TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/18 I403 2170847-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.06.2018
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Entscheidungsdatum

18.06.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

I403 2170847-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Kamerun, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Max KAPFERER, Dr. Martin DELLASEGA, Schmerlingstraße 2/2, 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.09.2017, Zl. 1083967505/151152345, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.05.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsbürgerin Kameruns, stellte am 21.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am folgenden Tag stattfindenden Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erklärte sie, Kamerun wegen ihrer sexuellen Orientierung verlassen zu haben. Sie sei zuvor häuslicher Gewalt ausgesetzt gewesen, habe ihren Mann, den Vater ihrer sechsjährigen Tochter, aber im Vorjahr verlassen. Sie habe sich in eine Frau verliebt und sei dann mit ihr zusammen gesehen worden. Sie sei eine Woche inhaftiert gewesen, in der Zwischenzeit habe man im Viertel Zettel aufgehängt, welche sich gegen sie gerichtet haben würden. Ihr Vater, ein Pastor, habe gesagt, dass sie Schande über die Familie gebracht habe. Sie habe ihre Tochter bei ihm zurücklassen müssen. Sie sei auf der Straße mit Steinen beworfen und geschlagen worden. Daher sei sie geflohen. Über ihre Freundin wisse sie nichts. Die Beschwerdeführerin legte eine Geburtsurkunde, einen Personalausweis sowie ein Foto, auf dem sie mit einer Bandage um den Kopf zu sehen ist, vor.

Dem Akt ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführerin im Jahr 2013 ein Visum von Seiten Belgiens und im Jahr 2014 ein Visum von Seiten Italiens verweigert worden war.

Die Beschwerdeführerin wurde am 01.08.2017 niederschriftlich durch eine Organwalterin des BFA, Regionaldirektion Tirol, im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Französisch einvernommen. Die Beschwerdeführerin verwies darauf, dass sie manchmal Bauchschmerzen habe. Sie legte unter anderem eine Kopie des Personalausweises ihres Onkels, eine Kopie des Personalausweises ihrer Mutter sowie eine Kopie der Geburtsurkunde ihrer Tochter vor. Sie erklärte, dass sie, als sie die Einladung zur Einvernahme bekommen habe, ihre Mutter angerufen und gebeten habe, die Dokumente zu besorgen und entsprechende Kopien an sie zu schicken. Sie wiederholte, dass ihre ganze Familie sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verstoßen habe, mit ihrer Mutter habe sie nur wegen der Dokumente Kontakt gehabt. Mitte 2015 habe sie das erste Mal darüber nachgedacht, ihr Heimatland zu verlassen. Sie erklärte, für eine Nacht inhaftiert worden zu sein. Die Frau, mit der sie zusammen gewesen sei, sei aufgrund der Übergriffe der Polizisten am nächsten Tag verstorben. Deren Familiennamen kenne sie nicht. Sie selbst sei ins Krankenhaus gebracht worden und habe dann mit Hilfe ihrer Tante fliehen können. Sie habe dann bei ihrer Tante gelebt, bis diese von der Polizei abgeholt worden sei. Daraufhin sei sie zu einem Onkel mütterlicherseits geflohen, bei dem sie einige Monate verbracht habe. Schließlich habe sie das Land verlassen. Angesprochen auf die Visumsanträge erklärte die Beschwerdeführerin, dass dieser Reisepass von ihrer Schwester verwendet worden sei. Ein Konvolut an Unterlagen, darunter verschiedene Unterstützerschreiben und Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse, wurde vorgelegt. Darüber hinaus legte die Beschwerdeführerin zwei Schreiben (Fahndung, Vorladung) eines Polizeikommissariats in Douala vor. Darüber hinaus brachte sie auch drei handschriftliche Schreiben (eines von ihrer Mutter, eines von ihrem Onkel und eines von einer Krankenschwester, die sie bei ihrer Tante gepflegt habe) ein, in welchen ihre Homosexualität bestätigt wurde.

Am 18.08.2017 übermittelte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zu dem ihr im Rahmen der Einvernahme übergebenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Kamerun. Im Gegensatz zum Länderinformationsblatt würden die Gefängnisstrafen für Homosexualität nicht fünf bis sechs Jahre betragen, sondern zehn bis fünfzehn Jahre. Wenn die Rede davon sei, dass 2015 nur sieben Verhaftungen wegen Homosexualität vorgenommen worden seien, sei zu berücksichtigen, dass nicht alle diesbezüglichen Aktivitäten registriert worden seien.

Mit Bescheid des BFA vom 01.09.2017 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 21.08.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftssaat Kamerun abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kamerun zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV). Die Ausreisegründe der Beschwerdeführerin wurden als nicht glaubhaft gewertet.

Gegen den Bescheid wurde fristgerecht am 14.09.2017 Beschwerde erhoben. Der belangten Behörde wurde vorgeworfen, dass sie die Beschwerdeführerin mit den vermeintlichen Widersprüchen hätte konfrontieren müssen, um ihr eine Chance zu geben, diese aufzuklären. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig und teilweise veraltet. Die belangte Behörde habe sich nicht in der gebotenen Tiefe mit der Situation von Homosexuellen in Kamerun befasst. Entsprechende Auszüge aus verschiedenen Berichten, unter anderem des US-Departement of State, des UN Human Rights Komitee bzw. des Finnish Immigration Service wurden auszugsweise zitiert. Aus diesen Berichten gehe deutlich hervor, dass neben der strafrechtlichen Pönalisierung die Diskriminierung von Homosexuellen in Kamerun ein solches Ausmaß erreiche, dass jedenfalls eine asylrechtliche Verfolgung vorliege. Die Beschwerdeführerin habe auch kein zwischen Erstbefragung und Einvernahme unterschiedliches Vorbringen erstattet, habe sie doch immer erklärt, Kamerun wegen ihrer homosexuellen Orientierung verlassen zu haben. Der Umstand, dass es für die hiesige Behörde nicht nachvollziehbar sei, wenn die Behörden in Kamerun jemanden wegen Homosexualität vorladen bzw. suchen würden, beruhe auf der offenbaren Unkenntnis der österreichischen Behörde. Dass in der Suchanfrage ein anderer Straftatbestand angegeben sei, stehe in Einklang mit der im angefochtenen Bescheid zitierten Anfragebeantwortung, wonach häufig fingierte Gründe für die Strafverfolgung Homosexueller herangezogen würden. Gehäufte Widersprüche seien im Vorbringen nicht aufgetreten. Nicht berücksichtigt worden sei, dass die Schilderung der Beschwerdeführerin betreffend die von ihr erlittene Verfolgung sich mühelos mit den zur Verfügung stehenden Länderberichten in Einklang bringen lasse. Die Beschwerdeführerin müsse befürchten, bei einer Rückkehr nach Kamerun weiterer Verfolgung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ausgesetzt zu sein. Ihr könne auch nicht zugemutet werden, ihre Sexualität im Verborgenen leben zu müssen. Es bestehe keine innerstaatliche Fluchtalternative, da Homosexuelle in ganz Kamerun mit drastischen Repressalien von staatlicher oder privater Seite zu rechnen haben würden. Es wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, der Beschwerdeführerin den Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu ihr den Status einer subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren, festzustellen, dass die Abschiebung nach Kamerun auf Dauer unzulässig sei sowie die erlassene Rückkehrentscheidung ersatzlos zu beheben, in eventu den angefochtenen Bescheid gem. § 28 Abs. 3 VwGVG zu beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 18.09.2017 vorgelegt.

Mit der Ladung für eine mündliche Verhandlung wurden der Beschwerdeführerin Länderfeststellungen zu Kamerun (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation) übermittelt.

Am 23.05.2018 wurde eine mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, abgehalten, in welcher auf Antrag der Beschwerdeführerin XXXX als Zeugin einvernommen wurde. Die Beschwerdeführerin legte verschiedene Unterlagen zur Integration vor und wiederholte im Beisein ihres Rechtsvertreters ihr Fluchtvorbringen. Die belangte Behörde beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Kameruns und somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b AsylG 2005. Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest. Sie stammt aus dem französischsprachigen Teil Kameruns. Sie verfügt über eine umfassende schulische Ausbildung und schloss eine Friseurlehre ab. Vor ihrer Ausreise lebte sie in Douala und hatte dort ein eigenes Friseurgeschäft. Dort leben ihre Eltern, drei Schwestern und ein Bruder der Beschwerdeführerin. Ihre im Jahr 2009 geborene Tochter wohnt bei ihren Eltern. Sie stammt aus wirtschaftlich guten Verhältnissen.

Die Beschwerdeführerin befindet sich in einem arbeitsfähigen Alter. Sie leidet an keinen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Die Beschwerdeführerin verließ Kamerun im Juli 2015 und stellte im August 2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten der Beschwerdeführerin in Österreich. Die Beschwerdeführerin legte die A2 Prüfung ab und besucht aktuell einen B1-Kurs. Sie verrichtet Reinigungsarbeiten für ihre Wohngemeinde. Sie ist um eine Integration bemüht, doch kann aufgrund des kurzen Aufenthaltes von weniger als drei Jahren noch nicht von einer nachhaltigen Verfestigung gesprochen werden.

Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.

Es haben sich im Verfahren mangels Glaubwürdigkeit keine Anhaltspunkte in Bezug auf eine homosexuelle Orientierung der Beschwerdeführerin ergeben. Es steht fest, dass die Beschwerdeführerin Kamerun nicht verlassen hat, weil sie wegen ihrer homosexuellen Orientierung inhaftiert wurde, aus dem polizeilichen Gewahrsam floh und in weiterer Folge von den Sicherheitsbehörden gesucht wurde. Es besteht keine reale Gefahr, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.

1.2. Zur allgemeinen Situation in Kamerun:

Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation sind folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zu entnehmen:

Sicherheitslage

Für den Großteil des Staatsgebiets Kameruns wird seitens des französischen Außenministeriums bzgl. Reisen nicht abgeraten. Abgeraten wird lediglich von Reisen in die Grenzgebiete zu Nigeria, dem Tschad und der zentralafrikanischen Republik; in die Provinz Extrême-Nord und den nördlichen Teil der Provinz Nord. Reisen in die Provinzen Nord und Adamoua sollten nur unternommen werden, wenn diese dringend notwendig sind (FD 17.3.2017b). In den englischsprachigen Regionen um die Städte Bamenda und Buea kommt es nach Streiks von Teilen der anglophonen Bevölkerung zu gewalttätigen Demonstrationen und Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften, die bereits mehrere Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Das österreichische Außenministerium warnt ausdrücklich vor Reisen in den Norden des Landes. Reisen in die Grenzgebiete zum Tschad und zur zentralafrikanischen Republik sollen nur unternommen werden, wenn diese dringend notwendig sind. Die Lage ist gespannt und unsicher und kann sich innerhalb kürzester Zeit verschlechtern. Das Risiko von Überfällen durch gewalttätige Straßenräuber sowie Entführungen ist besonders hoch. In den letzten Jahren wurden mehr als 20 ausländische Staatsangehörige im Norden des Landes entführt (BMEIA 17.3.2017).

Derzeit steht Kamerun vor großen Herausforderungen, da sich das Umfeld in den Nachbarländern Zentralafrikanische Republik und Nigeria destabilisiert hat. An der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik ist es seit Ausbruch der Seleka-Rebellion im Dezember 2012 mehrfach zu bewaffneten Übergriffen auf kamerunische Orte gekommen. Seit Beginn der Rebellion sind über 259.000 Flüchtlinge aus der Zentralafrikanischen Republik in Kamerun eingetroffen (AA 9.12.2016). Das Grenzgebiet mit der Zentralafrikanischen Republik gilt wegen dieser grenzüberschreitender Übergriffe bewaffneter Gruppen der dortigen Rebellen als unsicher (AA 17.3.2017; vgl. FH 2016). Es kam dort auch zu Gefechten zwischen zentralafrikanischen Rebellen und kamerunischen Kräften (FH 2016).

In der Provinz Extrême-Nord, die an die Hochburg der Boko Haram in Nigeria grenzt, kommt es zu wiederholten Einfällen der Extremisten (FH 2016). Im Norden Kameruns, besonders in der Region Extreme-Nord, bedrohen Übergriffe von Boko Haram die Stabilität. Die Regierung geht u. a. mit Militäreinsätzen gegen die Bedrohung vor. Vor allem in der Region Extrême -Nord sind fast 59.000 Menschen aus Nigeria geflüchtet (AA 9.12.2016).

In der Provinz Extrême-Nord besteht ein hohes Entführungsrisiko für Ausländer. An der Grenze zu Nigeria und in Maroua, der Hauptstadt der Region Extrême-Nord, ist es zu Selbstmordanschlägen mit zahlreichen Todesopfern gekommen (AA 17.3.2017; vgl. FD 17.3.2017a). Auch in den Grenzgebieten zu Nigeria in den Provinzen Nord und Adamaoua können terroristische Aktivitäten vorkommen (FD 17.3.2017b). Laut einem Bericht der International Crisis Group wurden im Zuge der Angriffe durch Boko Haram, seit März 2014, 1.500 Menschen getötet und 155.000 verdrängt (IRIN 11.1.2017). Boko Haram war vor allem in der Region Extrême-Nord für Menschenrechtsverstöße verantwortlich (AI 22.2.2017).

Gewarnt wird darüber hinaus vor Reisen zur Halbinsel Bakassi und Umgebung aufgrund fortdauernder Sicherheitsprobleme. Im gesamten Golf von Guinea gibt es Bandenunwesen. In der Vergangenheit gab es Überfälle und Geiselnahmen auf Küstenorte, Fischkutter, Öltanker oder Ölplattformen (AA 17.3.2017; vgl. BMEIA 17.3.2017).

Die allgemeine Sicherheitslage ist vor allem in den Städten bzw. auf den Überlandstraßen von zunehmender Gewaltkriminalität gekennzeichnet (GIZ 2.2017a). In den Regionen Nord und Adamaoua sowie in den Grenzgebieten zu Nigeria und Tschad kommt es vermehrt zu gewalttätigen Raubüberfällen (AA 17.3.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 17.3.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (17.3.2017): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/KamerunSicherheit_node.html, Zugriff 17.3.2017

-

AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Cameroon, https://www.ecoi.net/local_link/336459/479100_de.html, Zugriff 17.3.2017

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (17.3.2017): Reiseinformation Kamerun, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kamerun/, Zugriff 17.3.2017

-

FD - France Diplomatie (17.3.2017a): Cameroun - Conseils aux voyageurs - Dernière minute,

http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/cameroun/#derniere, Zugriff 17.3.2017

-

FD - France Diplomatie (17.3.2017b): Cameroun - Conseils aux voyageurs - Sécurité,

http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/cameroun/#securite, Zugriff 17.3.2017

-

FH - Freedom House (2016): Freedom in the World 2016 - Cameroon, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/cameroon, Zugriff 19.8.2015

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2017a): Kamerun - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 17.8.2015

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IRIN - Integrated Regional Information Network (10.8.2015): Boko Haram still a threat to refugees in Cameroon, http://www.irinnews.org/feature/2017/01/11/boko-haram-still-threat-refugees-cameroon, Zugriff 17.3.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Das kamerunische Rechtssystem ist uneinheitlich. Neben der traditionellen Rechtsprechung, die für jede Volksgruppe spezifisch ist, existiert das moderne Recht, das bis vor kurzem, sowohl von der britischen (common law) als auch von der französischen Rechtskultur (Code Napoléon) bestimmt worden war, bis das Parlament 2006 eine Harmonisierung des Strafgesetzbuchs verabschiedete. Moderne Gerichte gibt es auf Arrondissements-Ebene (tribunal de première instance) und Départements-Ebene (tribunal de grande instance), Berufungsgerichte auf Provinzebene (cour d¿appel). Probleme bereiten der absolute Mangel an Gerichten, die Bestechlichkeit von Richtern, die Konzentration der Rechtsanwaltsbüros auf Douala und Yaoundé, die mangelnde Unabhängigkeit der Gerichte von der Exekutive und die Blockierung der Gerichte in Douala und Yaoundé aufgrund von Richtermangel (GIZ 2.2017).

Das Justizsystem ist überlastet; manche Richter und Staatsanwälte sind unterqualifiziert oder infolge ihrer geringen Gehälter bestechlich. Rechtsstaatliche Verfahren sind nicht durchgängig gewährleistet. Allerdings hat sich der Justizminister in den vergangenen Jahren

mit Informationskampagnen und Fortbildungsseminaren um die Weiterbildung der Richter bemüht. In der Praxis wird das neue Strafprozessrecht jedoch von den Behörden zumeist nur angewendet, wenn die Betroffenen dies einfordern. Dies setzt einen gewissen Kenntnisstand der Gesetzeslage voraus, den jedoch nur eine Minderheit der Bevölkerung aufweist (AA 9.12.2016).

Die gravierenden Schwächen des Rechtssystems betreffen alle Bürger gleichermaßen und sind vor allem in Korruption, mangelhafter Aus- und Fortbildung sowie Überlastung begründet. Sippenhaft ist nicht vorgesehen. Der Justizapparat ist in Kamerun schwerfällig und zeigt wenig Einsatzbereitschaft; dies gilt auch bei Ermittlungen zu Menschenrechtsverletzungen. Manche Staatsanwälte und Richter sind bestechlich und beeinflussbar. Am 1.1.2007 trat das erstmals landesweit einheitliche Strafprozessrecht in Kraft, das die Rechte der Beschuldigten präzisiert und stärkt. Darüber hinaus wurde ein Recht auf Entschädigung im Fall unangemessen langer Untersuchungshaft eingeführt. Viele Betroffene scheuen jedoch den - insbesondere für Laien komplizierten - administrativen Aufwand (AA 9.12.2016).

Die vor allem in den ländlichen Gegenden praktizierte Justiz traditioneller Autoritäten ist weder verfassungsrechtlich legitimiert, noch unterliegen die daraus folgenden Entscheidungen und Handlungen einer staatlichen Kontrolle. Dieses traditionelle Rechtssystem benachteiligt vor allem Frauen und Kinder. Häufig gibt es Machtmissbrauch der traditionellen Autoritäten (Clanchefs usw.). Im Norden des Landes unterhalten einige "Könige" ("Lamido") Privatgefängnisse, in denen mutmaßliche Kriminelle bis zum Abtransport in staatliche Gefängnisse in Haft genommen und dabei mitunter misshandelt werden. Diese "Könige" sind zudem traditionelle Gerichtsherren, die auch eine körperliche Bestrafung anordnen können (AA 9.12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 15.3.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2017a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 15.3.2017

Sicherheitsbehörden

Die Gendarmerie Nationale ist die nationale Polizei. Sie hat militärischen Charakter und ist Teil der Streitkräfte. Sie interveniert im nichtstädtischen Bereich, also auf dem Lande. Dagegen untersteht die Police Nationale dem Innenministerium (GIZ 2.2017a). Verhaftungen werden von der Gendarmerie und den verschiedenen Untergliederungen der Polizei ausgeführt: allgemeine Polizei (Sécurité publique), Inlandsgeheimdienste (Renseignements Généraux, Surveillance du Territoire), Kriminalpolizei (Police Judiciaire), Grenzpolizei (Police des Frontières) sowie von der Spezialeinheit GSO (Groupement Spécial d'Opérations) (AA 9.12.2016). Letztere ist eine Eliteeinheit der Polizei. Es gibt auch Spezialeinheiten zur Bekämpfung von Straßenräubern, wie die im März 1998 gegründete Brigade Anti-Gang (auch: Groupement mobile d'intervention GMI, unités antigangs), das 2000 gegründete Commandement Opérationnel (CO, auch: special oder operational command) oder die seit 2006 im Einsatz befindliche Brigade d'intervention rapide (BIR) (GIZ 2.2017a). Auch die Militärpolizei darf Verhaftungen durchführen, wenn sie im Rahmen von Unruhen eingesetzt wird. Der Auslandsgeheimdienst DGRE, der auch im Inland eingesetzt wird, nimmt in Einzelfällen ebenfalls Verhaftungen vor (AA 9.12.2016).

Probleme der Polizeikräfte sind zunehmende Gewalt und Banditentum auf der einen, Korruption, willkürliche Verhaftungen und Folter auf der anderen Seite (GIZ 2.2017a). Die Sicherheitskräfte sind zum Teil schlecht ausgebildet, bezahlt und ausgerüstet (AA 9.12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 15.3.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2017a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 9.3.2017

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz vom 10.1.1997 hat den Straftatbestand Folter mit Todes- oder Gesundheitsfolgen in das Strafgesetzbuch eingeführt (Art. 132 ff). Unmenschliche und erniedrigende Strafen sind weder im Strafgesetzbuch vorgesehen, noch werden sie verhängt bzw. vollstreckt (AA 9.12.2016).

In der Praxis kommen Misshandlungen (AA 9.12.2016) und Folter (USDOS 3.3.2017) vor. Dabei handelt es sich meist um Schikanen durch Gefängniswärter, Polizisten oder Angehörige der Geheimdienste und der Gendarmerie (AA 9.12.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). In schwer verifizierbaren Einzelfällen soll es zu Misshandlungen zwecks Erpressung von Geständnissen gekommen sein. Über ein derartiges systematisches Vorgehen der Sicherheitsbehörden oder des Gefängnispersonals liegen keine Erkenntnisse vor (AA 9.12.2016).

Es kommt zu willkürlicher und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte. Übergriffe der Sicherheitskräfte werden in der Regel nicht angemessen verfolgt. Systematische Gewaltanwendung gegen bestimmte Gruppen ist allerdings nicht feststellbar (AA 9.12.2016). Auch wenn die Regierung einige Schritte ergriffen hat, um Täter zu verfolgen und zu bestrafen, so agieren diese auch weiterhin meist ungestraft (USDOS 3.3.2017).

Im Rahmen des Kampfes gegen Boko Haram werden den kamerunischen Sicherheitskräften

massive Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (AA 9.12.2016). Vor allem in Zusammenhang mit dem Kampf gegen Boko Haram sind Sicherheitskräfte für Menschenrechtsverletzungen einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Verschwinden lassen, willkürlicher Festnahmen sowie Inhaftierungen ohne Rechtsgrundlage verantwortlich (AI 22.2.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 15.3.2017

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Cameroon, https://www.ecoi.net/local_link/336459/479100_de.html, Zugriff 15.3.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Cameroon, http://www.ecoi.net/local_link/337135/479899_de.html, Zugriff 9.3.2017

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen in kamerunischen Gefängnissen sind sehr schlecht (AA 9.12.2016; vgl. FH 2016; vgl. USDOS 3.3.2017) und lebensbedrohlich (FH 2016; vgl. USDOS 3.3.2017), unterscheiden sich aber nach Einkommen bzw. Vermögen der Inhaftierten (AA 10.2.2015). Sie sind durch Mangel an sauberem Trinkwasser, Nahrungsmitteln, Hygiene und medizinischer Versorgung geprägt (AA 9.12.2016; vgl. USDOS 3.3.2017), wodurch es auch zu Todesfällen kommt (USDOS 3.3.2017). Die Gefängnisse sind zum Teil um ein Vielfaches ihrer eigentlichen Kapazität überbelegt (AA 10.2.2015; vgl. FH 2016; vgl. USDOS 3.3.2017). Zwei Drittel der Insassen sind Untersuchungshäftlinge (AA 9.12.2016).

In kleineren Gefängnissen drohen Unterernährung und mangelnde medizinische Versorgung. Die Unterbringung ist dort jedoch insgesamt besser als in den größeren Zentralgefängnissen (AA 9.12.2016). Allerdings sind in den kleineren Gefängnissen Frauen und Jugendliche nicht von den übrigen Gefangenen getrennt untergebracht; dies kann auch in großen Gefängnissen vorkommen (AA 9.12.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). Misshandlungen und Vergewaltigungen von Häftlingen - in der Mehrzahl der Fälle durch Mithäftlinge, jedoch auch durch das Gefängnispersonal - kommen immer wieder vor (AA 9.12.2016; vgl. FH 2016). Frauengefängnisse, wie etwa in Nfou, sind manchmal mit mehr Männern als Frauen unter den Häftlingen fehl-, immer jedoch überbelegt. Für die Versorgung der Gefangenen mit Nahrungsmitteln sind die Familienangehörigen verantwortlich. Das Lebensmittelbudget für Gefängnisse wurde 2011 vom Justizministerium um 40 % gesenkt (AA 9.12.2016).

Die Regierung gestattet nationalen und internationalen humanitären Organisationen wie etwa dem IKRK den Zugang zu Gefängnisinsassen (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 15.3.2017

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FH - Freedom House (2016): Freedom in the World 2016 - Cameroon, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/cameroon, Zugriff 15.3.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Cameroon, http://www.ecoi.net/local_link/337135/479899_de.html, Zugriff 9.3.2017

Frauen

Frauen sind verfassungsrechtlich Männern gleichgestellt. Viele Gesetze benachteiligen aber Frauen nach wie vor (AA 9.12.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). Beispiele sind die alleinige Verfügungsgewalt des Ehemanns über das eheliche Vermögen (AA 9.12.2016) sowie dessen Recht, der Ehefrau eine Berufstätigkeit zu untersagen (AA 9.12.2016; vgl. USDOS 3.3.2017), die Zulässigkeit der körperlichen Züchtigung der Ehefrau. Die verbreitete Zwangsheirat ist zwar nach dem kodifizierten Strafrecht strafbar, aber in vielen Gegenden wird das staatliche Zivil- und Strafrecht faktisch durch traditionelles Recht ersetzt. Die aus der Anwendung des traditionellen Rechts folgenden Handlungen unterliegen keiner staatlichen Kontrolle.

Das kodifizierte Recht ist teilweise diskriminierend und menschenunwürdig. Nach kamerunischem Strafrecht gibt es zum Beispiel keine Vergewaltigung in der Ehe. Vergewaltigungen werden auch nur selten zur Anzeige gebracht und von den Behörden nachlässig verfolgt (AA 9.12.2016; vgl. USDOS 3.3.2017), obwohl sie unter Strafe stehen und mit einer Haftstrafe von fünf bis zehn Jahre belegt sind (USDOS 3.3.2017).Bei der im Parlament diskutierten Reform des Familienrechts sollen viele dieser diskriminierenden Bestimmungen aufgehoben werden. Voraussichtlich wird der Gesetzesentwurf über mehrere Jahre verhandelt werden. Ein Termin zur Vorlage im Parlament ist nicht bekannt (AA 9.12.2016).

Nur wenigen Frauen gelingt es, das öffentliche Leben aktiv mitzugestalten. Im Zuge der Parlamentswahlen 2013 erhöhte sich der Anteil von Frauen in der Nationalversammlung deutlich auf 33 % (AA 9.12.2016). So sind 56 (von 180) Abgeordnete in der Nationalversammlung und 20 (von 100) im Senat weiblich (FH 2016). In der Regierung sind Frauen wenig präsent. Die Gründe dafür liegen in der sozialen Abhängigkeit, der Erziehung sowie darin, dass höhere Schulbildung Mädchen in geringerem Maße zugänglich war und zum Teil immer noch ist. Die genannten Missstände werden gesellschaftlich akzeptiert; den meisten Frauen sind ihre Rechte nicht bekannt (AA 9.12.2016).

Das kamerunische Zivilrecht erlaubt jedem Mann über 35 Jahren, bis zu vier Ehefrauen zu heiraten (Polygamie). Die Menschenrechtslage von Frauen variiert ebenso wie ihre gesellschaftlichen und beruflichen Möglichkeiten je nach Wohnort und ist grundsätzlich in ländlichen Gebieten schlechter als in den Städten. Die vor allem in den ländlichen Gebieten praktizierte Rechtsprechung durch traditionelle Autoritäten benachteiligt systematisch Frauen und Kinder. Darüber hinaus variiert die Rolle der Frau auch von Ethnie zu Ethnie. Der Norden Kameruns gilt hinsichtlich der Frauenrechte als besonders rückständig: Zahlreiche junge Mädchen (zwischen 10 und 15 Jahren), meist aus ärmeren Verhältnissen, werden zwangsverheiratet und besuchen nur selten die Schule. Danach sind sie für Haushalt und Kinder zuständig, sodass ihre weiterführende Schulbildung erschwert wird. Dadurch bleibt der Anteil der Analphabetinnen hoch. Die sozialen Unterschiede und der regional unterschiedlich große Einfluss des Gewohnheitsrechts in Familienangelegenheiten sind weitere wesentliche Faktoren, die zu erheblichen Ungleichheiten in der gesellschaftlichen Wahrnehmung und Behandlung von Frauen führen (AA 9.12.2016).

Die Beschneidung weiblicher Genitalien ist bislang nicht verboten (AA 9.12.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). Diese ist kein Massenphänomen, wird aber in einigen wenigen Regionen Kameruns praktiziert: im äußersten Norden (AA 9.12.2016; vgl. FH 2016; vgl. USDOS 3.3.2017) und den ländlichen Gebieten entlang der Grenze zu Nigeria (AA 9.12.2016); im Osten (USDOS 3.3.2017) sowie im Südwesten (FH 2016; vgl. USDOS 3.3.2017) bei den Ethnien der Choa und Ejagham. Zudem wird berichtet, dass diese Praxis abnimmt (USDOS 3.3.2017). Immigrantinnen aus dem Tschad, Nigeria, Sudan und Mali führen Beschneidungen weiblicher Genitalien auch in einigen Fällen in den großen Städten Duala und Jaunde durch. Im äußersten Norden werden Mädchen normalerweise vor Erreichen des 10. Lebensjahres, jedoch nicht nach dem 13. Lebensjahr beschnitten. Im Südwesten wird die Beschneidung weiblicher Genitalien von mehreren Ethnien (Boki, Otu Ejagham, Bayangi) praktiziert, zum Teil an erwachsenen Frauen nach Geburt des ersten Kindes. UNICEF zufolge werden Beschneidungen bei 1% der kamerunischen Frauen durchgeführt (AA 9.12.2016). USDOS nennt eine Zahl von 1,4% und 20% bei den am meisten betroffenen Gemeinden (USDOS 3.3.2017). Verlässliche Statistiken gibt es nicht. Ein im Justizministerium bereits 2010 erarbeiteter, bisher jedoch nicht eingebrachter Entwurf für ein neues Strafgesetzbuch sieht vor, Genitalbeschneidung bei Frauen zu einem Straftatbestand zu erklären (AA 9.12.2016).

Weit verbreitet (rund 12%) ist die Verstümmelung der Brüste: dabei reiben die Mütter adoleszenter Mädchen heiße Steine über die Brüste ihrer Töchter, um ihr Wachstum aufzuhalten und sie damit vor zu frühen sexuellen Erfahrungen zu schützen ("Brustbügeln"). Dadurch entstehen Verwachsungen, die lebenslang zu starken Schmerzen und Traumata führen können (AA 9.12.2016; vgl. USDOS 3.3.2017).

Gegen beide Praktiken gehen Regierung und NGOs mit Aufklärungskampagnen vor (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 15.3.2017

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FH - Freedom House (2016): Freedom in the World 2016 - Cameroon, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/cameroon, Zugriff 15.3.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Cameroon, http://www.ecoi.net/local_link/337135/479899_de.html, Zugriff 9.3.2017

Grundversorgung/Wirtschaft

Unter den Staaten der zentralafrikanischen Regionalorganisation CEMAC ist Kamerun das wirtschaftlich stärkste Land. Das Bruttoinlandsprodukt erreichte 2015 geschätzte 29,198 Milliarden US-Dollar, pro Kopf ca. 1.330 US-Dollar. Die öffentliche Verschuldung Kameruns liegt bei ca. 24 % des Bruttoinlandsproduktes, steigt aber schnell an. Die Kredite werden vor allem für Infrastrukturprojekte wie Straßenbau und Energieerzeugung sowie die Entwicklung der Landwirtschaft, Telekommunikation, Bergbau und Wasserversorgung eingesetzt. Makroökonomisch wurden in den letzten Jahren Fortschritte erzielt: Kamerun erreichte 2014 ein Wirtschaftswachstum von ca. 3,3 % 2015 lag das Wachstum bei 3,7 %. Neben der Öl- und Gasförderung und den Infrastrukturinvestitionen ist der tertiäre Sektor eine treibende Kraft. Das derzeitige Wirtschaftswachstum reicht nicht aus, um Arbeitsplätze in größerem Umfang zu schaffen und die Armutsrate von circa 39 % nachhaltig zu senken (AA 11.2016b).

Insbesondere der primäre und tertiäre Sektor tragen derzeit zum Wachstum bei. Rohöl und Holz sind die wichtigsten Exportprodukte. Einnahmen aus der Ölförderung konnte Kamerun zuletzt wieder steigern. In der Landwirtschaft wurde die Produktion von Schlüsselprodukten (Kakao, Kaffee, Bananen, Rohkautschuk) durch erleichterten Zugang zu Finanzierung, Ausbildung und Forschung gesteigert. In der Folge erwartet die Regierung künftig weitere Produktionssteigerungen. Weitere Impulse für das Wirtschaftswachstum kommen aus dem sekundären Sektor und basieren auf der beginnenden Umsetzung der Investitionsprogramme zur Verbesserung der Infrastruktur (AA 11.2016b).

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln kann als gesichert angesehen werden. Wer in soziale Not gerät, kann in Kamerun nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen; vielmehr werden Notlagen in der Regel von funktionierenden sozialen Netzen (Großfamilie) aufgefangen. Eine längere Abwesenheit gefährdet diese sozialen Netze. In ganz Kamerun gibt es karitative Einrichtungen, insbesondere Missionsstationen, die in besonderen Notlagen helfen (AA 9.12.2017).

Seriösen Vermutungen zufolge erwirtschaftet der informelle Sektor Kameruns mehr als der formelle. Besonders im urbanen Bereich hält sich ein Großteil der Bevölkerung (Schätzungen sprechen von weit über 50 %) mit Aktivitäten im informellen Sektor über Wasser. Besonders für Frauen und junge Leute bieten sich hier Chancen seinen Lebensunterhalt zu verdienen. 75 % der Bevölkerung legen ihr Geld in informellen Sparvereinen (Tontines) an, die auch ein System sozialer Absicherung darstellen (GIZ 11.2016c).

Über die Hälfte der Kameruner sind von mehrdimensionaler Armut betroffen. Bei den Armutsindikatoren wie die landesspezifische durchschnittlichen Schuljahre (6,0), die Lebenserwartung (55,5) oder die Müttersterblichkeit (590 Sterbefälle auf 100.000 Geburten), dürfen die großen regionalen Unterschiede nicht vergessen werden. Nichtsdestotrotz setzte sich der Aufwärtstrend laut dem UNDP-Bericht zur humanitären Entwicklung im Jahr 2015 fort. Hinsichtlich des Selbstversorgungsgrads mit Lebensmitteln liegt Kamerun weit unterhalb seiner Möglichkeiten. Die bäuerliche Landwirtschaft wird vernachlässigt (GIZ 11.2016c).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (11.2016b): Kamerun - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Kamerun/Wirtschaft_node.html, Zugriff 17.3.2017

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AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 15.3.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2016c): Kamerun - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/kamerun/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 17.3.2017

Medizinische Versorgung

Seit den 90er Jahren befindet sich das staatliche Gesundheitssystem Kameruns in der Umstrukturierung. Ziele sind Dezentralisierung, Qualitätskontrolle und die Einbindung der Bevölkerung in Verwaltung und Finanzierung von Gesundheitseinrichtungen. Allerdings lassen die Ergebnisse der staatlichen Gesundheitspolitik weiterhin zu wünschen übrig. Absoluter Ärztemangel aufgrund mangelnder Ausbildungsplätze und die wenigen Ärzte lassen sich vorwiegend in den städtischen Zentren nieder, unzulängliche Infrastruktur und knappe Arzneimittel sind nur einige der Missstände, die die medizinische Versorgungslage Kameruns kennzeichnen. Verschärft wird die Situation durch die Abwanderung von Gesundheitspersonal ins Ausland (GIZ 2.2017b).

Kostenlose Gesundheitsversorgung besteht in Kamerun nicht. Für bestimmte Berufsgruppen (z. B. Militär) gibt es staatliche oder halbstaatliche Versorgungseinrichtungen mit geringem Kostenbeitrag. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung ist möglich. Generell übernimmt die Familie medizinische Behandlungskosten. In den Städten gibt es Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können. Die Behandlung chronischer Krankheiten, insbesondere in den Bereichen Innere Medizin und Psychiatrie, wird in den öffentlichen Krankenhäusern der größeren Städte vorgenommen. Für HIV-Infizierte gibt es seit 1997 ein von ausländischen Gebern (WHO/Weltbank, Frankreich, Deutschland) unterstütztes kostenloses staatliches Programm der Heilfürsorge (AA 9.12.2016).

Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt überwiegend aus Frankreich, Indien und Nigeria; grundsätzlich wird hierdurch ein weites Spektrum abgedeckt. Die gezielte Einfuhr von Medikamenten aus Deutschland - ausgenommen zum persönlichen Gebrauch - ist problematisch, da Medikamente aufgrund von Erfahrungen mit Medikamentenspenden an medizinische Einrichtungen ohne französischen und englischen Beipackzettel nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen (AA 9.12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 15.3.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2017b): Kamerun - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kamerun/gesellschaft/, Zugriff 9.3.2017

Behandlung nach Rückkehr

Es sind keine Fälle bekannt, in denen kamerunische Staatsangehörige nach ihrer Rückkehr festgenommen oder misshandelt worden sind. Eine staatliche Verfolgung allein wegen der Stellung eines Asylantrags erfolgt nicht. Freiwillige Rückkehrer, deren Asylantrag abgelehnt wurde, können sich an ein spezielles Reintegrationsprojekt des Malteserordens wenden (AA 9.12.2016).

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun,

http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 15.3.2017

Dokumente und Dokumentensicherheit

Es gibt praktisch für jede Urkunde und jedes Dokument professionelle Fälschungen. Die Fälschung von Dokumenten wird in der Bevölkerung oft als Notwendigkeit betrachtet, die Dokumentenlage an die aktuelle Lebenssituation anzupassen. Von den Behörden geht keine Initiative aus, diese Praktiken einzudämmen. Beliebig datierte Partei- und Mitgliedsausweise

können günstig auf dem Markt erworben werden. Parteiregister belegen nur die Zahlung des

Mitgliedsbeitrages; von einem politischen Engagement kann allein aufgrund eines Mitgliedsausweises oder eines Parteiregisterauszugs nicht ausgegangen werden. Selbst bei echten Dokumenten kann nicht von der inhaltlichen Richtigkeit ausgegangen werden, da Dokumente auch bei offiziellen Stellen gekauft werden können. Personenstandsurkunden wie Geburtsurkunden können außerdem auf legalem Weg neu beschafft werden, wenn sich die betreffende Person an ein Gericht wendet und um eine Anordnung zur Nachbeurkundung nachsucht. Die Quote überhaupt nicht beurkundeter Geburten wird auf etwa 30% geschätzt. Von den Behörden wird wenig Sorgfalt auf die formal korrekte Ausstellung von Urkunden und Dokumenten verwandt (AA 9.12.2016).

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun,

http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 15.3.2017

1.3. Zur Situation Homosexueller in Kamerun:

Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation sind folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zu entnehmen:

Diskriminierung aufgrund von Rasse, Sprache, Geschlecht oder sozialem Status ist durch die Verfassung verboten. Die freie sexuelle Orientierung ist jedoch nicht in der Verfassung verankert. Homosexuelle Handlungen stehen auch in dem neuen, am 12.7.2016 verkündeten Strafgesetzbuch unter Strafandrohung (AA 9.12.2016).

Homosexuelle Handlungen sind gemäß Artikel 347a des Strafgesetzbuches strafbar. Dieser sieht für homosexuelle Handlungen Gefängnisstrafen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren sowie Geldstrafen zwischen 30 und 300 Euro vor (AA 9.12.2016; vgl. AA 17.3.2017; USDOS 3.3.2017). Im Rahmen einer Überarbeitung des Strafgesetzbuches gehen Überlegungen dahin, homosexuelle Handlungen nur noch bei Erregung öffentlichen Ärgernisses unter Strafe zu stellen. Außerdem soll Homosexualität nicht mehr ein Offizialdelikt sein, sondern nur noch auf Antrag verfolgt werden (AA 9.12.2016). Die Zahl an Verhaftungen von LGBT-Personen ging drastisch zurück. Trotzdem stellt Homophobie weiterhin ein Problem dar (USDOS 3.3.2017). Zumeist führen Denunziationen oder üble Nachrede zu Festnahmen (AA 9.12.2016). Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle waren weiterhin Diskriminierung, Einschüchterungsversuchen, Schikanen, soziale Stigmatisierung und anderen Übergriffen ausgesetzt (AI 22.2.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Für das Jahr 2015 wurden von der kamerunischen Menschenrechtsorganisation "Humanity First" 7 Verhaftungen wegen Verstoßes gegen Art. 347-1 des Strafgesetzbuches registriert. Nach derselben Quelle kam es im April 2015 zu einer Verurteilung

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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