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E000 EU- Recht allgemein;Norm
32003L0086 Familienzusammenführung-RL;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2017/18/0313 Ra 2017/18/0315 Ra 2017/18/0314Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Nedwed sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. K K, 2. H Y, 3. H Y, 4. Y Y, alle vertreten durch Dr. Christoph Neuhuber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 14/2/9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14. Juli 2017, 1) Zl. W161 2158208- 1/2E, 2) Zl. W161 2158213-1/2E, 3) Zl. W161 2158219-1/2E und
4) Zl. W161 2158221-1/2E, betreffend Visum gemäß § 35 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Botschaft in Damaskus), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 10. März 2017, bestätigt durch Beschwerdevorentscheidung vom 26. April 2017, wies die Österreichische Botschaft Damaskus Anträge der revisionswerbenden Parteien auf Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, weil deren Bezugsperson in Österreich (der asylberechtigte Sohn bzw. Bruder der revisionswerbenden Parteien) bereits volljährig sei.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision erklärte das BVwG für unzulässig.
3 In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision bringen die revisionswerbenden Parteien zur Zulässigkeit vor, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob das Erlangen der Volljährigkeit der Bezugsperson für die Ablehnung der Asylanträge negative Auswirkungen habe, wenn der Antrag auf Gewährung des Status des Asylberechtigten vor dem Erlangen der Volljährigkeit der Bezugsperson eingebracht worden sei. Vor dem Hintergrund des anhängigen Vorabentscheidungsersuchens beim EuGH zu C-550/16 hätte das BVwG Feststellungen zu treffen gehabt, inwiefern der vorliegende Fall jenem, der für das Vorabentscheidungsersuchen anlässlich war, gleiche und das Verfahren gegebenenfalls auszusetzen gehabt. Da dies verabsäumt worden sei, weiche das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0172).
4 Über die Revision wurde mit verfahrensleitender Anordnung vom 8. November 2017 das Vorverfahren eingeleitet, in dem die belangte Behörde vor dem BVwG eine Revisionsbeantwortung erstattet hat. Sie beantragt mit näherer Begründung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, sie abzuweisen sowie Aufwandersatz.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
7 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
8 Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass § 38 AVG einer Partei keinen Anspruch auf Aussetzung eines Verfahrens einräumt (vgl. VwGH 30.1.2014, 2013/05/0214; 15.5.2012, 2009/05/0056, mwN); einer Partei erwächst selbst aus einem rechtskräftigen Aussetzungsbescheid nach § 38 AVG kein subjektives Recht auf Nichtbeendigung des ausgesetzten Verfahrens und kann sie durch die Fortsetzung eines ausgesetzten Verfahrens vor Beendigung des die Vorfrage betreffenden Verfahrens nicht in ihren Rechten verletzt sein (vgl. VwGH 13.9.2017, Ra 2017/13/0044, mwN). Anderes ist auch aus dem von den revisionswerbenden Parteien zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 2016, Ra 2016/18/0172 bis 0177, nicht ableitbar, zumal sich dort allein für die Aufhebung wegen Verfahrensfehler als maßgeblich erwies, dass sich die vorzunehmende rechtliche Beurteilung - und zwar auch, aber nicht allein in Bezug auf § 38 AVG - mangels ausreichender Feststellungen als nicht möglich darstellte. Eine andere Sicht würde dieser Entscheidung ein - ihr selbst aber nicht entnehmbares - Abweichen von der ständigen Rechtsprechung unterstellen (vgl. dazu VwGH 3.5.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611).
9 Die Revision legt nicht dar, welche für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Feststellungen fehlen würden. Dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt unvollständig ermittelt worden und deshalb eine rechtliche Beurteilung nicht möglich wäre, ist im Übrigen nicht ersichtlich.
10 Sofern die revisionswerbenden Parteien schließlich vorbringen, es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob das Erlangen der Volljährigkeit der Bezugsperson für die Ablehnung der "Asylanträge" negative Auswirkungen habe, wenn der Antrag auf Gewährung des Status des Asylberechtigten vor dem Erlangen der Volljährigkeit der Bezugsperson eingebracht worden sei, ist zunächst auszuführen, dass mit dem angefochtenen Erkenntnis jeweils über einen Antrag auf Erteilung eines Visums gemäß § 35 AsylG 2005 entschieden wurde und nicht über "Asylanträge". Hinsichtlich der Beurteilung des Vorliegens der Minderjährigkeit gemäß § 35 AsylG 2005 wiederum hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach Stellung genommen. Zuletzt (nach Einleitung des Vorverfahrens dieser Revision) ist er auch auf das jüngst ergangene Urteil des EuGH vom 12. April 2018, A und S, C-550/16, eingegangen und hat dargelegt, dass es für die Beurteilung der Minderjährigkeit einer in Österreich asylberechtigten Person, auf die sich Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 AsylG 2005 beziehen, (weiterhin) auf den Zeitpunkt der Entscheidung über diese Anträge, nicht aber auf jenen der Antragstellung ankommt. Auch nach der Familienzusammenführungsrichtlinie sei es nicht geboten, den Anwendungsbereich des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 über dessen Wortlaut hinaus zu erweitern. Um das unionsrechtliche Ziel einer Familienzusammenführung zu erreichen, ist es hinreichend sicherzustellen, dass den revisionswerbenden Parteien im Einklang mit den Vorgaben der Familienzusammenführungsrichtlinie ein Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erteilt wird (vgl. zum Ganzen VwGH 3.5.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611, mwN, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
11 Von dieser - jüngst bekräftigten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das BVwG mit seiner Entscheidung im Ergebnis nicht abgewichen. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
Die Revision war daher zurückzuweisen.
12 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 1. Juni 2018
Gerichtsentscheidung
JWT_2017100148_20180525L00Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017180312.L00Im RIS seit
03.07.2018Zuletzt aktualisiert am
11.07.2018