TE OGH 2018/5/23 10ObS50/18b

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Veröffentlicht am 23.05.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer, sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Klaus Oblasser (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing. H*****, vertreten durch Mag. Rudolf Fidesser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ausgleichszulage, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. März 2018, GZ 8 Rs 3/18x-29, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Gegenstand des Verfahrens ist die Neufeststellung und teilweise Rückforderung von an den Kläger gezahlter Ausgleichszulage ab dem 1. 5. 2016. Strittig ist im Revisionsverfahren lediglich, ob, wovon die Vorinstanzen übereinstimmend ausgegangen sind, für die Bemessung der Höhe des Anspruchs des Klägers der Richtsatz gemäß § 293 Abs 1 lit a sublit aa ASVG („Familienrichtsatz“) heranzuziehen ist.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin wendet sich gegen die Anwendbarkeit des Familienrichtsatzes mit dem Argument, dass der im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegatte dieselben rechtlichen Voraussetzungen – insbesondere den „rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland“ – mitbringen müsse wie der Anspruchsberechtigte. Insofern liege in § 293 Abs 1 lit a sublit aa ASVG eine durch Analogie zu füllende „unechte“ teleologische Lücke vor.

Die Revisionswerberin zeigt damit keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Gemäß § 292 Abs 1 ASVG hat der Pensionsberechtigte ua Anspruch auf Ausgleichszulage, solange er seinen rechtmäßigen, gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Diese Voraussetzung ist beim Kläger unstrittig erfüllt. Die Revisionswerberin gesteht selbst zu, dass diese Regelung sich nur auf den Pensionsberechtigten, nicht aber auf dessen Ehegatten bezieht.

2. Weitere Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs auf Ausgleichszulage ist gemäß § 292 Abs 1 ASVG, dass die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 294 ASVG zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des für den Pensionsberechtigten geltenden Richtsatzes gemäß § 293 ASVG erreicht. § 293 ASVG regelt die Richtsätze, die für den Bereich der Sozialversicherung das Existenzminimum festlegen (Teschner in Tomandl, SV-System [26. ErgLfg] 2.4.6.2.B). Diese Bestimmung definiert die Mindeststandards der Einkommen, die den Pensionsbeziehern gewährleistet sein sollen (Pfeil in SV-Komm [38. Lfg] § 293 Rz 1).

3. Die entscheidende Voraussetzung für die Anwendung des „Familienrichtsatzes“ gemäß § 293 Abs 1 lit a sublit aa ASVG ist das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts der Ehegatten (eingetragenen Partner; RIS-Justiz RS0106544; RS0106543). Darunter ist das Zusammenleben der betreffenden Ehegatten in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zu verstehen (10 ObS 312/91, SSV-NF 6/18). Abzustellen ist dafür auf die tatsächlichen Verhältnisse (10 ObS 171/99s, SSV-NF 13/79; RIS-Justiz RS0106543). Diese Voraussetzung ist nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen für die hier relevanten Zeiträume erfüllt.

4. Das Argument der Revisionswerberin, es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er Anforderungen an die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nur an den Pensionsberechtigten stellt, nicht aber auch an dessen Ehegatten, der den Anspruch des Pensionsberechtigten „erhöht bzw gleichsam verdoppelt“, übergeht, dass nicht ein Anspruch der Ehegattin des Klägers zu beurteilen ist; schon deshalb ist aus dem Hinweis der Beklagten auf die Entscheidung 10 ObS 31/16f nichts zu gewinnen. Für die Beurteilung des Anspruchs des Klägers kommt es nicht auf die Berechtigung des Aufenthalts der Gattin des Klägers im Inland an, sondern nach dem Wortlaut des § 293 Abs 1 lit a sublit aa ASVG und der dargestellten Rechtsprechung nur auf das tatsächliche Vorliegen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft der Ehegatten.

5. Voraussetzung der von der Revisionswerberin gewünschten Analogie (§ 7 ABGB) ist das Vorliegen einer planwidrigen Lücke in § 293 Abs 1 lit a sublit aa ASVG. Eine Analogie ist nämlich jedenfalls dann unzulässig, wenn Gesetzeswortlaut und klare gesetzgeberische Absicht in die Gegenrichtung weisen (P. Bydlinski in KBB5 § 7 ABGB Rz 2; RIS-Justiz RS0106092; 6 Ob 187/14i mwH). Ausgehend vom Wortlaut der §§ 292, 293 ASVG und der vom Gesetzgeber gewählten Regelungstechnik fehlt es im konkreten Fall an der für den von der Revisionswerberin gewünschten Analogieschluss erforderlichen planwidrigen Unvollständigkeit der rechtlichen Regelungen (10 ObS 127/16y, RIS-Justiz RS0098756).

Textnummer

E121791

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00050.18B.0523.000

Im RIS seit

26.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

22.06.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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