Index
L8500 StraßenNorm
B-VG Art139 Abs1 Z4Leitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung einer Verordnung betreffend eine Wintersperre auf einer näher bezeichneten niederösterreichischen Gemeindestraße wegen zumutbaren anderen Rechtswegs zur Geltendmachung der BedenkenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten Antrag begehren die Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge die Verordnung der Stadtgemeinde Drosendorf-Zissersdorf vom 12. Februar 2013, mit der eine Wintersperre auf einer näher bezeichneten Gemeindestraße verfügt wird, als gesetzwidrig aufheben.
II. Rechtslage
Die angefochtene Verordnung der Stadtgemeinde Drosendorf-Zissersdorf vom 12. Februar 2013 lautet:
"I.
Gemäß §8 des NÖ Straßengesetz 1999 idgF. wird für die Gemeindestraße – Hintausweg Pingendorf, Grundstück-Nr 59/3, eine Wintersperre verfügt.
II.
Die Verfügung der Wintersperre wird durch Aufstellung der sichtbaren Tafel mit der Aufschrift 'Wintersperre, Betreten und Befahren auf eigene Gefahr' zu Beginn der Einfahrt des Hintausweges, dies ist ab der Landesstraße L-1178, ersichtlich gemacht.
III.
Die Verordnung tritt mit Aufstellung der 'Wintersperrtafel' in Kraft."
III. Antragsvorbringen und Sachverhalt
1. Mit (Individual-)Antrag begehren die Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge die Verordnung der Stadtgemeinde Drosendorf-Zissersdorf vom 12. Februar 2013 als gesetzwidrig aufheben.
2. Dem Antrag liegt nach den Angaben der Antragsteller folgender Sachverhalt zugrunde: Die Antragsteller seien Eigentümer zweier landwirtschaftlich genutzter Hallen in Pingendorf. Diese Hallen seien von der Landesstraße L1178 ausschließlich über eine im Eigentum der Stadtgemeinde Drosendorf-Zissersdorf stehende, näher bezeichnete Wegparzelle erreichbar. Die Hallen befänden sich nach rund 70 Metern; der Weg führe danach noch ein Stück weiter, wobei es zwei weitere Hallen gebe, die nicht im Eigentum der Antragsteller stehen, und ende in einer Sackgasse. Die Antragsteller benötigen die Zufahrt zu ihren Hallen zwecks Aufrechterhaltung des landwirtschaftlichen Betriebes. Die Stadtgemeinde Drosendorf-Zissersdorf habe über Jahre hinweg die Schneeräumung vorgenommen. Nach persönlichen Divergenzen der Antragsteller mit dem Bürgermeister sei mittels Verordnung vom 12. Februar 2013 eine Wintersperre des gegenständlichen Zufahrtsweges verfügt und eine entsprechende Hinweistafel aufgestellt worden. Seitdem habe die Stadtgemeinde keine Schneeräumung mehr durchgeführt. Die Antragsteller seien gezwungen gewesen, selbst die Schneeräumung vorzunehmen.
3. Zur Antragslegitimation bringen die Antragsteller Folgendes vor:
3.1. Die angefochtene Verordnung verletze die Antragsteller unmittelbar in ihren Rechten, da es ihnen auf Grund der Verordnung bei winterlichen Verhältnissen nicht möglich sei, über den Zufahrtsweg zu ihren Wirtschaftsgebäuden zu gelangen und dadurch der landwirtschaftliche Vollerwerbsbetrieb in wirtschaftlicher Hinsicht gefährdet sei. Die Auswirkung sei aktuell, da die Wintersperre nach wie vor aufrecht sei. Die Hallen der Antragsteller seien von der Stadtgemeinde Drosendorf-Zissersdorf bewilligt worden und die ungehinderte Zufahrt sei auch im Winter von der Stadtgemeinde zu gewährleisten. Gemäß §9 NÖ Straßengesetz seien Straßen zu erhalten, um die bestehende Aufschließung von Grundstücken zu gewährleisten. Die Stadtgemeinde habe gemäß §15 NÖ Straßengesetz für Reinigung, Schneeräumung und Glatteisbekämpfung zu sorgen.
3.2. Der Sache nach halten die Antragsteller keinen anderen Weg für zumutbar, um eine entsprechende Entscheidung zu erlangen. Die Antragsteller waren Kläger in einem Mahnverfahren, in dem sie € 1.478,40 im Rahmen des Verwendungsanspruches gemäß §1042 ABGB begehrten und vorbrachten, dass sie für die beklagte Partei, die Stadtgemeinde Drosendorf-Zissersdorf, im Winter 2016/2017 Schneeräumungsarbeiten auf ihrer Betriebszufahrt, die auf einer im Eigentum der beklagten Partei stehenden Wegparzelle führe, vorgenommen hätten. Die Klage wurde mit Beschluss vom 8. Jänner 2018 wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges vom Bezirksgericht Horn zurückgewiesen. Der Beschluss erwuchs in Rechtskraft.
4. Die Antragsteller behaupten eine Verletzung im Gleichheitssatz nach Art7 B-VG: Die Verordnung der Stadtgemeinde Drosendorf-Zissersdorf erweise sich als rechtswidrig; die Wintersperre sei unbegründet und als schikanös zu bezeichnen. Sie sei erst nach persönlichen Auseinandersetzungen verfügt worden und wirke sich unmittelbar in der Rechtssphäre der Antragsteller nachteilig aus. Auch sei die Verordnung nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden, weshalb die Verweigerung des Winterdienstes ebenfalls rechtswidrig sei.
IV. Zulässigkeit
1. Der Antrag ist unzulässig.
2. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B?VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
3. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.
4. Nicht jedem Normadressaten kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).
4.1. Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes u.a. dann eröffnet, wenn bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig ist (oder anhängig war), das dem Betroffenen Gelegenheit bietet (bzw. bot), eine amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (zB VfSlg 13.871/1994 mwN, 15.786/2000, 17.110/2004, 17.276/2004, 18.370/2008).
4.2. Wie der Verfassungsgerichtshof in Zusammenhang mit nach Artikel 139 und 140 B-VG gestellten Individualanträgen mehrfach ausgeführt hat, ist der Partei in einem solchen Fall nur bei Vorliegen besonderer, außergewöhnlicher Umstände das Recht auf Einbringung eines Verordnungs- oder Gesetzesprüfungsantrages eingeräumt; andernfalls gelangte man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Grundprinzip des Individualantrages als eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht im Einklang stünde (zB VfSlg 8312/1978, 11.344/1987, 19.674/2012).
5. Im vorliegenden Fall hat das Bezirksgericht Horn das Verfahren mit rechtskräftigem Beschluss als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen, da Unzulässigkeit des Rechtsweges vorgelegen sei. Da das Verfahren vor dem Bezirksgericht Horn mittels zurückweisendem Beschluss vom 8. Jänner 2018 beendet wurde, hätten die Antragsteller die Möglichkeit gehabt, aus Anlass eines Rechtsmittels gegen diesen Beschluss im Wege eines Antrags gemäß Art139 Abs1 Z4 B-VG ihre Bedenken gegen die Verordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. VfGH 14.6.2017, G16/2017). Damit stand den Antragstellern ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung ihrer Bedenken offen.
6. Sonstige besondere außergewöhnliche Umstände, die die Einbringung eines Individualantrages ausnahmsweise zulässig machen könnten, liegen nicht vor.
7. Der Antrag ist daher schon aus diesem Grund unzulässig.
V. Ergebnis
1. Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, VfGH / Parteiantrag, Straßenverwaltung, Gemeindestraße, VfGH / Weg zumutbarerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2018:V21.2018Zuletzt aktualisiert am
12.06.2020