TE Vwgh Beschluss 2018/5/23 Ra 2018/05/0055

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Veröffentlicht am 23.05.2018
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AbfallverzeichnisV 2004;
AVG §56;
AWG 2002 §6 Abs7 Z2;
AWG 2002 §6 Abs7;
UmweltrechtsanpassungsG 2005;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der U & Co. KG in W, vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wollzeile 24, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 22. Jänner 2018, Zl. LVwG-551117/6/KH, betreffend Erlaubnis für die Sammlung und Behandlung von Abfällen gemäß § 24a Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Oberösterreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

4 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 23.1.2018, Ra 2018/05/0003, 0004, mwN).

5 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich (im Folgenden: Landeshauptmann) vom 2. Mai 2012 wurde der Revisionswerberin die Erlaubnis für die Sammlung und Behandlung von zusätzlichen gefährlichen Abfällen (mit einer Reihe von in diesem Bescheid genannten Schlüsselnummern) gemäß § 24a Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002 erteilt.

6 Mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 17. März 2017 wurde der Antrag der Revisionswerberin vom 28. November 2016 (ergänzt am 20. Februar 2017) auf Erweiterung der Erlaubnis zur Sammlung und Behandlung von gefährlichen Abfällen gemäß § 25a AWG 2002 abgewiesen.

7 Die von der Revisionswerberin dagegen erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Dazu führte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) im Wesentlichen (u.a.) aus, dass der Revisionswerberin mit Bescheid (gemeint: des Magistrates der Stadt Wels) vom 14. Oktober 1991 die gewerbebehördliche Genehmigung zur Änderung ihrer (näher bezeichneten) Betriebsanlage erteilt worden sei, dies unter anderem unter Setzung der Auflage, dass "gefährliche Abfälle der Schlüssel- Nr. 54107 und 59901 keiner Behandlung unterzogen werden dürfen, d.h. ein Abfüllen bzw. Umfüllen ist lt. Projekt nicht vorgesehen". Dieser Bescheid - der nach Ansicht der Revisionswerberin den "Kern der Anlagenbewilligungen" enthalte, weil damit die Abfallbehandlungsanlage an sich bewilligt worden sei - habe jedoch weder eine taxative noch eine demonstrative Aufzählung von Abfallschlüsselnummern enthalten, was zur damaligen Zeit in derartigen Genehmigungsbescheiden auch nicht Usus gewesen sei. Die oben erwähnte Formulierung der genannte Auflage mit der Nennung zweier Schlüsselnummern lasse keine Schlüsse auf die in der bestehenden Genehmigungsanlage zulässigerweise zu sammelnden bzw. zu behandelnden Abfallarten zu, und es gehe daraus lediglich hervor, dass ein Abfüllen oder Umfüllen von Abfällen dieser beiden Schlüsselnummern laut Projekt nicht vorgesehen sei.

8 Mit dem aufgrund des von der Revisionswerberin gemäß § 6 Abs. 7 AWG 2002 gestellten Feststellungsantrages erlassenen, in Rechtskraft erwachsenen Bescheides des Landeshauptmannes vom 20. Jänner 2010 sei festgestellt worden, dass in der Anlage der Revisionswerberin die Sammlung bzw. Behandlung der in diesem Bescheid unter Verwendung von Schlüsselnummern taxativ aufgezählten Abfallarten zulässig sei, womit dieser Bescheid eine klare und abschließende Aufzählung der zulässigerweise in dieser Anlage zu sammelnden bzw. zu behandelnden Abfallarten enthalte. Die in der genannten Eingabe der Revisionswerberin vom 28. November 2016 gemäß § 24a AWG 2002 beantragten Abfallarten seien unter den im genannten Feststellungsbescheid vom 20. Jänner 2010 aufgezählten Abfallarten nicht zu finden, sodass hinsichtlich dieser beantragten Abfallarten kein genehmigtes Zwischenlager bzw. keine genehmigte Behandlungsanlage vorliege und somit eine der beiden kumulativ zu verwirklichenden Voraussetzungen des § 24a Abs. 3 Z 6 bzw. 7 AWG 2002 nicht erfüllt sei.

9 Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) im Wesentlichen vor, die zu klärende Rechtsfrage ziele darauf ab, ob durch die Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 6 Abs. 7 AWG 2002 ein durch rechtskräftigen Bescheid begründeter anlagenrechtlicher Konsens einschränkend und damit rechtsgestaltend (neu) festgestellt werden könne. Im (oben genannten) Bescheid vom 14. Oktober 1991, der die anlagenrechtliche Kernbewilligung darstelle, sei bewusst auf eine taxative Aufzählung der in der Anlage der Revisionswerberin zulässigerweise zu behandelnden und zu sammelnden Abfallarten verzichtet und der Konsens insofern verbal umschrieben worden, als sämtliche Abfälle behandelt werden dürften, die (technisch) auch behandelt werden könnten. Es ändere sich qualitativ nichts daran, wenn - wie hier - bislang genehmigte Abfallarten lediglich neue Schlüsselnummern zugeteilt erhielten, und die hier verfahrensgegenständlichen Abfallarten seien auch früher in der Anlage, nur eben einer anderen Abfallart/Schlüsselnummer zugeordnet, behandelt worden. Wenn das Verwaltungsgericht davon ausgeht, dass durch die schlüsselnummernscharfe Auflistung von einzelnen Abfallarten im Feststellungsbescheid vom 20. Jänner 2010 der auf dem Bescheid vom 14. Oktober 1991 basierende anlagenrechtliche Konsens der Revisionswerberin abschließend - und damit einschränkend - neu definiert worden sei, sowie widerspreche dieses Rechtsverständnis generell dem Wesen eines Feststellungsbescheides im Sinne des § 6 Abs. 7 AWG 2002. In dieser Bestimmung werde abschließend normiert, welcher rechtliche Charakter den Feststellungen des Landeshauptmannes in einem nach dieser Gesetzesbestimmung zu erlassenden Bescheid zu unterstellen sei, und die normative Regelung eines derartigen Bescheides könne ausschließlich Feststellungen über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses, dessen Umfang oder Inhalt oder über rechtserhebliche Tatsachen enthalten. Für eine mögliche Rechtsgestaltung (mit diesem Bescheid), also einen qualitativen Eingriff in bestehende Rechte, fehle die rechtliche Grundlage. So sei auch bereits vorm VfGH ausgeführt worden, dass ein Feststellungsurteil, das die Verfassungswidrigkeit eines Verwaltungsaktes feststelle, ohne diesen aufzuheben, keinesfalls rechtsgestaltende Wirkung entfalten könne (Hinweis auf VfGH 14.12.1948, B 198/47). Rechtsdogmatisch müsse das Gleiche auch für feststellende Entscheidungen der Verwaltungsbehörden gelten.

10 Ferner habe das Verwaltungsgericht die Begründungspflicht nach § 29 VwGVG verletzt und fehlten im angefochtenen Erkenntnis mehrere Begründungselemente, weil man Ausführungen dazu, anhand welcher rechtlichen Überlegungen oder Schlussfolgerungen ein Feststellungsbescheid dazu geeignet sein solle, rechtsgestaltend in rechtlich existente Rechte einzugreifen, im angefochtenen Erkenntnis vergeblich suche und das Verwaltungsgericht begründende Ausführungen dazu, wie der abfallrechtliche Konsens alternativ zu verstehen sei, vollends schuldig bleibe.

11 Mit diesem Zulässigkeitsvorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

12 § 6 AWG 2002, BGBl. I Nr. 102, in der Fassung

BGBl. I Nr. 103/2013, lautet auszugsweise:

"§ 6. ...

...

(7) Bestehen begründete Zweifel über den Umfang

1.

einer Erlaubnis gemäß § 24a oder

2.

einer Genehmigung gemäß den §§ 37, 52 oder 54, insbesondere hinsichtlich der Abfallarten, Abfallmengen oder der Anlagenkapazität,

hat der Landeshauptmann auf Antrag des Inhabers der Berechtigung oder der Anlagengenehmigung oder von Amts wegen einen Feststellungsbescheid zu erlassen."

13 § 6 Abs. 7 AWG 2002 wurde durch das Umweltrechtsanpassungsgesetz 2005, BGBl. I Nr. 34/2006, in das AWG 2002 eingefügt und durch das insoweit am 16. Februar 2011 in Kraft getretene BGBl. I Nr. 9/2011 - damit wurde der Wortlaut des § 6 Abs. 7 Z 1 von "1. einer Berechtigung gemäß den §§ 24 oder 25 oder" auf "1. einer Erlaubnis gemäß § 24a oder" geändert - novelliert. § 6 Abs. 7 Z 2 AWG 2002 blieb seit seiner Einfügung in das AWG 2002 durch das Umweltrechtsanpassungsgesetz 2005 unverändert.

14 In den Materialien zum Umweltrechtsanpassungsgesetz 2005 (vgl. ErläutRV 1147 BlgNR 22. GP 15) wurde in Bezug auf § 6 Abs. 7 AWG 2002 (u.a.) ausgeführt, dass insbesondere bei älteren Bescheiden betreffend die Berechtigung oder die Anlagengenehmigung immer wieder Auslegungsfragen entstehen, welche Abfallarten gemäß der Abfallverzeichnisverordnung 2003, BGBl. II Nr. 570 in der Fassung BGBl. II Nr. 89/2005, vom Konsens umfasst sind bzw. für welche Kapazität die Anlage genehmigt ist, und dass der Landeshauptmann im Zweifelsfall einen diesbezüglichen Feststellungsbescheid erlassen kann.

15 Wie in der hg. Judikatur bereits wiederholt ausgesprochen wurde, wird nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 7 Z 2 AWG 2002 mit dem nach dieser Bestimmung zu erlassenden Feststellungsbescheid gerade (auch) bezweckt, den Umfang einer Genehmigung insbesondere hinsichtlich der "Abfallarten" festzustellen, und stellt das Feststellungsverfahren nach dieser Gesetzesbestimmung daher ein unter anderem auf das Thema "Abfallarten" zugeschnittenes und darauf spezialisiertes Verfahren dar (vgl. etwa VwGH 20.11.2014, 2011/07/0244, mwN). Solche in Rechtskraft erwachsenen Feststellungsbescheide entfalten daher für ein weiteres abfallwirtschaftsrechtliches Verfahren eine Bindungswirkung (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VwGH 25.10.2017, Ra 2015/07/0063, mwN).

16 Entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht hat ein - wie der gegenständliche Bescheid vom 20. Jänner 2010 - gemäß § 6 Abs. 7 AWG 2002 erlassener Feststellungsbescheid nicht rechtsgestaltenden Charakter, weil in einem solchen Bescheid lediglich präzisierend - zur Beseitigung von begründeten Zweifeln (vgl. § 6 Abs. 7 erster Halbsatz AWG 2002) - festgestellt wird, (u.a.) welchen Umfang eine (bereits erteilte) abfallrechtliche Genehmigung hinsichtlich der Abfallarten hat. Schon im Hinblick darauf ist für den Revisionsstandpunkt auch mit dem Hinweis auf die Entscheidung VfGH 14.12.1948, B 198/47, in der ausgeführt wurde, dass Feststellungsurteile nicht vollstreckbar sind, weil sie weder eine Leistung auferlegen noch rechtsgestaltend wirken, nichts gewonnen.

17 Auch der von der Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung erhobene Vorwurf einer Verletzung der Begründungspflicht nach § 29 VwGVG ist nicht zielführend, weil Rechtsfragen des Verfahrensrechtes nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre, wozu kommt, dass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dargelegt werden muss (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa VwGH 23.1.2018, Ra 2018/05/0002, mwN). Entgegen der von der Revisionswerberin vertretenen Auffassung haftet dem angefochtenen Erkenntnis ein derartig schwerwiegender Verfahrensmangel nicht an, ist dieses doch für den Verwaltungsgerichtshof überprüfbar.

18 Mangels Darlegung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG war die Revision daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 23. Mai 2018

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018050055.L00

Im RIS seit

21.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

29.06.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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