TE Vwgh Beschluss 2018/6/4 Ra 2017/17/0375

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Veröffentlicht am 04.06.2018
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
VStG §44a;
VStG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des F H in Wien, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 22. Dezember 2016, LVwG- 2015/29/1631-30, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 1. Juni 2015 wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer der C Ltd. der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG) mit drei Glücksspielgeräten schuldig erkannt. Es wurden über ihn drei Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 1.000,-- samt Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) die Beschwerde gegen das Straferkenntnis als unbegründet ab und berichtigte den Spruch insofern, als der Beschwerdeführer als Unternehmer iSd § 2 Abs. 2 GSpG, im eigenen Namen und auf eigenes Risiko, verbotene Ausspielungen veranstaltet habe. Das LVwG schrieb dem Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von EUR 600,-- vor. Weiters sprach das LVwG aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Zum Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist festzuhalten, dass mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, sowie der sich daran anschließenden hg. Judikatur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Unionsrechtskonformität des Glücksspielgesetzes vorliegt. Von dieser ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen.

7 Im Übrigen sind die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH vom 15. September 2011, C-347/09, Dickinger und Ömer, Rn. 83 f, vom 30. April 2014, C-390/12, Pfleger, Rn. 47 ff, vom 30. Juni 2016, C-464/15, Admiral Casinos & Entertainment AG, Rn. 31, 35 ff, sowie vom 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 16. März 2016 durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen.

8 Zum Vorbringen des Revisionswerbers, wonach das für die Verwaltungsgerichte anzuwendende Amtswegigkeitsprinzip der in Art. 6 EMRK normierten Unparteilichkeit des erkennenden Gerichtes widerspreche, genügt es, auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 2017, E 3282/2016, zu verweisen. Darin hat der Verfassungsgerichtshof einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK verneint. Soweit Art. 47 GRC als anzuwendende Norm in Betracht kommen könnte, vermögen die Revisionsausführungen ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, C-685/15, Online Games Handels GmbH ua, stehen darüber hinaus die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen.

9 Die Revision erachtet überdies den durch das LVwG modifizierten Spruch des Straferkenntnisses als rechtswidrig, weil der Revisionswerber nunmehr nicht bloß als Geschäftsführer der C Ltd. bestraft worden sei, sondern als Unternehmer iSd § 2 Abs. 2 GSpG.

10 Dabei übersieht die Revision, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes es grundsätzlich nicht rechtswidrig wäre, wenn die Berufungs- bzw. Beschwerdeentscheidung das Verhalten des Beschuldigten einem anderen Tatbestand (Tatbild) unterstellt als das Straferkenntnis, sofern es sich um ein und dasselbe Verhalten des Täters handelt, also Identität der Tat vorliegt. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl. zB VwGH 30.06.1994, 94/09/0035, mwN), findet allein durch die Aufrechterhaltung des Schuldspruches des erstbehördlichen Straferkenntnisses durch die Berufungsbehörde (das Verwaltungsgericht) mit der Maßgabe, dass dem Beschuldigten die Straftat nicht für seine Person, sondern als Organ einer juristischen Person zuzurechnen sei, eine Auswechslung oder eine Überschreitung der "Sache" nicht statt. Dasselbe gilt für den Fall, dass dem Beschuldigten die ihm zur Last gelegten Übertretungen nicht in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH, sondern als Inhaber einer Einzelfirma zugerechnet werden können. § 9 VStG normiert nämlich kein zusätzliches, zum Tatbild der jeweiligen Strafnorm hinzutretendes Tatbestandselement. Daher findet allein durch die Aufrechterhaltung des Schuldspruches des Straferkenntnisses durch die Berufungsentscheidung (Beschwerdeentscheidung) mit der Maßgabe, dass dem Beschuldigten die ihm zur Last gelegten Straftat nicht in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH, sondern als Inhaber einer Einzelfirma zuzurechnen ist, keine Auswechslung des Tatvorwurfs oder eine Überschreitung der "Sache" statt (vgl. auch VwGH 23.11.1982, 81/11/0097, VwSlg. 10893/A).

11 Der Revision gelingt es somit auch mit diesem Vorbringen nicht, ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung aufzuzeigen.

12 Auch sonst enthält das Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision keine Rechtsfrage, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

13 Die Revision war daher nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 4. Juni 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170375.L00

Im RIS seit

26.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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