Entscheidungsdatum
11.06.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W163 2197726-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Daniel Leitner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.05.2018, Zl. XXXX,
I. zu Recht erkannt:
A)
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs 1 und 2 VwGVG im Umfang des Spruchpunktes IV. ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
und
II. den Beschluss gefasst:
A)
In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheids aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
I.1. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) hat nach seiner unrechtmäßigen und schlepperunterstützten Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 28.02.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, gestellt.
Am gleichen Tag fand vor einem Organ der Bundespolizei die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Dabei gab der BF als Fluchtgrund an, politische Probleme gehabt zu haben. Bei einer Auseinandersetzung mit einer anderen Partei (Akali Dal) sei er am Bauch durch Stiche verletzt worden. Zudem sei seine Familie bedroht worden.
In weiterer Folge wurde der BF am 05.03.2018 und am 19.04.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. In den Einvernahmen brachte der BF im Wesentlichen vor, der Aam Aadmi Partei anzugehören. Es gebe Spannungen mit anderen Parteien. So sei er unter Druck gesetzt worden, die Partei zu wechseln. Der BF sei von Mitgliedern der gegnerischen Partei attackiert worden, so sei ihm mit einer zerbrochenen Falsche in den Bauch gestochen worden. Er habe dies bei der Polizei angezeigt, sei aber nicht ernstgenommen worden. Der BF sagte zu, den Parteiausweis, die Anzeigebestätigung und eine Krankenhausbestätigung vorzulegen. Zudem brachte der BF vor, in Österreich zweimal am Oberschenkel operiert worden zu sein.
Am 19.04.2018 wurden ein histologischer Befund des LK XXXX und weitere medizinische Unterlagen vorgelegt.
2. Das BFA hat mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid, zugestellt am 14.05.2018, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gem. § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt (Spruchpunkt IV.).
Das BFA traf herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Indien und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass das Vorbringen nicht glaubhaft sei.
Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates stellte das BF fest:
"Es war nicht feststellbar, dass Sie einer asylrelevanten individuellen Verfolgung durch eine politische Partei in Indien ausgesetzt gewesen sind oder im Falle einer Rückkehr einer solchen ausgesetzt wären. Sie wären von der gegnerischen Partei attackiert worden und hätten eine Anzeige bei der Polizei erstattet. Sie könnten Beweise liefern."
Beweiswürdigend führte das BFA aus:
"Sie wären von der gegnerischen Partei attackiert worden und hätten Anzeige bei der Polizei erstattet. Entgegen Ihrem Versprechen Beweise in das Verfahren einzubringen, haben Sie das offenkundig nicht getan." Das BFA folgerte, "gesamt betrachtet" hätten sich aus seinem Vorbringen "keine Anhaltspunkte" ergeben, dass es eine konkret gegen den BF gerichtete asylrelevante Verfolgung gegeben hätte. Rechtlich kam das BFA zum Schluss, wie in der Beweiswürdigung "bereits ausführlich dargelegt", habe "auch sonst" keine Verfolgung iSd GFK glaubhaft gemacht werden können.
Spruchpunkt II. begründete das BFA mit dem Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative. Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer, des Mangels an privaten Interessen am Verbleib in Österreich und seines Bewusstseins über die Unsicherheit seines Aufenthalts, nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Indien (Spruchpunkt III.). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde stützte das BFA darauf, dass der BF keine Verfolgungsgründe vorgebracht hätte, aufgrund der Aberkennung bestehe auch keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.).
3. Gegen den oben genannten Bescheid des BFA richtet sich die beim BFA fristgerecht am 04.06.2018 eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG). Es wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, der Beschwerde stattzugeben und den Bescheid im angefochtenen Umfang aufzuheben oder abzuändern.
Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am 08.06.2018 vom BFA vorgelegt.
I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt)
Der unter Punkt I.1. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Dieser Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem Akteninhalt.
II. Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zu I. A)
1.1. Gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG kann das BFA einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt zu § 6 Z 1 und 2 AsylG 1997, einer mit § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG vergleichbaren Vorgängerbestimmung, dargelegt, dass bei der Prüfung, ob ein Anwendungsfall vorliegt, von den Behauptungen des Asylwerbers auszugehen ist und es in diesem Zusammenhang nicht auf die Frage der Glaubwürdigkeit der Angaben ankommt (VwGH 22.10.2003, 2002/20/0151). Bei der Prüfung, ob ein unter § 6 Z 1 AsylG 1997 zu subsumierender Fall vorliegt, ist von den Angaben des Asylwerbers auszugehen und auf deren Grundlage zu beurteilen, ob sich diesem Vorbringen mit der erforderlichen Eindeutigkeit keine Behauptungen im Sinne einer im Herkunftsstaat drohenden Verfolgung entnehmen lassen (vgl. das E vom 31. Jänner 2002, Zl. 99/20/0531). Unter "Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (VwGH 24.04.2003, 2000/20/0326).
1.2. Das BFA hat die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall auf § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG gestützt, was demnach voraussetzt, dass "der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat".
Entgegen der Annahme des BFA erstattete der BF in der Erstbefragung sowie in den Einvernahmen vor dem BFA ein konkretes Fluchtvorbringen, sodass schon unter diesem Aspekt nicht vom Nichtvorbringen von Verfolgungsgründen ausgegangen werden kann. Derartiges kann zudem unter Berücksichtigung der obzitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht erkannt werden, zumal es nicht auf eine fehlende Glaubhaftigkeit, die Eintrittsgefahr oder rechtliche Bewertung der behaupteten Verfolgung ankommt, sondern auf den Umstand, ob Verfolgungsgründe überhaupt vorgetragen wurden.
Der Spruchteil IV. des angefochtenen Bescheides war daher ersatzlos zu beheben.
Zu II. A)
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und der Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG Anm. 11).
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung auch eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389).
Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als grob mangelhaft:
Der BF hat anlässlich ihrer Erstbefragung und seiner niederschriftlichen Einvernahmen vor dem BFA insofern gleichbleibend angegeben, als Parteimitglied der AAP mit Spannungen zu anderen Parteien konfrontiert gewesen zu sein und insbesondere durch einen Bauchstich mit einer Flasche verletzt worden zu sein.
Das BFA hat es unterlassen, den diesbezüglich entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu klären. Zum einen wurde der BF nicht hinreichend zu den Hintergründen seines Fluchtvorbringens befragt, sodass offen blieb, ob der BF glaubhaft gemacht hat, dass er ein Parteimitglied der AAP sei, dass die vorgebrachten Ereignisse stattgefunden haben und dass der BF in der geschilderten Weise verletzt worden sei. Damit fehlt es bereits in den Kernpunkten an einem Ermittlungsergebnis. Dabei zeigt schon der Umstand, dass die "Feststellungen" zum Fluchtvorbringen im angefochtenen Bescheid im Konjunktiv verfasst sind (Bescheid S. 9), dass die belangte Behörde offenbar selbst nicht von einem geklärten Sachverhalt ausging. Ein Ermittlungsergebnis zur Glaubhaftigkeit des Kernvorbringens des BF ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Im Übrigen handelt es sich bei der "Feststellung", dass der BF keiner asylrelevanten individuellen Verfolgung durch eine politische Partei ausgesetzt ist, um eine rechtliche Beurteilung, die erst auf Basis eines ermittelten Sachverhalts zu treffen ist. Auch aus der "Beweiswürdigung", die lediglich die Angaben des BF stark verkürzt wiederholt, ergibt sich nicht, dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt worden wäre, da auch diese keine Aussage dazu enthält, ob bzw. welchen Sachverhalt die belangte Behörde als Ermittlungsergebnis ansieht.
Zum anderen hat es das BFA unterlassen, den Hintergrund des Vorbringens des BF durch die Heranziehung geeigneter Länderberichte zu ermitteln. Dem angefochtenen Bescheid sind keine Länderberichte zu den vom BF ins Treffen geführten Parteien, deren Verhältnis zueinander und zu deren Mitgliedern zu entnehmen. Gravierende Ermittlungslücken ergeben sich damit im Hinblick auf die Frage, inwiefern das Vorbringen des BF mit (objektivierbaren) Tatsachen übereinstimmen kann.
Schließlich kann auch den Ausführungen zur innerstaatlichen Fluchtalternative (lediglich zu Spruchpunkt II.) nicht entnommen werden, von welchem Sachverhalt die belangte Behörde diesbezüglich ausging, sodass auch in dieser Hinsicht die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen wurden.
Soweit die belangte Behörde in Ansehung des Vorbringens des BF, das offenkundig eine politische Komponente aufweist, schließt, dass sich aus seinem Vorbringen keine Anhaltspunkte für eine konkret gegen ihn gerichtete asylrelevante Verfolgung gegeben hätte, verkennt es zum einen die grundsätzliche Asylrelevanz der Verfolgung aufgrund einer politischen Gesinnung. Inwiefern es dafür Anhaltspunkte gibt, blieb vom BFA gänzlich unbeleuchtet. Jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit wurde etwa hinsichtlich der vom BF ins Treffen geführten Stichverletzung am Bauch unterlassen. Das Ermittlungsergebnis deckt dabei nicht einmal die Frage, ob potentielle Spuren einer solchen Verletzung beim BF gegeben sind. Dabei wird nicht verkannt, dass (auch) ein medizinisches Gutachten nicht geeignet ist, Aufklärung über die Frage zu geben, im Zuge welcher Ereignisse die Verletzungen erlitten wurden; sehr wohl geeignet ist es jedoch dafür, Verletzungsursachen von vorhandenen Narben zu belegen und eventuell auch zeitlich einzugrenzen, wann der Vorfall passiert ist.
Hinsichtlich des (jedenfalls im Rahmen der Prüfung nach § 9 BFA-VG) in Kalkül zu ziehenden Gesundheitszustands mangelt es zudem an einem Ermittlungsergebnis zur Behandelbarkeit der Erkrankung des BF in Indien, derentwegen er sich derzeit in Österreich in medizinischer Behandlung befindet.
Soweit das BFA sich darauf stützt, dass der BF entgegen seinem "Versprechen", Beweismittel vorzulegen, dies nicht tat, ist schließlich darauf hinzuweisen, dass der belangten Behörde eine entsprechende Würdigung als unterlassene Mitwirkung (vgl. § 15 AsylG) zwar unbenommen ist. Die Mitwirkungspflicht der Partei reicht aber nicht so weit, dass sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren sparen könnte (VwGH 04.11.2004, 2004/20/0216).
Zusammenschauend hat das BFA im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bloß ansatzweise ermittelt.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, weil eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.
Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des BFA gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Im vorliegenden Fall konnte die Verhandlung im Sinne des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Zu I. B) und II. B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) ab. Durch das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet. Die ersatzlose Behebung (vgl. VwGH 04.08.2016 Ra 2016/21/0162) der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde ergibt sich aus der klaren Rechtslage.
Schlagworte
Behandlungsmöglichkeiten, Behebung der Entscheidung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W163.2197726.1.00Zuletzt aktualisiert am
22.06.2018