TE Vfgh Beschluss 1997/11/6 V144/97

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Veröffentlicht am 06.11.1997
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Index

25 Strafprozeß, Strafvollzug
25/02 Strafvollzug

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit
StVG §91

Leitsatz

Abweisung eines Verfahrenshilfeantrags "zur Einbringung einer Klage" gegen einen Erlaß wegen Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung aufgrund zu erwartender Zurückweisung des Individualantrags infolge fehlender Antragslegitimation

Spruch

Der Antrag des Dr. W W, dzt. Justizanstalt Garsten, auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang "zur Einbringung einer Klage" gegen den Erlaß des Bundesministers für Justiz vom 22. Juli 1997, Z43401/25-V.7/1997, wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Der Verfahrenshilfewerber, der zur Zeit in der Justizanstalt Garsten eine Freiheitsstrafe verbüßt, bringt vor, daß ihm nach den Bestimmungen des StVG vierteljährlich der Empfang eines Lebensmittelpaketes zustehe. Durch Erlaß des Bundesministers für Justiz vom 22. Juli 1997, Z43401/25-V.7/1997, sei für alle Insassen der Strafanstalt der Ausschluß vom Empfang von Lebensmittelpaketen verfügt und ab dem 1. August 1997 verlängert worden. Aus diesem Grund werde "zur Einbringung einer Klage" sowie für das gesamte Verfahren die Bestellung eines Verfahrenshelfers begehrt.

Der Verfassungsgerichtshof wertet den Schriftsatz des Einschreiters als Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Individualantrages auf Verordnungsprüfung gemäß Art139 Abs1 B-VG.

1.2. Auf Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes legte der Bundesminister für Justiz eine Ausfertigung seines Erlasses vom 22. Juli 1997, Z43401/25-V.7/1997, vor. Dieser, an den Leiter der Justizanstalt Garsten gerichtete, Erlaß hat - abgesehen von der Fertigungsklausel - den folgenden Wortlaut:

"Das Bundesministerium für Justiz erteilt gemäß §91 Abs3 StVG die Genehmigung, für den Zeitraum von 6 Monaten ab 1.8.1997 sämtliche Insassen der Justizanstalt Garsten - ausgenommen Jugendliche und dem Jugendvollzug unterstellte - vom Empfang von Paketsendungen (§91 Abs2 StVG) auszuschließen."

1.3. Der vorstehend wiedergegebene Erlaß ist vor dem Hintergrund der folgenden Rechtslage zu beurteilen:

Gemäß §91 Abs2 StVG dürfen Strafgefangene einmal im Vierteljahr eine Sendung von Nahrungs- und Genußmitteln im Gewicht von drei Kilogramm oder mehrere Sendungen im Gesamtgewicht von drei Kilogramm erhalten. Gemäß §91 Abs3 erster Satz StVG hat der Anstaltsleiter dann, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, daß Paketsendungen dazu mißbraucht werden, um Strafgefangenen Suchtgift oder andere Gegenstände zukommen zu lassen, von denen eine Gefahr für die Gesundheit der Strafgefangenen oder sonst für die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt zu befürchtigen wäre, und die Aussonderung solcher Gegenstände nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist, die betreffenden Strafgefangenen vom Empfang von Sendungen nach Abs2 auszuschließen. Zufolge des zweiten Satzes des §91 Abs3 StVG kann, soweit der Gefahr durch den Ausschluß einzelner Strafgefangener nicht wirksam begegnet werden kann, der Anstaltsleiter mit Genehmigung des Bundesministeriums für Justiz jeweils für einen bestimmten, sechs Monate nicht übersteigenden Zeitraum anordnen, daß sämtliche Strafgefangene der Anstalt oder eines Teiles der Anstalt vom Empfang von Sendungen nach Abs2 ausgeschlossen werden. Jedoch kann der Anstaltsleiter, soweit es im Einzelfall vertretbar erscheint, nach §91 Abs3 letzter Satz StVG Ausnahmen von einer solchen Anordnung gestatten.

Es ist nun offensichtlich, daß mit dem Erlaß, dessen Bekämpfung intendiert ist, kein Ausschluß von Strafgefangenen von Sendungen iSd §91 Abs2 StVG verfügt wird, sondern lediglich eine Genehmigung nach §91 Abs3 zweiter Satz StVG zu einem solchen Ausschluß erteilt wird.

2.1. Gemäß Art139 Abs1 dritter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist Voraussetzung für die Anfechtungsbefugnis, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift, wobei ein derartiger Eingriff jedenfalls nur dann anzunehmen ist, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (vgl. zB VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).

2.2. Es kann nun dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Erlaß, dessen Bekämpfung intendiert ist, tatsächlich um eine Verordnung handelt. Es ist nämlich offenkundig, daß nicht der Erlaß, mit welchem dem Leiter der Justizanstalt Garsten die Genehmigung zum Ausschluß sämtlicher Insassen der Justizanstalt Garsten vom Empfang von Paketsendungen gemäß §91 Abs2 StVG erteilt wird, unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreift, sondern nur die Anordnung des Ausschlusses der Strafgefangenen vom Empfang von Paketsendungen durch den Leiter der Justizanstalt einen solchen Eingriff bewirken kann.

Aufgrund dieser Sach- und Rechtslage wäre im Falle der tatsächlichen Einbringung eines auf die Aufhebung des in Rede stehenden Erlasses gerichteten Individualantrages dessen Zurückweisung infolge fehlender Antragslegitimation zu gewärtigen. Die vom Verfahrenshilfewerber intendierte Rechtsverfolgung erweist sich daher als offenbar aussichtslos.

2.3. Gemäß §63 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG 1953 setzt die Bewilligung der Verfahrenshilfe ua. voraus, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Das ist jedoch hier - wie oben unter Punkt 2.2. dargetan wurde - der Fall. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3. Dieser Beschluß gründet auf §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG 1953.

Schlagworte

VfGH / Verfahrenshilfe, Verordnungsbegriff, RechtsV, VerwaltungsV, Strafvollzug

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:V144.1997

Dokumentnummer

JFT_10028894_97V00144_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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