TE OGH 2018/3/23 8Ob3/18a

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Veröffentlicht am 23.03.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann-Prentner, Mag. Korn, Dr. Stefula und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj C*****, vertreten durch seine Mutter M*****, diese vertreten durch Stipanitz-Schreiner & Partner Rechtsanwälte GbR in Graz, gegen den Antragsgegner D*****, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 31. Mai 2017, GZ 4 R 139/17h-21, mit dem dem Rekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 18. April 2017, GZ 2 Pu 193/16y-16, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Minderjährige ist der Sohn von Mag. S***** und dem Antragsgegner. Die Obsorge kommt der Mutter zu.

Der Minderjährige forderte von seinem Vater Geldunterhalt in der Höhe von (zuletzt) 450 EUR monatlich rückwirkend ab 1. Jänner 2016.

Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner zur Zahlung monatlicher Unterhaltsbeträge von 400 EUR ab 1. Jänner 2016 und wies das Mehrbegehren ab. Ausgehend vom Einkommen des Vaters ergebe sich rechnerisch ein Unterhaltsbetrag von 360 EUR. Ein allfälliger durch diätische Ernährung begründeter Mehraufwand finde im vom Vater anerkannten darüberliegenden Unterhaltsbetrag Deckung, weshalb das Mehrbegehren nicht berechtigt sei.

Das Rekursgericht gab dem gegen die Abweisung des Unterhaltsmehrbegehrens erhobenen Rekurs des Minderjährigen nicht Folge. Ein Sonderbedarf sei nur bei Deckungsmangel zu ersetzen. Hier übersteige der festgesetzte Unterhaltsbeitrag den Regelbedarf erheblich, weshalb der Sonderbedarf aus den Unterhaltszahlungen zu bestreiten sei.

Rechtliche Beurteilung

Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht über Antrag des Minderjährigen nachträglich zu, weil der Frage, ob eine Differenzierung zwischen erhöhtem allgemeinen Bedarf und Sonderbedarf zu erfolgen habe, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Minderjährigen, mit dem Antrag, den Unterhalt mit monatlich 450 EUR festzusetzen.

Der Vater beteiligte sich nicht am Revisionsrekursverfahren.

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden nachträglichen Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

1. Voranzustellen ist, dass die Mutter in „ihrem“ Rekurs nicht offenlegt, ob sie das Rechtsmittel im eigenen Namen oder im Namen des Minderjährigen erhebt. Da der Mutter aber ein eigenes Rekursrecht im Verfahren über den Kindesunterhalt nicht zusteht (2 Ob 92/12m mwN), ist mangels eindeutiger gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass sie namens des Minderjährigen tätig werden wollte (RIS-Justiz RS0079248).

2. Der Revisionsrekurs macht geltend, dass die Vorinstanzen den diätischen Mehraufwand des Minderjährigen aufgrund seiner Erkrankung zu Unrecht als Sonderbedarf angesehen hätten, es handle sich vielmehr um einen Mehrbedarf aufgrund der Bedürfnisse eines behinderten Kindes.

3. Sonderbedarf ist jener Bedarf, der sich aus der Berücksichtigung der beim Regelbedarf bewusst außer Acht gelassenen Umstände des Einzelfalls ergibt (RIS-Justiz RS0117791; vgl auch RS0047564; RS0109908). Gernerell kann gesagt werden, dass er durch Momente der Außergewöhnlichkeit, Dringlichkeit und Individualität bestimmt wird (RIS-Justiz RS0047539), also nicht mit weitgehender Regelmäßigkeit für die Mehrzahl der unterhaltsberechtigten Kinder anfällt. Der Sonderbedarf betrifft inhaltlich hauptsächlich die Erhaltung der (gefährdeten) Gesundheit, die Heilung einer Krankheit und die Persönlichkeitsentwicklung (insbesondere Ausbildung, Talentförderung und Erziehung) des Kindes; eine generelle Aufzählung all dessen, was als Sonderbedarf anzuerkennen ist, ist kaum möglich (RIS-Justiz RS0107180).

Richtig sind die Vorinstanzen daher davon ausgegangen, dass es sich bei den aufgrund der Behinderung des Minderjährigen ausschließlich geltend gemachten diätischen Mehraufwendungen um einen Sonderbedarf handelt. Das entspricht letztlich auch der vom Revisionsrekurs zitierten Entscheidung 2 Ob 514/94, die von einem „krankheitsbedingten sachbezogenen Sonderaufwand“ spricht.

Auch der Revisionsrekurs verweist nur darauf, dass die Mehraufwendungen der Befriedigung der individuellen, aus der Behinderung resultierenden Bedürfnisse des Minderjährigen entspricht, geht also inhaltlich ebenfalls von einem Sonderbedarf aus.

4. Ob ein Sonderbedarf vom Unterhaltspflichtigen zu decken ist, hängt davon ab, ob es dem Unterhaltspflichtigen angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse zumutbar ist (vgl RIS-Justiz RS0047543 [T1]). Erbringt der Unterhaltsschuldner ohnedies Unterhaltsleistungen, die den Regelbedarf beträchtlich übersteigen, ist im Rahmen der Unterhaltsbemessung Sonderbedarf nur dann zu ersetzen, wenn dessen Aufwendungen höher sind als die Differenz zwischen dem Regelbedarf und der laufenden monatlichen Unterhaltsverpflichtung (RIS-Justiz RS0047525 [T9]).

Erhält jedoch der Unterhaltsberechtigte lediglich deshalb Unterhaltsbeiträge, die nicht der vollen Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen entsprechen, weil er schon die Luxusgrenze erreicht hat, muss der Sonderbedarf nach neuerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 230/08d mwH; RS0047525 [T8]) zusätzlich zugesprochen werden, weil bei einer solchen Konstellation das Argument der nicht zu billigenden Überalimentierung des Unterhaltsberechtigten ins Leere ginge. Leistungen aus dem Titel des Sonderbedarfs sind nämlich zweckbestimmt und stehen nicht zur freien Verfügung des Unterhaltsberechtigten (8 Ob 50/10a).

6. Im vorliegenden Fall erzielt der Vater ein überdurchschnittlich hohes Einkommen, weshalb die Vorinstanzen davon ausgegangen sind, dass die Prozentkomponente bei Ausmessung des Kindesunterhalts nicht voll auszuschöpfen ist. Diese „Luxusgrenze“ wird im Allgemeinen als im Bereich des Zwei- bis Zweieinhalbfachen des Regelbedarfs liegend angenommen (RIS-Justiz RS0007138 [T14, T15]). Das Erstgericht hat diese Grenze im konkreten Fall bei 360 EUR angenommen (doppelter Regelbedarf abzüglich Transferleistungen), womit es sich im Rahmen der Judikatur hält. Auch der Revisionsrekurs wendet sich inhaltlich nicht gegen diese Berechnung. Durch die Festsetzung eines darüber hinausgehenden Unterhalts von 400 EUR hat das Erstgericht den Sonderbedarf des Minderjährigen mit 40 EUR berücksichtigt. Davon ausgehend, dass der Sonderbedarf im Revisionsrekurs selbst mit durchschnittlich 50 EUR angegeben wurde, ist diese Entscheidung nicht als unvertretbar anzusehen. Der Unterhalt wird nicht exakt mathematisch berechnet, sondern im Rahmen einer Ermessensentscheidung bemessen (vgl RIS-Justiz RS0057284). Eine Überschreitung dieses Ermessens im Sinn einer aufzugreifenden groben Fehlbeurteilung liegt nicht vor.

7. Dem Revisionsrekurswerber gelingt es daher nicht, eine Rechtsfrage der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung zu bringen, sodass der Revisionsrekurs zurückzuweisen war.

Textnummer

E121735

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00003.18A.0323.000

Im RIS seit

22.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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