TE Lvwg Erkenntnis 2018/4/10 LVwG-S-2269/001-2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.04.2018
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Entscheidungsdatum

10.04.2018

Norm

FSG 1997 §37 Abs3 Z1
KFG 1967 §57a
KFG 1967 §36 lite
KFG 1967 §103 Abs1 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch den Einzelrichter Dr. Schwarzmann nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Beschwerde von A, geb. ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmünd vom 28.8.2017, ***, betreffend Bestrafung nach dem Führerscheingesetz (FSG) und dem Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967), zu Recht erkannt:

1.         Der Beschwerde gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses wird Folge gegeben und in diesem Punkt das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

2.        Die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses wird als unbegründet abgewiesen und in diesem Punkt das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

3.         Der Kostenbeitrag zum verwaltungsbehördlichen Verfahren wird mit 13,50 Euro neu festgesetzt

4.        Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 27 Euro zu leisten.

5.         Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 50, § 52 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 19, § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG

§ 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG

Zahlungshinweis:

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 175,50 Euro und ist binnen zwei Wochen einzuzahlen (§ 52 Abs. 6 VwGVG iVm § 54b Abs. 1 VStG).

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmünd (im folgenden: „belangte Behörde“) vom 28.8.2017 wurde über den Beschwerdeführer

1.   eine Geldstrafe von 2.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 924 Stunden) verhängt, da er am 8.6.2017, 11:00 Uhr, in der *** in ***, den Pkw mit dem Kennzeichen *** ohne Lenkberechtigung gelenkt hat (Verwaltungsübertretung gemäß § 1 Abs. 3, § 37 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 1 FSG) und

2.   eine Geldstrafe von 135 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 27 Stunden) verhängt, da er als Zulassungsbesitzer dieses Pkw nicht dafür Sorge getragen hat, dass dieser den Vorschriften des KFG entspricht: der Pkw wurde am selben Tatort zur selben Tatzeit von ihm verwendet, obwohl keine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette angebracht war, weil die Gültigkeit der Plakette *** mit der Lochung 8/2015 abgelaufen war (Verwaltungsübertretung gemäß § 36 lit. e, § 103 Abs. 1 Z. 1, § 134 Abs. 1 KFG 1967).

Der Kostenbeitrag zum verwaltungsbehördlichen Verfahren (10% der Geldstrafe) wurde mit 213,50 Euro festgesetzt. Das Straferkenntnis stützt sich auf eine Anzeige der Polizeiinspektion *** vom 16.6.2017.

In seiner rechtzeitig dagegen erhobenen Beschwerde beantragte der Beschwerdeführer die Einstellung des Verfahrens im Wesentlichen mit folgender Begründung: Er besitze einen Führerschein aller Klassen. Es sei nicht erwiesen, dass er gefahren sei. Dass er einen Autoschlüssel bei sich gehabt habe, sei kein Beweis, denn es gebe für jedes Auto mehr als einen Schlüssel. Ein Kfz, welches nicht auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt werde, brauche keine gültige Begutachtungsplakette, und schon gar nicht, wenn das Kfz nur auf einem Privatparkplatz abgestellt sei und nicht mit eigener Motorkraft dort hinbewegt werde, so wie bei seinem Auto. Die angebliche Tatzeit sei einfach willkürlich gewählt worden. Wer seinen Pkw auf dem ***-Parkplatz abgestellt habe, gehe die Behörde nichts an. Er sei in Haft und habe kein Einkommen, weshalb die Strafe im unteren Bereich anzusiedeln wäre.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, dem die belangte Behörde den Akt mitsamt der Beschwerde vorgelegt hat, hat am 22.3.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der der inhaftierte Beschwerdeführer trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist; er hat zuvor aus der Justizanstalt mitgeteilt, dass er auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichte.

Der Meldungsleger B von der PI *** gab als Zeuge vernommen u.a. Folgendes an: „Wir wurden vom Filialleiter des *** in *** verständigt, dass wir wegen eines Ladendiebstahles vor Ort kommen sollen. Der Beschwerdeführer, den ich persönlich nicht gekannt hatte, eine Flasche Bier dort getrunken und bei der Kassa nicht vorgewiesen. Uns war auf dem Parkplatz ein Auto mit Kennzeichen *** aufgefallen. Er hat gesagt, dass das sein Auto ist. Er hatte auch den Schlüssel dafür bei sich. Die Schlüssel konnten das Auto nicht aufsperren. Er hatte eine ÖAMTC-Karte, weshalb wir den ÖAMTC gerufen haben. Der Mitarbeiter hat gesagt, dass die Batterie schwach sei. Es war aber der zu diesem Auto gehörige Schlüssel. Der Beschwerdeführer hat gesagt, dass er nicht mit dem Auto hergefahren sei. Er hat aber auch keine dritte Person benannt. Er hat auch nicht gesagt, wie das Auto oder er selbst hier hergekommen sei. Die Begutachtungsplakette war abgelaufen. Er hat einen blauen Diplomatenpass von „***“, Konföderation freie Erde und einen orangenen Führerschein ebenfalls von „***“, Föderation freie Erde, für alle Klassen von Fahrzeugen vorgelegt. … Der ***-Parkplatz war nicht abgeschrankt. Es gibt dort gar keinen Schranken. Er steht allen Kunden offen. Das Auto wurde vom ÖAMTC mit seinem Einverständnis verbracht; er sagte sein Bruder werde es vom ÖAMTC holen. Ich glaube, dass der PKW vom ÖAMTC abgeschleppt wurde, weil die PKW-Batterie zu schwach war, sodass eben die Schließanlage und das Starten nicht funktioniert haben. Ich glaube aber nicht, dass der PKW schon länger dort stand. Wir fahren ja auch nachts Streifen und da wäre meinen Kollegen sicher aufgefallen, wenn auf einem Kaufhausparkplatz nachts ein einzelnes Auto mit Kennzeichen *** steht. Er selbst wurde wieder in die Justizanstalt gebracht. Er war ja zur Festnahme ausgeschrieben. …“

Der Zeuge C gab u.a. Folgendes an: „Wegen eines Ladendiebstahles wurden wir zum *** vom Filialleiter gerufen. Dieser hat uns den Beschwerdeführer übergeben. … Dabei ist herausgekommen, dass er ein nicht zurückgekehrter Strafgefangener ist. Das Auto habe ich nicht gesehen, weil nicht ich, sondern ein anderer Kollege … dann mit dem Beschwerdeführer zum ***-Parkplatz zurückgefahren ist. Bei der Personendurchsuchung haben wir den Autoschlüssel vorgefunden. Er hat aber nicht gesagt, wie er dort zum *** hingekommen ist. Er hat aber keine andere Person benannt, die das Auto dort hingelenkt habe. Wie wäre er sonst dorthin gekommen? Ich habe nur gehört, dass die Batterie des Autos schwach war und sogar der ÖAMTC kommen musste. Ich weiß ja nicht, wann genau er dort zum *** gekommen ist. Auf diesem Parkplatz stehen nachts so gut wie keine Autos. Dieser Parkplatz ist nicht abgeschrankt. …“

Am Ende der Verhandlung wurde dieses Erkenntnis mündlich verkündet. Die Niederschrift wurde mitsamt einer Belehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG (über das Recht, binnen zwei Wochen eine Ausfertigung zu verlangen, und darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt) dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde zugestellt. Der Beschwerdeführer hat daraufhin mit Schreiben vom 27.3.2018 ersucht, das Erkenntnis „noch einmal zu überarbeiten“ oder ihm Verfahrenshilfe für die Beschwerde beim VfGH zukommen zu lassen, da ein Kfz, welches nicht mit eigener Motorkraft auf einem Parkplatz abgestellt werde und nicht im öffentlichen Verkehr bewegt werde, auch keine Begutachtungsplakette brauche und da es nicht der Wahrheit entspreche, dass er eine einschlägige Vormerkung nach § 36 KFG hätte.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich deutet diesen binnen der Zweiwochenfrist nach § 29 Abs. 2a VwGVG eingebrachten Antrag auf „Überarbeitung“ als Antrag auf (Voll-)Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses, zumal aus seinem Eventualantrag auf Verfahrenshilfe hervorgeht, dass der Beschwerdeführer dieses Erkenntnis dann beim Höchstgericht bekämpfen möchte, wofür aber – siehe oben – ein zuvor gestellter Antrag auf Ausfertigung die Voraussetzung darstellt.

Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Pkw Mercedes mit dem Kennzeichen ***, dessen Zulassungsbesitzer der Beschwerdeführer damals war und auf dem damals eine Begutachtungsplakette mit der Lochung 08/2015 angebracht war, wurde, ohne dass sich der Beschwerdeführer davon überzeugt hat, dass der Pkw dem § 36 lit. e KFG 1967 entspricht, am 8.6.2017 um 11:00 Uhr auf dem ***-Parkplatz in Gmünd vom Beschwerdeführer verwendet, indem der von ihm dort abgestellte Pkw um 11:00 Uhr dort abgestellt war. Dass der Beschwerdeführer diesen Pkw zu dieser Tatzeit an diesen Tatort gelenkt hat, kann nicht festgestellt werden. Dieser Parkplatz war zur Tatzeit nicht abgeschrankt und stand allen potenziellen Kunden zur Benützung offen.

Zu diesen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund folgender Beweiswürdigung: Dass die auf dem zur angeführten Tatzeit am ***-Parkplatz abgestellten Pkw angebrachte Begutachtungsplakette die Lochung 08/2015 aufwies, ergibt sich bereits aus der Aktenlage und wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten. In der verwaltungsgerichtlichen Verhandlung wurden die beiden Polizisten als Zeugen unter Wahrheitspflicht und somit unter straf- und disziplinarrechtlicher Verantwortung vernommen, und für das Gericht ist kein Grund erfindlich, warum sich die beiden den Konsequenzen einer falschen Zeugenaussage bzw. Anzeigenerstattung aussetzen sollten. Sie haben glaubhaft geschildert, dass der Beschwerdeführer zwar den Autoschlüssel bei sich hatte, aber dass sein Auto wegen Batterieschwäche nicht in Betrieb genommen werden konnte, sondern vom ÖAMTC abgeschleppt werden musste. Ihre Aussage, dass nachts kaum Autos auf Kaufhausparkplätzen stehen, ist zwar lebensnahe, andererseits ist aber konkret nicht auszuschließen, dass dieser Pkw schon länger auf diesem Parkplatz stand, da die Polizisten von keinen konkreten gegenteiligen Wahrnehmungen (aus den Tagen bzw. Nächten davor) berichten konnten. Jedenfalls haben sie den Beschwerdeführer beim Lenken seines Pkw nicht gesehen, sondern konnten die Anzeige wegen Lenkens ohne Lenkberechtigung nur darauf stützen, dass er den Autoschlüssel bei sich trug. Es ist aber auch denkmöglich, dass der Beschwerdeführer den Pkw einige Zeit vorher auf diesem Parkplatz abgestellt hat, vielleicht noch mit eigener Motorkraft (und dann die Batterie endgültig versagte) oder auch mit Unterstützung. Somit ist aber die Verantwortung des Beschwerdeführers, sein Pkw sei nicht von ihm zur Tatzeit gelenkt worden, nicht vollständig zu widerlegen. Weil also nicht erwiesen werden konnte, dass der Beschwerdeführer tatsächlich seinen Pkw am Tatort zur Tatzeit gelenkt hat, war nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses aufzuheben und das diesbezüglich geführte Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. - Dass jemand anderer seinen Pkw abgestellt habe, hat er nicht explizit behauptet (sondern nur, dass es die Behörde nichts angehe, wer den Pkw abgestellt habe) und konnte auch angesichts dessen, dass er zu seiner Entlastung weder der Polizei gegenüber noch im gesamten behördlichen und gerichtlichen Verfahren keine solche dritte Person namentlich benannt hat, nicht erwiesen werden, sodass davon auszugehen war, dass er selbst (vgl. zur Schlüssigkeit VwGH vom 29.6.2012, 2012/02/0097) den Pkw am ***-Parkplatz – mit oder ohne Motorkraft – abgestellt hat. Wann genau dieser Abstellvorgang erfolgte, ist angesichts des in Spruchpunkt 2. angelasteten Dauerdelikts der Verwendung (siehe dazu unten) unerheblich; die gegenständliche Tatzeitanlastung verstößt nicht gegen § 44a Z. 1 VStG.

Gemäß § 1 Abs. 1 KFG 1967 sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auf Kraftfahrzeuge und Anhänger, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr (§ 1 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960) verwendet werden, und auf den Verkehr mit diesen Fahrzeugen auf solchen Straßen anzuwenden.

Gemäß § 36 lit. e KFG dürfen Kraftfahrzeuge und Anhänger außer Anhängern, die mit Motorfahrrädern gezogen werden, unbeschadet der Bestimmungen der §§ 82, 83 und 104 Abs. 7 über die Verwendung von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen und von nicht zugelassenen Anhängern auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn bei den der wiederkehrenden Begutachtung (§ 57a) unterliegenden zum Verkehr zugelassenen Fahrzeugen, soweit sie nicht unter § 57a Abs. 1b fallen, eine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette (§ 57a Abs. 5 und 6) am Fahrzeug angebracht ist.

Gemäß § 103 Abs. 1 Z. 1 KFG 1967 hat der Zulassungsbesitzer dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug mit Anhänger den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht.

Gemäß § 134 Abs. 1 KFG ist eine Übertretung dieser Bestimmungen mit Geldstrafe bis zu 5.000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch ein im Eigentum eines Privaten stehender Parkplatz eine Straße mit öffentlichem Verkehr, wenn nicht durch eine entsprechende Kennzeichnung oder Abschrankung erkennbar ist, dass das Gegenteil zutrifft. Unter Benützung für jedermann unter den gleichen Bedingungen ist zu verstehen, dass irgendeine denkbare Benützung im Rahmen des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs jedermann offen stehen muss. Der Begriff der Benützung unter den gleichen Bedingungen kann nicht so ausgelegt werden, dass die Einschränkung einer Benützungsart auf einen bestimmten Personenkreis allein der Straße den Charakter einer öffentlichen Verkehrsfläche entzöge. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof im eben zitierten Erkenntnis eine Verkehrsfläche, die als Kundenparkplatz und Lieferantenzufahrt diente, als Straße mit öffentlichem Verkehr qualifiziert; ebenso einen eingezäunten Parkplatz eines Gasthauses, bei dessen Einfahrt ein Schild mit dem Hinweis "Parken nur für Gäste" angebracht war (vgl. VwGH vom 13.4.2017, Ro 2017/02/0015). Da der ***-Parkplatz in *** jedenfalls den Kunden des Kaufhauses, die einen nicht von vornherein bestimmten Personenkreis darstellen (vgl. VwGH vom 20.7.2004, 2002/03/0223), zur Verfügung steht bzw. stand, ist er als „Straße mit öffentlichem Verkehr“ zu qualifizieren.

Ist die auf einer Begutachtungsplakette aufscheinende (gelochte) Frist abgelaufen und überdies die nach § 57a Abs. 3 KFG eingeräumte Toleranzfrist von vier Monaten, innerhalb der die Überprüfung noch nachgeholt werden kann, verstrichen, darf ein Kraftfahrzeug nicht mehr auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet werden (vgl. VwGH vom 22.11.2016, Ra 2016/02/0173 mwN). Das Wort „Verwenden“ im Sinne des § 36 KFG umfasst nicht nur das Lenken (vgl. VwGH vom 17.6.1987, 87/03/0075, 0087), sondern ein Kraftfahrzeug wird auch dann „verwendet“, wenn es auf einer Straße mit öffentlichen Verkehr zum Halten oder Parken abgestellt ist, und zwar für die gesamte Dauer des Abstellens (vgl. VwGH vom 22.11.2016, Ra 2016/02/0045). – Wenn der Beschwerdeführer im behördlichen Verfahren vorgebracht hat, dass die Kfz-Kennzeichentafel „ca. 18 Monate bei der Versicherung zurückgelegt“ war und deshalb „die Plakette noch 6 Monate (mit Überzug) gültig gewesen“ wäre, ist ihm zu entgegnen, dass durch die Hinterlegung von Kennzeichentafeln die Zulassung zum Verkehr und damit die Frist für die wiederkehrende Begutachtung nicht berührt wird (§ 52 Abs. 1 KFG 1967).

Da nach den obigen Feststellungen der Beschwerdeführer das Kraftfahrzeug, dessen Zulassungsbesitzer er damals war, am ***-Parkplatz mit einer abgelaufenen Begutachtungsplakette weit nach Verstreichen der viermonatigen Toleranzfrist (Ende Dezember 2015) abgestellt und damit zur Tatzeit verwendet hat und er aber nicht dafür gesorgt hat, dass sein Kfz den Vorschriften des § 57a KFG 1967 entspricht, ist die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht erwiesen. Was die subjektive Tatseite, also das Verschulden, betrifft, liegt jedenfalls Fahrlässigkeit vor, wobei gemäß § 5 Abs. 1 VStG zur Strafbarkeit schon fahrlässiges Zuwiderhandeln genügt. Bei der zur Last gelegten Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt. Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass ihn an der Verletzung seiner Überzeugungspflicht bzw. der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, insb. hat er nicht vorgebracht, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass er nicht wusste bzw. wissen konnte, dass sein Pkw auf dem Parkplatz des Supermarkts, in dem er eines Ladendiebstahls überführt wurde, abgestellt war.

Hinsichtlich der Strafbemessung war folgendes zu erwägen:

Gemäß § 19 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Angesichts des Unrechtsgehalts der gesetzten Verwaltungsübertretung (die Toleranzfrist war nahezu 1 ½ Jahre abgelaufen), des nicht gänzlich unerheblichen Verschuldens des Beschwerdeführers und der im Folgenden noch angeführten Umstände erachtet das Landesverwaltungsgericht, selbst unter Berücksichtigung der Inhaftierung des Beschwerdeführers und der dementsprechenden persönlichen Verhältnisse, die von der belangten Behörde festgesetzte Strafe von 135 Euro bzw. Ersatzfreiheitsstrafe von 27 Stunden als keinesfalls überhöht. Der oben zitierte Strafrahmen wurde von der belangten Behörde ohnehin nur zu 2,70% (!) ausgeschöpft. Milderungsgründe liegen nicht vor. Erschwerend ist zu werten, dass der Beschwerdeführer bei der LPD Oberösterreich, Polizeikommissariat ***, eine Verwaltungsstrafvormerkung wegen § 36 lit. b KFG 1967 (Verwendung eines Kfz ohne Kennzeichentafel), die zur Tatzeit erst wenige Monate zurücklag, aufweist. Schutzzweck des gesamten § 36 KFG 1967 ist die Gewährleistung, dass nur zum Verkehr zugelassene, mit einem behördlichen Kennzeichen versehene, aufrecht haftpflichtversicherte und verkehrs- bzw. betriebssichere Fahrzeuge, also solche, die die rechtlichen Voraussetzungen für ihre Verwendung auf Straßen mit öffentlichem Verkehr erfüllen (vgl. VwGH vom 2.6.1982, 82/03/0031), am öffentlichen (auch ruhenden) Verkehr teilnehmen, somit die Sicherheit des Kfz-Verkehrs somit der Schutz der Allgemeinheit (vgl. VwGH vom 8.9.2016, Ra 2014/11/0082); weiters soll dadurch der Polizei die rasche Feststellung der Zulassungsdaten und der Einhaltung der Fristen für die wiederkehrende Begutachtung ermöglicht werden. Die damalige Geldstrafe von 150 Euro hat nicht ausgereicht, um den Beschwerdeführer von der erneuten Verletzung des gleichen Rechtsgutes abzuhalten. Schlussendlich soll auch generalpräventive Wirkung erzielt werden. Da die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden nicht „gering“ waren und das tatbildmäßige Verhalten nicht hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückgeblieben ist, kamen eine Einstellung des Verfahrens und die Erteilung einer Ermahnung gemäß § 45 Abs. 1 Z. 4 VStG nicht in Betracht.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Da das Straferkenntnis in seinem Punkt 2. bestätigt wurde, ist ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten (§ 52 Abs. 1 VwGVG). Dieser Beitrag ist für das verwaltungsbehördliche Verfahren (§ 64 Abs. 2 VStG) mit 10% und für das Beschwerdeverfahren (§ 52 Abs. 2 VwGVG) mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10 Euro, zu bemessen. Hinsichtlich des aufgehobenen Spruchpunktes 1. fallen dem diesbezüglich erfolgreichen Beschwerdeführer keine Kosten zur Last.

Gemäß § 54b Abs. 1 VStG sind der Strafbetrag sowie die Kostenbeiträge des verwaltungsbehördlichen Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens jeweils binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses zu bezahlen.

Die Revision ist unzulässig, da sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Zudem stellen die – hier im Einzelfall beurteilten – Fragen keine „Rechtsfragen von grundsätzlicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung“ (vgl. VwGH vom 23.9.2014, Ro 2014/01/0033) dar.

Schlagworte

Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Verwaltungsstrafe; Kraftfahrzeug; Verwenden; Abstellen;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.S.2269.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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