TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/18 W261 2192255-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.06.2018
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Entscheidungsdatum

18.06.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W261 2192255-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und den Richter Mag. Markus BELFIN sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 14.02.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer ist seit 07.07.1994 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 von Hundert (in der Folge v.H.).

Am 23.10.2017 stellte er beim Sozialministeriumservice (in der Folge "belangte Behörde" genannt) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b Straßenverkehrsordnung (StVO) (Parkausweis), der entsprechend dem von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und vom Beschwerdeführer ausgefüllten Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt und legte eine Reihe von ärztlichen Befunden vor.

Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 06.02.2018 erstatteten Gutachten vom 08.02.2018 stellte der medizinische Sachverständige fest, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass aus medizinischer Sicht nicht vorlägen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.02.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab.

Darüber hinaus führte die belangte Behörde anmerkend aus, dass über den Antrag auf Ausstellung eines § 29b-Ausweises nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht abgesprochen werde, da die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen würden.

Die belangte Behörde schloss dem genannten Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie an.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht die gegenständliche Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht.

Darin brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass die Einschätzung seiner gesundheitlichen Situation den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht werde. Sein Gesundheitszustand habe sich seit 1996 nicht verbessert. Damals sei ihm aus folgenden Gründen ein Behindertenausweis bewilligt worden:

Da er stark gehbehindert sei, ist es ihm nicht möglich, ohne Auto unterwegs zu sein. Wenn er mit seiner Prothese aus dem Auto aussteigen wolle, müsse er die Tür ganz öffnen können, was auf einem "normalen Parkplatz" nicht möglich sei, da die Autos nebeneinander zu nahe stehen würden. Auch seien ihm lange Gehstrecken aufgrund folgender Einschränkungen nicht möglich: Druckstellen, Abszesse und Schmerzen würden es ihm immer wieder nicht möglich machen, die Prothese zu verwenden, dann würde er Krücken benötigen und sei weiter eingeschränkt. Durch einen entstandenen Beckenschiefstand habe er täglich zusätzliche Schmerzen, und da sei es für ihn wirklich unzumutbar, ohne Auto unterwegs zu sein. Derzeit sei er sowohl bei einem Orthopäden wie auch beim Prothesenbauer in laufender Behandlung, weil seine Schmerzen so groß seien, dass er ohne Schmerzmittel gar nichts machen könne.

Es gäbe in der Form keine öffentlichen Verkehrsmittel, die ihm beim Einkaufen oder Arztbesuchen behilflich sein könnten. XXXX sei im ländlichen Bereich, und er würde zum "Einkaufen gehen und Arzt besuchen" ein Auto benötigen. Es sei insgesamt nicht möglich, seinen Alltag mit "öffentlichen Verkehrsmitteln" zu bewältigen.

Da er seit 20 Jahren seinen Ausweis unbefristet gehabt habe, und sich an seinem Alltag nichts geändert habe, ersuche er um Einsicht in die Akten, die für die Entscheidung relevant gewesen seien.

Er bitte daher um eine erneute Überprüfung der Entscheidung. Selbstverständlich sei er bereit, sich zu einer Untersuchung durch die vorsorgeärztliche Stelle oder durch einen Gutachter einzufinden.

Das Ausmaß seiner Behinderung sei seit 20 Jahren unverändert, sodass es eindeutig gewesen sei, dass ihm der Parkausweis zustehe. Es habe sich sein Gesundheitszustand nicht verbessert, sondern eher verschlechtert. In Gesamtheit sei seine Beeinträchtigung bei der Entscheidung nicht ausreichend gewürdigt worden.

Der Beschwerdeführer schloss der Beschwerde keine Befunde an.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 12.04.2018 vor, wo dieser am selben Tag einlangte.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 13.04.2018 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist, und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.

Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers:

Allgemeinzustand: normal

Ernährungszustand: normal

Größe: 178,00 cm Gewicht: 78,00 kg Blutdruck: 145/90

Gesamtmobilität - Gangbild:

sicher, raumgreifend, mit Prothese, leicht hinkend

Klinischer Status - Fachstatus:

Cor (Herz): Herztöne rein, rhythmisch, normfrequent

Pulmo (Lunge): VA (Vesikuläratem, dh. normal) Extremitäten:

Obere Extremitäten:

Schulter-, Ellbogen und Handgelenke frei beweglich, Faustschluss beidseits möglich, Kraft erhalten; Nackengriff und Schürzengriff beidseits möglich

Wirbelsäule:

Im Lot, FBA (Finger-Boden-Abstand) 10 cm, SN (Seitenneigen) und RT (Rotation) uneingeschränkt

Untere Extremitäten:

Beine können von der Unterlage gehoben werden, Lasegue neg., Zehen und Fersengang rechts möglich, Einbeinstand rechts möglich; Unterschenkel-Amputation links mittleres Drittel, Versorgung mit Prothese, blande (reizlose) Stumpfverhältnisse

Hüftgelenke: beidseits frei beweglich

Kniegelenke: beidseits Flexion uneingeschränkt, stabil, kein Streckdefizit

Sprunggelenke: rechts in allen Ebenen frei beweglich

Haut: bland (reizlos) Varizen (Krampfadern): keine

Neurologisch: grob neurologisch unauffällig

Sonstiges: mäßige Atrophie (Verkümmerung) linke Oberschenkelmuskulatur

Der Beschwerdeführer hat folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Amputation im Unterschenkelbereich bei genügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes

Abnützung der Wirbelsäule, multiple Gelenksabnützungen

Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Die festgestellten Gesundheitsschädigungen am Stütz und Bewegungsapparat haben keine erhebliche Einschränkung der Mobilität zur Folge.

Unter Verwendung einer Unterschenkelprothese besteht beim Beschwerdeführer ein zwar leicht hinkendes, jedoch ausreichend sicheres und raumgreifendes Gangbild, eine weitere Gehhilfe wird nicht benötigt.

Eine kurze Wegstrecke ist bewältigbar, sicheres Ein- und Aussteigen sowie sicherer Transport sind möglich.

Das Zurücklegen von kurzen Wegstrecken von 300 bis 400 Meter ist dem Beschwerdeführer aus eigener Kraft zumutbar. Das Überwinden von Niveauunterschieden ist dem Beschwerdeführer möglich. Das Verwenden von Haltegriffen und Aufstiegshilfen ebenfalls uneingeschränkt möglich.

Der Transport in öffentliche Verkehrsmittel ist nicht eingeschränkt, auch die Sitzplatzsuche ist nicht eingeschränkt.

Es liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.

Es liegt keine maßgebende Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, durch welche eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen wäre.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen, dem Wohnsitz des Beschwerdeführers im Inland und zum Behindertenpass ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Zumutbarkeit zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten Arztes für Allgemeinmedizin vom 08.02.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 06.02.2018, ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Es wird auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wird zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen und nachvollziehbar ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer - trotz der vorliegenden Funktionseinschränkungen - möglich und zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Der Beschwerdeführer trägt nach dem Verlust des linken Unterschenkels aufgrund eines privaten Moped Unfalls im Jahr 1984 eine Prothese, die nach seinen Angaben immer wieder Probleme im Stumpfbereich verursacht. Zum Zeitpunkt der medizinischen Untersuchung am 06.02.2018 waren die Stumpfverhältnisse nach dem Ergebnis der Begutachtung durch den medizinischen Sachverständigen bland, dh reizlos. Dementsprechend wird das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde vom 22.03.2018, wonach er aufgrund von Abszessen seine Prothese nicht tragen könne und Krücken verwenden müsse, nicht bestätigt.

Der vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vorgebrachte Beckenschiefstand, welcher ihm Schmerzen in der Wirbelsäule verursache, wird vom medizinischen Sachverständigen entsprechend berücksichtigt, unter anderem dadurch, dass er eine weitere Funktionsbeeinträchtigung "Abnützung der Wirbelsäule, multiple Gelenksabnützungen" in sein Sachverständigengutachten aufnahm. Der Sachverständige bezog dieses Leiden auch bei der Einschätzung der Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel aus medizinischer Sicht ein. Der Beschwerdeführer legte mit seiner Beschwerde keine weiteren medizinischen Befunde vor, die es ermöglichen würden, zu einer anderen Beurteilung zu kommen.

Das Gangbild des Beschwerdeführers ist sicher, raumgreifend, jedoch aufgrund der Prothese leicht hinkend. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 bis 400 Meter ist somit selbständig möglich. So gibt der Beschwerdeführer selbst bei der Anamnese an, dass er auch in seinem Beruf in der XXXX viel gehen muss (vgl. AS 8). Auch das Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer ohne fremde Hilfe zumutbar.

Es liegen keine Hinweise vor, dass Funktionsbeeinträchtigungen der oberen Extremitäten des Beschwerdeführers vorliegen. Ein sicherer Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln durch Festhalten an Haltegriffen ist gewährleistet, da auch die grobe Kraft der oberen Extremitäten erhalten ist.

Es gab im Ermittlungsverfahren weder Hinweise auf erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen des Beschwerdeführers, noch auf das Vorliegen einer Erkrankung des Immunsystems.

Der Beschwerdeführer ist mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen in der Beschwerde dem auf einer persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 08.02.2018 im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens vom 08.02.2018, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 06.02.2018, und wird dieses Sachverständigengutachten in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Hinsichtlich der weiteren Umstände, weswegen der Beschwerdeführer laut seiner Beschwerde einen Parkausweis benötige, wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Der Vollständigkeit halber wird zunächst darauf hingewiesen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 14.02.2018 der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 32/2018 (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idgF BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 1 ....

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. .......

2. ......

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller

Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1

Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)......"

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):

...

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

...

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden..."

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist, und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Bei der Beurteilung der zumutbaren Wegstrecke geht der Verwaltungsgerichtshof von städtischen Verhältnissen und der durchschnittlichen Distanz von 300 bis 400 Metern bis zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels aus (vgl. das Erkenntnis vom 27. Mai 2014, Zl. Ro 2014/11/0013).

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde im eingeholten Sachverständigengutachten vom 08.02.2018, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 06.02.2018, nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers- trotz der bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Mit dem Vorliegen der beim Beschwerdeführer objektivierten aktuellen Funktionsbeeinträchtigungen vermag der Beschwerdeführer noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung aufgrund von erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind im Falle des Beschwerdeführers ebenfalls nicht gegeben. Eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt ebenso wenig vor, wie entscheidungsmaßgebliche Einschränkungen der Sinnesfunktionen. Es kann im vorliegenden Fall außerdem keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde unter anderem vor, dass er 20 Jahre lang unbefristet einen Parkausweis gehabt habe, und nicht verstehe, warum er bei gleichbleibend (schlechten) Gesundheitszustand nunmehr keinen Parkausweis mehr erhalten solle. Dazu sei ausgeführt, dass nach § 29b Abs. 6 StVO Ausweise, die vor dem 1. Jänner 2001 ausgestellt worden sind und der Verordnung des Bundesministers für Verkehr vom 16. November 1976, BGBl. Nr. 655/1976, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 80/1990, entsprechen, ihre Gültigkeit mit 31. Dezember 2015 verlieren. Bei den neu zu beantragenden Parkausweisen sind nunmehr die oben genannten Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung in den Behindertenpass zu beachten. Nachdem der Beschwerdeführer festgestelltermaßen diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kommt dem Umstand, dass der Beschwerdeführer 20 Jahre lang davor einen "unbefristeten" (tatsächlich jedoch bis zum 31.12.2015 befristeten) Parkausweis gehabt hat, kein Gewicht zu.

Was das Vorbringen des Beschwerdeführers betrifft, dass in XXXX keine öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung stehen würden, die er benützen könne, so sei der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Berechtigung der Zusatzeintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass wie bereits zuvor ausgeführt, entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ankommt, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258).

Im vorliegenden Fall beruhen die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aber in Bezug auf diesen Teil des Beschwerdevorbringens des Beschwerdeführers zu Folge nicht in der Art und Schwere der Gesundheitsschädigung, sondern entscheidend darin, dass es für den Beschwerdeführer zu umständlich ist, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, und er für alle seine Wege das Auto nutzt.

Auch der Umstand, dass er beim Aussteigen aus dem Auto mit seiner Prothese mehr Platz braucht, vermag für sich alleine noch nicht die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung zu rechtfertigen. Wie schon ausgeführt, sind die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung für die Vornahme einer Zusatzeintragung in den Behindertenpass zu beurteilen, und keine sonstigen Umstände.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, insbesondere auf das über deren Veranlassung eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung beruht, welches auf alle Einwände und vorgelegten Befunde des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingeht, und welchem der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers und damit verbunden die Frage der Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Der Beschwerdeführer hat keine mündliche Beschwerdeverhandlung beantragt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W261.2192255.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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