Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Insolvenzsache des Schuldners G***** F*****, wegen Restschuldbefreiung, über den Revisionsrekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 18. Jänner 2018, GZ 32 R 120/17y-40, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 9. November 2017, GZ 37 S 115/09d-37, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Über das Vermögen des Schuldners wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 27. 10. 2009 nach Scheitern des angebotenen Zahlungsplans das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Innerhalb der siebenjährigen Laufzeit der Abtretungserklärung erhielten die Gläubiger eine Quote von 3,2 % ihrer angemeldeten Forderungen.
Über Antrag des Schuldners erklärte das Erstgericht mit Beschluss vom 19. 1. 2017 das Abschöpfungsverfahren für beendet, setzte die Entscheidung über die Restschuldbefreiung gemäß § 213 Abs 3 IO aF aus und trug dem Schuldner auf, binnen drei Jahren ab Rechtskraft der Entscheidung an einige Gläubiger die im Einzelnen angeführten Ergänzungszahlungen zu leisten, um von den nicht erfüllten Verbindlichkeiten befreit zu werden. Dieser Beschluss ist in Rechtskraft erwachsen.
Am 7. 11. 2017 stellte der Schuldner den Antrag auf Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 280 IO idF des IRÄG 2017.
Das Erstgericht gab dem Antrag statt.
Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel eines Gläubigers Folge und änderte den angefochtenen Beschluss im antragsabweisenden Sinn ab.
Die auf anhängige Abschöpfungsverfahren anzuwendende Übergangsbestimmung des § 280 IO idF IRÄG 2017 sei in jenen anhängigen Verfahren, in denen mit rechtskräftiger Billigkeitsentscheidung gemäß § 213 Abs 3 IO aF dem Schuldner Ergänzungszahlungen aufgetragen wurden, nicht anzuwenden.
Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 30.000 EUR und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil soweit überschaubar noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des § 280 IO nF bestehe und die Bedeutung dieser Rechtsfrage weit über den Einzelfall hinausgehe.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss gerichtete Revisionsrekurs des Schuldners, der gemäß § 254 Abs 1 Z 6 IO keiner anwaltlichen Fertigung bedurfte, ist aus den vom Rekursgericht dargelegten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Das Rekursverfahren in Insolvenzsachen ist
– mit Ausnahme des Eröffnungsverfahrens – grundsätzlich einseitig. Das rechtliche Gehör des Schuldners wurde dadurch, dass er keine Rekursbeantwortung erstatten konnte, hier nicht verletzt (vgl RIS-Justiz RS0116129; 8 Ob 5/18w, 8 Ob 6/18t).
2. Im Übrigen erachtet der Senat die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts für in jedem Punkt zutreffend, sodass zur Vermeidung von Weitläufigkeiten grundsätzlich auf dessen Ausführungen verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO).
3. Lediglich zusammenfassend ist festzuhalten (vgl auch 8 Ob 31/18v), dass die für das Schuldenregulierungsverfahren maßgeblichen Änderungen der IO durch das IRÄG 2017, die mit 1. 11. 2017 in Kraft traten, grundsätzlich nur auf Verfahren anzuwenden sind, in denen das Insolvenzverfahren nach dem 31. 10. 2017 eröffnet wurde, oder wenn der Antrag auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens nach diesem Datum bei Gericht eingelangt ist. Für Abschöpfungsverfahren, die bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits anhängig waren, gilt weiterhin die bisherige Rechtslage, mit der Maßgabe der Übergangsbestimmung des § 280 IO idF IRÄG 2017.
4. Der erkennende Senat hat bereits jüngst in der Entscheidung 8 Ob 6/18t vom 26. 1. 2018 – dort noch obiter dictum – ausgesprochen, dass auf ein anhängiges Schuldenregulierungsverfahren, in dem das Abschöpfungsverfahren nach § 213 Abs 3 IO aF bereits für beendet erklärt wurde und die Entscheidung über die Restschuldbefreiung unter Auferlegung von bestimmten Ergänzungszahlungen ausgesetzt wurde, eine unmittelbare Anwendung des § 280 IO nF nicht in Frage kommt.
Eine wiederholte Beendigung desselben Abschöpfungsverfahrens ist begrifflich nicht möglich (vgl 8 Ob 6/18t). Der Beschluss nach § 213 Abs 3 IO aF enthält überdies bereits eine bindende Entscheidung über das Ausmaß der Restschuldbefreiung, lediglich deren Erteilung oder Versagung bleibt noch vorbehalten (8 Ob 57/13k).
Darüber hinaus sieht das IRÄG 2017 keine rückwirkende Abänderung rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen vor. Die Übergangsregelung des § 280 IO nF lässt nicht erkennen, dass damit ein Eingriff in die durch den Beschluss nach § 213 Abs 3 IO aF bereits vor dem 1. 11. 2017 erworbene Rechtsposition jener Gläubiger beabsichtigt war, die noch Ergänzungszahlungen zu erhalten haben und in diesem Umfang auch zur Exekutionsführung berechtigt sind (Mohr in Konecny/Schubert Insolvengesetze § 213 IO Rz 18).
Es liegt in der Natur jeder Gesetzesänderung, dass Sachverhalte, die vor und nach dem Stichtag ihres Inkrafttretens verwirklicht wurden, einer unterschiedlichen rechtlichen Behandlung unterliegen können. Gemäß § 5 ABGB wirken Gesetze im Zweifel nicht zurück (RIS-Justiz RS0008745). Vor dem Inkrafttreten eines Gesetzes abschließend verwirklichte Sachverhalte sind daher grundsätzlich nach altem Recht zu beurteilen (RIS-Justiz RS0008715, RS0008747). Die Beurteilung anspruchsbegründender Tatbestände, die bereits vollständig verwirklicht sind, hat prinzipiell nach der im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs geltenden Rechtslage zu erfolgen (5 Ob 98/94; 6 Ob 2094/96a; 9 Ob 35/01i). Der Gesetzgeber kann zwar eine ausnahmsweise Rückwirkung anordnen, sie muss sich jedoch aus dem Gesetz selbst ergeben (RIS-Justiz RS0008713, RS0008694).
Dem Rekurs des Schuldners war daher keine Folge zu geben.
Textnummer
E121771European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00040.18T.0323.000Im RIS seit
24.06.2018Zuletzt aktualisiert am
24.06.2018