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L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol;Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revision des K N in J, vertreten durch die Rohracher & Winkler Rechtsanwälte GesbR in 6370 Kitzbühel, Achenweg 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 1. März 2018, Zl. LVwG- 2017/35/0843-12, betreffend Versagung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 1. März 2018 wies das Landesverwaltungsgericht Tirol - im Beschwerdeverfahren - einen Antrag des Revisionswerbers auf naturschutzrechtliche Bewilligung für den Wiederaufbau der Hofstelle "O." gemäß § 29 Abs. 8 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 - TNSchG 2005 ab.
2 Das Verwaltungsgericht legte dieser Entscheidung im Wesentlichen zugrunde, das beantragte Projekt sei unstrittig aufgrund der dafür notwendigen Geländeveränderungen in einem Feuchtgebiet außerhalb einer geschlossenen Ortschaft nach § 9 TNSchG 2005 naturschutzrechtlich bewilligungspflichtig.
3 Aufgrund eines Gutachtens des naturkundefachlichen Amtssachverständigen sei von unbestritten feststehenden Beeinträchtigungen von Naturschutzinteressen auszugehen; dieser habe (unter anderem) ausgeführt, durch die Errichtung des beantragten Gebäudes samt den übrigen baulichen Anlagen, versiegelten Flächen und Aufschüttungen würden der Artenreichtum der Pflanzen- und Tierwelt sowie der Naturhaushalt schwerwiegend und nachhaltig beeinträchtigt. Auch Landschaftsbild und Erholungswert würden durch das relativ groß dimensionierte Gebäude in isolierter Lage schwerwiegend und nachhaltig beeinträchtigt.
4 Somit sei - so das Verwaltungsgericht weiter - eine Interessenabwägung nach § 29 Abs. 2 lit. a Z 2 TNSchG 2005 durchzuführen. Als den Interessen des Naturschutzes nach dieser Bestimmung gegenüber zu stellenden langfristigen öffentlichen Interessen mache der Revisionswerber das Interesse an der Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen zur Hintanhaltung von Verkarstungen und zur Verminderung der Gefahr von Murenabgängen sowie das Interesse an der Erhaltung eines lebensfähigen bäuerlichen Landwirtschaftsbetriebs geltend.
5 Eine Verbesserung der Agrarstruktur im Sinn der hg. Judikatur (Hinweis auf VwGH 30.1.2014, 2013/10/0001), nämlich im Sinn von Maßnahmen, die einen entscheidenden Beitrag zur dauerhaften Existenzsicherung des Betriebes leisteten oder in gleicher Weise notwendig seien, um einen zeitgemäßen Wirtschaftsbetrieb zu gewährleisten, liege hier allerdings nicht vor. Nach dem bereits von der belangten Behörde eingeholten Gutachten einer agrarwirtschaftlichen Amtssachverständigen sei das vom Revisionswerber vorgelegte Betriebskonzept in mehreren Punkten nicht schlüssig und nachvollziehbar; aus dem vorliegenden Projekt sei danach kein positives landwirtschaftliches Einkommen zu erzielen. Ein vom Revisionswerber vorgelegtes überarbeitetes und ergänzendes Betriebskonzept sei einem vom Verwaltungsgericht eingeholten weiteren agrarwirtschaftlichen Gutachten zugrunde gelegt worden, demzufolge mit dem gegenständlichen Vorhaben keine Agrarstrukturverbesserung erzielt werde.
6 Die Flächen des "O" seien bereits seit Jahrzehnten nicht mehr landwirtschaftlich bewirtschaftet worden. Insofern könne das Vorhaben nicht der dauerhaften Existenzsicherung eines bestehenden Betriebes dienen, zutreffend sei vielmehr die Auffassung der agrarfachlichen Amtssachverständigen, dass es bei einer Zupachtung von Flächen, die bisher von anderen Landwirten bewirtschaftet würden, zu einer Schwächung dieser Landwirte und somit der Agrarstruktur insgesamt komme. Angesichts der geringen Größe des Betriebs könne dieser auch keinen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Agrarstruktur liefern.
7 Mit Blick auf das von ihm behauptete öffentliche Interesse an einer Naturgefahrenverminderung durch Vermeidung einer Verkarstung habe der Revisionswerber selbst in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eingeräumt, dass der betreffende Bereich nicht von Naturgefahren betroffen sei; diese Einschätzung habe auch der naturkundefachliche Amtssachverständige geteilt.
8 In einer Alternativbegründung führte das Verwaltungsgericht darüber hinaus aus, dass - selbst wenn man der Erteilung der beantragten naturschutzrechtlichen Bewilligung doch ein langfristiges öffentliches Interesse im Sinn des § 29 Abs. 2 lit. a Z 2 TNSchG 2005 zugestehen wolle - dieses Interesse die Interessen des Naturschutzes nicht überwiege; es bestehe kein Zweifel daran, dass durch das gegenständliche Vorhaben der Artenreichtum der Tier- und Pflanzenwelt, der Naturhaushalt sowie Landschaftsbild und Erholungswert - somit Naturschutzinteressen im Sinn des § 1 Abs. 1 TNSchG 2005 - schwerwiegend und nachhaltig beeinträchtigt würden. Bei diesem Ausmaß der Beeinträchtigung von Naturschutzinteressen stelle die mit der Erteilung der Bewilligung verbundene Bewirtschaftungsmöglichkeit landwirtschaftlicher Flächen keinesfalls ein höher einzustufendes Interesse dar.
9 In Übereinstimmung mit der belangten Behörde gelangte das Verwaltungsgericht somit zu dem Ergebnis, dass andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Naturschutzinteressen nach § 1 Abs. 1 TNSchG 2005 nicht überwögen, weshalb die beantragte naturschutzrechtliche Bewilligung zu versagen sei.
10 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 3.1. Die Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision führen zunächst aus, die belangte Behörde habe im vorliegenden naturschutzrechtlichen Verfahren ein öffentliches Interesse am Wiederaufbau der Hofstelle "O." und der darauf folgenden Bewirtschaftung der derzeit brachliegenden landwirtschaftlichen Flächen verneint, im naturschutzrechtlichen Verfahren zur Bewilligung der Zufahrt zur Baustelle für den Wiederaufbau dieser Hofstelle jedoch erkannt, dass sehr wohl ein solches öffentliches Interesse bestehe. Dies werfe die grundsätzliche Rechtsfrage auf, ob damit eine "präjudizielle Entscheidung für die Bewilligung der durch die bewilligte Zufahrt zu erreichenden Baustelle geschaffen" worden sei.
14 In dem damit vom Revisionswerber angesprochenen Bescheid der belangten Behörde vom 13. September 2013 (naturschutzrechtliche Bewilligung für den Ausbau eines bestehenden Feldweges als Zufahrt zum Anwesen "O.") hat die belangte Behörde tatsächlich - gestützt auf Ausführungen eines naturkundefachlichen Amtssachverständigen - eine schwerwiegende Beeinträchtigung von Landschaftsbild und Erholungswert durch den Ausbau der Weganlage zugrunde gelegt, welche durch das öffentliche Interesse am Wiederaufbau der alten Hofstelle und der Wiederbewirtschaftung des Anwesens überwogen werde.
15 3.2. Der Revisionswerber wendet sich allerdings nicht gegen die vom Verwaltungsgericht - wie oben wiedergegeben (vgl. Rz 3) - angenommene schwerwiegende und nachhaltige Beeinträchtigung von mehreren Naturschutzinteressen im Sinn des § 1 Abs. 1 TNSchG 2005.
16 Selbst wenn man wie der Revisionswerber von einem bindend festgestellten öffentlichen Interesse am Wiederaufbau der Hofstelle "O." und der damit verbundenen Bewirtschaftung derzeit brachliegender landwirtschaftlicher Flächen ausginge, begründete dies mit Blick auf die oben wiedergegebene (Rz 8) tragfähige Alternativbegründung des Verwaltungsgerichts nicht die Zulässigkeit der Revision (vgl. VwGH 29.7.2015, Ra 2015/07/0084, mwN). Dass die dieser Alternativbegründung zugrunde liegende Interessenabwägung des Verwaltungsgerichtes unvertretbar wäre, ist jedenfalls nicht ersichtlich (zur eingeschränkten Revisibilität von etwa im Naturschutzrecht vorgenommenen Interessenabwägungen vgl. VwGH 24.2.2015, Ro 2014/05/0097, mwN, sowie den Beschluss vom heutigen Tag, Ra 2018/10/0063).
17 4. Mit dem weiteren Vorbringen des Revisionswerbers, die Beurteilung des "öffentlichen Interesses" im konkreten Fall sei aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht möglich, "weil ein vergleichbarer Fall noch niemals vor dem Verwaltungsgerichtshof ausjudiziert worden" sei, wird behauptet, es fehle Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt; damit wird allerdings keine konkrete Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dargelegt (vgl. etwa VwGH 27.4.2017, Ra 2016/11/0181, sowie wiederum VwGH Ro 2014/05/0097, jeweils mwN).
18 5. Die abschließend in den Zulässigkeitsausführungen unterbreitete Behauptung, der Bescheid der belangten Behörde vom 13. September 2013 habe bereits auch "die Bewilligungsfähigkeit der Wiedererrichtung der Hofstelle ‚O.' ausgesprochen", trifft nicht zu, wurde doch mit jenem Bescheid - unmissverständlich - lediglich die naturschutzrechtliche Bewilligung für den Ausbau eines bestehenden Feldweges als Zufahrt zum Anwesen "O." erteilt.
19 6. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 25. Mai 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018100068.L00Im RIS seit
21.06.2018Zuletzt aktualisiert am
11.07.2018