TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/11 I403 2113832-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.06.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

11.06.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

I403 2113832-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Kenia, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.08.2015, Zl. 1051099909/150117881, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass es in Spruchpunkt III. erster Satz zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsbürgerin Kenias, stellte am 31.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und gab bei der am 01.02.2015 stattfindenden Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu ihrem Fluchtgrund befragt Folgendes an: "Als ich 15 Jahre alt war, wurde ich gezwungen einen Mann zu heiraten. Ich lebte einige Zeit mit diesem Mann zusammen, welcher auch der Vater meiner Kinder ist. Wir zogen dann in sein Dorf, wo es Tradition ist, dass man Frauen beschneidet. Ich hätte auch 2012 zwangsbeschnitten werden sollen, dies wollte ich aber nicht, deshalb bin ich weggelaufen. Ich flüchtete zu meiner Mutter, aber diese wollte auch, dass ich beschnitten werde. Meine Mutter wollte mich dazu zwingen und aus diesem Grund habe ich das Land verlassen." Bei einer Rückkehr fürchte sie von ihrem Mann getötet zu werden.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 07.05.2015 wiederholte die Beschwerdeführerin, dass sie ihren Mann 2005 im Alter von 15 Jahren traditionell geheiratet habe; 2012 habe er sie zu einer weiblichen Genitalverstümmelung zwingen wollen. Sie sei dann zu ihrer Mutter geflüchtet, bei der sie eineinhalb Jahre gelebt habe. Ihr Mann habe sie dort allerdings auch bedrängt und auch ihre Mutter habe sie zu einer weiblichen Genitalverstümmelung bewegen wollen.

Mit Schreiben des BFA vom 19.05.2015 wurden der Beschwerdeführerin Länderfeststellungen zu Kenia übermittelt. In einer Stellungnahme ihrer Rechtsvertretung, des MigrantInnenvereins St. Marx, vom 02.06.2015 wurde kritisiert, dass die Frage der weiblichen Genitalverstümmelung in den Länderfeststellungen nur unzureichend behandelt werde. Das BFA gab daraufhin eine Anfrage an die Staatendokumentation in Auftrag. Mit Anfragebeantwortung des Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation (ACCORD) a-9273 vom 21.07.2015 wurde festgestellt, dass Zwangsehen, etwa als Tradition des "Vererbens von Ehefrauen", in Kenia praktiziert würden. Weibliche Genitalverstümmelung sei 2011 verboten worden, bei einzelnen Volksgruppen (Somali, Kisii und Massai) sei die Praxis allerdings noch verbreitet. Konkrete Informationen zu weiblicher Genitalverstümmelung nach der Geburt eines Kindes seien nicht gefunden worden.

Mit im Spruch genannten Bescheid des BFA, RD Niederösterreich, vom 18.08.2015 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 31.01.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kenia gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der Beschwerdeführerin gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) 2005 erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kenia zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Fluchtgründe wurden als nicht glaubhaft befunden. Insbesondere sei nicht plausibel, dass ihr Ehemann und ihre Mutter erst nach der Geburt von drei Kindern begonnen hätten, sie zu einer weiblichen Genitalverstümmelung zu drängen. Zudem hätte sie sich an ihren Bruder, der auch für ihre Kinder sorge, oder an eine Frauenorganisation wenden können. Es wurde keine besondere Rückkehrgefährdung für die Beschwerdeführerin festgestellt. Ebenso wenig wurde ein besonders schützenswertes Privat- oder Familienleben in Österreich festgestellt.

Gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde fristgerecht am 01.09.2015 Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge nach mündlicher Verhandlung der Beschwerdeführerin Asyl, allenfalls subsidiären Schutz gewähren, allenfalls den Bescheid aufheben und zur nochmaligen Bearbeitung an das BFA zurückverweisen, aufschiebende Wirkung gewähren, einen landeskundigen Sachverständigen beauftragen, sich mit der Situation von Frauen, die von Genitalverstümmelung bedroht sind, zu befassen, allenfalls eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären, allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen und allenfalls feststellen, dass die Abschiebung unzulässig ist. Das Fluchtvorbringen wurde wiederholt und erklärt, dass die Beschwerdeführerin befürchte, von ihrem Ehemann getötet zu werden. Sie habe sich bereits als Kind gegen die Bemühungen ihrer Mutter gewehrt, bei ihr eine Genitalverstümmelung vornehmen zu lassen; virulent sei das Problem durch den Umzug in das Dorf ihres Ehemannes geworden. Insbesondere bei den Massai sei die weibliche Genitalverstümmelung weit verbreitet, was auch ein Online-Artikel von IRIN aus dem Jahr 2005 (abrufbar unter http://www.irinnews.org/news/2005/03/08/fgm-among-maasai-community-kenya) und ein WHO-Bericht aus dem Jahr 2015 (abrufbar unter https://www.voanews.com/a/who-sees-progress-in-campaign-against-female-genital-mutilation/2632083.html) zeigen würden. Die Gefahr sei aktuell noch gegenwärtig, wie ein Artikel im The Guardian aus dem Jahr 2014 (abrufbar unter https://www.theguardian.com/society/2014/feb/07/female-genital-mutilation-kenya-daughters-fgm) beweise. Die Beschwerdeführerin sei in Gefahr, in ganz Kenia von ihrem Mann gefunden zu werden; die Behörden seien nicht schutzwillig bzw. schutzfähig. Sie verfüge zudem über keinen Arbeitsplatz und keine Existenzsicherung.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 08.09.2015 vorgelegt. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 20.10.2017 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin zugeteilt.

Das Bundesverwaltungsgericht gab eine aktuelle Anfrage bei der Staatendokumentation in Auftrag. Mit Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23.01.2018 wurde festgestellt, dass bei einigen Gruppen in Kenia Zwangsehen noch immer vorkommen würden. Inzwischen seien Eheschließungen allerdings erst ab einem Alter von 18 Jahren erlaubt. Bei den Massai seien etwa 78% der Mädchen Opfer einer weiblichen Genitalverstümmelung (FGM), bei den Somali 94%. Dagegen seien bei der Volksgruppe der Mijikenda/Swahili Frauen kaum beschnitten. Der Anteil der beschnittenen Frauen reicht von 1% im Westen bis zu 98% im Nordosten; Berichte über Beschneidungen nach Geburten würden keine vorliegen. FGM sei seit 2011 in Kenia verboten und strafbar. Über Kirchen und unzählige NGOs würden in ganz Kenia für Frauen Hilfe und Unterstützung in Form von Obdach und Schutzhäusern angeboten. Es lägen keine Erkenntnisse vor, wonach es alleinstehenden Frauen nicht möglich wäre, sich ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Mit der Ladung für eine mündliche Verhandlung wurden der Beschwerdeführerin diese Anfragebeantwortung und das aktuelle Länderinformationsblatt zu Kenia (Stand 12.01.2015) übermittelt. Am 02.05.2018 wurde eine mündliche Verhandlung abgehalten, in der die Beschwerdeführerin im Beisein einer rechtsfreundlichen Vertreterin ihren Fluchtgrund wiederholte. Am 17.05.2018 langte eine Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführerin ein, in welcher auf die Möglichkeit einer von Privatpersonen ausgehenden asylrelevanten Verfolgung aufgrund von Schutzunwilligkeit des kenianischen Staates verwiesen wurde. Die Beschwerdeführerin befinde sich im Falle einer Rückkehr in der Gefahr, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten, da sie nicht auf ihre Familie zurückgreifen könne. Die Beschwerdeführerin habe sich zudem in Österreich gut integriert und enge soziale Kontakte aufgebaut; sie sei arbeitsfähig und -willig. Beigelegt war die Bestätigung eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 15.05.2018, wonach die Beschwerdeführerin an arterieller Hypertonie leide, eine Bestätigung vom 08.05.2018, dass die Beschwerdeführerin an einem Beratungsgespräch zur Ausbildung an der Schule für Sozialbetreuungsberufe - Behindertenarbeit teilgenommen habe, das Zeugnis über die Pflichtschulabschlussprüfung vom 02.02.2017, ein Zertifikat über die Teilnahme an einem Kurs zur Vorbereitung auf den Pflichtschulabschluss vom 03.02.2017, ein Zertifikat über die Teilnahme an einem Workshop zur Berufsorientierung vom 28. bis 29.01.2017, eine Bestätigung über die Teilnahme an einer eintägigen Lehrwerkstätte am 18.12.2017 sowie eine Bestätigung über die Absolvierung eines Deutschkurses Niveau B1.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Kenias. Ihre Identität steht nicht fest. Sie stammt aus XXXX, einem Ort etwa eine Stunde von Mombasa entfernt. Sie schloss ein College ab und war als Sekretärin tätig. Sie gehört der Volksgruppe der Rabai, einer Untergruppe der Volksgruppe der Mijikenda, an.

In Kenia leben ihre Mutter, ein Bruder und eine Schwester. Ihre drei Kinder wohnen bei ihrem Bruder, vom Vater der Kinder ist die Beschwerdeführerin getrennt. Der Bruder der Beschwerdeführerin ist bei der Armee. Sie gibt an, nicht mit ihnen in Verbindung zu stehen.

Die Beschwerdeführerin verließ Kenia ihren Angaben nach im Dezember 2014 und erreichte Österreich etwa einen Monat später.

Die Beschwerdeführerin leidet an keinen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Sie ist strafrechtlich unbescholten. Sie ist um eine Integration in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht bemüht und hat zahlreiche Schritte gesetzt, so war sie stets um eine Fortbildung bemüht. Insbesondere ist auf den Pflichtschulabschluss zu verweisen. Allerdings führt sie in Österreich kein Familienleben und kann insbesondere aufgrund der kurzen Dauer ihres Aufenthaltes in Österreich noch nicht von einer nachhaltigen Verfestigung gesprochen werden.

Es ist nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit durch ihren Ehemann bedroht wäre oder dass sie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Opfer einer weiblichen Genitalverstümmelung werden würde. Die Beschwerdeführerin wird daher nicht wegen ihres Geschlechtes verfolgt. Es kann somit insgesamt nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in Kenia aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde oder werden wird.

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine gesunde, arbeitsfähige Frau und besteht keine reale Gefahr, dass sie im Falle einer Rückkehr nach Kenia in eine existenzbedrohende Lage oder eine sonstige unmenschliche Situation geraten würde.

1.2. Zur Situation in Kenia:

Zur aktuellen Lage in Kenia wurden im angefochtenen Bescheid die folgenden Feststellungen auf Basis des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation getroffen, denen sich das Bundesverwaltungsgericht anschließt:

Politische Lage

Seit dem Ende der britischen Kolonialherrschaft 1963 ist Kenia eine Republik mit weitreichenden Regierungs- und Machtbefugnissen für den vom Volk direkt gewählten Präsidenten, der gleichzeitig Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist (GIZ 1.2015). Nach den gewaltsamen Unruhen die durch die Präsidentschaftswahlen im Dezember 2007 ausgelöst worden waren, wurden der "National Accord and Reconciliation Act" und das "Comprehensive Reform Framework" verabschiedet. Diese Dokumente bereiteten einen Prozess der Verfassungsreform vor, welcher im August 2010 zu einem Referendum führte. Darin sprachen sich 68% der Wähler für die neue Verfassung aus, welche von einem Expertengremium entworfen wurde. Dieses setzte sich hauptsächlich aus kenianischen Staatsangehörigen, darunter Juristen, zivilgesellschaftliche Führungspersönlichkeiten und religiöse Autoritäten, aber auch aus wenigen internationalen Experten zusammen (KAS 16.9.2014). Im August 2010 trat die neue Verfassung in Kraft, die erhebliche Fortschritte hinsichtlich der Machtkontrolle, der politischen Partizipation und der Bürgerrechte mit sich bringt (FES, ohne Datum). Nach friedlicher Annahme der neuen Verfassung bahnen sich mit der Umsetzung des Grundrechtekatalogs, den Reformen in den Feldern Sicherheit und Justiz sowie der Einführung einer dezentralen Bezirksverwaltung wichtige Änderungen an. Kenia wird ein dezentral aufgebautes und verwaltetes Land. Einen großen Schritt in diese Richtung hat Kenia mit den Wahlen vom 4.3.2013 gemacht: Neben dem Präsidenten und Vizepräsidenten wurden erstmals Gouverneure und Parlamente auf Bezirksebene gewählt (AA 6.2014a). Ob das neue, erheblich erweiterte Parlament mit 350 Sitzen im Unterhaus sowie 67 Sitzen im Senat seine Funktion von Checks und Balances von Legislative und Exekutive besser erfüllen wird als das alte, ist noch nicht absehbar (GIZ 1.2015).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (6.2014a): Kenia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Kenia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 12.1.2015

-

FES - Friedrich-Ebert-Stiftung (ohne Datum): Kenia, http://www.fes.de/afrika/content/web/kenia.html, Zugriff 12.1.2015

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2015): Kenia, Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/kenia/geschichte-staat/, Zugriff 12.1.2015

-

KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (16.9.2014): Auslandsbüro Kenia, über uns, http://www.kas.de/kenia/de/about/, Zugriff 12.1.2015

Sicherheitslage

Durch seinen militärischen Einsatz in Südsomalia im Rahmen von AMISOM (African Union Mission in Somalia) hat Kenia entscheidend zur erfolgreichen Bekämpfung der islamistischen Al Shabaab-Miliz in Kismayo beigetragen. Aktuell engagiert sich Kenia, ebenso wie Äthiopien, im Rahmen der IGAD (Inter-Governmental Authority on Development) für eine politische Lösung der Südsudan-Krise (AA 6.2014b). Die Drohung der somalischen Al-Shabaab-Terrororganisation mit Vergeltungsaktionen in Reaktion auf die Beteiligung der kenianischen Streitkräfte an der AMISOM-Mission in Somalia ist ernst zu nehmen. Mehrere Anschläge der jüngeren Vergangenheit und eine Reihe vereitelter Anschläge haben die Entschlossenheit der Terroristen unter Beweis gestellt. Ziele waren bisher v.a. Regierungsgebäude, Hotels, Bars und Restaurants, Einkaufszentren und öffentliche Verkehrsmittel (z. B. Busse, Kleinbusse, Fähren) und Flughäfen (AA 12.1.2015). In seiner Rede zur Lage der Nation im März 2014 ging Präsident Uhuru Kenyatta auch auf Kenias ungelöstes Terrorproblem ein. Kenia habe viele Jahre zu wenig Mittel in den Sicherheitsapparat investiert, war Kenyattas Begründung für die chronische Sicherheitskrise im Land. Erst am Sonntag vor seiner Rede waren sechs Gläubige in einer Kirche im Touristenzentrum Mombasa bei einem Terrorangriff erschossen worden. Als Reaktion verhängte die Regierung ein Verbot für alle Flüchtlinge in Kenia, sich außerhalb der Lager Kakuma und Dadaab zu bewegen. Diese Maßnahme stieß international auf Kritik (GIZ 1.2015). Als Konsequenz auf jüngste Ereignisse trat der Polizeichef Kenias, David Kimaiyo, am 2.12.2014 zurück. Zudem entließ Präsident Uhuru Kenyatta am selben Tag Innenminister Ole Lenku und bestimmte den ehemaligen General Joseph Nkaissery zu dessen Nachfolger (BAMF 8.12.2014, vgl. AFP 2.12.2014).

Das Gebiet des heutigen Kenia galt schon lange als multiethnisch geprägt, wobei sowohl kriegerische Konflikte als auch Extremwetterereignisse Wanderungsbewegungen und Dauerfehden um Land, Vieh und Wasser auslösten (GIZ 1.2015). Bei gewaltsamen Konflikten unter Beteiligung von Viehhaltern um Rechte an Land und Wasser, um Viehdiebstähle und um Einfluss in lokalen Verwaltungseinheiten sowie bei Vergeltungsmaßnahmen starben laut Darstellung des UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (datiert 4.12.14) zwischen Januar und Ende Oktober 2014 landesweit 310 Menschen, 214 wurden verletzt, 220.177 vertrieben. Besonders betroffen sind das Rift Valley und der Nordosten des Landes (BAMF 8.12.2014).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (6.2014b): Kenia, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Kenia/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 12.1.2015

-

AA - Auswärtiges Amt (12.1.2015): Kenia: Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_E8F325854C2255CAEEC7500192FE5634/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/KeniaSicherheit_node.html, Zugriff 12.1.2015

-

AFP - Agence France-Presse (2.12.2014): Kenya security chiefs ousted after new Shebab massacre, (veröffentlicht von ReliefWeb), http://reliefweb.int/report/kenya/suspected-shebab-rebels-massacre-36-northeast-kenya, Zugriff 12.1.2015

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (8.12.2014):

Briefing Notes vom 8. Dezember 2014 http://www.ecoi.net/file_upload/4232_1418114028_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-08-12-2014-deutsch.pdf, Zugriff 12.1.2015

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2015): Kenia, Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/kenia/geschichte-staat/, Zugriff 12.1.2015

Rechtsschutz/Justizwesen

Das kenianische Gerichtswesen gliedert sich in Magistrates Courts, High Courts, Court of Appeal und den neu geschaffenen Supreme Court. Daneben sprechen die Kadhi's Courts Recht in Erb- und Familienrechtsangelegenheiten muslimischer Kenianer nach islamischem Recht (AA 6.2014a).

Das Rechtssystem Kenias ist an das britische Rechtssystem angelehnt. Schon in der Kolonialzeit wurden jedoch vor allem im Zivilrecht auch 'traditionelle' Rechtssysteme angewandt. Die Rechtsquellen des sogenannten 'Customary Law' basieren auf afrikanischen Traditionen oder in den islamisch geprägten Gemeinden an der Küste auf dem islamischen Recht. Mangelnde Rechtssicherheit - darunter fallen zu lange Gerichtsverfahren, eine generell überlastete Justiz, korrupte Richter, aber auch das kaum zu entwirrende Chaos der Landbesitztitel - schreckt Investoren ab und belastet die einheimische Wirtschaft. Auch die Gefängnisse gelten eines modernen Rechtsstaats weiter als unwürdig und sind überfüllt (GIZ 1.2015).

Wichtige Aspekte der neuen Verfassung sind die Stärkung der Menschenrechte, eine bessere Repräsentanz von Frauen und eine Justizreform. Der wohl wichtigste Aspekt darin ist, dass der Präsident nicht mehr nach Gutdünken Richterposten besetzen kann, sondern dies einer gewählten Kommission überlassen muss. Damit sollen Nepotismus, Korruption und Willkür eingeschränkt werden (GIZ 1.2015).

Wie die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, Fatou Bensouda, am 5.12.14 erklärte, zog die Anklage die Vorwürfe gegen Kenias amtierenden Präsidenten Uhuru Kenyatta mangels stichhaltiger Beweise zurück. Das Verfahren wurde eingestellt. Zeugen der Anklage hatten ihre ursprünglichen Aussagen zurückgezogen oder waren nicht mehr zu einer Aussage bereit. Bensouda warf Kenias Regierung vor, das Verfahren behindert und Zeugen eingeschüchtert zu haben. Kenyatta waren Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit den Wahlen von 2007 vorgeworfen worden. Damals waren mehr als 1.000 Menschen getötet und 600.000 vertrieben worden. Kenyatta war der erste vor dem IStGH angeklagte amtierende Staatschef (BAMF 8.12.2014).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (6.2014a): Kenia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Kenia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 12.1.2015

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2015): Kenia, Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/kenia/geschichte-staat/, Zugriff 12.1.2015

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (8.12.2014):

Briefing Notes,

http://www.ecoi.net/file_upload/4232_1418114028_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-08-12-2014-deutsch.pdf, Zugriff 12.1.2015

Frauen/Kinder

Die Gleichstellung der Frau ist trotz verhältnismäßig starker Repräsentation in Parlament und Regierung ein viel diskutiertes Thema (AA 6.2014a). Das Gesetz sieht für Männer und Frauen gleiche Rechte vor und verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Jedoch sind Frauen von einer Vielzahl von Diskriminierungen bei ehelichen Rechten, Grundbesitz und Erbrecht betroffen. Das Gesetz kriminalisiert Vergewaltigung, Schändung und Sextourismus. Jedoch erfolgt die Umsetzung weiterhin nur eingeschränkt, und 95% aller sexuellen Delikte werden nicht bei der Polizei gemeldet. Vergewaltigung in der Ehe ist nicht spezifisch verboten. Häusliche Gewalt gegen Frauen ist weit verbreitet, wird aber oft von der Gesellschaft gebilligt und selten in Gerichten behandelt. Die Polizei unterlässt im Allgemeinen Untersuchungen bei Fällen häuslicher Gewalt, die als private Familienangelegenheit erachtet wird. NGOs stellen den Opfern kostenlose rechtliche Unterstützung zur Verfügung. Einem Bericht einer Menschenrechtsorganisation 2010 zufolge berichteten 83% aller Frauen und Mädchen, einmal oder öfter physischer Gewalt ausgesetzt gewesen zu sein (USDOS 27.2.2014).

Alleinerziehende Mütter sind aufgrund allgegenwärtiger Promiskuität in Kenia, speziell in den städtischen Ballungsräumen, eher die Regel und nicht die Ausnahme. Eine alleinstehende Frau mit einem unehelichen Kind in Kenia, so wie auch in vielen anderen Kulturkreisen, steht unter einem gewissen gesellschaftlichen Druck, vor allem in ländlichen Gebieten. Dieser Umstand steht jedoch der Möglichkeit einer selbständigen Bestreitung des Lebensunterhalts nicht entgegen. Auch von einer generellen Ausgrenzung seitens der Bevölkerung kann in keiner Weise gesprochen werden; es gibt in Kenia genügend Ausweichmöglichkeiten, wenn das Leben einer Person aufgrund der familiären Situation an einem bestimmten Ort mit Problemen verbunden ist (ÖB 4.9.2012). Dazu kann noch gesagt werden, dass es im ganzen Land, vor allem aber in den Städten, zahlreiche Organisationen (NGOs oder kirchliche Stellen) gibt, die durchaus Hilfe für Frauen in derartigen Situationen, aber auch bei Zwangsheirat, Beschneidung oder häuslicher Gewalt, anbieten. Zum Phänomen der Zwangsheirat in Kenia ist zu sagen, dass diese noch weit verbreitet ist, wobei vor allem die Töchter nomadisierender Stämme (Masai, Turkana, Samburu etc.) davon betroffen sind. Dennoch sind Zwangsehen nicht nur auf diese Ethnien beschränkt, sondern kommen im ganzen Land vor. Dieses Problem, welches fast ausschließlich minderjährige Mädchen betrifft, wurde vor Jahren von zahlreichen Hilfsorganisationen und kirchlichen Stellen erkannt, die dagegen vorgehen und den betroffenen Mädchen konkrete Hilfestellung anbieten. Auch muss gesagt werden, dass der Staat selbst zusehends strenger gegen dieses Phänomen vorgeht (ÖB 16.9.2011). Führend im Einsatz für Frauenrechte ist der Zusammenschluss kenianischer Anwältinnen FIDA. Der Nationale Frauenrat und die früher eng mit der Regierungspartei KANU verbundene Maendeleo ya Wanawake (Fortschritt für die Frauen) haben dagegen an Einfluss verloren. Zu den großen Themen der Frauenbewegung gehört seit Jahren das unvorstellbare Ausmaß an sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Mädchen, darunter auch die Frage der Vergewaltigung in der Ehe, die in Kenia nicht strafbar ist. Dass Kenias Parlament sich bis heute weigert, Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe zu stellen, ist für Kenias politisch bewusste Frauen ebenso ein Unding wie die noch immer praktizierte Genitalverstümmelung oder der Sextourismus (GIZ 12.2014).

Kenia hat die Afrikanische Charta über die Rechte und das Wohl des Kindes (ACRWC) sowie einige andere internationale und regionale Konventionen ratifiziert, um Kindern maximalen Schutz und maximale Sicherheit zu garantieren. Dennoch bleiben einige Fragen weiterhin ungeklärt; dazu zählen auch klare Richtlinien bezüglich der körperlichen Züchtigung sowohl zuhause als auch in öffentlichen Einrichtungen und das Mindestalter für Heirat und Strafmündigkeit. Tausende kenianischer Kinder leiden unter den Auswirkungen der weit verbreiteten extremen Armut im Land. Obwohl Kenia beträchtliche Anstrengungen unternommen hat, um die Lage der Kinder im Land zu verbessern, ist das Leben für viele von ihnen sehr hart. Eine steigende Zahl von Kindern lebt ohne elterliche Fürsorge oder läuft Gefahr, sie zu verlieren. Schätzungsweise 130.000 Kinder leben in Kenia als Folge von Armut, Vernachlässigung in der Familie und sozialer Diskriminierung auf der Straße. Viele von ihnen werden zur Kinderarbeit und manchmal sogar zu kommerzieller Sexarbeit gezwungen. Derzeit arbeiten ca. 10.000 Kinder im Sexgewerbe, vor allem in den Küstenregionen des Landes. Vielen Kindern bleibt kein anderer Weg als die Prostitution, um überleben zu können. SOS-Kinderdorf Kenia unterstützt Kinder in ihrer familiären Umgebung und in den lokalen Gemeinden (SOS, ohne Datum, vgl. auch: USDOS, 27.2.2014).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (AA 6.2014a): Kenia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Kenia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 12.1.2015

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2014): Kenia, Gesellschaft, http://liportal.giz.de/kenia/gesellschaft/, Zugriff 12.1.2015

-

ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (16.9.2011): Antwort der ÖB Nairobi, per E-Mail

-

ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (4.9.2012): Antwort der ÖB Nairobi, per E-Mail

-

SOS Kinderdorf (ohne Datum): Kenia, http://www.sos-kinderdorf.at/sos-kinderdorf-erleben/wo-wir-arbeiten/international/wo-wir-helfen/afrika/kenia, Zugriff 12.1.2014

-

USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Kenya, http://www.ecoi.net/local_link/270745/400854_de.html, Zugriff 12.1.2015

Bewegungsfreiheit

Die Verfassung und Gesetze gewährleisten Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Die Regierung hält sich im Wesentlichen daran, schränkt aber zunehmend die Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen ein. Die Polizei hält regelmäßig Fahrzeuge an und verlangt oft Bestechungsgelder. Ethnische Somali benötigen eine zusätzliche Identifikation (USDOS, 27.2.2014).

Quellen:

-

USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Kenya, http://www.ecoi.net/local_link/270745/400854_de.html, Zugriff 12.1.2015

Grundversorgung/Wirtschaft

Wenngleich Kenia als typisches Entwicklungsland in Sub-Sahara-Afrika gilt, nimmt das Land dennoch eine herausragende Stellung innerhalb von Ost-Afrika ein. Kenia ist die leistungsfähigste Volkswirtschaft in der EAC (East African Community) mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Höhe von mehr als 44,23 Milliarden US-Dollar (2013). Damit ist seine Volkswirtschaft genauso groß wie die der übrigen EAC-Mitglieder Tansania, Uganda, Burundi und Ruanda zusammen (AA 6.2014c).

Zu den großen Herausforderungen im heutigen Kenia zählen die hohe Arbeitslosenquote, eine erdrückende Armut sowie eine hohe Verbrechensrate. Die Tourismusbranche ist zu einer bedeutenden Einkommensquelle geworden und hat dem Land in den letzten Jahren viele Devisen eingebracht. Die reichhaltige Tierwelt und malerische Landschaften machen Kenia zu einem Ausflugsziel vieler Safaris, die jährlich Tausende ausländischer Besucher anziehen (SOS, ohne Datum). Die Einnahmen, vor allem in der Tourismusbranche, drohen infolge der angespannten Sicherheitslage in 2014 allerdings deutlich zu sinken, die Zahl der Touristen war 2013 mit 1,51 Mio. bereits rückläufig. Rund 50 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze (ca. 25 Prozent müssen mit weniger als 1 US-Dollar pro Tag auskommen). 60 Prozent der Bevölkerung der Hauptstadt Nairobi leben in Slums (AA 6.2014c). Überflutungen und Dürrekatastrophen haben nach wie vor schwere Auswirkungen auf die Versorgung großer Teile der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. Die Halbnomaden sind besonders hart getroffen. Im dürregeplagten Norden gibt es nur selten Zugang zu medizinischer Versorgung, und vielen Familien fehlt es an grundlegenden Dingen wie fließendem Wasser, Abwasserkanälen und sanitären Einrichtungen. Im Jahr 2008 wurde Kenia nach den damaligen Wahlen von einer Welle der Gewalt erschüttert. Die Konflikte kosteten mehr als 1.000 Menschen das Leben und führten zu massiven Vertreibungen. Hunderttausende mussten aus ihren Häusern flüchten, und 75.000 Kinder mussten in über 100 Flüchtlingslagern für intern Vertriebene (IDPs) Zuflucht finden (SOS, ohne Datum).

Die Lebensmittelkosten in Kenia sind landesweit nahezu einheitlich; ihre Besteuerung in den Regionen ist gleich. Die monatlichen Kosten für Lebensmittel, Obst/Gemüse und andere Routineausgaben werden auf rund 10.000 Kes. Geschätzt. Die monatlichen Kosten für Strom (ein Monopol der "Kenya Power and Lighting") liegen bei rund 700 Kes., die Kosten für Wasser werden auf rund 300 Kes. im Monat geschätzt. Die Arbeitslosigkeit in Kenia liegt laut dem Bericht des Kenianischen Büros für Statistik bei etwa 40%. Dies ist u.a. auf die Struktur des Bildungssystems zurückzuführen, dass den Nachwuchs für Arbeitsplätze ausbildet, die es nicht gebe. Zu berücksichtigen sind auch regionale Ungleichheiten. Die unterschiedlichen Entwicklungen in der Stadt und auf dem Land haben zu der Tendenz der Abwanderung vom Land in die Städte geführt (IOM 27.9.2013).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (6.2014c): Kenia - Wirtschaftspolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Kenia/Wirtschaft_node.html, Zugriff 12.1.2015

-

IOM - Internationale Organisation für Migration (27.9.2013):

Anfragebeantwortung ZC163/27.09.2013

-

SOS Kinderdorf (ohne Datum): Kenia, http://www.sos-kinderdorf.at/sos-kinderdorf-erleben/wo-wir-arbeiten/international/wo-wir-helfen/afrika/kenia, Zugriff 12.1.2015

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung im Land ist mit Europa nicht zu vergleichen und entspricht grundsätzlich auch nicht europäischen Standards. Häufig ist sie technisch, apparativ und/oder hygienisch sehr problematisch; vielfach fehlen auch europäisch ausgebildete Ärzte. Die ärztliche Versorgung in Nairobi hingegen ist jedoch ziemlich gut, hier können auch einfache bis mittelschwere Operationen, in ausgewählten aber teuren Privatkrankenhäusern auch komplexe Eingriffe, durchgeführt werden. Laut Schätzungen verfügt rund ein Viertel der Bevölkerung über eine Krankenversicherung, die theoretisch jeder, der eine fixe Anstellung hat, besitzen müsste. Laut Gesetz sollte auch jeder Kenianer in staatlichen Krankenhäusern umsonst bzw. nur um eine geringe Gebühr behandelt werden können, ebenso sollten benötigte Medikamente für solche Personen um vieles billiger als zum Normalpreis zu erhalten sein. Das Kenyatta National Hospital in Nairobi ist dafür die größte und bekannteste Institution, die aber auch immer wieder wegen Finanzierungsproblemen klagt. In der Realität werden diese grundsätzlich positiven Maßnahmen jedoch oft durch Ineffizienz und Korruption konterkariert und viele Menschen werden daher oft nur mangelhaft oder auch gar nicht ärztlich behandelt. Für die Masse der armen Bevölkerung bringen daher die mit einer Behandlung einer Krankheit verbundenen oft hohen Kosten eine (weitere) Verarmung mit sich (ÖB, 19.9.2011).

Von einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung ist Kenia weit entfernt. Auf tausend Bürger kommen gerade mal 0,14 Ärzte. Selbst wenn ein Arzt erreichbar wäre, könnten die meisten ihn nicht bezahlen. Krankenhäuser gibt es nur in den wenigen größeren Städten. In den staatlichen Hospitälern werden Patientinnen und Patienten, die nicht bezahlen können, selbst nach einer Operation kurzerhand vor die Tür gesetzt. In den gut ausgestatteten Privatkrankenhäusern werden Patienten ohne Kreditkarte gar nicht erst zugelassen (GIZ 12.2014).

Die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt ist in Kenia mit 55 Jahren sehr niedrig. Neben der HIV/AIDS-Pandemie, die in Kenia dramatische Ausmaße angenommen hat, sind ansteckende Krankheiten wie Typhus, Hepatitis A und bakterielle Durchfallerkrankungen in Kenia ebenfalls weit verbreitet. Die häufigen Dürreperioden sind die Hauptursache für den ständigen Wassermangel und treiben Millionen Menschen in den Hungertod (SOS, ohne Datum).

Trotz eines robusten Wirtschaftswachstums und der Reformanstrengungen der kenianischen Regierung ist das Gesundheitssystem des Landes nach wie vor unterentwickelt. Die Mehrheit der in Armut lebenden Kenianer ist von einer guten Gesundheitsvorsorge ausgeschlossen. Dies gilt insbesondere für die ländlichen Gebiete, in denen es nur wenige Gesundheitseinrichtungen gibt und wo nur wenige Menschen über genügend Geld für die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen verfügen. Das soziale Sicherungssystem ist unzureichend, und die vorhandenen Gesundheitsleistungen sind oft von geringer Qualität. Hinzu kommen die schlechte Finanzausstattung des Gesundheitswesens und ein ineffizienter Einsatz der vorhandenen Finanzmittel. Kenia hat im Gesundheitssektor mit etlichen Herausforderungen zu kämpfen. Dazu zählen ein ausgeprägter Fachkräftemangel, die Schwierigkeit, Fachkräfte für die Arbeit in entlegenen Regionen zu gewinnen und sie dort zu halten sowie eine dringend benötigte Verbesserung des Leistungsmanagements. Gleichzeitig treibt das Land die Dezentralisierung des Gesundheitswesens voran. Diese grundlegende Veränderung ist das Ergebnis der neuen Verfassung, die 2010 verabschiedet wurde. Die neue Regierung, die aus den Wahlen 2013 hervorgegangen ist, misst der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger große Bedeutung bei und hat etliche weit reichende Maßnahmen zur Reform des Gesundheitssektors auf den Weg gebracht. Dabei hat sie versprochen, in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen neben kostenlosen Basisleistungen auch kostenlose Gesundheitsleistungen für die Entbindung anzubieten (GIZ, ohne Datum).

Quellen:

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (ohne Datum): Kenia - Entwicklung des Gesundheitssektors, http://www.giz.de/de/weltweit/19798.html, Zugriff 12.1.2015

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2014): Kenia, Gesellschaft, http://liportal.giz.de/kenia/gesellschaft/, Zugriff 12.1.2015

-

ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (16.9.2011): Antwort der ÖB Nairobi, per E-Mail

-

SOS Kinderdorf (ohne Datum): Kenia, http://www.sos-kinderdorf.at/sos-kinderdorf-erleben/wo-wir-arbeiten/international/wo-wir-helfen/afrika/kenia, Zugriff 12.1.2015

Behandlung nach Rückkehr

Asylwerber, welche nach Kenia zurückkehren, sind aufgrund der Tatsache, dass sie im Ausland um Asyl angesucht haben, nach Wissen und Informationen der Botschaft keinen Repressionen des Staates ausgesetzt (ÖB, 12.9.2011).

Es gibt in Kenia kein zentrales Melderegister und auch keine Meldepflicht. Es bestehen durchaus Ausweichmöglichkeiten im eigenen Land. Nairobi ist eine Stadt von ca. 6 Mio. Einwohnern, in der es jedem möglich sein sollte, in Anonymität zu leben, sofern dies gewünscht wird (ÖB, 4.9.2012). Es besteht die Möglichkeit, dass sich die Menschen in einer anderen Region des Landes, wo ihre jeweilige ethnische Gruppe dominiert, ohne Probleme niederlassen können. Nach wie vor leben tausende von intern Vertriebenen in Flüchtlingslagern, was vor allem dadurch bedingt ist, dass diese Familien während der Gewalt alles verloren haben und nun warten, von der Regierung Land zu erhalten. Auch gibt es immer wieder Berichte, dass sich Betrüger als IDPs ausgeben, um so zu einem Stück Land zu kommen. Menschenrechtsaktivisten, die sich sehr exponieren, werden von der Botschaft weiterhin bis zu einem gewissen Grad als gefährdet eingeschätzt (ÖB, 12.9.2011).

Quellen:

-

ÖB - Österreichische Botschaft (12.9.2011): Antwort der ÖB Nairobi, per E-Mail

-

ÖB - Österreichische Botschaft (4.9.2012): Antwort der ÖB Nairobi, per E-Mail

Auf Basis einer im angefochtenen Bescheid zitierten

Anfragebeantwortung zu Kenia: 1) Informationen zu Zwangsehen; 2) Informationen zu weiblicher Genitalverstümmelung (FGM) [a-9273] des Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and

Documentation vom 21.07.2015 ist darüber hinaus festzustellen:

1) Informationen zu Zwangsehen

Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Länderbericht zur Menschenrechtslage vom Juni 2015 (Berichtszeitraum 2014), dass bestimmte Gemeinden im Allgemeinen das Vererben von Ehefrauen ("wife inheritance") praktizieren würden. Bei dieser Praxis erbe ein Mann die Witwe seines Bruders oder eines anderen engen Verwandten, ohne Rücksicht auf die Wünsche der Frau zu nehmen. Andere Formen von Zwangsehen seien ebenfalls weit verbreitet gewesen. Ein neues Gesetz habe zudem das Recht von Männern festgeschrieben, mehrere Frauen ohne deren Einwilligung heiraten zu dürfen:

"Certain communities commonly practiced wife inheritance, in which a man inherits the widow of his brother or other close relative, regardless of her wishes. Economically disadvantaged women with limited access to education living outside major cities were more likely to be inherited. Other forced marriages were also common. New legislation codified the right of men to marry multiple women without securing their consent." (USDOS, 25. Juni 2015, Section 6)

Die Medien hätten laut dem USDOS oftmals über das Problem von Kinderehen berichtet, die bei einigen ethnischen Gruppen üblich sei. Während des Berichtsjahres habe das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) eine Studie veröffentlicht, die aufzeige, dass sechs Prozent der Kinder im Alter von 15 Jahren und 26 Prozent im Alter von 18 Jahren verheiratet gewesen seien. Vor einem Alter von 18 Jahren verheiratet zu sein, sei bei Mädchen wahrscheinlicher als bei Jungen gewesen. 43 Prozent der Mädchen und 11,6 Prozent der Jungen unter 18 Jahren seien verheiratet gewesen. Regional gesehen sei in Kilifi mit 47,4 Prozent die Rate von Kinderehen am höchsten gewesen, gefolgt von Homa Bay mit 38 Prozent, Kwale mit 37,9 Prozent, Bondo mit 29,5 Prozent und Tharaka mit 25,3 Prozent. Es habe ein starker Zusammenhang zwischen Armut und Kinderehen bestanden. Laut einem Bericht des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) sei die Zahl der Fälle von Kinderehen während Konflikten oder nach Naturkatastrophen angestiegen, da die Familien versucht hätten, wirtschaftlich von ihren Töchtern zu profitieren oder ihren Töchtern alternative Formen finanzieller Sicherheit zu bieten. Während des Berichtsjahres habe die Nationalversammlung ein neues Ehegesetz verabschiedet, dass die Verlobung oder Verheiratung von Personen unter 18 Jahren verbiete. Allerdings liege nach der Verfassung die Zuständigkeit für muslimisches Ehe- und Familienrecht weiterhin bei den Qadi-Gerichten:

"The media frequently highlighted the problem of child marriage, which was commonly practiced among some ethnic groups. During the year the UN Children's Fund (UNICEF) released a study showing that 6 percent of children were married by age 15, and 26 percent by 18. Girls were more likely than boys to be married below age 18. Forty-three percent of girls and 11.6 percent of boys below age 18 were married. Regionally, Kilifi had the highest prevalence of child marriage at 47.4 percent, followed by Homa Bay at 38 percent, Kwale at 37.9 percent, Bondo at 29.5 percent, and Tharaka at 25.3 percent. There was a strong correlation between poverty and child marriage. A report by the UN Population Fund indicated that child marriage increased during conflicts or after natural disasters, as families sought to benefit economically from or offer alternative financial security for young daughters. During the year the National Assembly passed a new Marriage Act that outlaws engagement, betrothal, or marriage by or to any person under 18 years of age. Under the constitution, however, the qadi courts retains jurisdiction over Muslim marriage and family law." (USDOS, 25. Juni 2015, Section 6)

Freedom House, eine in den USA ansässige NGO, die zu den Themen Demokratie, politische Freiheit und Menschenrechte forscht und sich für diese einsetzt, schreibt im Jänner 2015, dass Präsident Kenyatta im April 2014 ein Gesetz unterzeichnet habe, das zur Konsolidierung der sieben im Land bestehenden Ehegesetze und zur Vereinheitlichung der rechtlichen Definitionen von Ehe und Scheidung führen sollte. Weibliche Abgeordnete hätten während einer hitzigen Debatte über eine Bestimmung, die Polygamie ohne die Zustimmung der existierenden Ehefrauen erlaube, das Parlament verlassen. Befürworter des Gesetzes hätten es aufgrund der Schaffung von rechtlichen Kriterien und Konsequenzen hinsichtlich weitverbreiteter, sich nachteilig auf Frauen auswirkender traditioneller Praktiken gelobt. Jedoch hätten viele Frauenorganisationen das Gesetz aufgrund erheblicher Einschränkungen der Rechte von Frauen kritisiert:

"In April 2014, Kenyatta signed a law intended to consolidate the country's seven existing marriage laws and streamline legal definitions of marriage and divorce. Female legislators walked out of the parliament amid heated debate about a clause that allows polygamy without the consent of existing wives. Advocates of the legislation hailed it for creating legal criteria, and consequences, for widespread customary practices that had been harmful to women. However, many women's groups criticized the law, saying it severely restricted women's rights." (Freedom House, 28. Jänner 2015)

Das gesamte Ehegesetz von 2014 ist unter folgendem Link zu finden:

· The Marriage Act No. 4 of 2014, 6. Mai 2014

http://kenyalaw.org/kl/fileadmin/pdfdownloads/Acts/TheMarriage_Act2014.pdf

Radio Netherlands Worldwide (RNW), der Auslandsdienst des niederländischen Hörfunks, berichtet in einem Artikel vom März 2012 über eine Stammespraxis namens "siebo", nach der junge Mädchen vererbt und gezwungen würden, zu heiraten. Laut RNW sei eine 15-Jährige nach dem Tod ihrer Schwester von ihrem 38-jährigen Schwager nach der siebo-Tradition des Luhya-Stammes "geerbt" worden:

"In Batula, a rural community in western Kenya, a local NGO deals with 12 child marriage cases a week. Some of these cases involve young girls who are inherited and forced to marry by a tribal practice called siebo. [...] When her [Millicent Atieno] older sister died in 2005, this 15-year-old orphan was inherited by her 38-year-old brother-in-law, through a Kenyan Luhya tribe cultural practice known as siebo. She dropped out of school and took on the care of the three children that her sister had left behind." (RNW, 2. März 2012)

Weitere Informationen zu Zwangsehen, insbesondere Kinderehen, finden sich auf den Seiten fünf bis zeh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten