TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/5 W202 2197148-1

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Veröffentlicht am 05.06.2018
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Entscheidungsdatum

05.06.2018

Norm

BFA-VG §18 Abs1 Z4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W202 2197148-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHLAFFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.04.2018, Zahl 1045374209-170907555, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich des Ausspruchs der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde in Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 03.08.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 12.04.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.

Zur Begründung seines Antrages führte der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung an:

"Ich bin damals von Indien nach Österreich weil ich hier studieren wollte. Bevor ich nach Österreich kam, hatte ich in Indien eine Geliebte, sie war aber Moslem. Ihre Eltern wollten diese Beziehung aber nicht, weil ich kein Moslem bin. Sie musste dann muslimischen Mann heiraten müssen. Ich hatte vor ca. 6 Monaten noch Kontakt mit ihr. Der Mann von ihr hat dies erfahren, dass ich in Kontakt mit ihr war. Wenn ich zurück nach Indien käme, würde er mich töten. Ich habe deswegen Angst um mein Leben."

Bei der Einvernahme vor dem BFA am 12.04.2018 brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor:

"...Ihre Eltern haben sie mit einem muslimischen Mann zwangsverheiratet. Als ich in Indien war habe ich das alles mitbekommen. Als ich dort war habe ich sie getroffen und Ihre Eltern erfuhren davon. Danach wurde ich von Ihren Eltern und von Ihrem Ehemann angegriffen. Ich wurde schwer verletzt. Ich habe Beweise

mit. ... Ich war mit einem Motorrad unterwegs und wurde mit einem

Auto verfolgt. Dieses Auto ist von hinten in mich hineingefahren und ich fiel dann auf den Boden. Die Leute sind ausgestiegen und haben mich mit Fußtritten in den Bauch geschlagen und mein T-Shirt zerrissen. Die Passanten auf der Straße haben das gesehen und kamen zur Hilfe. Die Täter sind dann weggerannt. Sie wollten mich sogar überfahren. Es wurde nichts gebrochen, aber ich hatte Schürfwunden. Mir geht es jetzt gut..."

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 18.09.2017, Zahl 1164090009-170948545, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG (Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides) sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG (Spruchpunkt II) ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gegen diesen eine Rückkehrentscheidung § 52 Abs 2 Z 2 FPG, und stellte fest, dass die Abschiebung nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III).

Mit Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.

Weiters stellte das BFA fest, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

Der Beschwerdeführer hat gegen diesen Bescheid des BFA fristgerecht Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A)

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs 5 VwGVG sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt.

Gemäß § 18 Abs 1 BFA-VG kann einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn 1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt; 2. sich der Asylwerber vor der Antragstellung schon mindestens drei Monate in Österreich aufgehalten hat, es sei denn, dass er den Antrag auf internationalen Schutz auf Grund besonderer, nicht von ihm zu vertretender Umstände nicht binnen drei Monaten nach der Einreise stellen konnte. Dem gleichzuhalten sind erhebliche, verfolgungsrelevante Änderungen der Umstände im Herkunftsstaat; 3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat; 4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat; 5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht, oder 6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist.

Der Verwaltungsgericht hat wiederholt zu § 6 Z 1 und 2 AsylG 1997, einer mit § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG vergleichbaren Vorgängerbestimmung, dargelegt, dass bei der Prüfung, ob ein Anwendungsfall vorliegt, von den Behauptungen des Asylwerbers auszugehen ist und es in diesem Zusammenhang nicht auf die Frage der Glaubwürdigkeit der Angaben ankommt (VwGH 22.10.2003, 2002/20/0151). Bei der Prüfung, ob ein unter § 6 Z 1 AsylG 1997 zu subsumierender Fall vorliegt, ist von den Angaben des Asylwerbers auszugehen und auf deren Grundlage zu beurteilen, ob sich diesem Vorbringen mit der erforderlichen Eindeutigkeit keine Behauptungen im Sinne einer im Herkunftsstaat drohenden Verfolgung entnehmen lassen (vgl. das E vom 31. Jänner 2002, Zl. 99/20/0531). Unter "Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (VwGH 24.04.2003, 2000/20/0326).

Zum gegenständlichen Verfahren

Das BFA hat die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall auf § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG gestützt, was demnach voraussetzt, dass "der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat".

Das BFA begründete seine diesbezügliche Entscheidung nach Zitierung des § 18 Abs. 1 BFA-VG wie folgt:

"Sie brachten rein wirtschaftliche Gründe vor, welche nicht asylrelevant sind. Sie hatten in Pakistan Arbeit. Laut Ihren Angaben wird Ihre Familie zurzeit vom Onkel unterstützt, weshalb Ihre Aussage, Sie wären ins Ausland gegangen umso Ihre Familie finanziell unterstützen zu können völlig ins Leere geht. Einerseits wird Ihre Familie von Ihrem Onkel unterstützt, andererseits haben auch Sie in Pakistan über Arbeit verfügt.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt das als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung. Wie oben ausgeführt, liegt Ziffer 4 in Ihrem Fall vor.

Für die Behörde steht fest, dass für Sie bei Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben ist. Sie bedürfen daher nicht des Schutzes Österreichs. Es ist in Ihrem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten ist. Da Ihrem Antrag auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden ist und Ihnen auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat droht, ist es Ihnen zumutbar, den Ausgang Ihres Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Ihr Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens tritt hinter das Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück."

Wie sich aus den obzitierten Einvernahmen des Beschwerdeführers ergibt, begründete der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz damit, dass er seine ehemalige Geliebte, die muslimischen Bekenntnisses sei, er sei Hindu, getroffen habe, und er in der Folge von deren Gatten und Eltern verfolgt worden wäre. Dass der Beschwerdeführer aber damit keine Verfolgungsgründe im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG vorgebracht habe, kann unter Berücksichtigung der obzitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in keiner Weise erkannt werden, zumal es dabei nicht auf eine fehlende Glaubhaftigkeit bzw. die Eintrittsgefahr der behaupteten Verfolgung ankommt, sondern auf den Umstand, ob die Verfolgungsgründe überhaupt vorgetragen wurden. Der Absatz in der Begründung im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer rein wirtschaftliche Gründe vorgebracht habe, er in Pakistan Arbeit gehabt habe usw., betrifft aber offensichtlich nicht den Fall des Beschwerdeführers. Anhaltspunkte, wonach ein sonstiger Tatbestand des § 18 BFA-VG im konkreten Fall vorliege, bestehen überdies nicht.

Der Ausspruch der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in Spruchpunkt IV. im angefochtenen Bescheid war daher ersatzlos zu beheben.

Der Beschwerde kommt somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG aufschiebende Wirkung zu.

Im gegenständlichen Verfahren war ein Vorgehen gemäß § 59 Abs 1 letzter Satz AVG zulässig, da die Entscheidung über den Ausspruch spruchreif war und die Trennung - auf Grund der Folgen einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für den Betroffenen - auch zweckmäßig erscheint.

(vgl. zu alldem BVwG 21.02.2017, L516 2147561-1/4E)

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG sind im gegenständlichen Fall erfüllt.

Über die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides ergeht eine gesonderte Entscheidung.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den obigen Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Fluchtgründe, Vorbringen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W202.2197148.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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