TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/5 W117 2196374-1

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Veröffentlicht am 05.06.2018
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Entscheidungsdatum

05.06.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2a
FPG §76 Abs3 Satz1

Spruch

W117 2196374-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur XXXX, über die weitere Anhaltung von XXXX, geb. XXXX, MAROKKO, in Schubhaft zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF, §76 Abs. 2a FPG, § 76 Abs. 3 Z 1 FPG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ordnete mit Bescheid vom 07.02.2018, GZ. 1097940007/180124600, über den Beschwerdeführer gem. § 76 Abs. 2 Z1 FPG die Schubhaft an.

Bereits am 05.02.2018 gegen 23:30 Uhr wurde in Graz erneut einer fremdenrechtlichen Kontrolle durch die Polizei unterzogen. Da er sich nach wie vor unrechtmäßig und nach wie vor ohne aufrechten Wohnsitz im Bundesgebiet aufhielt, wurde er erneut festgenommen und am 06.02.2018 in das PAZ Graz überstellt.

Dem Schubhaftbescheid lag unter Verweis auf die bereits im erstinstanzlich negativen Asylescheid 10.05.2016 und (auch) im dazugehörigen BVwG Erkenntnis vom 01.03.2018, Zahl: I409 2127234-1/10E, getroffenen Feststellungen - im Schubhaftbescheid vom 07.02.2018 mehrfach umfassend dokumentiert - folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Beschwerdeführer (BF) reiste im Jahr 2015 illegal nach Österreich ein und hat am 03.12.2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde am 10.05.2016 mangels Asylgründen gemäß §§ 3, 8 und 57 AsylG abgewiesen. Weiters wurde gegen den BF gemäß §52 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat Marokko zulässig ist. Ihm wurde eine Frist von 14 Tagen zur freiwilligen Ausreise aus Österreich ab Rechtskraft dieses Bescheides gewährt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 11. Mai 2016 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Am 06.02.2018 stellte er einen neuerlichen Asylantrag, die als Beschwerdeergänzung dem BVwG vorgelegt wurde. Die Beschwerde wurde vom BVwG als unbegründet abgewiesen und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (§ 18 BFA-VG) ausgesprochen. Dieses Erkenntnis des BVwG erwuchs schließlich am 02.03.2018 in Rechtskraft

2. Instanz.

Am 05.08.2016 wurde ein Verfahren (HRZ Verfahren) zur Erlangung eines Reisedokumentes für seine Rückkehr nach Marokko gestartet.

Am 03.01.2018 gegen 23:00 Uhr wurde der Beschwerdeführer in Graz einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen. Dabei wurde festgestellt, dass er sich sowohl unrechtmäßig als auch ohne aufrechte Meldung im Bundesgebiet aufgehalten hatte. Er wurde anschließend von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen und in das PAZ Graz überstellt.

Am 04.01.2018 wurde der Beschwerdeführer im PAZ Graz zu einer möglichen Schubhaft einvernommen und wurde er über eine geplante Abschiebung nach Marokko in Kenntnis gesetzt.

Am 11.01.2018 wurde er nach Verbüßung einer Verwaltungshaftstrafe wieder aus dem Polizeianhaltezentrum (PAZ) Graz entlassen. Er wurde im Rahmen dieser Entlassung aus dem PAZ Graz vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ersucht, umgehend einen Wohnsitz gemäß dem österreichischen Meldegesetz anzumelden.

Am 05.02.2018 gegen 23:30 Uhr wurde der BF in Graz erneut einer fremdenrechtlichen Kontrolle durch die Polizei unterzogen. Da er sich nach wie vor unrechtmäßig und nach wie vor ohne aufrechten Wohnsitz im Bundesgebiet aufgehalten hatte, wurde er erneut festgenommen und am 06.02.2018 in das PAZ Graz überstellt.

Am 06.02.2018 wurde er zu einer möglichen Schubhaftverhängung im PAZ Graz einvernommen. Diese Einvernahme gestaltete sich wie folgt:

"[...]

Aufgrund Ihres laut Aktenlage dargestellten persönlichen Verhaltens, welches Grund für die aktuelle Inhaftierung ist, wird seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Steiermark, in Erwägung gezogen, Sie gegebenenfalls in Schubhaft zu nehmen und anschließend so rasch als möglich in Ihre Heimat abzuschieben. Insbesondere vor allem auch, weil die Ausstellung eine Heimreisezertifikates durch die marokkanische Botschaft als sehr wahrscheinlich angesehen werden kann.

Es wird weiters in Erwägung gezogen, gegen Sie eine erneute Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu erlassen.

Ausschlaggebend dafür ist, dass Ihr persönliches Verhalten im Sinne des FPG eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt.

Der diesbezügliche Bescheid wird Ihnen zeitgerecht gegen Unterschriftsleistung zugestellt werden.

F: Haben Sie bis hierher alles verstanden?

A: Ja.

F: Was haben Sie dazu zu sagen?

A: Ich möchte nicht in Schubhaft. Ich möchte nach Traiskirchen und einen neuen Asylantrag stellen.

Zum Asylfolgeantrag um 10:52 Uhr:

F: Schildern Sie mir bitte Ihre Gründe für Ihre neuerliche Asylantragstellung. Was hat sich seit Ihrem letzten Asylantrag am 03.12.2015 geändert?

A: Ich habe einen Bruder der krank ist. Ich möchte ihm helfen.

F: Ihr Bruder ist aber im Gefängnis hier in Graz. Er ist dort in Sicherheit.

A: Ich möchte immer für ihn da sein und ihm helfen.

F: Haben Sie sonst noch irgendwelche Asylgründe vorzubringen?

A: Wenn mein Bruder aus der Haft entlassen und wieder gesund wird, werde ich Österreich freiwillig verlassen.

Zur Sache:

F: Sie waren bis 12.07.2016 in der Betreuungsstelle in 2460 Bruckneudorf, Lagerstraße 3 polizeilich gemeldet. Sie wurden am 11.01.2018 nach Ihrer Entlassung aus der Verwaltungsstrafhaft aus dem PAZ Graz ersucht, sich polizeilich gemäß dem Meldegesetz anzumelden. Laut österreichischem Melderegister sind Sie aber nach wie vor nicht amtlich gemeldet. Warum haben Sie sich bis heute nicht angemeldet?

A: Ich war ein bisschen betrunken und habe diesen Entlassungszettel verloren.

F: Wo schlafen und wo wohnen Sie?

A: Ich habe bei irakischen Freunden in Graz in der Mariengasse geschlafen.

F: Sie sind nach wie vor seit 16.06.2016 unrechtmäßig in Österreich. In Ihrer Einvernahme am 04.01.2018 hatten Sie behauptet, dass Sie nicht gewusst hätten, dass Sie Österreich seit 2016 wieder verlassen hätten müssen, da Sie den negativen Bescheid nicht gelesen hatten, weil Sie dachten, dass es sich beim Bescheid um ein unwichtiges Papier gehandelt hatte. Am 04.01.2018 wurde Ihnen diese Tatsache schließlich im Beisein eines Dolmetschers nachweislich zur Kenntnis gebracht. Warum haben Sie Österreich bis zum heutigen Tage noch immer nicht verlassen?

A: Ich wollte meinen Bruder nicht im Stich lassen. Und ich weiß, dass ich ein Recht habe, ein zweites Mal um Asyl anzusuchen, um bei meinem Bruder bleiben zu können.

F: Was verstehen Sie unter Asyl?

A: Asyl bedeutet für mich, einen ordentlichen Aufenthaltstitel in einem Land zu haben. Und der Grund dafür ist mein kranker Bruder.

F: Was spricht gegen eine Rückkehr in Ihre Heimat Marokko?

A: Erstens wegen meinem Bruder und zweitens habe ich familiäre Probleme. Mein Vater hat eine andere Frau geheiratet, mit dieser Kinder gezeugt und mit diesen Kindern kann ich nicht leben.

F: Sie sind erwachsen und müssen nicht mehr bei Ihrem Vater leben. Was spricht trotzdem dagegen?

A: Mein Vater nimmt mich nicht mehr auf und ich würde kein Dach über den Kopf haben.

F: Was möchten Sie hierin Österreich?

A: Wenn ich Asyl bekomme, werde ich die Sprache lernen und hier arbeiten.

F: Sie sind seit 2015 in Österreich. Was hat Sie daran gehindert, Deutsch zu lernen?

A: Ich habe keine Asylkarte und deswegen konnte ich keinen Deutschkurs besuchen.

F: Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für Ihre Heimreise nach Marokko scheint seit heute sehr wahrscheinlich. Sind Sie bereit, nach Marokko zurück zu kehren?

A: Ich möchte um Asyl ansuchen. Warum sagen Sie mir etwas über ein Heimreisezertifikat wenn ich um Asyl ansuchen möchte?

F: Am 04.01.2018 um 10:50 behaupteten Sie während Ihrer Einvernahme im PAZ Graz, dass Sie in der Arche 38 schlafen würden und dort gemeldet wären. Eine telefonische Nachfrage bei der Arche 38 der Caritas in Graz, Mariengasse 24 mit Frau FINK widerlegte Ihre Behauptung. Eine Nachfrage am 06.02.2018 um 08:45 Uhr bei Herrn Mag. LANG der Arche 38 ergab, dass Ihnen auf Grund ua. aggressiven Verhaltensweisen ein unbefristetes Hausverbot in der Arche 38 auferlegt worden ist. Was sagen Sie zu diesem Verhalten?

A: Ich hatte mich aufgeregt, weil ich nicht mehr in die Arche zurückgehen durfte.

F: W/e bestreiten Sie heute Ihren Lebensunterhalt bzw. wovon leben Sie?

A: Die Caritas hilft mir.

F: Wo befindet sich Ihr Reisepass?

A: Ich habe keinen Reisepass.

F: Sind Sie in Österreich kranken- oder sozialversichert?

A: Ich werde bei der Caritas gepflegt.

F: Haben Sie in Österreich außer Ihrem Bruder sonstige familiäre oder berufliche Bindungen?

A: ich habe einen Cousin meines Cousins in Wien.

F: Wo leben Ihre Angehörigen?

A: Sie leben in Marokko.

F: Haben Sie in Ihrem Heimatland irgendwelche Verfolgungen zu befürchten?

A: In Marokko gibt es keine Arbeit und kein Leben.

F: Ich bin mit der Einvernahme fertig. Haben Sie alles verstanden?

A: Ich verstehe nicht, warum ich hier sitze.

F: Haben Sie noch irgendwelche Wünsche, Fragen oder Bitten?

A: Können Sie mir bitte zeigen, wie ich mich anmelden kann.

Ich nehme die beabsichtigten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zur Kenntnis.

Für dieses Verfahren wird mir amtswegig eine Rechtsberatungsorganisation zur Verfügung gestellt. Ich habe diese Niederschrift gelesen. Sie ist in allen Teilen richtig und habe ich alles verstanden. Die von mir gemachten Angaben wurden in der Niederschrift vollständig und richtig festgehalten.

Während dieser Einvernahme stellte der Beschwerdeführer am 06.02.2018 um 10:52 Uhr im Stande der Festnahme im PAZ Graz einen Asylfolgeantrag.

Am 07.02.2018 wurde über ihn die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Zi. 1 FPG, unter anderem auf folgende Erwägungen gestützt, verhängt.

"In Ihrem konkreten Fall sind die Ziffern 1, 3, 5 und 9 erfüllt:

Ihr Asylantrag vom 03.12.2015 wurde am 16.06.2016 rechtskräftig negativ abgelehnt. Gegen Sie besteht gem. § 52 Abs. 2 FPG eine Rückkehrentscheidung. Sie waren seit 2016 verpflichtet, Österreich zu verlassen.

Weder sind Sie Ihrer Verpflichtung zur Ausreise aus Österreich bis zum heutigen Tage nachgekommen, noch verfügen Sie über finanzielle Mittel noch verfügen Sie über einen ordentlichen Wohnsitz - Sie wurden am 11.01.2018 im Zuge Ihrer Entlassung aus der Verwaltungsstrafhaft aus dem PAZ Graz sogar höflich ersucht, sich um einen Wohnsitz bzw. um eine amtliche Anmeldung zu bemühen - noch gehen Sie einer geregelten Beschäftigung nach

Sie haben durch Ihr Verhalten Ihre negative Einstellung vor der österreichischen Rechtsordnung dokumentiert und ist nach Beleuchtung all der dargelegten Fakten in Ihrem Fall von einer erheblichen Fluchtgefahr auszugehen."

Zusätzlich waren auf der Grundlage des jüngsten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes 01.03.2018, I409 2127234-1, in der Aslyangelegenheit des Beschwerdeführers, des (aktuellen) Strafregisterauszuges, der Anhaltedatei des BMI und des (aktuellen) ZMR-Auszuges noch folgende Feststellungen zu treffen:

Der Beschwerdeführer war zwischenzeitlich in die Schweiz gereist, um dort einer illegalen Beschäftigung nachzugehen; am 4. März 2016 stellte er in der Schweiz einen Asylantrag und wurde in der Folge aus der Schweiz nach Österreich rücküberstellt.

Mit Urteil des Landesgerichtes Landesgerichtes für Strafsachen Graz, 173 HV 11/2017w, vom 23.05.2017, rechtskräftig seit 29.05.2017 - Datum der (letzten) Tat 17.01.2017 -, wurde der Beschwerdeführer wegen versuchten Diebstahls, versuchter Nötigung und Sachbeschädigung nach § 105 Abs. 1, §§ 125 und 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt.

Ein weiteres Urteil erging vom Bezirksgericht Graz-West am 27.04.2018, GZ: 3 U 29/18k - 12: Der BF wurde wegen erneuten Vergehens gemäß § 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten, wobei die Probezeit auf 5 Jahre verlängert worden ist, verurteilt - Datum der (letzten) Tat 17.01.2018.

Das BFA wurde am 16.05.2018 von einer erneuten Anklageerhebung, diesmal wegen § 288 Abs. 1 und Abs. 4 StGB, verständigt.

Entsprechend der aktuellen Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres begann der BF unverzüglich nach seiner Einlieferung am 06.02.2018 um 02:00 "in der Zelle zu schreien und schlug gegen die Zellentüre, weiters verlangte er lautstark nach Zigaretten".

Während seiner Schubhaftanhaltung war der Beschwerdeführer in der Zeit vom 19.04.2018, 11:50, bis 22.04.2018, 12:00, in Hungerstreik.

Laut aktuellem Melderegisterauszug war der Beschwerdeführer vor seiner Inhaftierung zuletzt in der Zeit vom 16.08.2016 - 27.06.2017 in Graz polizeilich gemeldet.

Über Urgenzen der Verwaltungsbehörde, zuletzt am 22.05.2018, wurde der Verwaltungsbehörde mitgeteilt, dass noch keine Antwort von Marokko einlangte. Laut Mitteilung der Abteilung B/ll/1 des Bundesamtes - Heimreisezertifikate -, sind noch Erhebungen durch die marokkanischen Behörden in Marokko notwendig und benötigen diese in der Regel ca. 3-4 Monate, in Ausnahmefällen auch länger. Die Identifizierung der Personen erfolgt durch die marokkanischen Behörden in Marokko durch Fingerabdrücke.

Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates ist jedoch trotzdem als sehr wahrscheinlich anzusehen, da die Kooperation seit 2015 stetig verbessert werden konnte und mittlerweile eine kontinuierliche Zusammenarbeit gegeben ist. Laut Abteilung B/ll/1 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl werden regelmäßig Verbalnoten übermittelt.

Es finden weiters regelmäßigen Treffen und der regelmäßige Austausch zwischen der Botschaft und dem Bundesamt statt. Die Erlangung eines Heimreisezertifikates ist also möglich.

Der Beschwerdeführer hat seit seinem Aufenthalt in Österreich an keinem Verfahren mitgewirkt und war weder bereit, (nach seiner Rückführung aus der Schweiz) Österreich freiwillig wieder zu verlassen noch mit seinen Familienangehörigen in Kontakt zu treten, um sich ein Dokument seines Herkunftsstaates übermitteln zu lassen. Dies hätte die Ausstellung eines Heimreisezertifikates jedoch wesentlich beschleunigt.

Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt erfolgten seitens der Verwaltungsbehörde bereits drei Schubhaftprüfungen gem. § 80 Abs. 6 FPG, wobei jedesmal festgestellt wurde, dass die Schubhaft nach wie vor unbedingt erforderlich ist und kein gelinderes Mittel anwendbar scheint.

Nach telefonischer Rücksprache des BFA-Regionaldirektion mit der Abt. B/ll/1 des BFA am 22.05.2018 langte bis dato noch keine Antwort der marokkanischen Botschaft ein, jedoch wird der zuständige Mitarbeiter weiterhin in Kontakt mit den marokkanischen Behörden stehen und die Ausstellung des Heimreisezertifikates urgieren.

Es besteht aktuell erhebliche Fluchtgefahr.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich unzweifelhaft aus der Aktenlage - die, erhebliche Fluchtgefahr begründenden Parameter sind schriftlich dokumentiert:

So zeigt der Melderegisterauszug, dass der Beschwerdeführer vor seiner aktuellen Inhaftierung lediglich bis Juni letzten Jahres polizeilich gemeldet war und diesen Missstand trotz entsprechender Aufforderung durch die Verwaltungsbehörde Anfang Jänner dieses Jahres nicht abstellte; stattdessen wurde er erneut straffällig. Auch die eindeutig dokumentierten Straftaten, die zwischenzeitlich illegale Einreise in die Schweiz und entsprechende Asylantragstellung, die daher notwendige Rückführung nach Österreich zeigen, dass sich der Beschwerdeführer dem Zugriff der Behörden zu entziehen trachtete und trachtet.

Der Beschwerdeführer hatte aber auch nach seiner Inschubhaftnahme Verhaltensweisen gesetzt, die seine Fluchtgefahr eindeutig belegen:

So versuchte sich der Beschwerdeführer zwischenzeitlich durch Hungerstreik freizupressen und zeigte sich anlässlich seiner Einlieferung in das Polizeianhaltezentrum Graz am 06.02.2018 durch sein äußerst aggressives Verhalten nicht kooperationsbereit.

Festzuhalten ist, dass die Behörde das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats bereits eingeleitet hat und sich offensichtlich weiter um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei den marokkanischen Behörden bemüht.

Die Ausstellung entsprechender Heimreisezertifikate nach Marokko ist nach der überzeugenden Darstellung der Verwaltungsbehörde, weil auch mit den Erfahrungen des Bundesverwaltungsgerichtes im Einklang stehend, in absehbarer Zeit möglich. Hinsichtlich des BF liegen also aktuell keine Umstände vor, die die Erlangung eines HRZ aussichtslos erscheinen lassen.

Auch aufgrund der eigenen Angaben des BF - er begehrte im Zuge seiner Schubhafteinvernahme nochmals Asyl -, steht fest, dass der BF Österreich nicht verlassen möchte und nicht gewillt ist, sich der Rechtsordnung entsprechend zu verhalten.

Sein bisheriges Verhalten und seine Lebensweise lassen somit keine Zweifel daran, dass der BF in Österreich nicht integriert ist und dass er seine Freilassung nur dazu nützen wird, sich seiner Abschiebung zu entziehen; zusätzlich ist zu befürchten, dass sich der Beschwerdeführer dem neuerlichen Strafverfahren zu entziehen trachtet.

Die Behörde ist zutreffend von hoher Fluchtgefahr und akutem, erheblichem Sicherungsbedarf hinsichtlich des BF ausgegangen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. - Fortsetzung der Schubhaft

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

Die für den gegenständlichen Fall relevanten Fluchtgefahrtatbestände lauten:

In diesem Zusammenhang sind die Kriterien gem. § 76 Abs. 3 FPG zu beachten.

1. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig.

Die Schubhaft ist jedenfalls wegen erheblicher Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt.

Damit ist jedenfalls weiterhin der Fluchtgefahrtatbestand des §76 Abs. 3 Z 1 FPG - Versuch der Umgehung/Behinderung der Abschiebung durch mangelnde Kooperationsbereitschaft erfüllt.

Der Beschwerdeführer hatte keine berücksichtigungs-würdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde, die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund der Erlangbarkeit eines Heimreisezertifikates in der festgestellten absehbaren Zeit auch verhältnismäßig.

In diesem Zusammenhang war auch die mehrfache Straffälligkeit des Beschwerdeführers zu berücksichtigen und §76 Abs. 2a FPG anzuwenden:

"(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt."

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus. Es besteht ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts insbesondere ein erhebliches öffentliches Interesse, Fremde nach abgeschlossenem negativen Asylverfahren, die sich ohne Rechtsgrundlage in Österreich aufhalten, außer Landes zu bringen. In diesem Sinne ist sicherzustellen, dass das Abschiebeverfahren zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird.

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernden Umstände erkennen.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Zu Spruchpunkt II. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in allen Spruchpunkten nicht zuzulassen.

Schlagworte

Amtswegigkeit, Fluchtgefahr, Folgeantrag, Fortsetzung der Schubhaft,
Meldeverstoß, Schubhaft, Sicherungsbedarf, strafrechtliche
Verurteilung, Überprüfung, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W117.2196374.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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