aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 4 erster Satz FrG zu schließen, dass die Wendung "von Amts wegen" der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Antrag des Fremden entgegensteht. Hiezu wird auf das zur die gleiche Wortfolge enthaltenden Bestimmung des § 8 Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992, welche der Asylbehörde die Möglichkeit einräumt, abgewiesenen Asylwerbern ein befristetes Aufenthaltsrecht einzuräumen, ergangene hg. Erkenntnis vom 28. November 1995, Zl. 95/20/0033, verwiesen. § 8 Asylgesetz 1991 wurde vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur unter Bezugnahme auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (270 BlgNR. 18. GP) so ausgelegt, dass eine befristete Aufenthaltsberechtigung nur von Amts wegen erteilt werden kann und ein darauf abzielender Antrag nur als Anregung zu werten ist (vgl. neben dem bereits zitierten Erkenntnis, Zl. 95/20/0033, etwa das Erkenntnis vom 10. Oktober 1995, Zl. 94/20/0800). Der Verfassungsgerichtshof hat in dem von der Beschwerde zitierten Erkenntnis vom 16. Dezember 1992, B 1035/92 (Slg. 13.314), ausgesprochen, dass die Abweisung eines Asylantrages nicht in die durch die Art. 2, 3, 5 und 10 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte eingreifen könne, zumal dem "Refoulement-Verbot" durch die Bestimmungen der §§ 8 und 9 Asylgesetz 1991 und § 13a Fremdenpolizeigesetz Rechnung getragen werde, sofern diese Bestimmungen auf verfassungskonforme Weise interpretiert und angewendet würden. Eine Aussage, wonach eine verfassungskonforme Interpretation von § 8 Asylgesetz 1991 ein Antragsrecht der Partei ergebe, ist darin entgegen der Beschwerdemeinung nicht enthalten.
Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (685 BlgNR. 20. GP) regelt § 10 Abs. 4 FrG die Möglichkeit der amtswegigen Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen trotz Vorliegens bestimmter Versagungsgründe. Darin wird auf das Ineinandergreifen dieser Norm mit der Verordnungsermächtigung der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates gemäß § 29 FrG verwiesen. Im Ausschussbericht (755 BlgNR. 20. GP) wird u.a. darauf verwiesen, dass eine Aufenthaltserlaubnis von Amts wegen unter Zustimmungsvorbehalt des Bundesministers für Inneres (§ 90 Abs. 1 FrG) für die Zwecke der Strafverfolgung oder bei Opfern von Menschenhandel für die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche Schutz biete.
Gründe für die Annahme, dass die jeweils ausdrücklich erwähnte Möglichkeit amtswegigen Tätigwerdens bloß zusätzlich zur Einleitung mittels Antrag bestehen soll, ergeben sich weder aus den Erläuterungen noch aus dem Ausschussbericht. Ebenso wenig ergibt sich ein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber durch die Bestimmung des § 10 Abs. 4 FrG den Kritiken Rechnung getragen hat, wonach das Fehlen eines durchsetzbaren Aufenthaltsrechtes für Fremde, deren Abschiebung aus den Gründen des § 57 FrG unzulässig ist, als unbefriedigend empfunden wurde. Ein auf Antrag des Fremden durchsetzbares Aufenthaltsrecht hat der Gesetzgeber vielmehr mit § 15 Abs. 1 und 2 des gemeinsam mit dem FrG am 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr.76, nur für solche abgewiesene Asylwerber - ab dem Zeitpunkt des Verlustes ihrer bisherigen Aufenthaltsberechtigung - eingeführt, bei denen die Asylbehörde gemäß § 8 Asylgesetz 1997 festgestellt hat, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig sei.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht daher keine Veranlassung von seiner - in der Beschwerde kritisierten - Judikatur, wonach § 10 Abs.4 FrG kein Antragsrecht des Fremden normiere (siehe das im angefochtenen Bescheid zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 98/18/0129) abzugehen. Da der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der Interpretation der Wortfolge "von Amts wegen" in § 10 Abs. 4 FrG zu diesem Ergebnis gelangt ist, erübrigt sich ein Eingehen auf die Beschwerdeausführungen, wonach die zitierte Judikatur dem - in der Regel Ermessen einräumenden - Wort "kann" einen denkunmöglichen Sinn zumesse.
3. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers erfordert es das durch Art. 3 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, nicht, einem in einem anderen Staat i.S. dieser Bestimmung bedrohten Fremden über den durch die §§ 57 iVm 75 FrG und § 8 Asylgesetz 1997 in wirksam (Art. 13 EMRK) durchsetzbarer Weise gewährleisteten Schutz vor Abschiebung in diesen Staat hinaus auch einen auf Parteiantrag durchsetzbaren Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 10 Abs. 4 FrG zu gewähren. Derartiges ergibt sich auch nicht aus den vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnissen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, der Anregung des Beschwerdeführers zu folgen, die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der in § 10 Abs. 4 enthaltenen Wortfolge "von Amts wegen" beim Verfassungsgerichtshof - der die Behandlung der Beschwerde abgelehnt hat - zu beantragen.
4. Da sich somit bereits aus dem Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 17. Februar 2000
Schlagworte
Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999180236.X00Im RIS seit
05.03.2002