TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/18 W202 1413771-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.06.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

18.06.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG-DV 2005 §4
AsylG-DV 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W202 1413771-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHLAFFER über die Beschwerde von XXXX, geb.XXXX, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.01.2018, Zl. 521282701/151689204/BMI-BFA, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 4, 8 AsylG-DV idgF, §§ 58 Abs. 11 Z 2, 55, 10 Abs. 3 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Vorverfahren

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 26.05.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 31.05.2010, Zahl: 10 04.549-BAT, den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab und erkannte dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu (Spruchpunkt II.) und wies ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien aus (Spruchpunkt III.).

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde seitens des Asylgerichtshofes mit Erkenntnis vom 09.03.2011, Zahl C4 413.771-1/2010/3E, gem. §§ 3, 8, 10 AsylG 2005 abgewiesen.

Gegenständliches Verfahren

Am 04.11.2015 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ein.

Seinem Antrag legte der Beschwerdeführer einen Meldezettel, eine Bestätigung über die Absolvierung einer Deutschprüfung auf Niveau A2, eine Geburtsurkunde, eine E-Card sowie einen Ausweis jeweils in Kopie bei.

Am 27.10.2016 erfolgte seitens des BFA an den Beschwerdeführer eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, wonach beabsichtigt sei, seinen Antrag vom 04.11.2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 zurückzuweisen und eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Dabei wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass gemäß § 8 Abs. 1 AsylG-DV ein gültiges Reisedokument seinem Antrag beizustellen sei. Dazu wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bisher nicht an der Feststellung seiner Identität mitgewirkt habe und der Behörde keine Dokumente vorgelegt habe, die seine Identität nachweisen könnten. Zur Beendigung seines illegalen Aufenthaltes sei beabsichtigt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Weiters wurden seitens des BFA verschiedene Fragen zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gestellt.

Nach einem Vertreterwechsel hinsichtlich des Beschwerdeführers erging seitens des BFA am 25.01.2017 eine gleichlautende Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme wie jener vom 27.10.2016.

Mit am 28.02.2017 beim BFA eingelangtem Schreiben des Beschwerdeführers nahm dieser zur Verständigung von der Beweisaufnahme Stellung und er stellte hiebei einen Antrag gemäß § 4 AsylG-DV, von der Vorlage eines Reisepasses abzusehen. Seinen Antrag begründete der Beschwerdeführer damit, dass er seine Identität nie verschleiert habe. Er habe auch im fremdenpolizeilichen Verfahren mitgewirkt. Der Vorwurf des BFA, dass der Antragsteller nicht im Identitätsfeststellungsverfahren mitgewirkt habe, gehe insofern ins Leere, da das BFA selbst kein Reisedokument für den Antragsteller erlangen könne. Der Beschwerdeführer habe einige Male eigenständig mit der indischen Botschaft Kontakt aufgenommen. Er habe der Behörde seine Geburtsurkunde bereits vorgelegt.

Weiters tätigte der Beschwerdeführer Ausführungen hinsichtlich seiner Integration im Bundesgebiet.

Am 05.04.2017 wurde der Beschwerdeführer seitens des BFA niederschriftlich einvernommen, wobei der Beschwerdeführer angab, dass er keine Dokumente und keinen Reisepass habe, deswegen habe er Österreich nicht verlassen können. Er sei bei der indischen Botschaft gewesen und diese habe die Ausstellung abgelehnt. Nachgefragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er bei der Botschaft Dokumente hätte beibringen müssen, er habe jedoch nicht einmal seine Asylkarte dabei gehabt. Über Vorhalt der Vorlage der Geburtsurkunde im gegenständlichen Verfahren führte der Beschwerdeführer aus, dass er seine Geburtsurkunde mitgehabt habe, über Vorhalt, dass er zuvor noch ausgesagt hatte, keine Dokumente mitgehabt zu haben, führte er aus, die Asylkarte habe er nicht mitgehabt, jedoch die Geburtsurkunde. Er hätte ein Visum vorweisen sollen. Seinen Reisepass habe ihm der Schlepper abgenommen und nicht wieder zurückgegeben. Er habe auch kein Foto seines vormaligen Reisepasses. Er sei vor ca. 7 Monaten bei der indischen Botschaft gewesen, eine Bestätigung diesbezüglich könne er nicht vorlegen. Ein Freund habe ihn zur Botschaft geführt, es sei das erste Mal gewesen, dass er die Botschaft aufgesucht habe. Zuvor habe er nichts unternommen, um Österreich zu verlassen. Mit einer Organisation hinsichtlich einer freiwilligen Rückkehr habe er sich nicht in Verbindung gesetzt. Er arbeite als Zeitungszusteller und verdiene damit ca. 550 Euro, er teile die Wohnung mit weiteren drei Personen. Er arbeite auf Werkvertragsbasis seit drei Jahren. Vorher habe er auch als Zeitungszusteller gearbeitet. Er verfüge über einen Versicherungsschutz. Er habe keine Angehörigen im Bundesgebiet. In Indien hielten sich seine Eltern, zwei Brüder und eine Schwester auf. Er habe einmal im Monat über Telefon mit ihnen Kontakt. Befragt bezüglich einer Rückkehr nach Indien führte er aus, dass die dortige Situation und Zustände ihm zusetzen würden. Er sei verheiratet und habe zwei Kinder. Familiäre Bindungen in Österreich habe er nicht, er sei nicht Mitglied in irgendeinem Verein. Er habe einen Deutschkurs auf Niveau A 2 absolviert. Er verfüge über österreichische Arbeitskollegen. In seiner Freizeit sei er zu Hause oder er gehe zu seinen Freunden. Einen Deutschintegrationskurs habe er nicht besucht. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer eine Frist von 2 Wochen gewährt, neuerlich Beweismittel vorzulegen. Sollte eine Stellungnahme nicht einlangen, sei beabsichtigt, seinen Antrag zurückzuweisen.

Mit am 24.04.2017 beim BFA eingelangten Schreiben des Beschwerdeführers führte dieser aus, dass er auch mit der indischen Botschaft bezüglich seines Reisepasses Kontakt aufgenommen habe. Es werde auf die Stellungnahme vom 26.02.2017 verwiesen. Der Beschwerdeführer habe im Verfahren mitgewirkt und allen Ladungen Folge geleistet. Er habe auch bei seiner Identitätsfeststellung mitgewirkt und alles in seiner Macht stehende getan. Die Hinderungsgründe lägen nicht in seinem Einflussbereich. Der Antragsteller sei sprachlich, beruflich und sozial im Bundesgebiet integriert. Er bitte daher, von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung Abstand zu nehmen und den beantragten Aufenthaltstitel zu erteilen. Dem Schreiben legte er eine Wohnbestätigung in Kopie bei.

Mit Bescheid vom 06.07.2017, Zahl 521282701/151689204/BMI-BFA, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gemäß § 55 Absatz 1 Asylgesetz gemäß § 58 Absatz 11 Ziffer 2 Asylgesetz als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I.), weiters erließ das BFA gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Absatz 3 FPG eine Rückkehrentscheidung, stellte gem. § 52 Absatz 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III.).

Zu Spruchpunkt I. führte das BFA nach Zitierung des § 8 Abs. 1 AsylG-DV sowie § 58 Abs. 11 AsylG aus, dass der Beschwerdeführer seine Identität bis dato der Behörde nicht nachgewiesen habe, obwohl er zur Vorlage entsprechender Unterlagen aufgefordert worden sei. Der Beschwerdeführer habe dem BFA zwar die Kopie einer indischen Geburtsurkunde vorgelegt, die jedoch nicht geeignet sei, seine Identität nachzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. kam das BFA nach einer Abwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK zum Schluss, dass dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit eine größere Gewichtung zuzusprechen sei, als seinen privaten Interessen. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG sowie § 52 Abs. 3 FPG sei gegenständliche Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden, da dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde. Da die Voraussetzungen des § 50 FPG in seinem Fall nicht vorlägen, seien im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei vorliegendem § 46 Abs. 1 Z 1-4 FPG genannten Voraussetzungen seine Abschiebung nach Indien zulässig.

Zu Spruchpunkt III. führte das BFA aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides betrage, da keine besonderen Umstände im Sinne des § 55 FPG in seinem Fall vorlägen.

In Erledigung der dagegen erhobenen Beschwerde, der ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag" in Kopie beigelegt wurde, behob das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 2 VWGVG den Bescheid des BFA vom 06.07.2017.

Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Beschwerdeführer mit am 28.02.2017 beim BFA eingelangten Schreiben unter anderem einen Antrag gemäß § 4 AsylG-DV stellte und das BFA verpflichtet gewesen wäre, im verfahrensabschließenden Bescheid über diesen Antrag abzusprechen. Vor Befassung und Entscheidung über den Antrag gemäß § 4 AsylG-DV hätte daher das BFA im gegenständlichen Fall den vorliegenden Antrag nicht gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG zurückweisen dürfen, zumal auch keinerlei Anhaltspunkte vorlägen, dass sonst der Tatbestand des § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG erfüllt wäre.

Mit Schreiben des BFA vom 29.12.2017 erging an den Beschwerdeführer eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 58 Abs. 11 AsylG verpflichtet sei, am anhängigen Verfahren mitzuwirken, er jedoch bisher keine Personaldokumente vorgelegt habe, aus denen einwandfrei zu erkennen wäre, dass seine Identität geklärt sei. Zitiert wurde in der Folge § 8 Abs. 1 und 2 AsylG-DV. Weites wurden dem Beschwerdeführer Fragen zu seiner Integration im Bundesgebiet gestellt.

Mit am 19.01.2018 beim BFA eingelangten Schreiben nahm der Beschwerdeführer dazu Stellung und führte darin aus, dass er sich seit über sieben Jahren im Bundesgebiet aufhalte. Während seines Aufenthaltes habe er sich bemüht, sich sprachlich, beruflich und sozial in Österreich zu integrieren. Der Beschwerdeführer habe in Österreich einen großen Freundschaftskreis aufgebaut. Er habe das Sprachdiplom A2 und beabsichtige das Sprachdiplom B1 zu absolvieren. Des Weiteren habe der Antragsteller eine ortsübliche Unterkunft, sei krankenversichert und unbescholten. Im Falle der Erteilung eines Aufenthaltstitels habe der Antragsteller einen Arbeitsvorvertrag vorgelegt. Er habe nie soziale Hilfestellungen in Anspruch genommen. Durch seine langjährige Arbeit und seinen Arbeitsvorvertrag sei ein Entfall der Selbsterhaltungsfähigkeit nicht zu befürchten. Auch könne im Hinblick auf die berufliche Integration eine günstige Prognose gestellt werden. Der Beschwerdeführer sei eine geraume Zeit im gelinderen Mittel gewesen, nämlich vom 21.11.2011 bis 02.10.2013 zur täglichen Meldepflicht bei der Polizeiinspektion. Er habe seine Identität nie verschleiert. Weiters habe er auch im fremdenpolizeilichen Verfahren mitgewirkt. Er habe seine Geburtsurkunde vorgelegt. Das Heimreisezertifikatsformular habe er wahrheitsgemäß ausgefüllt und sich erkennungsdienstlich behandeln lassen. Er habe eigenständig mit der indischen Botschaft Kontakt aufgenommen und allen Ladungen Folge geleistet. Die Hinderungsgründe lägen nicht in seinem Einflussbereich.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid des BFA vom 25.01.2018, Zl. 521282701/151689204/BMI-BFA, wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Absatz 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.) und wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Der Antrag auf Mängelheilung gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 iVm § 8 AsylG-DV vom 28.02.2017 wurde abgewiesen (Spruchpunkt V.).

Begründend führte das BFA zu Spruchpunkt I. aus, dass der Beschwerdeführer bis dato seine Identität nicht nachgewiesen habe, obwohl er zur Vorlage entsprechender Unterlagen aufgefordert worden sei. Er habe zwar die Kopie einer indischen Geburtsurkunde vorgelegt, die jedoch nicht geeignet sei, seine Identität nachzuweisen. Einen Nachweis über seine Identität habe er nicht erbracht, er habe auch keinen Nachweis über eine tatsächliche Antragstellung bzw. eine Anwesenheit bei seiner Vertretungsbehörde vorlegen können.

Zu Spruchpunkt II. führte das BFA aus, dass der Beschwerdeführer keine Angehörigen in Österreich habe, es bestehe kein Familienleben in Österreich. Hinsichtlich des Privatlebens führte das BFA eine Abwägung durch, und kam zu dem Schluss, dass das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen das private Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiege. Eine Rückkehrentscheidung sei daher zulässig.

Zu Spruchpunkt III. kam das BFA zum Schluss, dass die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1-3 in seinem Fall nicht vorlägen. Es sei somit auszusprechen, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1-4 FPG genannten Voraussetzungen seine Abschiebung nach Indien zulässig sei.

Zu Spruchpunkt IV. führte das BFA aus, dass keine Gründe im Sinne des § 50 FPG festgestellt hätten werden können, weshalb der Beschwerdeführer ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung zur freiwilligen Ausreise binnen 14 Tagen verpflichtet sei.

Zu Spruchpunkt V. führte das BFA aus, dass ehebliche Zweifel an seinen getätigten Angaben zu seiner Identität bestünden und er keinerlei Nachweis über seine Identität erbracht habe. Einen Nachweis über eine tastsächliche Antragstellung bzw. einer Anwesenheit bei seiner Vertretungsbehörde habe er nicht vorlegen können. Da es ihm sowohl möglich als auch zumutbar sei, die geforderten Dokumente gemäß § 8 Abs. 1 AsylG-DV der Behörde vorzulegen, habe von der Vorlage dieser Dokumente nicht abgesehen werden können und sei sein Antrag vom 28.02.2017 abzuweisen gewesen.

Seitens des BF wurde binnen offener Frist Beschwerde erhoben.

Dabei brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er stets kooperativ gewesen sei und beim Verfahren auf Verlangung eines Heimreisezertifikates mitgewirkt habe. Er sei auch über eine geraume Zeitspanne im gelinderen Mittel gewesen, nämlich von 21.11.2011 bis 02.10.2013 zur täglichen Meldepflicht bei der Polizeiinspektion. Er habe stets gleichlautende Angaben zu seiner Identität gemacht, er habe eine indische Geburtsurkunde vorgelegt. Er habe auch selbstständig mit der indischen Botschaft Kontakt aufgenommen. Die Hinderungsgründe an der Erlangung eines Reisedokuments lägen nicht in seinem Einflussbereich. Der Beschwerdeführer erfülle sämtliche Erteilungsvoraussetzungen wie auch das A2 Deutschzertifikat und den Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft. Er habe einen Arbeitsvorvertrag vorgelegt. Er könne eine langjährige Arbeit in Österreich nachweisen. Er sei strafrechtlich unbescholten. Er sei krankenversichert und habe sich in Österreich einen großen Freundschaftskreis aufgebaut. Der Beschwerdeführer beabsichtige die Prüfung für das B1 Deutschzertifikat zu absolvieren. Die Behörde verwehre zu Unrecht eine inhaltliche Entscheidung. Es hätte nicht davon ausgegangen werden dürfen, dass seine Ausweisungsentscheidung aus dem Jahre 2011 immer noch gültig sei. Es könne eine günstige Prognose zur beruflichen Integration getroffen werden. Durch den langjährigen Aufenthalt in Österreich sei davon auszugehen, dass nur noch ein sporadischer Kontakt zur Heimat vorhanden sei. Der Beschwerdeführer sei bald 8 Jahre in Österreich. Er habe alles in seiner Macht Stehende getan, um seine Identität nachzuweisen. Allen Ladungen habe der Beschwerdeführer Folge geleistet, er habe sich erkennungsdienstliche behandeln lassen und Formulare zum Zwecke der Erlangung eines Heimreisezertifikats wahrheitsgemäß ausgefüllt. Er habe überdies selbstständig mit der indischen Botschaft Kontakt aufgenommen. Er habe eine Geburtsurkunde vorgelegt, die Behörde habe alle erforderlichen Mittel zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments. Dem Beschwerdeführer werde vorgehalten, dass er mit der Geburtsurkunde ein Reisedokument erlangen könnte, was er aber konkret und unter Bericht seiner Erfahrungen mit der Botschaft verneint habe. Auch die Behörde habe kein Ersatzreisedokument erlangen können. Als wesentlichen Bestandteil der Begründung verwende die Behörde das Argument, dass sich der Beschwerdeführer einen geraumen Zeitpunkt unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Dem müsse entgegengehalten werden, dass der Beschwerdeführer am Verfahren stets in jeder Form mitgewirkt habe. Durch die Behörde sei eine völlig einseitige Interessensabwägung erfolgt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger. Er stellte am 26.05.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz, der letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 09.03.2011 abgewiesen wurde, unter einem wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. Seit dem rechtskräftigen Abschluss des Antrages auf internationalen Schutz hält sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

In Indien halten sich seine Gattin, seine Eltern, zwei Brüder und eine Schwester auf. Mit seinen Angehörigen hat er einmal im Monat über Telefon Kontakt. Über familiäre Bindungen im Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer nicht. Im Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer einen Freundschaftskreis, hinsichtlich österreichischer Staatsbürger verweist der Beschwerdeführer darauf, dass er österreichische Arbeitskollegen habe. Der Beschwerdeführer hat einen Deutschkurs auf Niveau A2 absolviert, er beabsichtigt das Sprachdiplom B1 zu absolvieren. Er wohnt als Mitbewohner unentgeltlich in der Wohnung einer Person, die ebenfalls aus dem indischen Kulturkreis stammt. Der Beschwerdeführer ist als Zeitungszusteller auf Werksvertragsbasis tätig. Er bringt damit ca. 550 Euro ins Verdienen. Er verfügt über einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag. Er ist nicht Mitglied in einem Verein. In seiner Freizeit ist er entweder zu Hause oder er geht zu seinen Freunden. Einen Deutschintegrationskurs hat er bislang nicht besucht.

Der Beschwerdeführer hat nicht nachgewiesen, dass es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar war, einen Reisepass vorzulegen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfahren sowie aus den vorgelegten Urkunden.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer sich nicht nachweislich um die Ausstellung eines Reisepasses bei seiner Vertretungsbehörde bemüht hat, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer noch in seiner am 28.02.2017 beim BFA eingegangenen Stellungnahme ausführte, dass er einige Male eigenständig mit der indischen Botschaft Kontakt aufgenommen habe, wogegen er bei seiner Einvernahme am 05.04.2017 ausführte, dass er einmal bei der Botschaft gewesen sei, zuvor habe er nichts unternommen, um Österreich zu verlassen. Nachweise, dass er bei der indischen Botschaft vorstellig geworden sei, habe er nicht. Zudem gab er zu seinem Besuch bei der Botschaft zu Protokoll, dass er Dokumente hätte vorlegen müssen, um einen Reisepass ausgestellt zu bekommen, er habe jedoch nicht einmal seine Asylkarte dabeigehabt, um über Vorhalt der Behörde, dass er der Behörde eine Geburtsurkunde vorgelegt habe, dann anzugeben, er habe seine Geburtsurkunde mitgehabt. Angesichts seiner divergierenden Angaben und dem Umstand, dass er eine Bestätigung nicht vorlegen konnte, ist es letztlich dem Beschwerdeführer nicht gelungen nachzuweisen, dass ihm die Beschaffung eines Reisepasses nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i. d. F. BGBl I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. I 1961/194, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. I 1950/173, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl I 1984/29, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA VG, BGBl I 2012/87 i. d. F. BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und 8 Abs. 7 BFA VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu Spruchteil A):

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen (Z 1) oder der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen (Z 2). Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

Gemäß § 8 Abs. 1 der AsylG-DV sind folgende Urkunden und Nachweise - unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den Abs. 2 und 3 leg. cit. - im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 3) beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 3) anzuschließen:

1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG);

2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument;

3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5;

4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschafts-urkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde."

Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV kann die Behörde auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen:

1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls,

2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder

3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber gemäß Abs. 2 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Gemäß 28 Abs.1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt, konnte der Beschwerdeführer nicht nachweisen, dass er sich ernsthaft um die Ausstellung eines Reisepasses bemüht habe, bzw. ihm ein derartiges Bemühen nicht zumutbar gewesen sei. Weder zur mangelnden Möglichkeit noch zur mangelnden Zumutbarkeit hat der Beschwerdeführer einen Nachweis erbracht. Damit ist der Tatbestand des § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV, wonach auf begründeten Antrag im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war, eine Heilung eintreten kann, nicht erfüllt (vgl. BVwG 05.03.2018, W220 142776-2/4E).

Folgerichtig hat das BFA den gegenständlichen Antrag gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen, da der Beschwerdeführer seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß nicht nachgekommen ist, wenn er im gegenständlichen Verfahren die notwendigen Urkunden zur Klärung seiner Identität nicht vorlegt und ihm die Heilung dieses Mangels nicht zuzugestehen war.

Der mit "Schutz des Privat Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Es liegen keine Hinweise vor, wonach der Beschwerdeführer im Bundesgebiet ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK führte. Die Rückkehrentscheidung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familienlebens.

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert. In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

Bei einer Abwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK, die schon vom BFA in zutreffender Weise durchgeführt wurde, auf die diesbezüglichen obigen Ausführungen wird verwiesen, ist eine Rückkehrentscheidung jedenfalls geboten:

Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugestehen, dass er sich bereits seit 8 Jahren im Bundesgebiet befindet, er Deutschkurse besucht und diese auch erfolgreich abgeschlossen hat, er einen Freundes- und Bekanntenkreis hat. Dem ist aber entgegen zu halten, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers nur im Rahmen seines Asylverfahrens, also nur kurze Zeit, rechtmäßig war, der weitaus überwiegende Teil seines Aufenthaltes im Bundesgebiet aber illegal war. Dementsprechend können die im Bundesgebiet eingegangenen Bindungen nicht schwer wiegen, war doch der Beschwerdeführer bereits seit der Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 09.03.2011 gehalten, das Bundesgebiet zu verlassen. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer intensive familiäre Bindungen an den Herkunftsstaat hat, seine Gattin und seine zwei minderjährigen Kinder halten sich dort auf, ebenso seine Eltern, zwei Brüder und eine Schwester, sodass die Freund- und Bekanntschaften, die er im Bundesgebiet eingegangen ist, hinter diesen intensiven familiären Bindungen zurücktreten. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet als Zeitungszusteller tätig ist, vermag zudem keine maßgebliche Integration am Arbeitsmarkt darzustellen (vgl. VwGH 11.06.2017, 2013/22/0356). So verfügt der Beschwerdeführer weder über eine Beschäftigungsbewilligung noch über einen Aufenthaltsstatus, der es ihm erlaubte, im Bundesgebiet einer Beschäftigung nachzugehen, weswegen die Tätigkeit als Zeitungszusteller nicht für den Beschwerdeführer ins Gewicht fallen kann. Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer einen Arbeitsvorvertrag vorlegen konnte, ist nicht ein bereits erreichter Grad an Integration in wirtschaftlicher Hinsicht ableitbar, sondern bloß die noch ungewisse Möglichkeit deren künftigen Eintretens. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, dass die Ausübung einer Beschäftigung sowie einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat, keine wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323). Schließlich ist auch noch drauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer kein soziales Engagement aufweist, die ihm eine besondere Verbundenheit mit dem österreichischen Bundesgebiet bescheinigen könnte. Angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer zum überwiegenden Teil im Bundesgebiet illegal aufhältig war, er bereits gehalten gewesen wäre, im Jahre 2011 das Bundesgebiet zu verlassen, können die Integrationsschritte des Beschwerdeführers, die zudem nicht allumfassend sind, nicht den Ausschlag geben, sondern tritt hier das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen in den Vordergrund.

Insgesamt betrachtet ist davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten.

Daher sind die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG 2005 nicht gegeben.

Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten (§ 10 Abs. 3 AsylG, § 52 Abs. 3 FPG) und ist auch nicht unverhältnismäßig (vgl. VwGH 25.02.2010, 2009/21/0142; 18.03.2010, 2010/22/0023).

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den tragenden Gründen des Erkenntnisses des Asylgerichthofes vom 09.03.2011, Zahl C4 413.771-1/2010/3E, keine Umstände vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung nach Indien im Sinne des § 50 FPG ergeben würden.

Zudem hat sich seit Erlassung des genannten Erkenntnisses des Asylgerichtshofes keine relevante Änderung des Sachverhalts ergeben, weder im Hinblick auf die allgemeine Lage im Herkunftsstaat, noch im Hinblick auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers.

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

Absehen von einer mündlichen Verhandlung

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind im gegenständlichen Fall erfüllt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG ist ein Absehen von der mündlichen Verhandlung dann gerechtfertigt ist, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG 2014 festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0105; VwGH 28.05.2014/20/0017-0018).

In casu ergibt sich der Sachverhalt eindeutig aus der Aktenlage und in der Beschwerde wurden keine neuen relevanten Sachverhaltselemente vorgebracht, die nicht ohnehin (bzgl. Integrationsleistungen) zu seinen Gunsten gewertet wurden. Auch tritt der Beschwerdeführer in der Beschwerde den seitens der belangten Behörde getätigten Ausführungen und der Abwägungsentscheidung nicht in ausreichend konkreter und substantiierter Weise entgegen. Die für die Entscheidung wesentlichen Sachverhaltselemente (insb. kein Nachweis der Unmöglichkeit/Unzumutbarkeit der Beschaffung erforderlicher Urkunden; Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts) ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt, die Beschwerde setzte dem nichts entgegen.

Angesichts dessen, dass in der Beschwerde insgesamt für die Entscheidung kein relevantes Vorbringen erstattet wurde, und der von der Verwaltungsbehörde ermittelte entscheidungswesentliche Sachverhalt noch die gesetzlich gebotene Aktualität aufweist, konnte daher eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG im konkreten Fall entfallen.

Zum Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Dauer, Deutschkenntnisse, Erwerbstätigkeit, Heilung, Integration,
Intensität, Interessenabwägung, öffentliches Interesse,
rechtswidriger Aufenthalt, Reisedokument, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W202.1413771.3.00

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten