Entscheidungsdatum
11.06.2018Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W239 2159682-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.05.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 21 Abs. 5 erster Satz BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine iranische Staatsangehörige, stellte im österreichischen Bundesgebiet am 25.01.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Eine EURODAC-Abfrage ergab keinen Treffer. Eine VIS-Abfrage ergab, dass die Beschwerdeführerin über ein von 20.12.2016 bis 14.01.2017 gültiges Schengen-Visum Typ C, ausgestellt am 08.12.2016 durch die französische Botschaft in Teheran/Iran, verfügte.
Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag (25.01.2017) gab die Beschwerdeführerin an, dass sie unter Verwendung eines französischen Visums am 24.12.2016 mit dem Flugzeug von Teheran nach Paris geflogen sei. Dort habe sie sich bis zum 30.12.2016 aufgehalten.
Die Beschwerdeführerin sei vor etwa vier Jahren zum Christentum konvertiert. Vor etwa zweieinhalb Jahren sei sie beim Gebet in einem Privathaus vom iranischen Sicherheitsdienst verhaftet worden. Man habe sie zwei Tage lang festgehalten und sie mit 20 Peitschenhieben bestraft. Danach sei sie entlassen worden und unter Beobachtung gestanden. Nach diesem Vorfall habe ihr Onkel zu ihr gesagt, dass sie eine Schande für die Familie sei. Er habe sie geschlagen und ihr die Hand gebrochen. Schlussendlich habe er sie gezwungen, den Iran zu verlassen und ihren Cousin zu heiraten, der in Frankreich lebe. Er habe auch das französische Touristenvisum für sie besorgt. Als sie in Frankreich gewesen sei, habe sie die Gelegenheit ergriffen und sei nach Österreich geflüchtet, da sie den Cousin nicht heiraten habe wollen. Sie habe Angst vor dem iranischen Staat und vor ihrer Familie.
In der Folge richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 28.01.2017 ein auf Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-VO) gestütztes Aufnahmegesuch an Frankreich.
Mit Schreiben vom 09.03.2017, übersendet am 13.03.2017, stimmte die französische Dublin-Behörde der Übernahme der Beschwerdeführerin gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO ausdrücklich zu.
Nach durchgeführter Rechtsberatung und im Beisein einer Rechtsberaterin gab die Beschwerdeführerin im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 05.04.2017 über Nachfrage zu Protokoll, sich gut zu fühlen. Sie sei allerdings in psychologischer Behandlung bei einem Arzt in Wien, zu dem sie einmal pro Monat gehe. Der Beschwerdeführerin wurde sodann eine Ladung für eine Untersuchung zur Erstellung eines PSY-III-Gutachtens ausgehändigt.
Befragt nach etwaigen Dokumenten oder Beweismitteln, legte die Beschwerdeführerin eine Gerichtsentscheidung aus dem Iran und eine Übersetzung ihres Personalausweises vor, welche zum Akt genommen wurden. Weiter gab sie an, in Österreich einen Freund zu haben. Sonst habe sie niemanden hier. Ein Cousin von ihr lebe in Frankreich. Nachgefragt, ob sie in einer Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Lebensgemeinschaft lebe, erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie eigentlich in einem Betreuungsquartier wohne; manchmal übernachte sie aber bei ihrem Freund in Wien. Sie kenne ihren Freund seit ungefähr sechs bis acht Monaten. Es gebe im Internat eine iranische Seite, auf der sie ihn kennen gelernt habe. Beschäftigung gehe sie keiner nach. Sie besuche aber einen Deutschkurs, und zwar fünf Mal pro Woche. Sie sei kein Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation.
Die Beschwerdeführerin wurde sodann über die geplante Vorgehensweise des BFA, sie aufgrund der vorliegenden Zustimmung Frankreichs dorthin außer Landes zu bringen, in Kenntnis gesetzt. Dazu führt sie Folgendes aus: Da sie keinen Vater mehr habe, habe ihr Onkel die Vollmacht für sie. Als er erfahren habe, dass sie im Iran zum Christentum konvertiert sei, sei sie ausgepeitscht und zuhause eingesperrt worden. Sie habe nicht mehr zur Arbeit gehen und nicht mehr studieren dürfen. Ihr Onkel habe gesagt, dass sie der Familie Schande verursacht habe und nicht mehr im Iran leben dürfe. Er habe sie unter Zwang mit dem Cousin in Frankreich verheiraten wollen und habe sie dorthin geschickt. Ihr Onkel sei eine sehr religiöse Person. Er habe sie von ihrer Mutter getrennt, was ihr sehr weh tue. Als sie in Frankreich angekommen sei, habe sie nach ein paar Tagen gemerkt, dass sie und ihr Cousin nicht zusammengehören würden. Der Cousin sei nächtelang weg gewesen und zu seinen Freunden gegangen. Sie sei immer alleine gewesen. Er habe nicht mit ihr schlafen wollen, deshalb sei er immer weggegangen. Sie sei alleine gewesen bis sie eines Tages entschieden habe, zu flüchten. Sie habe sich ein Ticket gekauft und sei hierhergekommen. Verheiratet seien sie nicht, da die Beschwerdeführerin davor geflüchtet sei. Nachgefragt, ob der Cousin sie auch geschlagen habe, verneinte die Beschwerdeführerin das; er habe sie nur nicht gewollt.
Sie habe in Frankreich keinen Kontakt zu den Behörden oder der Polizei gehabt. Ihrer Ausweisung nach Frankreich stehe die Angst entgegen, dass ihr Onkel sie dort finden könne. Er werde sie vielleicht nicht umbringen, aber er könne sie schlagen und einsperren. Bei ihnen sei das so: Wenn man jemandem gehöre, könne der machen, was er wolle.
Die Rechtsberaterin beantragte abschließend aufgrund der drohenden Zwangsehe und einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK die Zulassung des Verfahrens in Österreich.
Der vom BFA in Auftrag gegebenen gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren (PSY-III-Gutachten) vom 07.05.2017 lässt sich als psychologische Schlussfolgerung entnehmen, dass bei der Beschwerdeführerin aus aktueller Sicht keine krankheitswertige psychische Störung und auch keine sonstigen psychischen Krankheitssymptome vorliegen.
Dazu wurde näher ausgeführt:
"Die 12/2016 auswärts (im Iran) gestellte Diagnose "Posttraumatische Belastungsstörung" kann hier nicht mehr gefunden werden. Für das Stellen der Diagnose ist sowohl ein Kriterium A als auch ein Kriterium B erforderlich. Kriterium A (Potentiell belastendes Ereignis) könnte das vor ca. drei Jahren stattgefundene Ereignis sein, bei welchem die junge Frau angibt, ausgepeitscht worden zu sein. Dazu finden sich keine beobachtbaren Symptome (Kriterium B, intrusive Symptomatik, sowie begleitende Symptome wie Übererregung, Schreckhaftigkeit, Angst etc.), welche in kausalem Zusammenhang mit dem Ereignis erkennbar wären. Es besteht keinerlei emotionale Tiefung bei diesem Thema. Keine Übererregung, kein affektives Beteiligtsein.
Zu der Angelegenheit, dass der Onkel sie suche, da sie heiraten hätte sollen, finden sich leichte und adäquate emotionale Reaktionen, welche in Art und Weise derzeit nicht als krankheitswertig eingestuft werden können. Daher kann derzeit keine krankheitswertige psychische Störung festgestellt werden."
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 11.05.2017 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankreich für die Prüfung des Antrages der Beschwerdeführerin gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Frankreich gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Zur Lage in Frankreich traf das BFA folgende Feststellungen (unkorrigiert):
Allgemeines zum Asylverfahren
Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (OFPRA 11.2015; AIDA 12.2015; USDOS 13.4.2016).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (12.2015): Country Report:
France,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf, Zugriff 22.11.2016
-
OFPRA - Office française de protection des réfugiés et apatrides (11.2015): Guide for Asylum Seekers in France, https://ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/guide-da-france_anglais.pdf, Zugriff 22.11.2016
-
USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - France, https://www.ecoi.net/local_link/322531/462008_de.html, Zugriff 22.11.2016
Dublin-Rückkehrer
Anträge von Dublin-Rückkehrern werden wie jeder andere Asylantrag behandelt. Kommt der Betreffende aus einem sicheren Herkunftsstaat, wird das beschleunigte Verfahren angewandt. Hat der Rückkehrer bereits eine endgültig negative Entscheidung der 2. Instanz (CDNA) erhalten, kann er einen Folgeantrag stellen, so dieser neue Elemente enthält. Dublin-Rückkehrer werden wie normale Asylwerber behandelt und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie alle anderen (AIDA 12.2015).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (12.2015): Country Report:
France,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf, Zugriff 22.11.2016
Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable
Mit dem Regierungsrundschreiben vom 31. Mai 2013 zielt Frankreich unter anderem darauf ab, einen gemeinsamen Prozess zur Altersbestimmung einzuführen. Dieser Prozess soll eine Evaluierung vorliegender Dokumente, ein Interview und als letztes Mittel im Falle von Zweifeln, eine medizinische Untersuchung umfassen. Die Methoden zur Altersfeststellung unterscheiden sich in der Praxis aber zwischen den Départements. Die einen legen den Schwerpunkt auf Dokumente zum Personenstand, andere bevorzugen eine soziale Evaluierung und wieder andere nehmen Knochenuntersuchungen vor. Letzteres ist sehr umstritten. Angeblich wird im Zweifel kaum die Minderjährigkeit des Betreffenden angenommen. Der Staatsanwalt entscheidet über die Unterbringung eines Kindes in Pflege und ordnet im Zweifel auch eine Altersfeststellung an (AIDA 12.2015).
UM sind nicht rechtsfähig. Sie müssen also im Asylverfahren vertreten werden. Wurde zuvor noch kein Vormund bestellt, muss der zuständige Staatsanwalt einen Administrateur ad hoc benennen, der nur als Vertreter im Asylverfahren fungiert. In der Praxis kann die Bestellung eines Administrateur ad hoc bisweilen 1-3 Monate dauern (AIDA 12.2015).
In der Regel werden UMA (einschließlich Jugendliche zwischen 16-18 Jahren) nach der Identifizierung in speziellen Heimen, bei Pflegefamilien oder in manchen Regionen in Zentren für sozial schutzbedürftige Kinder untergebracht. Es gibt jedoch nur eine Unterkunft für UMA, die von der NGO Coallia in Côtes-d'Armor betrieben wird. Die NGO Permanence d'accueil et d'orientation des mineurs isolés étrangers (PAOMIE) in Paris, ist ein lokales Projekt zur Identifizierung und Betreuung von unbegleiteten Minderjährigen. Im Jahr 2014 wurden die Unterbringungsmöglichkei-ten für UMA in Frankreich von mehreren internationalen Organisationen als unzureichenden und unangemessenen kritisiert (AIDA 12.2015).
Im Rahmen der Asylreform vom 2015 wurden spezifische Bestimmungen zur Identifizierung von Asylwerbern mit speziellen Bedürfnissen, als völlig neues Element im Asylverfahren, eingeführt. Für die Überprüfung der Vulnerabilität und der speziellen Bedürfnisse der Antragssteller ist das Französische Büro für Immigration und Integration (Office français de l'immigration et de l'intégration - OFII) zuständig. Dieses Verfahren wird im Rahmen eines Interviews, nach der Asylantragsstellung bei allen Asylwerbern, von speziell für dieses Verfahren ausgebildeten Referenten durchgeführt. Sollten sich die speziellen Bedürfnisse im Laufe des Asylverfahrens herausstellen, sind sie zu berücksichtigen. Als vulnerabel werden laut den Richtlinien folgende beurteilt: UMA, Alte, Schwangere, Opfer des Menschenhandels, von Folter und Vergewaltigungen oder Opfer von psychologischen, physischen oder sexuellen Gewalt. Es wird jedoch angemerkt, dass in der Praxis während des Interviews in erster Linie die sichtbare Vulnerabilität festgestellt wird. Die über die Vulnerabilität vorhandenen Daten werden an das Französische Amt für Schutz von Flüchtlingen und Staatenlosen (Office français de protection des réfugiés et des apatrides - OFPRA) weitergeleitet (AIDA 12.2015). Wenn der Asylwerber über medizinische Befunde aus dem Heimatland verfügt, entscheidet ein Arzt beim OFII über die weitere Vorgehensweise (OFPRA 11.2016). Im Asylverfahren können von OFPRA aufgrund der besonderen Bedürfnissen oder Vulnerabilität besondere Verfahrensgarantien (Berücksichtigung spezieller Bedürfnisse bei Unterbringung und Asylverfahren; Befreiung vom Schnellverfahren, usw.) gewährt werden. Obwohl rechtlich nicht vorgesehen, bieten manche Unterbringungszentren trotzdem separate Unterbringungseinheiten für Vulnerable an. In den CADA werden meist Vulnerable untergebracht, deren Vulnerabilität offensichtlich ist, also Familien mit Kleinkindern, Schwangere und Alte. Man hoffte durch die Asylreform auch vermehrt nicht offensichtliche Vulnerabilität besser erkennen zu können. 2014 waren 83,8% der Neuankömmlinge in CADA Familien (AIDA 12.2015).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (12.2015): Country Report:
France,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf, Zugriff 22.11.2016
-
OFPRA - Office française de protection des réfugiés et apatrides (11.2015): Guide for Asylum Seekers in France, https://ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/guide-da-france_anglais.pdf, Zugriff 22.11.2016
Non-Refoulement
Menschenrechtsgruppen kritisieren regelmäßig die strikt dem Gesetz folgende Abschiebepraxis Frankreichs (USDOS 13.4.2016).
Quellen:
-
USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - France, https://www.ecoi.net/local_link/322531/462008_de.html, Zugriff 22.11.2016
Versorgung
Im Rahmen der Asylreform 2015 wurden die folgenden Punkte des französischen Asylgesetzes in Hinsicht auf die Versorgung verändert:
Laut der neuen Regelung sollen die materiellen Aufnahmebedingungen an alle Asylwerber (inkl. Asylwerber im beschleunigten und im Dublin-Verfahren) angeboten werden, mit der einzigen Ausnahme, dass Antragssteller nach dem Dublin-Verfahren keinen Zugang zu Unterbringungszentren für Asylwerber (Centre d'Accueil pour Demandeurs d'Asile - CADA) haben. Darüber hinaus wurden neue nationale Aufnahmestrukturen eingeführt, für die das Französische Büro für Immigration und Integration (Office français de l'immigration et de l'intégration - OFII) zuständig ist. Der Fokus liegt dabei hauptsächlich auf der Unterbringung. Parallel und in Übereinstimmung mit den nationalen Aufnahmestrukturen werden regionale Vorschriften definiert und von den Präfekten in jeder Region umgesetzt. Weiters wurde eine neue Beihilfe für Asylwerber (Allocation pour demandeurs d'asile - ADA) eingeführt, die die vorherige monatliche Zahlung (Allocation Mensuelle de Subsistance, AMS) bzw. die temporäre Wartezeitzulage (Allocation Temporaire d'Attente, ATA) ersetzt (AIDA 12.2015).
Asylwerber haben nur dann Zugang zum Arbeitsmarkt während des Asylverfahrens, wenn OFPRA den Asylantrag innerhalb von neun Monaten nicht bearbeitet und diese Verzögerung nicht vom Antragssteller verschuldet wurde (AIDA 12.2015; vgl. OFPRA 11.2016).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (12.2015): Country Report:
France,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf, Zugriff 22.11.2016
-
OFPRA - Office française de protection des réfugiés et apatrides (11.2015): Guide for Asylum Seekers in France, https://ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/guide-da-france_anglais.pdf, Zugriff 22.11.2016
Medizinische Versorgung
Eine medizinische Erstuntersuchung bei Ankunft im Unterbringungszentrum ist verpflichtend und muss laut der neuen Asylreform innerhalb von 15 Tagen durchgeführt werden (AIDA 12.2015).
Asylwerber im ordentlichen Verfahren haben Anspruch auf die allgemeine Krankenversorgung (Couverture Maladie Universelle - CMU). Wenn der Asylwerber über keine Mittel verfügt, ist dieser Zugang für ihn kostenlos. Asylwerber im beschleunigten und im Dublin-Verfahren erhalten nunmehr eine Bestätigung über ihr laufendes Asylverfahren und haben damit auch Zugang zur CMU (früher war ihnen nur der Zugang zur staatlichen medizinischen Hilfe (Aide Médicale d'Etat - AME) gestattet). Da die rechtlichen Bestimmungen dazu fehlen, bleibt also abzuwarten, ob diese Maßnahme tatsächlich auch in die Praxis umgesetzt wird. Zugang zur AME (nach drei Monaten Aufenthalt in Frankreich möglich) ist für AW auch weiterhin möglich, selbst wenn andere Sozialleistungen reduziert oder entzogen worden sein sollten. Während der Wartezeit auf den Zugang zu CMU oder AME besteht immer Zugang zu den sogenannten PASS-Diensten (Tages-Gesundheitszentren) der öffentlichen Spitäler. Als größte Schwierigkeiten beim Zugang zu effektiver Gesundheitsversorgung für AW werden administrative Probleme, fehlendes Wissen über die Rechte der AW und die Sprachbarriere genannt (AIDA 12.2015; vgl. OFPRA 11.2016).
Zugang zu mentaler Gesundheitsversorgung wird von der Gesetzgebung nicht explizit erwähnt, AW können aber im Rahmen der CMU oder AME theoretisch psychiatrische oder psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Viele Therapeuten nehmen jedoch keine nicht-frankophonen Patienten. Traumatisierte oder Opfer von Folter können sich von einigen NGOs betreuen lassen, die sich speziell diesen Themen widmen, z.B. Primo Levi in Paris oder die Osiris-Zentren in Marseille, Mana in Bordeaux, das Forum réfugiés-Cosi Essor-Zentrum in Lyon oder Awel in La Rochelle. Die Zahl dieser spezialisierten Zentren in Frankreich ist aber gering und ungleich verteilt und kann den wachsenden Bedarf nicht decken (AIDA 12.2015).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (12.2015): Country Report:
France,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf, Zugriff 22.11.2016
-
OFPRA - Office française de protection des réfugiés et apatrides (11.2015): Guide for Asylum Seekers in France, https://ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/guide-da-france_anglais.pdf, Zugriff 22.11.2016
Unterbringung
Im März 2015 standen 258 Unterbringungszentren für Asylwerber (Centre d'Accueil pour Demandeurs d'Asile - CADA), 1 spezielles Zentrum für UMA, 2 Transitzentren und weitere Notunterkünfte zur Verfügung. Die Gesamtaufnahmekapazität betrug ca. 48.100 Plätze. Es besteht jedoch ein kontinuierlicher Mangel an Unterkünften für Schutzsuchende. Asylwerber werden nicht immer dort untergebracht, wo sie ihren Asylantrag stellen. Sie müssen deshalb innerhalb von 5 Tagen in dem zugeteilten Unterkunftszentrum erscheinen, ansonsten werden die weiteren Beihilfen für Asylwerber (Allocation pour demandeurs d'asile - ADA) entzogen.
Die Plätze in den CADA werden vom OFII zugeteilt und bis auf Personen im Dublin-Verfahren werden Asylwerber dort untergebracht. Im Jahr 2014 betrug die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im CADA ca. 534 Tage. Lehnt der Antragssteller den Platz ab, enthält er auch keine ADA. Gibt es temporär keinen Platz in einem CADA, kommt der Asylwerber auf eine Warteliste und wird in der Zwischenzeit an eine provisorische Unterbringung vermittelt. Aufgrund des Platzmangels sind die Betroffenen jedoch oft auf Nachtquartiere angewiesen oder sie werden obdachlos. Die neue Asylreform versucht diesem Phänomen gegenzusteuern. 2015 wurde die Errichtung weiterer 4.200 Plätze geplant (AIDA 12.2015).
Es gibt in Frankreich 2 Transitzentren zur temporären Erstaufnahme von Asylwerbern und ihre Verteilung im nationalen Unterbringungssystem. Das Zentrum in Villeurbanne verfügt über 220, jenes in Ctéteil über 80 Plätze. Unter bestimmten Umständen können hier auch Personen im Dublin-Verfahren oder Schnellverfahren für eine bestimmte Zeit untergebracht werden (AIDA 12.2015).
Aufgrund des Mangels an Aufnahmekapazitäten in CADA können Asylwerber auch in Notfallzentren untergebracht werden. Dabei wird es zwischen den temporären Aufnahmezentren (accueil temporaire - service de l'asile - AT-SA) und Notunterkünften für Asylwerber (hébergement d'urgence dédié aux demandeurs d'asile - HUDA) unterschieden. AT-SA verfügen über 2.800 Plätze (bis Ende 2015 sollen 4.000 zusätzliche Plätze hinzukommen. HUDA verfügen im Notfall über bis zu 19.600 Plätze (AIDA 12.2015).
In einigen Regionen entstanden in den letzten Jahren illegale Lager, etwa in Städten wie Paris, Bordeaux und Calais. Dort leben illegale Migranten, aber auch Asylwerber oft monatelang unter schlechten Bedingungen. Die meisten Personen wollen in Frankreich keinen Asylantrag stellen, sondern warten auf eine Weiterreise nach Großbritannien. Demnach haben sie aber auch keinen Zugang zur staatlichen Versorgung in Frankreich. Diese Lager werden von den Behörden immer wieder aufgelöst, aber es gibt bisher noch keine dauerhafte Lösung (AIDA 12.2015).
Mittlerweile gibt es in ganz Frankreich 450 Erstaufnahmezentren, in denen für Neuankommende aus Calais rund 7.500 Plätze zur Verfügung stehen. 85% davon wurden in Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohnern vor allem in bereits vorhandenen, leerstehenden Gebäuden geschaffen. Dort gibt es Unterbringung, Verpflegung und Betreuung. Nach Vorstellung des Innenministers sollen die Migranten nur wenige Monate in den Zentren verbringen, ehe sie ihren Asylantrag stellen. Besonderes Augenmerk liegt auf der Situation von unbegleiteten Minderjährigen, für die ein eigener Bereich zur Registrierung geschaffen wurde. Bislang wurden über 400 Minderjährige in provisorische Zentren im Umfeld des Lagers gebracht. Gemeinsam mit den dort befindlichen 200 weiteren unbegleiteten Minderjährigen warten sie auf die Prüfung der familiären Anknüpfungspunkte nach Großbritannien. Großbritannien hat sich dazu verpflichtet, unbegleitete Minderjährige mit familiären Verbindungen zu übernehmen und bis Ende Oktober 2016 bereits rund 300 unbegleitete Minderjährige übernommen (ÖB 25.10.2016).
Wenn sich Asylsuchende aufgrund des Grenzverfahrens in den Wartezonen befinden, müssen sie dort untergebracht werden. Am Flughafen Roissy CDG gibt es 160 Plätze. In anderen Wartezonen werden Asylsuchende entweder in den naheliegenden Unterbringungsmöglichkeiten, wie einfache Hotels, oder in den Räumlichkeiten der jeweiligen Polizeistation untergebracht, solange überprüft wird, ob sie in das Land einreisen und einen Asylantrag stellen dürfen (AIDA 12.2015).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (12.2015): Country Report:
France,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf, Zugriff 22.11.2016
-
ÖB Paris (25.10.2016): Auskunft der Botschaft, per E-Mail
Unbegleitete Minderjährige
Den Begriff "unbegleiteter Minderjähriger" gibt es im französischen Recht nicht. Ihre Versorgung basiert daher auf den Bestimmungen zu gefährdeten Kindern, für welche die Départements zuständig sind. Das Regierungsrundschreiben vom 31. Mai 2013 zielt unter anderem darauf ab, die Unterbringungsbedingungen und Unterstützungsleistungen für UM zu harmonisieren und Unterschiede zwischen den Départements zu beseitigen. Daher deckt seit Juni 2013 der Staat die Kosten für die ersten 5 Tage der Betreuung von UM, in denen die Evaluierung und Orientierung vorgenommen wird. Wenn in diesen 5 Tagen die Minderjährigkeit festgestellt wird, bestimmt der Staatsanwalt den Unterbringungsplatz in einem Département. Manchmal weigern sich Départements UM zu übernehmen und obwohl sie die rechtliche Möglichkeit hätten, greifen die Staatsanwälte selten zu verbindlichen Maßnahmen (AIDA 12.205).
Identifizierte UM (auch jene zwischen 16 und 18 Jahren) werden in Kinderbetreuungseinrichtungen der Départements oder in Pflegefamilien untergebracht. Außerdem gibt es ein spezialisiertes Zentrum auf Ebene des Départements in Côtes-d'Armor (Samida), betrieben von der NGO Coallia (AIDA 12.2015).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (12.2015): Country Report:
France,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf, Zugriff 22.11.2016
Schutzberechtigte
Anerkannte Flüchtlinge bekommen einen Aufenthaltstitel mit einer Gültigkeit von zehn Jahren, subsidiär Schutzberechtigte und staatenlose Personen, denen Schutz gewährt wurde, eine für ein Jahr befristete Aufenthaltsgenehmigung, die verlängert werden kann. Nach einem dreijährigen gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich kann eine Aufenthaltskarte für zehn Jahre beantragt werden. Für Schutzberechtigte besteht unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit der Familienzusammenführung. Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte müssen einen Willkommens- und Integrationsvertrag (contrat d'acceuil et d'intégration - CAI) unterschreiben, welcher der Integration in die französische Gesellschaft durch maßgeschneiderte Unterstützung beim Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Bildung dient. Personen, die während des Asylverfahrens in CADA oder in einem anderen Zentrum untergebracht werden, können nach der Gewährung eines Schutzstatus drei Monate lang weiterhin dort bleiben, einmal verlängerbar mit der Zustimmung des Präfekten. Es besteht für sie jedoch auch die Möglichkeit in einem temporären Zentrum des OFII für neun Monate, mit einer Verlängerungsmöglichkeit um weitere drei Monate, untergebracht zu werden, wenn freie Plätze verfügbar sind. Schutzberechtigte haben aber auch Zugang zu Privat- und Sozialwohnungen. Der Aufenthaltstitel ermöglicht den freien Zugang zum Arbeitsmarkt, die Registrierung als arbeitsuchend, ein Beratungsgespräch und die Möglichkeit einer Schulung beim Arbeitsamt. Nach dem Asylverfahren muss die Gesundheitsbehörde über den gewährten Schutzstatus informiert werden und man erhält die Krankenversicherungskarte. Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, haben Zugang zu Sozialleistungen und verschiedenen Beihilfen in Bereichen wie Familie, Wohnraum, Bildung, Behinderung etc. Für anerkannte Flüchtlinge wird ein Reiseausweis, gültig für zwei Jahre, für subsidiär Schutzberechtig-te und Staatenlose wird ein Reiseausweis, gültig für ein Jahr ausgesellt. Diese Reisedokumente lassen die Reise ins Herkunftsland nicht zu. Im Falle außergewöhnlicher Umstände (wie z.B. Tod oder schwere Krankheit eines nahen Verwandten) kann ein Antrag auf einen Kurzbesuch im Herkunftsland gestellt werden. Sollte dies genehmigt werden, darf der Schutzberechtigte für höchstens drei Monate in seinen Heimatstaat zurückkehren (OFPRA 11.2015).
Quelle:
-
OFPRA - Office française de protection des réfugiés et apatrides (11.2015): Guide for Asylum Seekers in France, https://ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/guide-da-france_anglais.pdf, Zugriff 22.11.2016
Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass Frankreich gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO für die Prüfung des gegenständlichen Antrages zuständig sei.
Es könne nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in Frankreich einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe oder Folter ausgesetzt sei, welche auf mangelnde Schutzfähigkeit bzw. mangelnde Schutzwilligkeit der Staatsgewalt von Frankreich zurückzuführen wären. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO ergeben. Die Ausweisung der Beschwerdeführerin nach Frankreich stelle auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK dar.
Der Bescheid des BFA wurde der Beschwerdeführerin am 12.05.2017 nachweislich zugestellt.
3. Gegen den Bescheid des BFA vom 11.05.2017 erhob die Beschwerdeführerin durch die ARGE Rechtsberatung als ihre Vertretung (Vollmacht vom 18.05.2017 im Akt) am 24.05.2017 rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde und hielt fest, dass der Bescheid in vollem Umfang angefochten werde. Gleichzeitig wurde der Antrag gestellt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Gerügt wurde, dass sich die belangte Behörde nicht ausreichend mit den vorgelegten Beweismitteln, nämlich mit dem iranischen Gerichtsbescheid über die Verhängung der Strafe von 70 Peitschenhieben und mit der Bestätigung eines iranischen Arztes, auseinandergesetzte habe. Die Beweiswürdigung sei daher mangelhaft.
Die Beschwerdeführerin sei als Opfer von psychologischer, physischer oder sexueller Gewalt als besonders vulnerabel anzusehen. Sie laufe bei einer Rückkehr nach Frankreich Gefahr, zu einer Heirat mit ihrem Cousin gezwungen zu werden. Auch mit den Foltererlebnissen der Beschwerdeführerin und mit der drohenden Zwangsverheiratung habe sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt.
Zum Privat- und Familienleben wurde festgehalten, dass die belangte Behörde nicht auf das Vorbringen eingegangen sei, dass die Beschwerdeführerin in Österreich mit ihrem namentlich genannten Freund, der im Rahmen einer "Aufenthaltsbewilligung Studierender" hier aufhältig sei, eine stabile Beziehung führe. Sie selbst habe sich bereits auf der Universität in Österreich registriert. Zudem besuche sie regelmäßig eine näher bezeichnete Baptistengemeinde, fühle sich in der dortigen Gemeinschaft sehr gut aufgehoben und verfüge daher über ein soziales Netzwerk, das ihr Sicherheit und Stabilität gebe. Zum Beweis dafür wurde die Einvernahme eines näher bezeichneten Mitarbeiters eben dieser Gemeinde beantragt. Außerdem werde die Beschwerdeführerin vom Verein "Orient Express" beraten und betreut, um ihrer drohenden Zwangsverheiratung zu entgehen. Gerade im Hinblick auf die besondere Vulnerabilität der Beschwerdeführerin komme dem schützenden Umfeld in Österreich besondere Bedeutung zu.
Gerügt wurde weiters, dass von der belangten Behörde keine Einzelfallprüfung vorgenommen worden sei. Alleine der Umstand, dass es sich bei Frankreich generell um einen sicheren Staat handle, könne die Durchführung einer Einzelfallprüfung nicht ersetzen. Es wäre die mögliche Verletzung des Non-Refoulement-Grundsatzes zu prüfen gewesen. In den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides heiße es, dass viele Therapeuten keine nicht-frankophonen Patienten nehmen würden. Traumatisierte und Opfer von Folter könnten sich zwar von einigen NGO'S betreuen lassen, doch sei die Zahl dieser spezialisierten Zentren in Frankreich sehr gering und ungleich verteilt. In der aktuellen Judikatur des EGMR (Rs Tarakhel vom 04.11.2014) sei klargestellt worden, dass es nicht notwendig sei, dass in einem Land systemische Mängel bestünden, um eine Überstellung dorthin unzulässig zu machen. Auch individuelle Umstände könnten in Verbindung mit gewissen Defiziten ausreichen, um eine Überstellung unzulässig zu machen, wenn eine Gefährdung von Grundrechten vorliege. Im gegenständlichen Fall seien individuelle Umstände gegeben, die die Überstellung der Beschwerdeführerin nach Frankreich unzulässig machen würden.
4. Mit Schreiben vom 09.06.2017 setzte das BFA die französische Dublin-Behörde davon in Kenntnis, dass die Beschwerdeführerin untergetaucht sei, weshalb sich die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO auf 18 Monate verlängere.
5. Am 09.08.2017 wurde die Beschwerdeführerin auf dem Luftweg nach Frankreich überstellt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin, eine irakische Staatsangehörige, stellte am 25.01.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Sie verfügte über ein von 20.12.2016 bis 14.01.2017 gültiges Schengen-Visum Typ C, ausgestellt am 08.12.2016 von der französischen Botschaft in Teheran.
Das BFA richtete am 28.01.2017 ein auf Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Frankreich, welchem die französische Dublin-Behörde mit Schreiben vom 09.03.2017 gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO ausdrücklich zustimmte.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen der angefochtenen Bescheide zur allgemeinen Situation im Mitgliedstaat Frankreich an.
Besondere, in der Person der Beschwerdeführer gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Frankreich sprechen, liegen nicht vor.
Bei der Beschwerdeführerin liegt weder eine krankheitswertige psychische Störung noch liegen sonstige psychische Krankheitssymptome vor. Auch sonst leidet die Beschwerdeführerin an keinen äußerst schwerwiegenden lebensbedrohlichen Krankheiten. Die Überstellbarkeit der Beschwerdeführerin, im Sinne der Reisefähigkeit, ist gegeben.
Besonders intensiv ausgeprägte private, familiäre oder berufliche Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht. Die Beschwerdeführerin hat im Bundesgebiet lediglich einen Freund, mit dem sie nicht im gemeinsamen Haushalt lebt und den sie erst seit ihrer illegalen Einreise in Österreich persönlich kennt, und besucht eine näher bezeichnete Baptistengemeinde.
Die Beschwerdeführerin war untergetaucht; die Überstellungsfrist hat sich auf 18 Monate verlängert.
Am 09.08.2017 wurde die Beschwerdeführerin auf dem Luftweg nach Frankreich überstellt.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich des vorliegenden Schengen-Visums Typ C, ausgestellt von den französischen Behörden, welches zum Zeitpunkt der Antragstellung weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen war, und hinsichtlich der Asylantragstellung in Österreich ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin und dem Ergebnis der VIS-Abfrage.
Die Feststellungen bezüglich der Zustimmung zur Aufnahme der Beschwerdeführerin seitens Frankreichs leiten sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der französischen Dublin-Behörde ab. Der diesbezügliche Schriftwechsel ist Teil des Verwaltungsaktes.
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den durch umfangreiche Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Soweit auf Quellen älteren Datums Bezug genommen wurde, ist festzuhalten, dass sich die Lage in Frankreich als unverändert darstellt. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-III-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin ergeben sich insbesondere aus dem vom BFA in Auftrag gegebenen PSY-III-Gutachten vom 07.05.2017, dem sich entnehmen lässt, dass "die 12/2016 auswärts (im Iran) gestellte Diagnose "Posttraumatische Belastungsstörung" [...] hier nicht mehr gefunden werden" kann. Insofern geht die Beschwerde ins Leere, wenn behauptet wird, dass der Umstand der zuvor diagnostizierten Erkrankung der Beschwerdeführerin keine Beachtung gefunden habe. Auf die Diagnose wurde nämlich im Gutachten eingegangen, sie wurde jedoch aus näher dargelegten Gründen als aktuell nicht mehr vorliegend erachtet.
Die Feststellungen hinsichtlich privater, familiärer oder beruflicher Bindungen der Beschwerdeführerin in Österreich basieren auf dem erstatteten Vorbringen der Beschwerdeführerin. Sie gab selbst an, ihren in Österreich lebenden Freund vor sechs bis acht Monaten übers Internet kennengelernt zu haben, woraus sich ableiten lässt, dass sie ihn erst hier in Österreich zum ersten Mal persönlich getroffen hat. Dass ein gemeinsamer Haushalt bestünde, wurde nicht einmal vorgebracht, sodass von daher und auch angesichts der kurzen Dauer der Beziehung nicht von einer intensiv ausgeprägten privaten Bindung auszugehen ist. Auf die beantragte Zeugeneinvernahme des namentlich genannten Mitarbeiters der angeführten Baptistengemeinde konnte angesichts der positiven Feststellungen verzichtet werden. Doch auch aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin eine Gemeinde besucht, ergibt sich noch keine besondere Integrationsverfestigung in Österreich.
Dass sich die Überstellungsfrist angesichts des unbekannten Aufenthaltes der Beschwerdeführerin auf 18 Monate verlängert hat, ergibt sich aus der vom BFA rechtzeitig an die französische Dublin-Behörde gesendete Mitteilung.
Der Umstand der am 09.08.2017 erfolgten Überstellung der Beschwerdeführerin nach Frankreich ergibt sich aus dem im Akt befindlichen Bericht der zuständigen Landespolizeidirektion vom selben Tag.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:
"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. ...
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
..."
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I 70/2015 lautet:
"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I 70/2015 lautet:
"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. ...
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."
Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin-III-VO lauten:
"Artikel 3
Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
Artikel 7
Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Artikel 12
Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa
(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten fü