TE Vfgh Erkenntnis 2018/6/14 G29/2018 ua (G29/2018-14, G108/2018-10)

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Veröffentlicht am 14.06.2018
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Index

L0015 LVerwaltungsgericht

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art87, Art88 Abs2, Art134, Art135
Wr VerwaltungsgerichtsG §19 Abs3, Abs4, Abs5, Abs6
Wr Verwaltungsgericht-DienstrechtsG §11, §15
Wr DienstO 1994 §76

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien betreffend die Zusammensetzung des Disziplinarausschusses; Zusammensetzung entscheidender Senate für die Disziplinarbehandlung eines Richters von Vollversammlung oder einem aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss verfassungsrechtlich vorgegeben

Spruch

I. Das Wort "zwei" sowie die Wortfolge "von der Präsidentin bzw. dem Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wien ernannt, eines auf Grund freier Entscheidung der Präsidentin bzw. des Präsidenten, eines auf Grund eines bindenden Vorschlages des Dienststellenausschusses des Verwaltungsgerichtes Wien. Ein Mitglied (Ersatzmitglied) wird" in §19 Abs3, § 19 Abs4 und 5 zur Gänze sowie der erste Satz des §19 Abs6 des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien – VGWG, LGBl für Wien Nr 83/2012, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

III. Der Landeshauptmann von Wien ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt für Wien verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Antrag

Mit den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten Anträgen begehrt der Disziplinarausschuss des Verwaltungsgerichtes Wien, das Wort "zwei" sowie die Wortfolge "von der Präsidentin bzw. dem Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wien ernannt, eines auf Grund freier Entscheidung der Präsidentin bzw. des Präsidenten, eines auf Grund eines bindenden Vorschlages des Dienststellenausschusses des Verwaltungsgerichtes Wien. Ein Mitglied (Ersatzmitglied) wird" in §19 Abs3, § 19 Abs4 und 5 zur Gänze sowie den ersten Satz des §19 Abs6 des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien – VGWG, LGBl 83/2012, in eventu §19 Abs3 bis 5 zur Gänze sowie den ersten Satz des §19 Abs6 VGWG als verfassungswidrig aufzuheben.

II.      Rechtslage

1.       §19 des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien – VGWG, LGBl 83/2012 lautet wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Disziplinarausschuss

§19. (1) Disziplinarbehörde ist der Disziplinarausschuss.

(2) Der Disziplinarausschuss besteht aus drei Mitgliedern, die für die Dauer von fünf Jahren zu bestellen sind. Für jedes Mitglied ist in gleicher Weise ein Ersatzmitglied zu bestellen, das bei Verhinderung des Mitgliedes an dessen Stelle tritt. Die Mitglieder (Ersatzmitglieder) dürfen nicht gleichzeitig Mitglied (Ersatzmitglied) des Personalausschusses oder Mitglied (Ersatzmitglied) des Geschäftsverteilungsausschusses sein.

(3) Zwei Mitglieder (Ersatzmitglieder) werden von der Präsidentin bzw. dem Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wien ernannt, eines auf Grund freier Entscheidung der Präsidentin bzw. des Präsidenten, eines auf Grund eines bindenden Vorschlages des Dienststellenausschusses des Verwaltungsgerichtes Wien. Ein Mitglied (Ersatzmitglied) wird von der Vollversammlung gewählt (§20).

(4) Wird kein Vorschlag durch den Dienststellenausschuss innerhalb von vier Wochen nach Aufforderung durch die Präsidentin bzw. den Präsidenten erstattet oder wird bis zum Ablauf dieser Frist nur ein Mitglied (Ersatzmitglied) vorgeschlagen, das die Voraussetzungen für die Wählbarkeit gemäß §20 Abs1 nicht erfüllt, kann die Präsidentin bzw. der Präsident – sofern ein Antrag gemäß Abs5 eingebracht worden ist, erst nach Entscheidung des Personalausschusses oder Ablauf der Entscheidungsfrist gemäß Abs5 erster Satz – frei entscheiden. Mitglieder des Verwaltungsgerichtes Wien, die nicht zum Mitglied (Ersatzmitglied) des Disziplinarausschusses gewählt werden können, können auch nicht von der Präsidentin bzw. dem Präsidenten ernannt werden.

(5) Wird das vom Dienststellenausschuss vorgeschlagene Mitglied (Ersatzmitglied) von der Präsidentin bzw. dem Präsidenten aus dem Grund der mangelnden Wählbarkeit abgelehnt, hat über den binnen einer Woche nach erfolgter Mitteilung der Ablehnung zu stellenden Antrag des Dienststellenausschusses der Personalausschuss binnen zwei Wochen über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung endgültig zu entscheiden. Wird innerhalb dieser Frist keine Entscheidung getroffen, gilt das Mitglied (Ersatzmitglied) als zu Recht abgelehnt.

(6) Den Vorsitz im Disziplinarausschuss hat das von der Präsidentin bzw. dem Präsidenten auf Grund ihres bzw. seines freien Entscheidungsrechtes bestellte Mitglied (Abs3 erster Satz). Ist ein Mitglied des Disziplinarausschusses an der Ausübung seines Amtes verhindert, tritt seine Vertretung, wenn das Mitglied an der Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung verhindert ist, für die restliche Dauer des Verfahrens, sonst nur auf die Dauer der Verhinderung, an seine Stelle.

(7) Die Mitgliedschaft im Disziplinarausschuss ruht vom Zeitpunkt der Einleitung eines Disziplinarverfahrens bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss (Einstellung) sowie aus den in §15 Abs2 zweiter Satz genannten Gründen. Ruht die Mitgliedschaft länger als sechs Monate, ist für die restliche Dauer des Ruhens ein neues Mitglied (Ersatzmitglied) zu bestellen. Für diese Bestellung finden jene Bestimmungen Anwendung, welche für die Bestellung des Mitgliedes (Ersatzmitgliedes), dessen Mitgliedschaft ruht, gegolten haben.

(8) Das gemäß Abs7 bestellte Mitglied bleibt, wenn es bereits an einer mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, für die restliche Dauer des Verfahrens, in dem diese Verhandlung stattgefunden hat, – ungeachtet seiner Bestellung auf die Dauer des Ruhens – weiterhin zuständiges Mitglied des Disziplinarausschusses für dieses Verfahren.

(9) Die Mitgliedschaft im Disziplinarausschuss endet

1. mit Ablauf der Funktionsperiode,

2. mit dem Ausscheiden aus dem Verwaltungsgericht Wien,

3. mit der rechtskräftigen Verhängung einer Disziplinarstrafe,

4. mit der Annahme der Wahl zum Mitglied (Ersatzmitglied) des Personalausschusses oder Geschäftsverteilungsausschusses,

5. mit der Außerdienststellung gemäß §59 der Dienstordnung 1994 und gemäß §3 Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetz,

6. durch Enthebung, welche der Personalausschuss auf Antrag der Präsidentin bzw. des Präsidenten verfügen kann, wenn das Mitglied (Ersatzmitglied) sein Amt aus gesundheitlichen Gründen bereits mehr als drei Monate nicht ausüben konnte (Amtsunfähigkeit).

In den Fällen der Z2 bis 6 ist der Disziplinarausschuss durch Neubestellung von Mitgliedern (Ersatzmitgliedern) unter sinngemäßer Anwendung der Abs2 bis 5 und 7 letzter Satz für den Rest der Funktionsperiode zu ergänzen.

(10) Sind zu Beginn des Disziplinarverfahrens sowohl ein Mitglied als auch das hiefür bestellte Ersatzmitglied für einen voraussichtlichen Zeitraum von mindestens drei Monaten aus einem anderen Grund als einem der in Abs7 erster Satz genannten Gründe an der Ausübung ihrer Tätigkeit im Disziplinarausschuss verhindert, ist unter sinngemäßer Anwendung der Abs2 bis 5 und 7 letzter Satz eine ergänzende Bestellung für dieses Disziplinarverfahren vorzunehmen.

(11) Die Teilnahme an den Sitzungen des Disziplinarausschusses ist Dienstpflicht."

2.       Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), BGBl 1/1930 idF BGBl I 22/2018, lauten – auszugsweise – wie folgt:

"Artikel 87. (1) […]

(2) In Ausübung seines richterlichen Amtes befindet sich ein Richter bei Besorgung aller ihm nach dem Gesetz und der Geschäftsverteilung zustehenden gerichtlichen Geschäfte, mit Ausschluss der Justizverwaltungssachen, die nicht nach Vorschrift des Gesetzes durch Senate oder Kommissionen zu erledigen sind.

(3) Die Geschäfte sind auf die Richter des ordentlichen Gerichtes für die durch Bundesgesetz bestimmte Zeit im Voraus zu verteilen. Eine nach dieser Geschäftsverteilung einem Richter zufallende Sache darf ihm nur durch Verfügung des durch Bundesgesetz hiezu berufenen Senates und nur im Fall seiner Verhinderung oder dann abgenommen werden, wenn er wegen des Umfangs seiner Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert ist.

Artikel 88. (1) Durch Bundesgesetz wird eine Altersgrenze bestimmt, mit deren Erreichung die Richter in den dauernden Ruhestand treten.

(2) Im Übrigen dürfen Richter nur in den vom Gesetz vorgeschriebenen Fällen und Formen und auf Grund eines förmlichen richterlichen Erkenntnisses ihres Amtes entsetzt oder wider ihren Willen an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Diese Bestimmungen finden jedoch auf Übersetzungen und Versetzungen in den Ruhestand keine Anwendung, die durch eine Änderung der Gerichtsorganisation nötig werden. In einem solchen Fall wird durch das Gesetz festgestellt, innerhalb welchen Zeitraumes Richter ohne die sonst vorgeschriebenen Förmlichkeiten übersetzt und in den Ruhestand versetzt werden können.

(3) […]

[…]

Artikel 134. (1) Die Verwaltungsgerichte und der Verwaltungsgerichtshof bestehen aus je einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und der erforderlichen Zahl von sonstigen Mitgliedern.

[(2) – (6) …]

(7) Die Mitglieder der Verwaltungsgerichte und des Verwaltungsgerichtshofes sind Richter. Art87 Abs1 und 2 und Art88 Abs1 und 2 sind mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass die Altersgrenze, mit deren Erreichung die Mitglieder der Verwaltungsgerichte der Länder in den dauernden Ruhestand treten oder ihr Dienstverhältnis endet, durch Landesgesetz bestimmt wird.

(8) […]

Artikel 135. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen durch Einzelrichter. Im Gesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte oder in Bundes- oder Landesgesetzen kann vorgesehen werden, dass die Verwaltungsgerichte durch Senate entscheiden. Die Größe der Senate wird durch das Gesetz über die Organisation des Verwaltungsgerichtes festgelegt. Die Senate sind von der Vollversammlung oder einem aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss, der aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und einer gesetzlich zu bestimmenden Zahl von sonstigen Mitgliedern des Verwaltungsgerichtes zu bestehen hat, aus den Mitgliedern des Verwaltungsgerichtes und, soweit in Bundes- oder Landesgesetzen die Mitwirkung von fachkundigen Laienrichtern an der Rechtsprechung vorgesehen ist, aus einer in diesen zu bestimmenden Anzahl von fachkundigen Laienrichtern zu bilden. Insoweit ein Bundesgesetz vorsieht, dass ein Verwaltungsgericht des Landes in Senaten zu entscheiden hat oder dass fachkundige Laienrichter an der Rechtsprechung mitwirken, muss hiezu die Zustimmung der beteiligten Länder eingeholt werden. Der Verwaltungsgerichtshof erkennt durch Senate, die von der Vollversammlung oder einem aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss, der aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und einer gesetzlich zu bestimmenden Zahl von sonstigen Mitgliedern des Verwaltungsgerichtshofes zu bestehen hat, aus den Mitgliedern des Verwaltungsgerichtshofes zu bilden sind.

(2) Die vom Verwaltungsgericht zu besorgenden Geschäfte sind durch die Vollversammlung oder einen aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss, der aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und einer gesetzlich zu bestimmenden Zahl von sonstigen Mitgliedern des Verwaltungsgerichtes zu bestehen hat, auf die Einzelrichter und die Senate für die gesetzlich bestimmte Zeit im Voraus zu verteilen. Die vom Verwaltungsgerichtshof zu besorgenden Geschäfte sind durch die Vollversammlung oder einen aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss, der aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und einer gesetzlich zu bestimmenden Zahl von sonstigen Mitgliedern des Verwaltungsgerichtshofes zu bestehen hat, auf die Senate für die gesetzlich bestimmte Zeit im Voraus zu verteilen.

(3) Eine nach der Geschäftsverteilung einem Mitglied zufallende Sache darf ihm nur durch das gemäß Abs2 zuständige Organ und nur im Fall seiner Verhinderung oder dann abgenommen werden, wenn es wegen des Umfangs seiner Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert ist.

(4) Art89 ist auf die Verwaltungsgerichte und den Verwaltungsgerichtshof sinngemäß anzuwenden."

3.       Die maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetzes – VGW-DRG, LGBl 84/2012 idF LGBl 30/2018, lauten – auszugsweise – wie folgt:

"Disziplinarbehörde

§11. (1) Disziplinarbehörde ist der Disziplinarausschuss (§19 VGWG).

(2) Der Disziplinarausschuss ist zuständig zur Entscheidung über eine Suspendierung ? und zwar über Antrag der Präsidentin oder des Präsidenten des Verwaltungsgerichts, der Disziplinaranwältin oder des Disziplinaranwalts oder von Amts wegen ? und zur Erlassung von Beschlüssen und Disziplinarerkenntnissen. §10 Abs1 zweiter bis fünfter Satz VGWG ist sinngemäß anzuwenden.

(3) […]

[…]

Disziplinarverfahren

§14. (1) Bei der Ahndung von Dienstpflichtverletzungen der Mitglieder des Verwaltungsgerichts gelten – soweit in den folgenden Absätzen nicht anderes bestimmt ist – §§76 bis 78, §79 Abs1 bis 4, §80, §83 Abs1, §87, §90 Z1 und 3 bis 5, §91 Abs1 Z1, §91 Abs2, §§92 und 93, §94 Abs4, 5, 7 und 8, §95 Abs1, 2, 3a und 4, §96, §97a Z2, §§99a und 100 bis 108 DO 1994 sinngemäß. Bezugnahmen in den im ersten Satz genannten Vorschriften auf die Disziplinarkommission oder einen ihrer Senate gelten als Bezugnahmen auf den Disziplinarausschuss und Bezugnahmen auf Beamtinnen und Beamte als Bezugnahmen auf die Mitglieder des Verwaltungsgerichts.

[(2) – (3) …]

Beendigung des Amts

§15. (1) Das Amt eines Mitglieds des Verwaltungsgerichts endet in den in Abs2 genannten Fällen, durch Übertritt in den Ruhestand (Abs3), durch Amtsenthebung (Abs4) oder Tod.

(2) Das Amt endet mit

1. Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft,

2. Rechtskraft der Disziplinarstrafe der Entlassung,

3. Verurteilung durch ein inländisches Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen, wenn

a) die verhängte Freiheitsstrafe ein Jahr übersteigt,

b) die nicht bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe sechs Monate übersteigt oder

c) die Verurteilung ausschließlich oder auch wegen eines Vorsatzdelikts gemäß den §§92, 201 bis 217 und 312a des Strafgesetzbuches – StGB, BGBl Nr 60/1974, erfolgt ist,

4. Eintritt der Unzulässigkeit der Zurückziehung eines Antrages auf Leistung eines besonderen Erstattungsbeitrages an das Versorgungssystem der Europäischen Gemeinschaften nach §2 Abs2 des EU-Beamten-Sozialversicherungsgesetzes (EUB-SVG) oder

5. Austritt gemäß §73 DO 1994.

(3) Das Mitglied tritt mit Ablauf des Monats, in dem es das 65. Lebensjahr (Regelpensionsalter) vollendet, in den Ruhestand.

(4) Das Mitglied darf nur durch Erkenntnis des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senates seines Amtes enthoben werden. Neben der Amtsenthebung gemäß §8 Abs2 VGWG ist das Mitglied seines Amtes zu entheben, wenn

1. es einen schriftlichen Antrag auf Amtsenthebung gestellt hat,

2. seine Dienstleistung für zwei aufeinanderfolgende Beurteilungszeiträume mit 'nicht entsprechend' (§10 Abs2 Z5 und Abs5 zweiter und dritter Satz) oder in den ersten drei Jahren nach seiner Ernennung zweimal mit 'nicht entsprechend' (§10 Abs2 Z5 und Abs5 erster Satz) beurteilt wird oder

3. es die Voraussetzungen für die Versetzung in den Ruhestand gemäß §68a Abs1 Z1, §68b Abs1, §68c oder §115i Abs1, 2 oder 4 DO 1994 erfüllt.

(5) Die Amtsenthebung gemäß §8 Abs2 VGWG sowie die Beendigungsgründe gemäß Abs2 Z2 und 3 und Abs4 Z2 dieses Gesetzes gelten als Entlassung im Sinn des §74 DO 1994, die Gründe des Abs2 Z1 und 4 und des Abs4 Z1 als Austritt im Sinn des §73 DO 1994.

(6) Die Amtsenthebung gemäß Abs4 Z3 gilt als Ruhestandsversetzung gemäß §§68a, 68b, 68c oder 115i DO 1994. Die Ruhestandsversetzung wird mit Ablauf des der Rechtskraft des Erkenntnisses folgenden Monatsletzten wirksam."

4.       §76 des Gesetzes über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Wr. Dienstordnung 1994 – Wr. DO 1994), LGBl 56/1994 idF LGBl 33/2013, lautet – auszugsweise – wie folgt:

"Disziplinarstrafen

§76. (1) Disziplinarstrafen sind:

1. der Verweis,

2. die Geldbuße bis zum 1,5fachen des Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage,

3. die Geldstrafe bis zum 7fachen des Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage,

4. die Entlassung.

(2) […]"

III.    Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.       Beim antragstellenden Gericht sind zwei Disziplinarverfahren gegen Mitglieder des Verwaltungsgerichtes Wien anhängig, nachdem die Disziplinaranwältin der Gemeinde Wien beim Disziplinarausschuss des antragstellenden Gerichtes Strafanträge gestellt hat.

2.       Bei diesen Disziplinarverfahren sind beim antragstellenden Gericht Bedenken ob der Verfassungskonformität des §19 Abs3 bis 6 VGWG entstanden (vgl. den genauen Anfechtungsumfang unter Punkt I.).

2.1.    Zur Frage der Präjudizialität führt das Verwaltungsgericht Wien aus, dass der Disziplinarausschuss des Verwaltungsgerichtes Wien in den anhängigen Verfahren eine Entscheidung in der durch die angefochtenen Bestimmungen vorgegebenen Zusammensetzung zu treffen hätte.

2.2.    In der Sache legt das Verwaltungsgericht Wien die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Widerspruch zu Art87 Abs2 iVm Art135 Abs2 B-VG

Aufgrund des aus Art87 Abs2 B-VG ableitbaren Organisationskonzeptes der kollegialen Justizverwaltung ist es geboten, Angelegenheiten des innersten Gerichtsbetriebes, wozu jedenfalls auch das Disziplinarrecht der Richterinnen und Richter zählt, dieser kollegialen Justizverwaltung vorzubehalten (Ranacher in Bußjäger, Gamper, Ranacher, Sonntag (Hg.), Die neuen Landesverwaltungsgerichte (2013), 95)[.]

Zur Organausstattung, die für die Erledigung von Aufgaben der Justizverwaltung vorzusehen ist, gelangt Ranacher aa0, 91 ff, zu folgender Beurteilung:

'Artikel 134 Abs1 B-VG sieht als monokratische Justizverwaltungsorgane zwingend den Präsidenten und den Vizepräsidenten vor. Kollegiale Justizverwaltungsorgane sind dagegen anders als der Präsident und der Vizepräsident nur implizit, und zwar über den Umweg verschiedener verfassungsgesetzlicher Aufgabenzuweisungen vorgesehen'....

[…]

'...Bundesverfassungsgesetzlich besteht kein Numerus clausus der im B-VG vorgegebenen Organtypen. Daher ist der Organisationsgesetzgeber grundsätzlich frei, weitere monokratische oder kollegiale Justizverwaltungsorgane einzurichten.'

Verfassungsrechtlich sind als richterliche Kollegialorgane, denen Justizverwaltungssachen übertragen sind, die Vollversammlung (Art134 Abs2 bis 4, Art135 Abs1 S 4 und 6 sowie Abs2 und 3, Art136 Abs5 B-VG), der Geschäftsverteilungsausschuss (Art135 Abs2 und 3 B-VG) sowie ein weiterer (hier ohne Relevanz bleibender) Ausschuss gem. Art134 Abs2 bis 4 B-VG vorgesehen (Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit, (2013), Rz 33 zu Art134 B-VG).

In Ausübung seiner Befugnisse, im B-VG nicht vorgesehene Organe kollegialer Justizverwaltung einzurichten, hat der Wiener Landesgesetzgeber für das Verwaltungsgericht Wien neben den bundesverfassungsgesetzlich vorgegebenen Organen der Vollversammlung und des Geschäftsverteilungsausschusses einen Personalausschuss sowie den im gegenständlichen Fall maßgeblichen Disziplinarausschuss eingerichtet.

Gemäß Art87 Abs2 B-VG genießen die Richter in Ausübung der kollegialen Justizverwaltung richterliche Unabhängigkeit.

Zur Frage, wann richterliche Unabhängigkeit eines Kollegialorgans gegeben ist, ist der Verfassungsgerichtshof in seinem zur Frage der Zusammensetzung des Geschäftsverteilungsausschusses am Verwaltungsgericht Wien ergangenen Erkenntnis vom 10.12.2013, ZI. G46/2013, davon ausgegangen, dass eine solche Unabhängigkeit jedenfalls nicht mehr vorliegt, wenn sich ein solches Kollegialorgan nicht mehrheitlich aus gewählten Mitgliedern zusammensetzt.

Damit ergibt sich zunächst für die im B-VG vorgegebenen Kollegialorgane, dass richterliche Unabhängigkeit bei der Wahrnehmung von Aufgaben der Justizverwaltung nur dann vorliegt, wenn diese Aufgaben – wie im Fall der Vollversammlung – entweder durch alle Mitglieder des Gerichts, oder – wie im Fall des Geschäftsverteilungsausschusses – durch mehrheitlich gewählte Mitglieder wahrgenommen werden.

Da die in Art87 Abs2 B-VG enthaltene Garantie richterlicher Unabhängigkeit einheitlich für alle Formen der kollegialen Justizverwaltung gilt und das positive Recht auch sonst keine Bestimmung enthält, die Anlass zu der Annahme gäbe, der an diese Garantie anzulegende Maßstab richterlicher Unabhängigkeit könne danach differenziert werden, ob es sich um ein bundesverfassungsrechtlich vorgegebenes Kollegialorgan oder um ein vom Organisationsgesetzgeber, hier dem Wiener Landesgesetzgeber, eingerichtetes weiteres Kollegialorgan handelt, ist das Erfordernis mehrheitlich gewählter Mitglieder auch für den Disziplinarausschuss am Verwaltungsgericht Wien gegeben. Dafür spricht auch, dass der Landesgesetzgeber bei der Schaffung weiterer, nicht ausdrücklich im B-VG genannter Kollegialorgane an die für diese Organe gegebenen verfassungsrechtlichen Vorgaben gebunden ist (Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit, (2013), Rz 40 zu Art[134] B-VG).

Dazu führt Ranacher in Holoubek/Lang, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz (2013), 175, aus, dass man die Wahl von Mitgliedern der für Angelegenheiten der Justizverwaltung eingerichteten gerichtlichen Kollegialorgane durch die Vollversammlung unter Beteiligung aller Verwaltungsrichter und ohne (auch nur mittelbaren) Einfluss von außen als – im Interesse der Gewährleistung einer unabhängigen Aufgabenbesorgung stehendes – 'Strukturprinzip der kollegialen Justizverwaltung' ansehen können wird. Davon ausgehend besteht, wie Ranacher ausdrücklich festhält, für abweichende Kreationsverfahren kein Spielraum. Der Autor bezieht sich dabei in FN 71 ausdrücklich auf die Regelung des §19 Abs3 VGWG mit dem Hinweis auf die Wahl bloß eines von drei Mitgliedern durch die Vollversammlung.

Vor diesem Hintergrund erweist sich daher die Zusammensetzung des Disziplinarausschusses aus mehrheitlich vom Präsidenten ernannten Mitgliedern, die im Übrigen auch einem außerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit stehenden Organ ohne richterliche Mehrheit, nämlich dem Dienststellenausschuss, hinsichtlich eines Mitglieds des Ausschusses ein für den Präsidenten verbindliches Nominierungsrecht einräumen, als verfassungswidrig. Dies manifestiert sich umso deutlicher, wenn die in §19 Abs4 und 5 VGWG vorgesehenen Regelungen, die den Fall der nicht erfolgten Namhaftmachung eines Mitglieds durch den Dienststellenausschuss sowie der berechtigten Ablehnung eines Ernennungsvorschlags durch den Präsidenten regeln, Anwendung finden, weil diesfalls auch das an einen Vorschlag gebundene Ernennungsrecht des Präsidenten zu einem freien Ernennungsrecht wird.

Widerspruch zu Art118 B-VG

Gemäß Art118 Abs1 B-VG ist der Wirkungsbereich der Gemeinde ein eigener und ein vom Bund oder vom Land übertragener. Gemäß Abs2 dieser Bestimmung umfasst der eigene Wirkungsbereich neben den in Art116 Abs2 angeführten Angelegenheiten alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Abs3 dieses Artikels enthält eine demonstrative Aufzählung derartiger Angelegenheiten, wie etwa die örtliche Sicherheitspolizei, örtliche Marktpolizei, Flurschutzpolizei, örtliche Baupolizei usw. Das ausschließliche oder überwiegende Interesse ist als objektiviertes Interesse der abstrakten Gemeinde zu verstehen. Auch die Eignung einer Angelegenheit, durch die Organe der Gemeinde besorgt zu werden, ist unabhängig von der Situation einer bestimmten Gemeinde abstrakt zu beurteilen (Grundsatz der 'Einheitsgemeinde', s zB. VfSlg 7325, 9811).

Durch die angefochtene Bestimmung wird dem für das Verwaltungsgericht Wien zuständigen Dienststellenausschuss (s. §7 WPVG) der Personalvertretung der Wiener Gemeindebediensteten ein für den Präsidenten verbindliches Nominierungsrecht für ein Mitglied (Ersatzmitglied) des Disziplinarausschusses eingeräumt. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits für ein anderes im Wiener Personalvertretungsgesetz normiertes (wenn auch kein Organ der Personalvertretung bildendes) Organ, konkret die gemeinderätliche Personalkommission, ausgesprochen hat, handelt es sich dabei um ein Organ des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde (VwGH v. 17.2.1999, ZI. 94/12/0196). Auch der für das Verwaltungsgericht Wien eingerichtete Dienststellenausschuss der Personalvertretung der Wiener Gemeindebediensteten ist als Organ des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde anzusehen.

Bei der Mitwirkung des Dienststellenausschusses an der Bestellung eines richterlichen Kollegialorgans handelt es sich um eine Mitwirkung am Vollzug des Dienstrechts der Landesverwaltungsrichter, für das jedenfalls in Gesetzgebung und Vollziehung das jeweilige Bundesland zuständig ist. Werden damit einem Organ des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde – wie im gegenständlichen Fall – Aufgaben eingeräumt, die über die durch die örtliche Gemeinschaft verkörperten Interessen im Sinne der Umschreibung in Art118 Abs2 B-VG hinausgehen, liegt eine Verletzung dieser Verfassungsbestimmung vor (VfSlg 5415, 8591, 13.568).

Widerspruch zu Art7 B-VG

Die Mitgliedschaft im Dienststellenausschuss gemäß §7 WPVG steht sowohl Beamten als auch Vertragsbediensteten sowie richterlichem als auch nichtrichterlichem Personal offen.

Es widerspricht daher dem von Art7 B-VG mitumfassten Sachlichkeitsgebot, wenn nicht dem Disziplinarrecht unterliegenden Vertragsbediensteten sowie nichtrichterlichen Mitgliedern, die nicht dem Geltungsbereich des Richterdisziplinarrechts unterliegen, Mitspracherechte hinsichtlich der personellen Zusammensetzung des nur für Richter des Verwaltungsgerichts Wien zuständigen Disziplinarausschusses zukommen, zumal nicht erkennbar ist, welchen vom Gesetz geschützten Interessen eine derartige Mitwirkung dient.

Widerspruch zu Art94 B-VG

Durch die bereits beschriebenen Mitwirkungsrechte des Dienststellenausschusses sowie des Präsidenten, die in Ausübung der ihnen nach §19 VGWG zukommenden Rechte als Verwaltungsbehörden tätig werden, ist auch der verfassungsrechtliche Grundsatz der Trennung von Rechtsprechung und Vollziehung nicht als verwirklicht anzusehen, ohne dass dafür eine aus dem Gesetz ablesbare nachvollziehbare Notwendigkeit bestünde.

Widerspruch zu Art6 EMRK

Wie Kucsko-Stadlmayer in 'Das Disziplinarrecht der Beamten', 4. Aufl., 14, darlegt, gilt Art6 EMRK auch für Verfahren gegen Beamte der Hoheitsverwaltung, wobei der EGMR klargestellt hat, dass dies auch Disziplinarverfahren gegen Beamte und Richter umfasst (weitere Judikaturnachweise aa0, FN 68).

Da im gegebenen Fall, wie bereits dargelegt, der Disziplinarausschuss kein unabhängiges Tribunal im Sinne der EMRK darstellt und dem VwGH im Revisionsverfahren keine volle Kognitionsbefugnis zukommt, sieht der Disziplinarausschuss einen Widerspruch zur zitierten Bestimmung der EMRK."

3.       Die Wiener Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den in den Anträgen erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Zu den Prozessvoraussetzungen:

[…]

Der Hauptantrag erfasst nicht nur die Bestimmungen über die Bestellung der Mitglieder in Abs3 bis 5 VGWG, sondern von Abs6 auch den ersten Satz, der regelt, welchem Mitglied der Vorsitz im Disziplinarausschuss zukommt. Die Aufhebung des Abs6 erster Satz würde bewirken, dass der Disziplinarausschuss über keinen – einem Kollegialorgan immanenten – Vorsitzenden und damit kein Mitglied verfügt, das prozessleitende Verfügungen trifft. Dadurch würde der Disziplinarausschuss zumindest zum Teil handlungsunfähig. Dieser Anfechtungsumfang würde daher den bei einer Aufhebung des §19 im Umfang des Hauptantrages verbleibenden Teil des §19 VGWG im Sinn der angeführten Judikatur nicht vollziehbar und somit unverständlich machen. Die Wiener Landesregierung ist daher der Auffassung, dass der Hauptantrag zurückzuweisen ist.

[…]

[…] Zu den Bedenken im Einzelnen:

[…]

[…] Zur behaupteten Verletzung von Art87 Abs2 in Verbindung mit Art135 Abs2 B-VG:

[...]

Vorweg ist festzuhalten, dass die Disziplinarangelegenheiten der Verwaltungsrichter, ebenso wie die Disziplinarangelegenheiten der Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit, zu den Angelegenheiten der Justizverwaltung gehören (zur ordentlichen Gerichtsbarkeit Walter, Verfassung und Gerichtsbarkeit, 81; zur Verwaltungsgerichtsbarkeit Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Art134 B-VG, Rz 46). Art87 Abs2 B-VG und §7 Abs2 VGWG nehmen aus den richterlichen Geschäften jene aus, die nicht durch Senate oder Kommissionen (§7 Abs2 VGWG: nicht durch die Vollversammlung, durch einen Ausschuss oder durch Senate) zu erledigen sind. Daraus ergibt sich, dass all jene Geschäfte, die durch die soeben angeführten kollegialen Gremien (wozu auch der Disziplinarausschuss zählt) besorgt werden, zu den richterlichen Geschäften zählen.

Ferner ist klarzustellen, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 spezielle, auf ganz bestimmte Angelegenheiten der Justizverwaltung der Verwaltungsgerichte bezogene Vorgaben vorsieht. Von diesen ist im gegebenen Zusammenhang jedoch nur jene in Bezug auf die Amtsenthebung gemäß Art134 Abs7 in Verbindung mit Art88 Abs2 B-VG maßgeblich. Nicht relevant sind die Vorgaben in Bezug auf die kollegiale Erstattung der Besetzungsvorschläge gemäß Art134 Abs.2 B-VG, die Versetzung und Ruhestandsversetzung gemäß Art134 Abs7 in Verbindung mit Art88 Abs2 B-VG, die Bildung der Senate gemäß Art135 Abs1 vierter Satz B-VG, die Verteilung der Geschäfte gemäß Art135 Abs2 B-VG, die Abnahme von Geschäften gemäß Art135 Abs3 sowie der Beschluss über die Geschäftsordnung gemäß Art136 Abs5 B-VG.

Art135 Abs1 vierter Satz B-VG, der anordnet, dass die Senate von der Vollversammlung oder einem aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss (in der Folge wird gesagt, wie dieser Ausschuss zusammenzusetzen ist) zu bilden sind, bezieht sich auf jene Senate, denen Aufgaben der Rechtsprechung übertragen sind (Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Art135, Rz 2). Der Disziplinarausschuss ist kein solcher Senat. Auch Art135 Abs2 B-VG, zu dem der Verfassungsgerichtshof in der Entscheidung VfSlg 19.825/2013 ausgesprochen hat, dass von einem aus der Mitte der Vollversammlung zu wählenden Ausschuss im Sinne dieser Bestimmung dem Sinn nach nur dann gesprochen werden kann, wenn im Ausschuss mehr von der Vollversammlung gewählte Mitglieder als Mitglieder kraft Amtes vertreten sind, sodass eine Mehrheitsentscheidung durch die gewählten Mitglieder ohne die Zustimmung der Mitglieder kraft Amtes ermöglicht wird, ist im gegebenen Zusammenhang nicht relevant. Dies ergibt sich daraus, dass die Wendung 'einen aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss' auf Grund ausdrücklicher Anordnung in Art135 Abs2 B-VG nur für die Bildung des Geschäftsverteilungsausschusses maßgeblich ist, nicht jedoch für jedes kollegiale richterliche Organ, das nach Art87 Abs2 B-VG eingerichtet wird.

Zu Art88 Abs2 erster Satz B-VG ist zu bemerken, dass nach dieser Bestimmung Richter – abgesehen vom Übertritt in den Ruhestand mit dem Erreichen einer gesetzlich bestimmten Altersgrenze gemäß Abs1 – nur in den vom Gesetz vorgeschriebenen Fällen und Formen und auf Grund eines förmlichen richterlichen Erkenntnisses ihres Amtes entsetzt werden dürfen. Dies bedeutet, dass die Disziplinarangelegenheiten der Verwaltungsrichter, weil in einem solchen Verfahren auch eine Entlassung ausgesprochen werden kann (bei im Dienst befindlichen Verwaltungsrichtern gemäß §14 Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetz – VWG-DRG, in Verbindung mit §76 Abs1 Z4 der Dienstordnung 1994 – DO 1994) und dies einer Amtsentsetzung gleichkommt, nur durch einen kollegialen richterlichen Spruchkörper besorgt werden dürfen (VfSlg 8803/1980; Walter, Gerichtsbarkeit und Verfassung, 32; Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Art134, Rz 46).

Zur Besorgung der Angelegenheiten der Justizverwaltung durch ein richterliches Spruchgremium ist nun Folgendes auszuführen:

Art87 Abs2 B-VG ist (mit einer hier nicht weiter relevanten Maßgabe) gemäß Art134 Abs7 B-VG auf die Verwaltungsrichter sinngemäß anzuwenden. Diese Bestimmung war bereits in der Stammfassung des Bundes-Verfassungsgesetzes enthalten (siehe Kelsen/Fröhlich/Merkl, Die Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920, Neudruck des Verlages Österreich 2003, 31). Die Bestimmung geht auf §6 Abs2 des Gesetzes vom 22. November 1918 über die richterliche Gewalt, StGBl. Nr 38/1918 zurück. Kelsen/Fröhlich/Merkl führen dazu aus, dass 'durch die Bestimmung dieses Artikels die richterliche Unabhängigkeit gewährleistet werden soll. Darunter ist zu verstehen, dass der Richter in Ausübung seines richterlichen Amtes nur an das Gesetz und an Verordnungen und auch nicht, wie das bei den Verwaltungsbeamten mangels ausdrücklicher Statuierung ihrer Unabhängigkeit der Fall ist, an Weisungen gebunden ist'.

Die Wiener Landesregierung ist der Auffassung, dass in diesen Ausführungen der Kern des Problems der Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit bei der Besorgung der Angelegenheiten der Justizverwaltung angesprochen ist. Der Disziplinarausschuss nimmt an, dass bei der Besorgung der ihm obliegenden
Disziplinarangelegenheiten die Gefahr besteht, dass die Verwaltung auf seine Entscheidungen Einfluss nimmt. Entscheidend ist dabei aber, wie diese Einflussnahme rechtlich überhaupt zum Ausdruck kommen könnte und welche Verpflichtung Art87 Abs2 B-VG den Richtern als Kollegium in einem Fall der Einflussnahme auferlegt. Hierzu ist zu bemerken, dass eine rechtlich bindende – und nur darauf kommt es im gegebenen Zusammenhang an – Einflussnahme nur im Wege der Weisung denkbar wäre (Walter, Verfassung und Gerichtsbarkeit, 115). Eine solche Weisung der Verwaltung an ein Richterkollegium wäre aber – versteht man die Anordnung des Art87 Abs2 B-VG in Verbindung mit Abs1 ('Die Richter sind in Ausübung ihres richterlichen Amtes unabhängig.') – unbeachtlich. Diese Rechtsfolge ist von den Richtern auch tatsächlich wahrzunehmen, d. h. Art87 Abs1 in einer Gesamtschau mit Abs2 verpflichtet die Richter bei der Besorgung von Angelegenheiten der Justizverwaltung, ihrer Unabhängigkeit durch ihr eigenes Verhalten Rechnung zu tragen und allfällige Einflüsse von außen unberücksichtigt zu lassen.

Warum sich dann alleine durch einen Bestellungsvorgang Einflussmöglichkeiten auf ein richterliches Kollegialorgan ergeben sollen, lässt sich für die Wiener Landesregierung nicht nachvollziehen. Der Anfechtungsschriftsatz enthält dazu keine näheren Ausführungen, welcher Art die Einflussnahme sein soll. Daher kann darauf nicht näher eingegangen werden. Es ist jedoch festzuhalten, dass zusätzliche, zum Erfordernis der Bildung eines Richterkollegiums hinzutretende verfassungsrechtliche Erfordernisse für den Organisationsgesetzgeber aus Art87 Abs2 B-VG nicht resultieren.

Für die Annahme, dass das Richterkollegium nur unabhängig sei, wenn die Mehrheit der Mitglieder von Richtern gewählt werde, bestehen keine verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkte. Der Organisationsgesetzgeber ist hinsichtlich der Regelung des Bestellungsmodus von Organen des Verwaltungsgerichtes, die nicht im Bundes-Verfassungsgesetz vorgegeben sind – und dazu zählt der Disziplinarausschuss – frei. Der im Erkenntnis 19.825/2013 angeführte Abänderungsantrag (AA-257, GP XXIV) begründet die Forderung nach einer besonderen Zusammensetzung der in Art135 Abs1 und 2 B-VG angeführten Ausschüsse mit der einschlägigen Rechtslage nach dem Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz – RStDG: 'Anzahl und Wahlmodus der sonstigen Mitglieder der Ausschüsse ergeben sich aus den einschlägigen Bestimmungen des RStDG.'

Diese Ausführungen übersehen zweierlei: Zum einen verweist der Abänderungsantrag auf Verfahrensvorschriften des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetzes, die erlassen wurden, weil sie für den Vollzug von Dienstrechtsangelegenheiten erforderlich sind (so die Ausführungen im Allgemeinen Teil der Erläuterungen der Stammfassung, RV 506, GP lX, 30, rechte Spalte; im gescannten Original 29 von 44). Gemäß Art136 Abs1 erster Halbsatz B-VG ist für die Regelung der Organisation der Verwaltungsgerichte – bei der Regelung der Zusammensetzung des Disziplinarausschusses handelt es sich unzweifelhaft um organisationsrechtliche Regelungen – jedoch der Landesgesetzgeber zuständig. Dienstrechtsgesetzgeber für die Richter und Staatsanwälte im Sinn des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetzes ist hingegen eindeutig der Bundesgesetzgeber. Der Landesgesetzgeber ist durch keine Bestimmung der Bundesverfassung angehalten, bei der Schaffung der Organisation der Landesverwaltungsgerichte einfachgesetzliche Strukturen des Bundesgesetzgebers aus dem Dienstrecht der Richter und Staatsanwälte zu übernehmen. Zum anderen ist der Wahlmodus für die Wahl der sonstigen Mitglieder der auf Bundesebene eingerichteten Richterkollegien, das sind die Personalsenate nach dem IV. Abschnitt dieses Gesetzes (§§36ff.), nicht auf ein einzelnes Verwaltungsgericht – und nur die Organisation dessen ist Regelungsgegenstand des Landesgesetzgebers – übertragbar. §37 Abs2 RStDG, der die Wählbarkeit der sonstigen Mitglieder der Personalsenate normiert, stellt darauf ab, dass diese aus dem Personalstand aller dem Gerichtssprengel angehörigen Gerichte (dem Gerichtshof erster Instanz und den ihm unterstellten Bezirksgerichte) zu entnehmen sind. Überträgt man diese Regelung über die Wahl der Personalsenate auf das System der Verwaltungsgerichte der Länder, so ließe es sich nur verwirklichen, wenn gemeinsame Disziplinarsenate aller Landesverwaltungsgerichte gebildet würden.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten: Der Disziplinarausschuss des Verwaltungsgerichtes Wien ist ein Richterkollegium, das die Disziplinarangelegenheiten der Richter des Verwaltungsgerichtes Wien als Geschäfte der Gerichtsbarkeit besorgt. Die Mitglieder können während der Tätigkeitsperiode weder abberufen noch können ihnen Weisungen erteilt werden. Sie sind daher bei dieser Tätigkeit unabhängig im Sinn des Art87 Abs1 B-VG. Es lässt sich weder eine Abhängigkeit noch der Anschein einer solchen erkennen. Die Wiener Landesregierung ist daher der Auffassung, dass die Bestimmungen des §19 VGWG weder mit Art87 Abs2 noch mit Art135 Abs2 B-VG in Widerspruch stehen.

[…] Zur behaupteten Verletzung von Art118 und 7 Abs1 B-VG:

Zu der vom Landesgesetzgeber in §19 VGWG gewählten Konstruktion der Bestellung eines Mitgliedes des Disziplinarausschusses auf Vorschlag des Dienststellenausschusses ist zu bemerken, dass der Dienststellenausschuss ein Organ der Personalvertretung gemäß §3 Abs1 Z2 des Gesetzes über die Personalvertretung bei der Gemeinde Wien (Wiener Personalvertretungsgesetz), LGBl für Wien Nr 49/1985, ist. Dieses Gesetz beruht auf der Kompetenz des Landesgesetzgebers gemäß Art21 Abs1 erster Satz B-VG zur Regelung des Personalvertretungsrechtes der Bediensteten der Gemeinden. Gemäß §52 dieses Gesetzes hat die Gemeinde ihre in diesem Gesetz geregelten Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen.

Die Verwaltungsrichter beim Verwaltungsgericht Wien sind zwar bei einem Organ des Landes Wien tätig (siehe Art129 erster Satz B-VG), sie stehen jedoch in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Gemeinde Wien und sind daher Gemeindebedienstete (siehe die §§2 und 9 des Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetzes, LGBl für Wien Nr 49/1985). Die Aufgaben der Personalvertretung der Richter des Verwaltungsgerichtes Wien fallen daher in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde Wien (siehe §1 Abs1 in Verbindung mit §52 Wiener Personalvertretungsgesetz, LGBl für Wien Nr 49/1985). Eine Verletzung von Art118 B-VG scheidet aus diesen Gründen von vorneherein aus.

Das Vorschlagsrecht des Dienststellenausschusses soll ein gewisses Mitwirkungsrecht der Personalvertretung als Wahrer der Rechte der Arbeitnehmer der Gemeinde, wozu auch die Verwaltungsrichter zählen, sicherstellen. Als solches ist dieses Vorschlagsrecht ein sachliches Element der Partizipation der Arbeitnehmer an Entscheidungen, die sie selbst betreffen, im Sinne des demokratischen Grundprinzips. Es liegt daher auch keine Verletzung von Art7 Abs1 B-VG vor. Ein gleichartiges Vorschlagsrecht ist dem Zentralausschuss für die Bestellung der Beisitzer der Disziplinarkommission gemäß §84 Abs5 der Dienstordnung 1994, LGBl, für Wien Nr 56/1994[,] eingeräumt. Die Disziplinarkommission ist neben dem Magistrat Disziplinarbehörde für die Gemeindebediensteten der Stadt Wien (siehe §81 Z2 DO 1994).

[…] Zur behaupteten Verletzung von Art94 B-VG sowie Art6 EMRK:

Ferner hat der Disziplinarausschuss das Bedenken, dass durch die Mitwirkungsrechte des Dienststellenausschusses und des Präsidenten, die als Verwaltungsbehörden tätig werden, Art94 B-VG über die Trennung der Rechtsprechung und Vollziehung nicht verwirklicht sei. Diesem Vorbringen ist zu entgegen, dass der Umstand, dass die Mehrheit der Mitglieder des Disziplinarausschusses vom Präsidenten bestellt werden, an der formell-organisatorischen Rolle der Mitglieder als Richter sowie an der rechtlichen Konsequenz der Bildung des Kollegiums als unabhängiges Gremium der Gerichtsbarkeit im Sinne des Art87 Abs2 B-VG nichts ändert. Dass das Bundes-Verfassungsgesetz kein anderes Konzept verfolgt, ergibt sich auch aus Art134 Abs2 B-VG, wonach die Landesregierung zur Ernennung der Richter des Landesverwaltungsgerichtes berufen ist. Eine Verletzung des Grundsatzes der Gewaltentrennung liegt daher nicht vor.

Zur behaupteten Verletzung des Art6 EMRK ist zu bemerken, dass die Mitglieder des Disziplinarausschusses Richter im Sinn des Bundes-Verfassungsgesetzes sind. Das Gesetz über das Verwaltungsgericht Wien verwendet den Begriff 'Mitglied' in §19 VGWG nicht bloß als Begriff, der sprachlich die Zugehörigkeit zum Disziplinarausschuss ausdrücken soll, sondern im Sinn des Art134 Abs1 B-VG. Dort und in Übereinstimmung damit an allen Stellen des hier in Rede stehenden Landesgesetzes ist von Mitgliedern als Richter des Verwaltungsgerichtes die Rede (siehe die wortgleiche Wendung 'und der erforderlichen Zahl von sonstigen Mitgliedern' in Art134 Abs1 B-VG und §2 Abs1 zweiter Halbsatz VGWG). Die Anordnung in §19 Abs2 erster Halbsatz VGWG, wonach der Disziplinarausschuss aus drei Mitgliedern besteht, ist daher so zu verstehen, dass ihm ausschließlich drei sonstige Mitglieder – und nicht etwa der Präsident und der Vizepräsident – angehören dürfen, nicht jedoch in dem vom Disziplinarausschuss angeführten Sinn, dass ihm auch vom Dienststellenausschuss vorgeschlagene nichtrichterliche 'Mitglieder' als sonstige Personen angehören dürfen. Dies geht auch aus dem Zusammenhang der Bestimmungen des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien hervor. Vorgeschlagen werden kann gemäß §19 Abs4 VGWG nur ein Mitglied, dass die Voraussetzungen für die Wählbarkeit gemäß §20 Abs1 VGWG erfüllt. Wählbar sind gemäß dem zweiten Satz dieser Bestimmung aber 'nur sonstige Mitglieder'. Es besteht daher kein Zweifel, dass der Disziplinarausschuss ein Tribunal im Sinn des Art6 EMRK ist."

4.       Die Partei im G108/2018 zugrunde liegenden Disziplinarverfahren erstattete als beteiligte Partei eine Äußerung, in der sie im Wesentlichen Bedenken gegen die Bestellung des Disziplinaranwaltes geltend macht und ausführt, der Anfechtungsumfang müsse auch die §§12 und 13 VGW-DRG mitumfassen.

IV.      Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat in den in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Gesetzesprüfungsverfahren erwogen:

1.       Zur Zulässigkeit

1.1.    Der Verfassungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass zur Antragstellung gemäß Art140 B-VG jener Spruchkörper eines Gerichtes berechtigt ist, der die anzufechtende Norm bei der Entscheidung in der Sache anzuwenden hat (vgl. VfSlg 12.381/1990 und 18.097/2007 mwN; VfGH 14.10.2016, G45/2016).

Aus Art134 Abs7 iVm Art87 Abs2 B-VG ergibt sich, dass sich Richter bei der Besorgung von Justizverwaltungssachen – sofern ein Richterkollegium tätig wird – in Ausübung ihres richterlichen Amtes befinden. Da der Disziplinarausschuss des Verwaltungsgerichtes Wien bei der Vollziehung des Richterdisziplinarrechts als Organ der kollegialen Justizverwaltung tätig ist, liegt eine Vollziehung durch Gerichtsbehörden vor (zB VfSlg 7753/1976, 13.215/1992, 19.618/2012). Der Disziplinarausschuss des Verwaltungsgerichtes Wien ist daher zur Antragstellung berechtigt.

1.2.    Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw. des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.3.    Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

1.3.1.  Aus dieser Grundposition folgt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; 10.10.2016, G662/2015), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl. zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015; VfGH 15.10.2016, G339/2015).

Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Gesetzesbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).

1.3.2.  Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teiles der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. VfSlg 19.746/2013,

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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