TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/12 W250 2197499-1

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Veröffentlicht am 12.06.2018
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Entscheidungsdatum

12.06.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
BFA-VG §40
B-VG Art.133 Abs4
Dublin III-VO Art.28 Abs2
FPG §76 Abs2 Z2
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs2
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W250 2197499-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT, gegen die Festnahme vom 01.06.2018, die Anhaltung im Rahmen der Festnahme von 01.06.2018, 14.15 Uhr, bis 04.06.2018,

13.55 Uhr, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.06.2018, Zl. XXXX , sowie gegen die fortdauernde Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

I.

1. Die Beschwerde wird insofern, als sie sich gegen die Festnahme und die Anhaltung im Rahmen der Festnahme von 01.06.2018, 14.15 Uhr, bis 02.06.2018, 00.00 Uhr, richtet, gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 40 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

2. Der Beschwerde wird insofern, als sie sich gegen die Anhaltung vom 02.06.2018, 00.00 Uhr, bis 04.06.2018, 13.55 Uhr, richtet, gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 40 BFA-VG stattgegeben und die Anhaltung für rechtswidrig erklärt.

3. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

4. Der Antrag der Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

5. Der Antrag auf Ersatz der Eingabengebühr wird als unzulässig zurückgewiesen.

II.

1. Die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.06.2018, Zl. XXXX , sowie gegen die fortdauernde Anhaltung in Schubhaft wird gemäß Artikel 28 Abs. 2 der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

2. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm Artikel 28 Abs. 2 der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

3. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

4. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

5. Der Antrag auf Ersatz der Eingabengebühr wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) stellte am 13.10.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Bei seiner am 13.10.2017 durchgeführten Erstbefragung gab er an, dass er Staatsangehöriger Nigerias sei, zwar einen Reisepass besessen zu haben, diesen jedoch in Libyen verloren habe. Er habe sich vier Jahre in Italien aufgehalten, habe dort jedoch keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Italien habe er verlassen, da das Leben dort schwierig sei.

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der BF bereits am 25.06.2013 in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte. In dem am 19.10.2017 eingeleiteten Konsultationsverfahren nach den Bestimmungen der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) antwortete Italien auf das Übernahmeersuchen Österreichs nicht. Österreich teilte daher Italien am 03.11.2017 mit, dass die Zuständigkeit auf Italien übergegangen sei.

2. Bereits ab 27.10.2017 war der BF aus seinem Grundversorgungsquartier abgängig und wurde am 31.10.2017 mit Wirkung vom 27.10.2017 aus seinem Grundversorgungsquartier abgemeldet.

Eine Ladung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) für den 13.11.2017 konnte dem BF nicht zugestellt werden, da sein Aufenthaltsort unbekannt war.

3. Mit Schreiben vom 10.11.2017 teilte das Bundesamt der italienischen Dublinbehörde mit, dass sich die Überstellungsfrist auf 12 Monate verlängert habe, da der Aufenthaltsort des BF unbekannt sei.

4. Ab 01.12.2017 verfügte der BF über eine Meldeadresse bei einer Obdachloseneinrichtung. Dort konnte ihm am 26.01.2018 eine Ladung des Bundesamtes für den 02.02.2018 zugestellt werden. Zum Ladungstermin am 02.02.2018 erschien der BF nicht. Am 05.02.2018 übermittelte er eine ärztliche Bestätigung an das Bundesamt, wonach er vom 02.02.2018 bis 09.02.2018 wegen Gastritis, Cervicalsyndrom und Cephalea arbeitsunfähig sei.

5. Am 20.02.2018 wurde dem BF eine neuerliche Ladung für den 22.02.2018 zugestellt. Bei seiner Einvernahme am 22.02.2018 gab er im Wesentlichen an, dass er nicht in ärztlicher Behandlung sei, jedoch Medikamente wegen Magen- und Kopfschmerzen einnehme. Welche Magenprobleme er genau habe, könne er nicht angeben, der Arzt habe jedoch gemeint, er solle Schmerztabletten einnehmen. Bezüglich seiner Kopfschmerzen gehe es ihm schon viel besser. In Italien sei er einvernommen worden und glaube, dass er eine Entscheidung erhalten habe. Nach Italien wolle er nicht zurückkehren, da er dort dieselben Asylgründe wie in Österreich habe. In Österreich habe er seit sechs Monaten eine Freundin, bei der er seit einem Monat wohne. Die Adresse könne er nicht angeben.

6. Am 27.02.2018 wurde das Bundesamt davon verständigt, dass sich der BF seit 26.02.2018 in Untersuchungshaft befinde.

7. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28.02.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 13.10.2017 wegen Nichtzuständigkeit Österreichs zurückgewiesen und festgestellt, dass Italien für das Asylverfahren zuständig ist. Gleichzeitig wurde eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Italien zulässig ist. Die dagegen erhobene Beschwerde langte am 19.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Das Bundesverwaltungsgericht erkannte der Beschwerde bisher die aufschiebende Wirkung nicht zu.

8. Der BF befand sich ab 26.02.2018 in Untersuchungshaft und wurde mit Urteil eines Landesgerichtes vom 23.04.2018, rechtskräftig am 27.04.2018, nach § 27 Abs. 2a 2. Fall und Abs. 3 Suchtmittelgesetz in Verbindung mit § 15 Strafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, wovon acht Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren nachgesehen wurden, verurteilt. Eine Ausfertigung des Urteils wurde am 03.05.2018 an das Bundesamt übermittelt.

9. Am 06.04.2018 erließ das Bundesamt einen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG, da gegen den BF ein Auftrag zur Abschiebung erlassen werden sollte.

10. Das Bundesamt bereitete am 18.05.2018 die Überstellung des BF nach Italien für den 28.06.2018 vor, da dem Bundesamt von jener Justizanstalt, in welcher die Strafhaft des BF vollzogen wurde, mitgeteilt wurde, dass der BF am 26.06.2018 aus der Strafhaft entlassen werde.

11. Am 01.06.2018 wurde das Bundesamt von der Justizanstalt darüber informiert, dass der BF noch am 01.06.2018 bedingt aus der Strafhaft entlassen werde.

12. Der BF wurde auf Grund des Festnahmeauftrags vom 06.04.2018 am 01.06.2018 um 14.15 Uhr von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach seiner Entlassung aus der Strafhaft festgenommen und über die Gründe der Festnahme informiert. Es wurde ihm ein Informationsblatt für Festgenommene in englischer Sprache ausgefolgt.

Das Bundesamt wurde über die Vollstreckung des Festnahmeauftrages in Kenntnis gesetzt.

13. Am 04.06.2018 um 13.55 Uhr wurde der BF vom Bundesamt unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Englisch zur Prüfung der Anordnung der Schubhaft einvernommen. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, dass er sich nicht in ärztlicher Behandlung befinde und keine Medikamente einnehme. Identitätsbezeugende Dokumente besitze er nicht, er habe keine Angehörigen in Österreich, sei ledig und verfüge über ca. EUR 30,--. An seiner ehemaligen Meldeadresse befänden sich seine persönlichen Sachen, die Adresse wisse er jedoch nicht. Eine aktuelle Meldeadresse habe er nicht. Er habe derzeit keine Beschäftigung und wolle freigelassen werden, um selbstständig nach Italien auszureisen.

14. Mit Mandatsbescheid vom 04.06.2018 wurde über den BF gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 - Dublin-III-VO in Verbindung mit § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass auf Grund des bisherigen Verhaltens des BF Sicherungsbedarf bestehe. Er habe sich seinem Asylverfahren in Italien entzogen, sei unrechtmäßig nach Österreich eingereist und habe hier einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, obwohl er gewusst habe, dass Italien für sein Asylverfahren zuständig sei. Seiner Ausreiseverpflichtung auf Grund des Bescheides des Bundesamtes vom 28.02.2018 sei er nicht nachgekommen. Außerdem sei er straffällig geworden. Der BF sei in Österreich weder familiär, sozial oder beruflich verankert und verfüge über keinen Wohnsitz. Auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 2, 6 und 9 FPG liege Fluchtgefahr vor.

Auf Grund der familiären Verhältnisse des BF und seiner strafgerichtlichen Verurteilung sei die Anordnung der Schubhaft verhältnismäßig und könne mit der Anordnung eines gelinderen Mittels nicht das Auslangen gefunden werden.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 04.06.2018 durch persönliche Übernahme zugestellt.

15. Am 06.06.2018 erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter Beschwerde gegen die Festnahme vom 01.06.2018, seine Anhaltung bis 04.06.2018 und gegen seine Anhaltung in Schubhaft seit 04.06.2018. Begründend führte der BF aus, dass das Bundesamt gemäß § 80 Abs. 1 FPG verpflichtet sei, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauere. Gemäß Art. 4 Abs. 6 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit sei jeder Festgenommene ehestens, womöglich bei seiner Festnahme, in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme und die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zu unterrichten. Der BF hätte daher bereits bei seiner Entlassung aus der Strafhaft am 01.06.2018 nach Italien überstellt werden müssen. Es gebe keinen Grund für seine Festnahme am 01.06.2018 und seine Anhaltung seither. Es sei für ihn völlig unverständlich, weshalb er erst am 04.06.2018 im Schubhaftverfahren einvernommen worden sei. Die entsprechende Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts erkenne es für notwendig, dass die Einvernahme innerhalb kurzer Frist zu erfolgen habe. Der BF hätte daher zumindest bis zum Abend des 01.06.2018 einvernommen werden müssen. Auch die Erlassung des Schubhaftbescheides sei rechtswidrig, wenn bedacht werde, dass kein Grund ersichtlich sei, weshalb die Überstellung nach Italien erst am 28.06.2018 stattfinden solle.

Der BF beantragte die Rechtswidrigkeit der Festnahme, der überlangen Anhaltung bis zur Bescheiderlassung am 04.06.2018 und des Schubhaftbescheides vom 04.06.2018 festzustellen und festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Darüber hinaus beantragte der BF Kostenersatz für den Aufwandersatz im gesetzlichen Umfang und für die Eingabengebühr, welche als ersatzfähige Barauslage gemäß § 35 Abs. 4 Z. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz anzusehen sei.

16. Das Bundesamt legte am 07.06.2018 den Verwaltungsakt vor und beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und den BF zum Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes der belangten Behörde zu verpflichten.

Nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht nahm das Bundesamt am 07.06.2018 zum gegenständlichen Verfahren Stellung. Dabei wurde im Wesentlichen mitgeteilt, dass am 18.05.2018 die Überstellung des BF nach Italien für den 28.06.2018 vorbereitet worden sei, da von der Justizanstalt mitgeteilt worden sei, dass der BF am 26.06.2018 aus der Strafhaft entlassen werde. Von der bedingten Entlassung des BF am 01.06.2018 sei das Bundesamt weniger als eine Stunde vor der tatsächlichen Entlassung des BF in Kenntnis gesetzt worden. Es sei nicht möglich gewesen, einen früheren Überstellungstermin für den BF zu organisieren, da eine Überstellung an Italien 7 Werktage davor anzukündigen sei und auf Grund der hohen Anzahl an Überstellungen nach Italien es nicht möglich gewesen sei, einen früheren Überstellungstermin zu finden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang

Der unter I.1. bis I.16. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

Insbesondere wird folgendes festgestellt:

1.1. Der BF befand sich ab 26.02.2018 in Untersuchungshaft und wurde mit Urteil eines Landesgerichtes vom 23.04.2018, welches am 27.04.2018 in Rechtskraft erwuchs, zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt, wovon acht Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Dem Bundesamt wurde von jener Justizanstalt, in welcher die Strafhaft des BF vollzogen wurde, mitgeteilt, dass der BF am 26.06.2018 aus der Strafhaft entlassen werde.

1.2. Das Bundesamt erließ am 06.04.2018 einen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z. 3 BFA-VG, da gegen den BF ein Auftrag zur Abschiebung erlassen werden sollte.

1.3. Das Bundesamt bereitete am 18.05.2018 die Überstellung des BF nach Italien für den 28.06.2018 vor. Das dafür erforderliche Laissez-Passer Dokument wurde vom Bundesamt am 17.05.2018 ausgestellt.

1.4. Am 01.06.2018 wurde der BF um 14.15 Uhr bedingt aus der Strafhaft entlassen. Das Bundesamt wurde weniger als eine Stunde vor der bedingten Entlassung des BF von diesem Umstand in Kenntnis gesetzt.

1.5. Der BF wurde am 01.06.2018 um 14.15 Uhr auf Grund des Festnahmeauftrages vom 06.04.2018 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen und anschließend angehalten. Er wurde über die Gründe der Festnahme informiert, das Informationsblatt für Festgenommene in englischer Sprache wurde dem BF ausgefolgt. Seine Einvernahme durch das Bundesamt fand am 04.06.2018, 13.55 Uhr statt. Am 04.06.2018, 14.15 Uhr, wurde über den BF Schubhaft angeordnet.

1.6. Da eine Überstellung nach Italien den italienischen Behörden 7 Werktage davor anzukündigen ist und es für das Bundesamt auf Grund der hohen Anzahl an Überstellungen nach Italien nicht möglich war, einen früheren Überstellungstermin nach Italien zu organisieren, ist die Überstellung des BF nach Italien weiterhin für den 28.06.2018 vorgesehen.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der BF verfügt über keine Dokumente, die seine Identität bezeugen, insbesondere besitzt er kein Reisedokument. Der BF gibt an, nigerianischer Staatsangehöriger zu sein, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Es bestehen keine Zweifel daran, dass der BF volljährig ist. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Der BF wurde mit Urteil eines Landesgerichtes vom 23.04.2018, rechtskräftig am 27.04.2018, nach § 27 Abs. 2a 2. Fall und Abs. 3 Suchtmittelgesetz in Verbindung mit § 15 Strafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, wovon acht Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren nachgesehen wurden, verurteilt. Der Verurteilung liegen Straftaten zu Grunde, die der BF am 23.02.2018 und 26.02.2018 begangen hat. Er wurde für schuldig erkannt, sich durch den gewinnbringenden Suchtgiftverkauf im Straßenhandel und durch die wiederkehrende Begehung der Tat längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen.

2.3. Der BF befindet sich nicht in ärztlicher Behandlung und nimmt keine Medikamente ein. Er ist haftfähig.

2.4. Der BF wird seit 04.06.2018 in Schubhaft angehalten.

2.5. Für die Führung des Asylverfahrens des BF ist Italien zuständig. Aus dem Akt ergeben sich keine Gründe, die gegen eine Überstellung des BF nach Italien sprechen, seine Überstellung nach Italien ist für den 28.06.2018 organisiert und vorbereitet.

3. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

3.1. Der BF stellte am 25.06.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz in Italien und am 13.10.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

3.2. Der BF verschwieg bei seiner Einvernahme am 13.10.2017, dass er in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte.

3.3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28.02.2018 wurde den BF betreffend eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Italien zulässig ist. Die Unterschrift zur Bestätigung der Übernahme dieses Bescheides verweigerte der BF. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde langte am 19.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein, die aufschiebende Wirkung wurde der Beschwerde bisher nicht zuerkannt.

3.4. Der BF entzog sich seinem Asylverfahren in Österreich und wurde bereits am 31.10.2017 mit Wirkung vom 27.10.2017 von seinem Grundversorgungsquartier abgemeldet. Die Zustellung einer Ladung des Bundesamtes für den 13.11.2017 war wegen des unbekannten Aufenthaltes des BF nicht möglich.

3.5. Der BF entzog sich seinem Asylverfahren bzw. seiner Abschiebung in Italien und reiste unrechtmäßig nach Österreich ein.

3.6. In Österreich leben keine Familienangehörigen des BF. Über ein nennenswertes soziales Netz verfügt der BF in Österreich nicht.

3.7. Der BF geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und besitzt keine eigenen finanziellen Mittel zur Existenzsicherung.

3.8. Der BF verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz in Österreich.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. 2189659-1, die Beschwerde des BF gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 14.03.2018 betreffend, in den vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister, in das Strafregister sowie in das Grundversorgungs-Informationssystem.

1. Zum Verfahrensgang sowie zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. 2189659-1 die Beschwerde des BF gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 28.02.2018 betreffend.

1.1. Die Feststellungen zur Anordnung der Untersuchungshaft, der strafgerichtlichen Verurteilung und der Verständigung des Bundesamtes darüber beruhen auf dem Akt des Bundesamtes und dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. 2189659-1 die Beschwerde des BF gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 28.02.2018 betreffend.

1.2. Dass das Bundesamt am 06.04.2018 einen Festnahmeauftrag den BF betreffend erlassen hat, steht auf Grund der im Akt des Bundesamtes einliegenden Ausfertigung dieses Festnahmeauftrages fest.

1.3. Die Feststellungen dazu, dass das Bundesamt am 18.05.2018 die Überstellung des BF nach Italien für den 28.06.2018 vorbereitet hatte, ergibt sich aus den Angaben des Bundesamtes in der Stellungnahme vom 07.06.2018 und der im Zentralen Fremdenregister vermerkten Ausstellung eines Laissez-Passer Dokumentes am 17.05.2018.

1.4. Dass der BF am 01.06.2018 bedingt aus der Strafhaft entlassen wurde und das Bundesamt weniger als eine Stunde vor der Haftentlassung über diesen Umstand in Kenntnis gesetzt wurde, ergibt sich aus der Stellungnahme des Bundesamtes vom 07.06.2018.

1.5. Die Feststellungen zum Zeitpunkt und den Modalitäten der Festnahme gründen sich auf den diesbezüglichen Bericht der betreffenden Landespolizeidirektion vom 01.06.2018. Diesem Bericht ist insbesondere zu entnehmen, dass der BF über die Gründe der Festnahme informiert und ihm ein Informationsblatt in Englischer Sprache ausgefolgt wurden. Der Zeitpunkt des Beginns seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 04.06.2018 steht auf Grund der Angaben im diesbezüglichen Protokoll fest, der Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft ergibt sich aus der Zeitangabe auf der vom BF unterfertigten Übernahmebestätigung des Schubhaftbescheides. Dass der BF zwischen seiner Festnahme und seiner Einvernahme am 04.06.2018 zu einem früheren Zeitpunkt einvernommen worden wäre ist dem Akt nicht zu entnehmen, auch das Bundesamt machte weder im angefochtenen Bescheid noch in seiner Stellungnahme derartige Angaben.

1.6. Die Feststellungen zu den besonderen Umständen, die die Anordnung von Schubhaft nach Entlassung des BF aus der Strafhaft erforderlich machten, gründen sich auf die schlüssige und nachvollziehbare Stellungnahme des Bundesamtes vom 07.06.2018. Ebenso steht auf Grund dieser Stellungnahme fest, dass der BF am 28.06.2018 nach Italien überstellt werden soll.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Dass der BF über keine Dokumente verfügt, die seine Identität belegen, ergibt sich aus seinen Angaben im Asylverfahren. So gab er bereits in der Erstbefragung am 13.10.2017 an, dass er seinen Reisepass in Libyen verloren habe. Dass er behauptet, nigerianischer Staatsbürger zu sein, ergibt sich aus den Protokollen der Erstbefragung sowie der Einvernahme vor dem Bundesamt im Asylverfahren. Im Akt finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der BF österreichischer Staatsbürger, Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist.

2.2. Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister und der im Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. 2189659-1 einliegenden Ausfertigung des Urteils.

2.3. Dass sich der BF nicht in ärztlicher Behandlung befindet und keine Medikamente einnimmt, ergibt sich aus seiner Einvernahme vom 04.06.2018. In dieser Einvernahme macht er ausdrücklich keine gesundheitlichen Beschwerden geltend.

2.4. Dass der BF seit 04.06.2018 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes und der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

2.5. Die Feststellung, wonach Italien für die Prüfung des Asylantrages des BF zuständig ist, ergibt sich aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. 2189659-1, in welchem zum einen das Übernahmeersuchen Österreichs entsprechend der Dublin-III-VO enthalten ist, das am 19.10.2018 vom Bundesamt an die italienische Dublin-Behörde übermittelt wurde, und zum anderen das Schreiben des Bundesamtes vom 03.11.2017 an die italienische Dublin-Behörde einliegt, mit dem mitgeteilt wurde, dass auf Grund Verfristung die Zuständigkeit Italiens gegeben ist. In den Akten findet sich kein Hinweis, dass die Überstellung des BF nach Italien nicht möglich ist. Insbesondere ist im Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. 2189659-1 das Schreibend des Bundesamtes an die italienische Dublin-Behörde enthalten, mit dem am 10.11.2017 mitgeteilt wurde, dass sich die Überstellungsfrist wegen unbekannten Aufenthaltes des BF auf zwölf Monate verlängert habe.

3. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

3.1. Der Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz in Österreich ergibt sich aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. 2189659-1, jener den Asylantrag in Italien betreffend aus dem im Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. 2189659-1, enthaltenen Ergebnisbericht zum Eurodac Abgleich vom 13.10.2017.

3.2. In seiner Erstbefragung am 13.10.2017 gab der BF auf die Frage, ob er in einem anderen Land um Asyl angesucht habe, an, dass er in Italien nicht um Asyl angesucht habe, dass ihm aber die Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Er wolle in Italien keinen Asylantrag stellen. Das Protokoll der Erstbefragung befindet sich im Akt des Bundesamtes zu Zl 2189659-1. Da sich aus dem Eurdac Abgleich vom 13.10.2017 jedoch auf Grund der Eurdac-ID zweifelsfrei ergibt, dass der BF am 25.06.2013 in Rom einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, steht fest, dass der BF die Tatsache, dass er in Italien um Asyl angesucht hat, bei seiner Erstbefragung verschwiegen hat.

3.3. Die Feststellungen zum Bescheid des Bundesamtes vom 28.02.2018 den Asylantrag des BF vom 13.10.2017 betreffend ergeben sich ebenso aus der Einsichtnahme in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. 2189659-1 wie die Feststellungen zum Zeitpunkt des Einlangens der Beschwerde gegen diesen Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht und der Tatsache, dass bisher dieser Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt wurde. Im Akt des Bundesamtes zu Zl. 2189659-1 befindet sich auch die Übernahmebestätigung des genannten Bescheides, auf der vermerkt ist, dass der BF die Unterfertigung dieser Bestätigung verweigert hat.

3.4. Dass sich der BF seinem Asylverfahren in Österreich entzogen hat, steht auf Grund der Einsichtnahme in das Grundversorgungs-Informationssystem fest, wonach der BF am 31.10.2017 wegen unbekannten Aufenthaltes mit Wirkung vom 27.10.2017 aus seinem Grundversorgungsquartier abgemeldet wurde. Untermauert wird diese Feststellung dadurch, dass es dem Bundesamt nicht möglich war, dem BF am 07.11.2017 eine Ladung für den 13.11.2017 zuzustellen.

3.5. Dass sich der BF seinem Asylverfahren bzw. seiner Abschiebung in Italien entzogen hat, ergibt sich daraus, dass er bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 22.02.2018 angegeben hat, dass er in Italien einvernommen worden sei und glaube eine Entscheidung zugestellt bekommen zu haben. Auf Grund dieser vagen Angaben und der Tatsache, dass er bei der Erstbefragung falsche Angaben zu seinem Asylantrag in Italien gemacht hat, steht fest, dass er sich seinem Verfahren bzw. seiner Abschiebung in Italien entzogen hat. Seine Einreise nach Österreich war insofern unrechtmäßig, als er - wie er selbst in seinem Asylverfahren angab - über kein Reisedokument verfügte.

3.6. Dass sich in Österreich keine Familienangehörigen des BF befinden ergibt sich aus seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 04.06.2018. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 22.02.2018 nannte er zwar eine Freundin, bei der er seit einem Monat gewohnt habe. Der BF war am 22.02.2018 jedoch nicht in der Lage, die Adresse seiner Freundin zu nennen und Angaben zu ihrem Aufenthaltsstatus zu machen, obwohl er behauptete seit 6 Monaten mit ihr befreundet zu sein. In seiner Einvernahme vom 04.06.2018 erwähnte er diese Freundin mit keinem Wort und gab an, dass sich seine persönlichen Sachen an seiner letzten Meldeadresse - einer Obdachloseneinrichtung - befänden. Es konnte auf Grund dieser vagen und teils widersprüchlichen Angaben nicht festgestellt werden, dass der BF über ein nennenswertes soziales Netz in Österreich verfügt.

3.7. Die Feststellungen zur mangelnden Erwerbstätigkeit, den finanziellen Mitteln und dem nicht vorhandenen eigenen Wohnsitz ergeben sich aus den Angaben des BF in seiner Einvernahme vom 04.06.2018.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A.I. - Spruchpunkte 1. und 2. - Festnahme und Anhaltung nach Festnahme

§ 34 BFA-VG lautet:

"Festnahmeauftrag

§ 34. (1) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden anordnen (Festnahmeauftrag), wenn dieser

1. Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt, oder

2. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden auch ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides anordnen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorliegen und

1. der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, nicht Folge geleistet hat oder

2. der Aufenthalt des Fremden nicht festgestellt werden konnte.

(3) Ein Festnahmeauftrag kann gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,

1. wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt;

2. wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§§ 52 Abs. 8 und 70 Abs. 1 FPG) nicht nachgekommen ist;

3. wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll oder

4. wenn eine aufgrund eines Bescheides gemäß § 46 Abs. 2b FPG erlassene Vollstreckungsverfügung nicht vollzogen werden konnte oder der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung gemäß § 46 Abs. 2b FPG, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, zur Befragung zur Klärung seiner Identität und Herkunft, insbesondere zum Zweck der Einholung einer Bewilligung gemäß § 46 Abs. 2a FPG bei der zuständigen ausländischen Behörde durch die Behörde, nicht Folge geleistet hat.

(4) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Asylwerbers anordnen, wenn er sich dem Verfahren entzogen hat (§ 24 Abs. 1 AsylG 2005).

(5) Der Festnahmeauftrag ergeht in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrages darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden.

(6) In den Fällen der Abs. 1 bis 4 ist dem Beteiligten auf sein Verlangen sogleich oder binnen der nächsten 24 Stunden eine Durchschrift des Festnahmeauftrages zuzustellen.

(7) Die Anhaltung eines Fremden, gegen den ein Festnahmeauftrag erlassen wurde, ist dem Bundesamt unverzüglich anzuzeigen. Dieses hat mitzuteilen, ob der Fremde in eine Erstaufnahmestelle oder Regionaldirektion vorzuführen ist.

(8) Ein Festnahmeauftrag ist zu widerrufen, wenn

1. das Verfahren zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten eingestellt wurde und die Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr zulässig ist (§ 24 Abs. 2 AsylG 2005) oder

2. der Asylwerber aus eigenem dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht seinen Aufenthaltsort bekannt gibt und nicht auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er werde sich wieder dem Verfahren entziehen.

(9) Das Bundesamt hat die Erlassung und den Widerruf eines Festnahmeauftrags den Landespolizeidirektionen bekannt zu geben."

§§ 40 und 41 BFA-VG lauten:

"Festnahme

§ 40. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,

1. gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,

2. wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt oder

3. der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Asylwerber oder Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, wenn

1. dieser Fremde nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist,

2. gegen diesen eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde,

3. gegen diesen nach § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde,

4. gegen diesen vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde oder

5. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

(3) In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann die Festnahme unterbleiben, wenn gewährleistet ist, dass der Fremde das Bundesgebiet unverzüglich über eine Außengrenze verlässt.

(4) Das Bundesamt ist ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 bis zu 48 Stunden und in den Fällen des Abs. 1 Z 1 bis zu 72 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß § 77 Abs. 5 FPG oder in Schubhaft gemäß § 76 FPG möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen.

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2015)

(6) Während der Zulässigkeit der Sicherung der Zurückweisung im Flughafenverfahren sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, zu verhindern, dass ein zurückgewiesener Asylwerber in das Bundesgebiet einreist, soweit es ihm nicht gestattet ist.

Rechte des Festgenommenen

§ 41. (1) Jeder gemäß § 40 Abs. 1 und 2 Festgenommene ist ehestens in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme zu unterrichten.

(2) Auf Verlangen eines solchen Festgenommenen ist die konsularische Vertretung seines Heimatstaates unverzüglich von seiner Anhaltung zu unterrichten. § 36 Abs. 4 VStG und § 47 SPG gelten."

Das Bundesamt erließ am 06.04.2018 gemäß § 34 Abs. 3 Z. 3 BFA-VG einen Festnahmeauftrag den BF betreffend, da beabsichtigt war, die Abschiebung des BF anzuordnen. Der BF wurde am 01.06.2018 um 14.15 Uhr auf Grund dieses Festnahmeauftrages des Bundesamtes festgenommen und über die Gründe seiner Festnahme in Kenntnis gesetzt. Das Bundesamt wurde von der erfolgten Festnahme unverzüglich verständigt und der BF in ein Polizeianhaltezentrum eingeliefert.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 34 Abs. 3 Z. 3 BFA-VG eine geplante Abschiebung genügt (vgl. VwGH vom 29.06.2017, Ra 2017/20/0005).

Da der BF entsprechend dem ordnungsgemäß erlassenen Festnahmeauftrag des Bundesamtes festgenommen wurde und sämtliche Voraussetzungen für die Festnahme des BF erfüllt wurden, war die diesbezügliche Beschwerde abzuweisen.

Die Dauer der Anhaltung nach Festnahme ist grundsätzlich mit 48 Stunden, im Falle eines behördlichen Festnahmeauftrages mit 72 Stunden, begrenzt. Im Hinblick auf das Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit ist für die Berechnung der Dauer - auch bei einer allfälligen Änderung des Anhaltegrundes - immer vom Zeitpunkt der ursprünglichen Festnahme auszugehen (Schmalzl in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht, § 40 BFA-VG).

In der Beschwerde wurde geltend gemacht, dass die Anhaltung ungebührlich lange gedauert habe, und dies im Wesentlichen damit begründet, dass kein Grund erkannt werden könne, wieso eine Einvernahme des BF nicht noch am Tag der Festnahme erfolgen habe können.

Der BF wurde am 01.06.2018 um 14.15 Uhr durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 40 Abs. 1 Z. 1 iVm § 34 Abs. 3 Z. 3 BFA-VG festgenommen und bis zur Einvernahme durch das Bundesamt am 04.06.2018 um 13.55 Uhr angehalten.

Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen des § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG gemäß § 40 Abs. 4 BFA-VG bis zu 72 Stunden zulässig. Dabei handelt es sich aber - wie bei § 39 FPG (vgl. VwGH vom 12.09.2013, 2012/21/0204) - um eine Maximalfrist. (Auch) im Bereich fremdenpolizeilicher Festnahmen ist die Behörde schon aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet, die Anhaltedauer so kurz als möglich zu halten und im Interesse einer kurzen Haftdauer die dafür notwendigen und ihr zumutbaren organisatorischen und personellen Maßnahmen zu treffen.

Laut ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dürfen die Anforderungen an die Zumutbarkeit der organisatorischen Einrichtungen an die Behörde nicht überspannt werden (vgl. etwa VfGH 17.06.1987, Zl. B 491/86, VfGH 27.09.1988, Zl. B 1321/87). Der Verwaltungsgerichtshof kam hinsichtlich einer strafprozessualen Festnahme zum Ergebnis, dass die Einvernahme eines vor 22.00 Uhr Festgenommenen - jedenfalls im großstädtischen Bereich - regelmäßig bis spätestens Mitternacht zu erfolgen habe (VwGH vom 29.06.2000, 96/01/1071, VwGH vom 12.09.2013, 2012/21/0204, VwGH vom 17.11.2016, Ra 2016/21/0068). Der Verwaltungsgerichtshof anerkennt, dass es in Fällen, in denen die notwendige Beiziehung eines Dolmetschers auf Schwierigkeiten stößt, ausnahmsweise zu einer längeren Anhaltung kommen kann, wobei die Kontaktaufnahme mit einem Dolmetscher bereits kurz nach der Festnahme geboten und ein Zuwarten von drei Stunden nicht nachvollziehbar sei (vgl. VwGH vom 12.09.2013, 2012/21/0204).

Das Vorbringen des BF in seiner Beschwerde, hinsichtlich der unverhältnismäßig langen Dauer seiner Anhaltung auf Grund der Festnahme erscheinen - unter Einbeziehung der bisher zitierten Judikatur - nicht unbegründet. Hinzu kommt, dass die Hinauszögerung der Einvernahme bis fast zum Ablauf der gesetzlich möglichen Maximalfrist von 72 Stunden nach der Aktenlage in keiner Weise begründet ist. Auch in der Stellungnahme des Bundesamtes zur gegenständlichen Beschwerde wurde den diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde argumentativ nichts entgegengehalten. So wurden etwa auch keine Probleme bei der Bestellung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Englisch geltend gemacht.

Somit ist kein Grund ersichtlich, warum die Einvernahme nicht bereits am 01.06.2018 hätte stattfinden können. Es ist weder ein objektiver Grund für diese Verzögerung ersichtlich, noch ein Bemühen der Behörde um eine raschest mögliche Einvernahme, wie beispielsweise die unverzügliche Veranlassung der Bestellung eines Dolmetschers, erkennbar. Vielmehr hätte die belangte Behörde schon mit Wissen der baldigen Einlieferung des Beschwerdeführers ab dem Zeitpunkt der Festnahme für eine zeitnahe Einvernahme samt Beigabe eines Dolmetschers Vorkehrungen treffen können.

Somit erweist sich die Anhaltung aufgrund der Festnahme ab dem 02.06.2018, 00.00 Uhr bis 04.06.2018, 13.55 Uhr als unverhältnismäßig und war dem Beschwerdevorbringen spruchgemäß stattzugeben.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich jedoch nicht, dass eine rechtswidrige längere Anhaltung bis zur Einvernahme rückwirkend im Rahmen einer ex-post-Betrachtung die gesamte Anhaltedauer bereits ab dem Zeitpunkt der Festnahme für rechtswidrig erklärt. Vielmehr kann der Beginn der rechtswidrigen Anhaltung erst in dem Zeitpunkt liegen, zu dem eine Einvernahme entsprechend der einschlägigen Judikatur spätestens hätte stattfinden müssen.

Die Beschwerde gegen die Anhaltung im Zuge der Festnahme am 01.06.2018 war daher hinsichtlich des Anhaltezeitraumes bis 02.06.2017, 00.00 Uhr, als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchteil A.II. - Spruchpunkt 1. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.2.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Gemäß Art. 28 Dublin III-VO dürfen die Mitgliedstaaten zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird. Die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs darf, wenn der Asylwerber in Haft ist, einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Dublin-Verfahren führt, ersucht in diesen Fällen um eine dringende Antwort, die spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs erfolgen muss. Die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt, sobald diese praktisch durchführbar ist, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten.

"Fluchtgefahr" definiert Art. 2 lit. n Dublin III-VO als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

§ 80 Abs. 1 FPG lautet:

"§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann."

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebra

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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