TE Vwgh Erkenntnis 2000/2/22 99/11/0174

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Veröffentlicht am 22.02.2000
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

ABGB §1091;
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, Imbergstraße 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 18. März 1999, Zl. 782.634/1-2.7/97, betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des (im Jahr 1978 geborenen) Beschwerdeführers auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 Wehrgesetz 1990 - WG ab.

In der Begründung ihres Bescheides gab die belangte Behörde den von der Erstbehörde festgestellten Sachverhalt wieder. Danach hat der Beschwerdeführer mit Übergabsvertrag vom 20. Juni 1996 einen Landwirtschaftsbetrieb übernommen und in der Folge an seine Mutter verpachtet. Der Erbhof stand ursprünglich im Hälfteeigentum seiner Großeltern. Der Hälfteanteil der im Jahr 1994 verstorbenen Großmutter hätte nach dem Anerbengesetz auf den Großvater übergehen sollen. Dieser war im Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabsvertrages unheilbar krank und ist am 22. August 1996 verstorben.

Der Betrieb liegt in S. und umfasst 1,64 ha Wald, 14,2 ha landwirtschaftliche Nutzfläche und 0,79 ha Baufläche. Der Betrieb hat eine entsprechende maschinelle Ausrüstung. In der Umgebung wird ein Maschinenring betrieben, bei dem der Betrieb Mitglied ist. Das Milchkontingent umfasst 63.840 kg, der jährliche Arbeitsaufwand beläuft sich auf 3.000 Stunden. Die im Jahr 1952 geborenen Eltern des Beschwerdeführers leben mit dem im Jahr 1988 geborenen Bruder des Beschwerdeführers im gemeinsamen Haushalt in S. Der Beschwerdeführer absolvierte vom 1. September 1996 bis 10. Mai 1997 in S. die (restliche) Schlosserlehre und geht seit Abschluss dieser Lehre keiner Erwerbstätigkeit außerhalb seines Landwirtschaftsbetriebes nach. Er besitzt eine Lenkerberechtigung für die Gruppen A, B, C, E, F und G und hat auch einen Pkw.

Die belangte Behörde führte in der Begründung ihres Bescheides weiters aus, sie habe den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 26. Jänner 1999 von dem von der Erstbehörde festgestellten Sachverhalt erneut in Kenntnis gesetzt und ihn aufgefordert, darüber Auskunft zu geben, welche Berufstätigkeit seine Eltern ausüben, ob der Landwirtschaftsbetrieb nach wie vor an seine Mutter verpachtet sei und ob das Verlassenschaftsverfahren nach seinen Großeltern bereits abgeschlossen sei.

Der Beschwerdeführer habe dazu mit Schreiben vom 11. Februar 1999 Stellung genommen und ausgeführt, dass seine Eltern mit seinem Bruder nicht am Bauernhof sondern in einem Einfamilienhaus in S. lebten. Der Viehbestand betrage derzeit 18 Kühe, davon seien 17 trächtig. Dies verursache einen erhöhten Arbeitsaufwand. Weiters habe er einen Stier. Seit 1. April 1997 sei er Vollerwerbslandwirt. Der Pachtvertrag mit seiner Mutter sei am 31. März 1997 aufgelöst worden. Sein Vater arbeite als Gendarmeriebeamter am Gendarmeriepostenkommando S. im Wechseldienst, sodass er im Zuge des Nachtdienstes für den gesamten Flachgau als Sektorstreife eingeteilt sei. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Hundeführer erstrecke sich sein Arbeitsbereich auf das gesamte Bundesland Salzburg. Seine Mutter sei seit 1. April 1997 Hausfrau.

Der Beschwerdeführer sei am 3. Oktober 1996 der Stellung unterzogen und für tauglich befunden worden.

Im Falle des Beschwerdeführers lägen wirtschaftliche Interessen vor, da er als Eigentümer des Landwirtschaftsbetriebes an dessen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung interessiert sei. Diese Interessen seien allerdings nicht besonders rücksichtswürdig, weil der Beschwerdeführer seine Verpflichtung, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so einzurichten, dass einer Einberufung keine vorhersehbaren Schwierigkeiten entgegenstehen, verletzt habe. Eine Verletzung dieser Harmonisierungspflicht liege insbesondere darin, dass der Kündigungstermin des gegenständlichen Pachtvertrages mit 31. März 1997 nach der Tauglichkeitsfeststellung nicht in erforderlicher Weise korrigiert worden sei. Dem Sachverhalt sei nicht zu entnehmen, dass die Mutter des Beschwerdeführers, die den Betrieb während seiner Schlosserlehre bewirtschaftet habe, den Betrieb nicht so lange als Pächterin hätte weiterführen können, bis er seinen Grundwehrdienst abgeleistet habe. Außerdem habe er seit seiner Antragstellung im Oktober 1996, also in Kenntnis seiner Tauglichkeit, den Viehbestand von 11 auf 18 Stück und damit den Arbeitsumfang maßgeblich erhöht. Es habe auch die Möglichkeit bestanden, beim zuständigen Militärkommando um die Einberufung zu einem für die Landwirtschaft günstigen Termin zu ersuchen.

Außerdem sei darauf hinzuweisen, dass auch die (in der Nachbarschaft des Betriebes wohnenden) Eltern einen Beitrag zur Bewirtschaftung des Betriebes zu leisten hätten, auch wenn dies durch den Dienstrhythmus seines Vaters erschwert werde. Es sei zudem eine vorübergehende Einschränkung des Tierbestandes zumutbar, auch wenn dies mit Einkommenseinbußen verbunden sei. Dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, seine Mutter sei Hausfrau und könne den landwirtschaftlichen Betrieb nicht auf Dauer führen, sie habe nur einen Führerschein für die Gruppe B und dürfe keinen Traktor lenken, sei zu erwidern, dass die Bewirtschaftung der gegenständlichen Landwirtschaft nur während der präsenzdienstbedingten Abwesenheit des Beschwerdeführers erforderlich sei und der Mutter zudem der Erwerb der nötigen Berechtigungen, etwa jene zum Lenken eines Traktors, zumutbar sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 WG können taugliche Wehrpflichtige auf ihren Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Wehrpflichtiger seine wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, dass für den Fall seiner Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden werden. Ihn trifft also die Obliegenheit, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren. Verletzt er diese Harmonisierungspflicht, können die aus solchen Dispositionen abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne der genannten Gesetzesstelle angesehen werden (siehe dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 16. April 1991, Zl. 90/11/0183, und vom 1. Oktober 1996, Zl. 95/11/0400, jeweils m.w.N.).

Die belangte Behörde sieht - anders als die Erstbehörde - eine Verletzung der Harmonisierungspflicht durch den Beschwerdeführer nicht im Erwerb des landwirtschaftlichen Betriebes, sondern darin, dass der Kündigungstermin des Pachtvertrages nicht korrigiert worden sei, zumal nicht erkennbar sei, dass die Mutter des Beschwerdeführers, die den Betrieb während der Schlosserlehre des Beschwerdeführers bewirtschaftet habe, den Betrieb nicht als Pächterin für die Dauer des Grundwehrdienstes des Beschwerdeführers hätte weiterführen können.

Diese Begründung ist schon deshalb nicht zielführend, weil (auch gegenüber nahen Verwandten) die Bereitschaft zur Pachtung eines Unternehmens oder zur Verlängerung eines Pachtvertrages nicht erzwungen werden kann. Sofern die belangte Behörde mit dem Hinweis auf die Betriebsführung durch die Mutter während der Schlosserlehre des Beschwerdeführers zum Ausdruck bringen wollte, dass der Beschwerdeführer im Zusammenwirken mit seinen Familienangehörigen, insbesondere mit seiner Mutter, den Betrieb auch während seines Grundwehrdienstes ohne Existenzgefährdung weiterführen könne, überzeugt dies schon deshalb nicht, weil die belangte Behörde einerseits außer Acht lässt, dass der Beschwerdeführer während seines Grundwehrdienstes (anders als während seiner Schlosserlehre in der selben Gemeinde, in der sich sein Betrieb befindet) morgens und abends für die anfallenden schweren Arbeiten nicht zur Verfügung steht, und andererseits konkrete Feststellungen über die Schwere und das Ausmaß der anfallenden Arbeiten und die Leistungsfähigkeit der Mutter des Beschwerdeführers nicht getroffen hat.

Auch die Hinweise der belangten Behörde auf die Erhöhung des Viehbestandes von 11 auf 18 Stück und die Zumutbarkeit der vorübergehenden Einschränkung der Tierhaltung stellen keine taugliche Grundlage für die Verneinung der besonderen Rücksichtswürdigkeit der wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers dar, weil keine Feststellungen darüber getroffen wurden, mit welchem Tierbestand der Betrieb hätte weitergeführt werden können und inwieweit die dabei anfallenden Arbeiten von der Mutter des Beschwerdeführers hätten bewältigt werden können. Die in der Begründung des angefochtenen Bescheides erwähnte Möglichkeit der eingeschränkten Mitarbeit des Vaters des Beschwerdeführers ist im gegebenen Zusammenhang von geringem argumentativen Wert, weil seine Mitarbeit im Hinblick auf seine beruflichen Verpflichtungen nicht - wie es bei Tierhaltung erforderlich wäre - regelmäßig zur Verfügung steht. Die gleichen Überlegungen gelten für den Hinweis der belangten Behörde, der Beschwerdeführer könne um die Einberufung zu einem "für die Landwirtschaft günstigen Termin" ersuchen.

Der Beschwerdeführer macht in der Beschwerde unter Vorlage eines Attestes eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie geltend, dass seiner Mutter im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand die Weiterführung des landwirtschaftlichen Betriebes nicht möglich und zumutbar sei. Die belangte Behörde meint dazu in ihrer Gegenschrift, der Beschwerdeführer habe es trotz Gewährung von Parteiengehör verabsäumt, die gesundheitliche Beeinträchtigung seiner Mutter ins Treffen zu führen. Dieser Einwand ist nicht geeignet, im genannten Vorbringen des Beschwerdeführers eine Neuerung erkennen zu lassen, weil der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Begründung des Erstbescheides, in der ihm bloß der Erwerb des landwirtschaftlichen Unternehmens als Verletzung der Harmonisierungspflicht angelastet wurde, und den Inhalt des Schreibens der belangten Behörde vom 26. Jänner 1999 keine Veranlassung hatte, konkretes Vorbringen zur Leistungsfähigkeit seiner Mutter zu erstatten. In diesem Schreiben, in welchem die belangte Behörde den von der Erstbehörde festgestellten Sachverhalt wiederholt hatte, wurden an ihn die Fragen gestellt, welche Berufstätigkeit seine Eltern ausüben, ob der Landwirtschaftsbetrieb nach wie vor an seine Mutter verpachtet sei und ob das Verlassenschaftsverfahren hinsichtlich der Großeltern bereits abgeschlossen sei.

Da es nach dem Gesagten für die Auffassung der belangten Behörde, der Betrieb des Beschwerdeführers könne während seiner präsenzdienstbedingten Abwesenheit unter Mithilfe seiner Mutter weitergeführt werden, an ausreichenden Sachverhaltsfeststellungen mangelt, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Februar 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999110174.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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