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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 2005 §3 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in der Rechtssache der Revision des R N in W, vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 2017, Zl. W192 2175093- 1/4E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 14. April 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, sein Vater sei zum Zeitpunkt seiner Ausreise im Juli 2012 von den Taliban entführt worden. Aus Angst vor den Taliban habe ihn seine Mutter weggeschickt. Der Revisionswerber sei in den Iran gegangen. Dort habe er von einem Bekannten erfahren, dass sein Vater ermordet worden sei. Im Fall einer Rückkehr habe er Angst, von den Taliban getötet zu werden.
2 Mit Bescheid vom 9. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz sowohl gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.
3 Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegenüber dem Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen festgelegt.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 6. Dezember 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Weiters sprach es aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
5 Der Revisionswerber erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 26. Februar 2018 ablehnte und mit Beschluss vom 20. März 2018 die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
6 Gegen das Erkenntnis des BVwG wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Zur Zulässigkeit der Revision wird - auf das Wesentliche zusammengefasst - vorgebracht, das BVwG hätte eine mündliche Verhandlung durchführen müssen, die vorgenommen Beweiswürdigung sei unvollständig, unvertretbar sowie unlogisch und das BVwG sei von der Begründungspflicht abgewichen.
11 § 21 Abs. 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung, und zwar selbst dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC (vgl. VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0316, mwN).
12 Soweit sich die Revision gegen die unterlassene mündliche Verhandlung richtet, ist auf die Rechtsprechung zu verweisen. Für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" sind folgende Kriterien beachtlich: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017-0018, mwN).
13 Es ist nicht ersichtlich, dass die Leitlinien zur Unterlassung der mündlichen Verhandlung nicht beachtet wurden. Das BVwG hat keine neuen Beweismittel beigeschafft. Die Feststellungen zur Person und der Lage in Afghanistan decken sich mit jenen in dem bekämpften Bescheid. Seine negativen Feststellungen zu den Fluchtgründen stützt das BVwG wie das BFA primär auf die Angaben des Revisionswerbers, der - wie das BVwG beweiswürdigend ausführt -
hinsichtlich wesentlicher Punkte divergierende Angaben machte. Die Beschwerde ist der Beweiswürdigung des BFA nicht substantiiert entgegengetreten und hat auch keine neuen Tatsachen vorgebracht. Das BVwG hat sich in seiner Beweiswürdigung jener des BFA angeschlossen und keine ergänzende Beweiswürdigung vorgenommen.
14 Hinsichtlich des Vorbringens zur Beweiswürdigung ist auszuführen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen, soweit der Sachverhalt genügend erhoben ist und die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wäre nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht die Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/20/0266-0270, mwN). Eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung zeigt die Revision nicht auf.
15 Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass das BVwG die von der Rechtsprechung festgelegten Leitlinien zur Begründungspflicht verletzt hätte (vgl. VwGH 20.5.2015, Ra 2015/20/0067, mwN).
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 29. Mai 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200273.L00Im RIS seit
25.06.2018Zuletzt aktualisiert am
28.06.2018