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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BAO §111 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger. Mag. Heinzl, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der H J in G, vertreten durch Dr. Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 12. Oktober 1995, 294/1-10/Zö-1995, betreffend Verhängung einer Zwangsstrafe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin betrieb in Le eine Apotheke sowie für ein halbes Jahr im selben Ort einen Filialbetrieb.
Im Juli 1994 versuchte der vom Finanzamt Linz mit einem Prüfungsauftrag bestellte Organwalter (idF: Prüfer) mit der Beschwerdeführerin einen Termin für die Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung zu vereinbaren. Die Beschwerdeführerin erklärte jedoch, der vom Prüfer vorgeschlagene Termin sei ungelegen, weil zu dieser Zeit eine Übersiedlung des im Obergeschoß befindlichen Betriebes in das Erdgeschoß erfolgen würde. Sie ersuchte, die abgabenbehördliche Prüfung erst Ende September 1994 durchzuführen. Die Buchhaltungsunterlagen befänden sich bei ihrem Steuerberater (idF nur: Steuerberater) in Wien.
Nachdem der Prüfer Anfang Oktober 1994 neuerlich vergeblich versucht hatte, mit der Beschwerdeführerin einen Termin für die Durchführung der abgabenbehördlichen Prüfung zu vereinbaren, meldete sich der Steuerberater telefonisch beim Prüfer und gab bekannt, das Einzelunternehmen der Beschwerdeführerin sei per 1. Jänner 1994 in eine OHG eingebracht worden. Für die OHG sei Frau Mag. F allein vertretungsbefugt. Die Beschwerdeführerin betreibe nunmehr in P in Niederösterreich ein Einzelunternehmen. Die Unterlagen für die zu prüfenden Jahre 1990 bis 1992 befänden sich in seiner Kanzlei in Wien. Die abgabenbehördliche Prüfung könne ausschließlich in Wien stattfinden, weil er nicht gewillt sei, auch nur einen Beleg außer Haus zu geben. Einer abgabenbehördlichen Prüfung im Finanzamt Linz stimme er nicht zu.
Mit Verfügung vom 11. Oktober 1994 stellte das Finanzamt Linz den Prüfungsauftrag betreffend die Jahre 1990 bis 1992 und einen Nachschauauftrag betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 1993 zu. Gleichzeitig forderte es die Beschwerdeführerin auf, der Steuerberater möge binnen 14 Tagen dem Finanzamt Linz das vollständige Belegwesen und die dazugehörigen Buchhaltungsunterlagen für die Durchführung der abgabenbehördlichen Prüfung vorlegen, wobei es darauf hinwies, bei Nichtvorlage der Unterlagen sei mit Zwangsmaßnahmen zu rechnen.
Mit Schreiben vom 27. Oktober 1994 brachte die Beschwerdeführerin vor, zwei Jahre zuvor seien Aktenschränke in der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland von Fremden durchwühlt worden. Weiters komme es immer wieder vor, dass der Abgabenbehörde übergebene Unterlagen verloren gingen. Der Steuerberater sei daher nicht bereit, Unterlagen in das Finanzamt Linz zu bringen und dort ohne Aufsicht zu lassen. Aus dem hg Erkenntnis vom 16. September 1986, 85/14/0007, Slg Nr 6147/F, gehe hervor, der Abgabepflichtige sei nicht verpflichtet, die Gewahrsame über seine Unterlagen aufzugeben. Das Finanzamt könne zwar die abgabenbehördliche Prüfung in den Amtsräumen durchführen, der Abgabepflichtige sei dabei jedoch ohne vorausgegangene Beschlagnahme nicht verpflichtet, die Gewahrsame über seine Unterlagen aufzugeben. Der Abgabepflichtige könne also darauf bestehen, dass seine Unterlagen in den Amtsräumen nur in seiner Gegenwart eingesehen würden. Die angedrohten Zwangsmaßnahmen seien daher unzulässig. Es werde daher beantragt, die abgabenbehördliche Prüfung im Rechtshilfeweg durch das in der Nähe der Kanzlei des Steuerberaters befindliche Finanzamt für den 2. und 20. Bezirk in Wien durchführen zu lassen. Der Steuerberater habe die Verantwortung für die Unterlagen, wobei keine Möglichkeit bestehe, wie diese Verantwortung durch Vorlage der Unterlagen an das Finanzamt Linz wahrgenommen werden sollte.
Mit Verfügung vom 4. November 1994 forderte das Finanzamt Linz die Beschwerdeführerin auf, "das vollständige Belegwesen und die dazugehörigen Buchhaltungsunterlagen für 1990-1992" bis längstens 22. November 1994 vorzulegen, wobei es für den Fall der Nichtvorlage eine Zwangsstrafe von 20.000 S androhte.
Im Schreiben vom 13. Dezember 1994 führte die Beschwerdeführerin aus, wie der Steuerberater in Erfahrung habe bringen können, gehe es dem Prüfer darum, die in Le getätigten Investitionen zu überprüfen. Der Steuerberater biete an, einen Tag nach Le zu kommen, um die Überprüfung zu ermöglichen. Es werde jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass der Filialbetrieb nicht mehr bestehe und dessen abgebaute Einrichtung in G in Niederösterreich aufbewahrt werde. Auch die Apotheke befinde sich nicht mehr in jenen Räumen, in denen sie sich in den Jahren 1990 bis 1993 befunden habe.
Mit Verfügung vom 13. Jänner 1995 forderte das Finanzamt Linz die Beschwerdeführerin auf, "das vollständige Belegwesen und die dazugehörigen Buchhaltungsunterlagen in Oberösterreich für 1990-1992" bis längstens 2. Februar 1995 zur Verfügung zu stellen, wobei es für den Fall der Nichtzurverfügungstellung eine Zwangsstrafe von 20.000 S androhte.
Mit Bescheid vom 3. Februar 1995 verhängte das Finanzamt Linz die angedrohte Zwangsstrafe mit 20.000 S, wobei es zur Begründung ausführte, die Beschwerdeführerin habe die "Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten in OÖ bzw Vorlage einer Buchhaltung samt Belegwesen für 1990 bis 1992 zwecks Betriebsprüfung" unterlassen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung verwies die Beschwerdeführerin zur Begründung auf "die diversen Schriftsätze" und bemängelte, das Finanzamt Linz habe einen von ihr gestellten begründeten Antrag bisher nicht erledigt, weshalb die Verhängung der Zwangsstrafe schon aus formalen Gründen unzulässig sei.
In seiner den bisherigen Verfahrensablauf darstellenden Stellungnahme zur Berufung verwies der Prüfer auf die Dienstanweisung für die Betriebsprüfung, wonach die abgabenbehördliche Prüfung grundsätzlich im Betrieb abzuhalten sei. Sei eine abgabenbehördliche Prüfung im Betrieb nicht möglich oder nicht zumutbar, könne diese auch in den Amtsräumen oder beim steuerlichen Vertreter durchgeführt werden. Nach § 141 BAO habe der Abgabepflichtige geeignete Räume sowie notwendige Hilfsmittel bereitzustellen. Seien derartige Räume nicht vorhanden, könne auch in den Amtsräumen die Rechtshandlung durchgeführt werden. Die abgabenbehördliche Prüfung in den Räumen des Steuerberaters in Wien erscheine weder zweckmäßig noch zielführend oder zumutbar, zumal sich im Zug der Aktenvorbereitung die Notwendigkeit von Erhebungen in Le ergeben habe. Die Durchführung der abgabenbehördlichen Prüfung in Wien erscheine auch aus Kostengründen nicht sinnvoll. Trotz mündlicher und schriftlicher Aufforderungen seien keine Räume zur Verfügung gestellt bzw Unterlagen vorgelegt worden.
In ihrer Äußerung zur Stellungnahme des Prüfers erklärte die Beschwerdeführerin ua, in den Räumen der Apotheke könne die abgabenbehördliche Prüfung aus wirtschaftlichen Gründen nicht durchgeführt werden. Es sei ihr völlig klar, dass es wirtschaftlich nicht vertretbar wäre, wenn der Prüfer vom Finanzamt Linz nach Wien reise, um dort die abgabenbehördliche Prüfung durchzuführen. Es wäre aber genauso wirtschaftlich unvertretbar, irgendwo in Oberösterreich Räume anzumieten, in denen sich der Steuerberater während der abgabenbehördlichen Prüfung aufhalte, um so dem Prüfer des Finanzamtes Linz zu ermöglichen, die abgabenbehördliche Prüfung durchzuführen. Der Steuerberater habe erklärt, er sei bereit, einen Tag nach Le zu kommen, um die Überprüfung der von ihr getätigten Investitionen zu ermöglichen. Der Steuerberater habe aber darauf aufmerksam gemacht, dass die in den Jahren 1990 bis 1993 betrieblich genutzten Räume nicht mehr zur Verfügung stünden. Von der Zurverfügungstellung von Räumen für die Durchführung der abgabenbehördlichen Prüfung sei in den vom Finanzamt erlassenen Verfügungen vom 11. Oktober 1994 und vom 4. November 1994 keine Rede gewesen.
Im nunmehr angefochtenen Bescheid vertritt die belangte Behörde die Ansicht, die Abgabenbehörde sei gemäß § 111 BAO berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen ließen, durch Verhängung von Zwangsstrafen zu erzwingen. Die einzelne Zwangsstrafe dürfe 30.000 S nicht übersteigen. Zweck von Zwangsstrafen sei, die Abgabenbehörde bei Erreichung ihrer Verfahrensziele zu unterstützen und den Abgabepflichtigen zur Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten zu verhalten. Zwangsstrafen dürften nur auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffener Anordnungen angedroht und verhängt werden. Darunter falle ua die Pflicht zur Vorlage von Büchern und Aufzeichnungen sowie die Pflicht zur Hilfeleistung bei Amtshandlungen gemäß § 141 BAO. Die abgabenbehördliche Prüfung sei grundsätzlich im Betrieb des Abgabepflichtigen durchzuführen. Sei dies nicht möglich, sei deren Durchführung in den Amtsräumen oder beim steuerlichen Vertreter zulässig. Die Beschwerdeführerin verweigere die Ausfolgung der geforderten Unterlagen unter Hinweis auf das hg Erkenntnis vom 16. September 1986, 85/14/0007, Slg Nr 6147/F. In diesem Erkenntnis werde zum Ausdruck gebracht, der Abgabepflichtige sei lediglich verhalten, die Einsicht in die geforderten Unterlagen zu gewähren bzw deren Prüfung zu dulden, aber nicht verpflichtet, die Gewahrsame darüber aufzugeben. Abgesehen davon, dass diesem Erkenntnis ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen sei (Unterlagen seien ohne Wissen des Abgabepflichtigen aus dessen Gewahrsame entzogen worden), schließe dieses Erkenntnis keinesfalls die Möglichkeit aus, Einsicht in die geforderten Unterlagen mittels Zwangsmaßnahmen zu erhalten. Während in dem genannten Erkenntnis die Verschwiegenheitspflicht eine zentrale Rolle spiele, werde im Beschwerdefall lediglich mit der Möglichkeit des Abhandenkommens von Unterlagen, wofür der Steuerberater verantwortlich sei, argumentiert. Die Einschränkung der Vorlage der geforderten Unterlagen unter der Bedingung der Prüfung in Gegenwart des Abgabenpflichtigen bzw des steuerlichen Vertreters und der Aufrechterhaltung der Gewahrsame des Abgabepflichtigen würden dem Ziel des § 164 BAO keinesfalls gerecht. Die Zurverfügungstellung der geforderten Unterlagen sei objektiv möglich gewesen. Als unzumutbar könne eine geforderte Leistung gelten, wenn sie nur unter verhältnismäßig großem finanziellem und zeitlichem Aufwand erbracht werden könne und der Aufwand hiefür - gemessen am möglichen Ergebnis - in keinem Verhältnis zum objektiv abgabenbehördlichen Interesse an der Leistung stehe. Aus der Überlegung, dass gemäß § 141 BAO Räume für die Durchführung der abgabenbehördlichen Prüfung zur Verfügung zu stellen seien und nach § 138 Abs 2 leg cit Bücher und Aufzeichnungen in erster Linie der Abgabenbehörde vorzulegen seien und die Einsicht in die Bücher und Aufzeichnungen in jenen Räumen, in denen sich der Betrieb befunden habe, nicht mehr möglich sei, könne dem Postulat der Beschwerdeführerin, die abgabenbehördliche Prüfung beim Steuerberater durchzuführen, keine Berechtigung zukommen. Die Abgabenbehörde habe trotz des Verlangens des Abgabepflichtigen, die Prüfung der Bücher und Aufzeichnungen in seinen betrieblich genutzten Räumen vorzunehmen, die Möglichkeit, etwa mit Zwangsstrafe die Vorlage derselben zu erzwingen, wenn die Interessen an der Vorlage jenen des Abgabepflichtigen, die Unterlagen nicht vorzulegen, überwiegen sollten. Die Beschwerdeführerin räume ein, es sei wirtschaftlich nicht vertretbar, wenn der Prüfer vom Finanzamt Linz nach Wien reise, um dort die abgabenbehördliche Prüfung durchzuführen. Wenn der Steuerberater darauf bestehe, bei Prüfung der Unterlagen dabei zu sein bzw die Unterlagen nicht der Abgabenbehörde zu überlassen, so habe er geeignete Räume in der Nähe des für die abgabenbehördliche Prüfung zuständigen Finanzamtes zur Verfügung zu stellen. Hinsichtlich der bei einer abgabenbehördlichen Prüfung auflaufenden Kosten werde auf § 313 BAO verwiesen. Die Prüfung von einem anderen Finanzamt im Weg der Nachbarschaftshilfe durchführen zu lassen, sei aus verwaltungsökonomischen Gründen abzulehnen. In dem von der Beschwerdeführerin kurzfristig geführten Filialbetrieb seien Investitionen in größerem Ausmaß (rund 1,2 Mio S) getätigt worden, wobei ein Investitionsfreibetrag im Höchstausmaß geltend gemacht worden sei. Da die Beantwortung des Fragebogens betreffend die Einstellung des Filialbetriebes unterblieben und aus den vorgelegten Jahresabschlüssen von Vornherein nicht erkennbar sei, was mit den Investitionen geschehen sei, dürfte deren Überprüfung der Prüfungsschwerpunkt sein. Falls die abgabenbehördliche Prüfung in Wien durchgeführt werden würde, müsste der Prüfer entweder zwischen Wien und Le pendeln oder es müssten dem Finanzamt Linz Erhebungsaufträge erteilt werden, was unökonomisch sei. Ein Überwiegen des Interesses der Abgabenbehörde an der Vorlage der Bücher und Aufzeichnungen bzw an der Zurverfügungstellung von Räumen in der Nähe des für die abgabenbehördlichen Prüfung zuständigen Finanzamtes sei daher zu bejahen. Der Ablauf einer abgabenbehördlichen Prüfung werde durch die Abgabenbehörde und nicht durch den Abgabepflichtigen bestimmt. Das Anbot des Steuerberaters im Schreiben vom 13. Dezember 1994 könne daher nur als Anregung zur Vornahme einer gemeinsamen Besichtigung der (ehemals) betrieblich genutzten Räume angesehen werden. Dieses Anbot sei aber keinesfalls geeignet, die Verhängung der Zwangsstrafe als unzulässig anzusehen. In der Verfügung vom 13. Jänner 1995 komme im Gegensatz zu den Ausführungen der Beschwerdeführerin sehr wohl die Aufforderung zum Ausdruck, die geforderten Unterlagen in Oberösterreich zur Verfügung zu stellen. Die Verhängung einer Zwangsstrafe liege dem Grunde und der Höhe nach im Ermessen der Abgabenbehörde. Die Aufforderung zur Vorlage der geforderten Unterlagen bzw zur Verfügungstellung von Räumen in Oberösterreich sei dem Grunde nach zu Recht ergangen. Wegen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, der Gleichheit ganz allgemein, aber auch aus Gründen der Prozessökonomie sei die Verhängung der Zwangsstrafe zweckmäßig gewesen. Deren Androhung und Verhängung seien zahlreiche telefonische und schriftliche Aufforderungen vorausgegangen, weswegen deren Höhe angemessen sei.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Abgabenbehörden sind gemäß § 111 Abs 1 BAO berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen. Bevor eine Zwangsstrafe festgesetzt wird, muss nach Abs 2 leg cit der Verpflichtete unter Androhung der Zwangsstrafe mit Setzung einer angemessenen Frist zur Erbringung der von ihm verlangten Leistung aufgefordert werden. Die Aufforderung und die Androhung müssen schriftlich erfolgen, außer wenn Gefahr in Verzug ist. Gemäß Abs 3 leg cit darf die einzelne Zwangsstrafe den Betrag von 30.000 S nicht übersteigen.
Die Aufforderung zur Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren, sonstigen Schriften und Urkunden gemäß § 138 Abs 2 BAO (vgl Stoll, BAO-Kommentar, 1196) bzw die Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen zur Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung (vgl das hg Erkenntnis vom 28. Februar 1989, 86/14/0033, sowie Ritz, BAO-Kommentar2, Tz 2 zu § 111) fällt unter die auf Grund gesetzlicher Befugnisse nach § 111 Abs 1 BAO getroffenen Anordnungen. Die vom Finanzamt an die Beschwerdeführerin gerichtete Aufforderung vom 4. November 1994, "das vollständige Belegwesen und die dazugehörigen Buchhaltungsunterlagen für 1990-1992" vorzulegen, bzw die Aufforderung vom 13. Jänner 1995, "das vollständige Belegwesen und die dazugehörigen Buchhaltungsunterlagen in Oberösterreich für 1990-1992" zur Verfügung zu stellen, erfolgten somit auf Grund gesetzlicher Befugnisse und waren daher zulässig.
Die Beschwerdeführerin hält dem angefochtenen Bescheid entgegen, sie wäre niemals dazu aufgefordert worden, Räume zur Verfügung zu stellen.
Es trifft zu, dass die Beschwerdeführerin nicht aufgefordert worden ist, Räume zur Verfügung zu stellen, sondern nur "das vollständige Belegwesen und die dazugehörigen Buchhaltungsunterlagen in Oberösterreich für 1990-1992". Da eine Zurverfügungstellung der geforderten Unterlagen begrifflich nur in Räumen möglich ist, sich die Beschwerdeführerin jedoch geweigert hat, die geforderten Unterlagen in den Amtsräumen des Finanzamtes Linz prüfen zu lassen, impliziert die Verfügung vom 13. Jänner 1995 die Zurverfügungstellung von Räumen zwecks Durchführung der abgabenbehördlichen Prüfung. Die Zwangsstrafe ist wegen der nicht erfolgten Vorlage des vollständigen Belegwesens und der dazu gehörigen Buchhaltungsunterlagen für die Jahre 1990 bis 1992 und, wie sich aus der auf die Sachlage abgestellten Verwendung des Wortes "bzw" im behördlichen Abspruch ergibt, lediglich in den Anknüpfungsgrund der Nichtvorlage eingebunden zugleich wegen der Nichtzurverfügungstellung von Räumen verhängt worden. Weigert sich ein Abgabepflichtiger, eine an einem gesetzlich zunächst in Betracht kommenden Ort nicht durchführbare abgabenbehördliche Prüfung aus welchen Gründen immer in den Amtsräumen durchführen zu lassen, so ist er iSd § 141 BAO verpflichtet, Räume zur Durchführung der abgabenbehördlichen Prüfung zur Verfügung zu stellen.
Die Beschwerdeführerin hält dem angefochtenen Bescheid unter Hinweis auf das bereits mehrfach zitierte hg Erkenntnis vom 16. September 1986, 85/14/0007, Slg Nr 6147/F, entgegen, aus § 138 Abs 2 BAO ergebe sich keine Verpflichtung, die Gewahrsame über die Unterlagen aufzugeben. Der Abgabepflichtige könne daher darauf bestehen, dass die vorgelegten Unterlagen nur in seiner Gegenwart geprüft würden. Zugegebenermaßen verbiete es § 164 Abs 2 BAO nicht ausnahmslos, dem Abgabepflichtigen gemäß § 143 BAO die Vorlage von Unterlagen aufzutragen, was jedoch nur nach Tunlichkeit zu erfolgen habe. Damit ein derartiges Verlangen rechtmäßig sei, müssten die Interessen der Abgabenbehörde die des Abgabepflichtigen, die Unterlagen nicht vorzulegen, klar überwiegen. Ein derartiges Überwiegen sei im Beschwerdefall jedoch nicht gegeben. Grundsätzlich sei unbestritten, dass sowohl Kosten anfielen, wenn die abgabenbehördliche Prüfung in Wien durchgeführt werde, als auch dann, wenn der Steuerberater nach Linz komme. Ein Überwiegen zu Gunsten der Interessen der Abgabenbehörde könne jedoch nicht festgestellt werden, ganz abgesehen davon, dass die Honorare, die sie dem Steuerberater zahlen müsste, sicherlich höher wären, als der Aufwand für den Prüfer. Zudem sei sie nicht verpflichtet, die Gewahrsame über ihre Unterlagen aufzugeben, womit ihre Verpflichtung, diese vorzulegen, relativiert sei. Der Steuerberater habe vorgeschlagen, einen Tag nach Le zu kommen, um die geforderte Überprüfung der von ihr getätigten Investitionen an Ort und Stelle zu ermöglichen. Bei einigem guten Willen hätte der Prüfer die erforderlichen Handlungen im Beisein des Steuerberaters vornehmen und die Prüfung beenden können. Der drohende Kostenaufwand für eine wochenlange Prüfung einiger weniger Unterlagen im Beisein des Steuerberaters (wenn konsequenterweise die Gewahrsame nicht aufgegeben werde) sei ihr nicht zumutbar. Der Umstand, dass die von ihr getätigten Investitionen nicht mehr vorhanden seien, sei bei der Auswahl des Prüfungsortes zu berücksichtigen, was gegen die Notwendigkeit der Durchführung der abgabenbehördlichen Prüfung in Oberösterreich spreche.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Die Beschwerdeführerin stellt die grundsätzliche Befugnis der Abgabenbehörde, die Vorlage von Unterlagen zur Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung in den Amtsräumen zu verlangen, nicht in Abrede. Sie behauptet lediglich, die Interessen der Abgabenbehörde an der Durchführung der abgabenbehördlichen Prüfung in Oberösterreich hätten im Beschwerdefall nicht überwogen. Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Durchführung der abgabenbehördlichen Prüfung in Wien schon deswegen als unökonomisch und damit als unzweckmäßig bezeichnet hat, weil der Prüfer entweder zwischen Wien und Le pendeln müsste oder dem Finanzamt Linz Erhebungsaufträge erteilt werden müssten. Die Abgabenbehörde hat nämlich iSd Art 126b Abs 5 B-VG bei Vollziehung der ihr übertragenen Aufgaben sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig vorzugehen, weswegen ihr ein überwiegendes Interesse an der Vorlage der Bücher und Aufzeichnung bzw an der Zurverfügungstellung von Räumen in der Nähe des für die abgabenbehördliche Prüfung zuständigen Finanzamtes nicht abgesprochen werden kann. Zum Hinweis der Beschwerdeführerin auf die ihr im Fall der Vorlage der Unterlagen entstehenden Kosten für den Steuerberater sei noch darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin die Aufrechterhaltung der Gewahrsame über ihre Unterlagen nicht durch einen Vertreter besorgen muss, sondern diese selbst hätte bewerkstelligen können. Reagiert der Abgabepflichtige auf die Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen mit dem Verlangen, die Einsicht in seinen Räumen durchzuführen, so hat die Abgabenbehörde die Möglichkeit (etwa durch Zwangsstrafen) deren Vorlage in den Amtsräumen zu erzwingen, wenn die Interessen an der Vorlage jenen des Abgabepflichtigen, die Unterlagen nicht vorzulegen, überwiegen sollten (vgl Ritz, aaO, Tz 2 zu § 164). Der Abgabepflichtige ist, wie eine Reihe von Bestimmungen der BAO erkennen lässt, lediglich verhalten, der Abgabenbehörde die Einsicht in seine Unterlagen zu gewähren bzw deren Prüfung zu dulden (vgl insbesondere § 138 Abs 2, § 143 Abs 2, § 144 Abs 2, §§ 147 ff und § 164 Abs 2 BAO). Er ist aber ohne Beschlagnahme nicht verpflichtet, die Gewahrsame über seine Unterlagen aufzugeben. Daran ändert nichts, dass die Abgabenbehörde auch zu einer Prüfung in den Amtsräumen berechtigt ist. Denn diese Berechtigung ist bloß Ausfluss des Einsichts- und Prüfungsrechtes der Abgabenbehörde, also des Rechtes auf Einsicht in und Prüfung der in der Gewahrsame des Abgabepflichtigen stehenden Unterlagen. Der Abgabepflichtige ist wohl berechtigt (ohne Beschlagnahme), aber keinesfalls verpflichtet, die Gewahrsame über seine Unterlagen aufzugeben. Er kann also darauf bestehen, dass seine Unterlagen auch in den Amtsräumen nur in seiner Gegenwart bzw seines Vertreters eingesehen und geprüft werden (vgl nochmals das bereits mehrfach zitierte hg Erkenntnis vom 16. September 1986, 85/14/0007, Slg Nr 6147/F). Die Aufgabe der Gewahrsame über die Unterlagen ist vom Finanzamt weder in den Aufforderungen noch bei Verhängung der Zwangsstrafe gefordert worden. Die Beschwerdeführerin ist der zulässigerweise getroffenen Aufforderung des Finanzamtes, die geforderten Unterlagen pflichtgemäß vorzulegen, in keiner Weise, somit auch nicht unter Aufrechterhaltung ihrer Gewahrsame, nachgekommen. Die Verhängung der Zwangsstrafe war daher insoweit zulässig.
Die Beschwerdeführerin hält dem angefochtenen Bescheid weiters entgegen, die verhängte Zwangsstrafe sei mit 20.000 S krass überhöht und stelle fast den Höchstbetrag dar, wobei die belangte Behörde nicht begründet habe, warum sie von ihrem Ermessen, eine Zwangsstrafe festzusetzen, Gebrauch gemacht habe.
Mit diesem Vorbringen wird ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Die Verhängung einer Zwangsstrafe liegt dem Grunde und der Höhe nach im Ermessen der Abgabenbehörde (vgl das hg Erkenntnis vom 26. Juni 1992, 89/17/0010, sowie Ritz, aaO, Tz 10 zu § 111). Im Zeitpunkt der Verhängung der Zwangsstrafe betrug deren Höchstgrenze 30.000 S. Die belangte Behörde hat die Zwangsstrafe mit 20.000 S, somit deutlich unter dieser Grenze verhängt. Der Verwaltungsgerichtshof vermag unter Berücksichtigung der sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden zahlreichen telefonischen und schriftlichen Aufforderungen nicht zu erkennen, inwieweit die belangte Behörde das ihr eingeräumte Ermessen falsch ausgeübt habe, wobei noch darauf hingewiesen wird, dass die belangte Behörde das ihr eingeräumte Ermessen im vorletzten Absatz des angefochtenen Bescheides umfangreich begründet hat.
Soweit die Beschwerdeführerin dem angefochtenen Bescheid schließlich entgegenhält, das Recht auf Verhängung der Zwangsstrafe sei gemäß § 207 Abs 2 BAO innerhalb eines Jahres verjährt, weil zwischen der Einbringung der Berufung und der Erlassung des angefochtenen Bescheides ein Zeitraum von mehr als einem Jahr vergangen sei, genügt es darauf hinzuweisen, dass gemäß § 209a Abs 1 BAO einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu ergehen hat, die Verjährung nicht entgegensteht. Bei einer Zwangsstrafe handelt es sich gemäß § 3 Abs 2 lit c BAO um eine Abgabe.
Die Rüge der Beschwerdeführerin, die Verhängung der Zwangsstrafe sei rechtswidrig, weil über ihren Antrag, die abgabenbehördliche Prüfung in Wien durchzuführen, nicht entschieden worden sei, geht an der Rechtslage vorbei. Beim gegebenen Sachverhalt durfte die belangte Behörde, wie vorstehend ausgeführt, die Voraussetzungen des § 111 BAO als erfüllt ansehen.
Zur Rüge der Beschwerdeführerin, es habe im Administrativverfahren keine mündliche Verhandlung stattgefunden, genügt es darauf hinzuweisen, dass sie eine solche nicht beantragt hat und es bei dem unbestrittenen Sachverhalt auch nicht erforderlich war, sie von Amts wegen zu hören. Der Verwaltungsgerichtshof vermag in seinem Zuständigkeitsbereich - auch unter Bedachtnahme auf Art 6 EMRK - das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung somit nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Die Beschwerdeführerin rügt zwar die Verletzung von Verfahrensvorschriften, führt jedoch mit Ausnahme, es habe im Administrativverfahren keine mündliche Verhandlung stattgefunden, weder aus, in welchem Punkt der festgestellte Sachverhalt von der belangten Behörde aktenwidrig angenommen worden wäre, noch, welche Ermittlungen vermisst werden oder welche der von der belangten Behörde angestellten Überlegungen unschlüssig wären, wodurch ein im Spruch anders lautender Bescheid hätte ergehen können. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht strittig war, liegt die behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht vor.
Von der beantragten Verhandlung konnte aus den im § 39 Abs 2 Z 6 VwGG angeführten Gründen abgesehen werden.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am 22. Februar 2000
Schlagworte
ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1996140079.X00Im RIS seit
20.11.2000