TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/6 W124 2196407-1

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Veröffentlicht am 06.06.2018
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Entscheidungsdatum

06.06.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W124 2196407-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX, StA. Indien, vertreten durch den XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57, 10 Abs. 1 Z 3 iVm 9 und 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG und §§ 52 Abs.2 Z 2 und Abs. 9, 46 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der BF stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 30.06.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 i.d.g.F. (im Folgenden auch: "AsylG 2005").

Im Zuge der Erstbefragung durch die Polizeiinspektion Schwechat am XXXXführte der BF im Zuge seiner Einvernahme aus, dass er in seiner Heimatstadt eine Beziehung mit einer Frau gehabt habe. Der BF sei Sikh und diese Frau habe den Moslems angehört. Aus diesem Grunde sei diese Familie gegen den BF gewesen. Der Vater dieser Frau sei Angestellter eines Ministers gewesen und habe dabei seine Macht ausgenützt, indem er die Polizei geschickt und den BF festnehmen habe lassen. Er sei dabei von der Polizei als auch den Leuten des Vaters dieses Mädchens bedroht worden. Er habe daher Angst gehabt und beschlossen seine Heimat zu verlassen.

2. Am XXXX wurde gegen den BF eine Strafverfügung in der Höhe von 363,00 Euro wegen des Verstoßes nach § 37 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 3 Z 1 FSG verhängt.

3. Der BF wurde am XXXX vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.

Dabei führte der BF hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse aus, dass er nicht in ärztlicher Behandlung stehe und keine Medikamente einnehmen würde.

An seiner Adresse in Österreich würde er mit XXXX leben. Familienangehörige oder sonstige Verwandte habe er in Österreich nicht. Einen Deutschkurs habe der BF noch nicht gemacht, sei aber vom Willen getragen einen solchen zu besuchen. In seiner Heimat habe er 12 Jahre die Grundschule besucht und anschließend drei Jahre ein College für Maschinenbau absolviert.

Seine Eltern, Bruder und Schwester, welche verheiratet seien, würden noch in Indien leben. Bis zu seiner Ausreise habe er im Dorf XXXX, XXXX, gelebt. Der Lebensunterhalt sei von seinen Eltern finanziert worden, da er in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet habe. Mitte XXXX habe er Indien verlassen. Dies sei ca. ein Monat bevor er nach Österreich gekommen sei gewesen.

Indien habe er wegen seiner Freundin, die er im College gehabt habe, verlassen. Ihr Vater sei der Personalassistent des MLA gewesen. Sie habe der Kaste der SC (scheduled caste) angehört, während der BF der Jat-Kaste angehört habe. Die Familie der Freundin sei gegen deren geführte Beziehung gewesen und habe deren Vater durch die Polizei Druck auf den BF ausgeübt, indem er auch von dessen Handlangern bedroht worden sei. Die Polizei habe den BF in Anzeigen involvieren wollen und deswegen habe der BF eine Ausreise aus Indien organisieren wollen.

Auf die Frage, welcher Religion seine Freundin angehört habe, gab dieser an, dass diese eine sogenannte Ramdasia sei. Auf Vorhalt, dass der BF bei der Erstbefragung angegeben haben, dass sie Muslimin gewesen sei, gab der BF an, dass er gesagt habe, dass sie eine Ramdasia und eine SC sei. Wie der Vater der Freundin der BF geheißen habe, wisse der BF nicht.

Auf Nachfrage, wie die Freundin des BF geheißen habe, gab dieser nach langem Nachdenken an, dass er nur deren Rufnamen, welcher XXXX heiße, wisse. Der Name des Vaters habe den BF nicht interessiert und habe er den Namen seiner Freundin, welche er auch am College nur XXXX genannt habe, schon erwähnt. Die Beziehung mit seiner Freundin habe drei Jahre gedauert.

Er sei von sechs, sieben Männern, die in sein College gekommen seien dazu angehalten worden von diesem Mädchen abzulassen, da er ansonsten umgebracht werden würde. Dies sei im XXXX geschehen.

Auf Vorhalt, dass der BF mit seiner Freundin drei Jahre zusammen gewesen sei und am Ende des dritten Jahres es zur Bedrohung gekommen sei, gab dieser auf die Frage, wann die Familie begonnen habe seine Freundin zu bedrohen an, dass es ein Collegefest gegeben habe, an dem er von den Cousins seiner Freundin mit dieser gesehen worden sei. Diese hätten der Familie des Mädchens berichtet. Die Polizei habe den BF bedroht, dass er ihn entweder wegen Drogen oder Terrorismus anzeigen würde und er sein ganzes Leben lang in einem Gefängnis verrotten würde. Dies habe man ihm im XXXX gesagt. Die Polizei sei dabei zu ihm nach Hause gekommen und habe ihn bedroht.

Mit seiner Freundin sei der BF mit dem Accountnamen "XXXX" nach wie vor in Kontakt.

Im Falle einer Rückkehr nach Indien befürchte der BF durch den Einfluss des Vaters der Freundin von der Polizei eingesperrt zu werden. Vielleicht würde man ihn aber auch töten, da sie über die entsprechende Macht verfügen würden. Außerdem würden alle Männer, die aus dem Ausland zurückkehren würden, inhaftiert werden. Derzeit würde im Punjab die INC regieren. Wenn eine andere Partei an die Macht komme und der Vater seiner Freundin nicht mehr so einflussreich sein könne, würde dieser zurückkehren. Derzeit würde er seine Rache fürchten, da er mit diesem verfeindet sei.

4. Mit oben im Spruch genannten Bescheid des BFA vomXXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 i. V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 und 55 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG i. V.m. § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß Spruchpunkt VI. wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Ziffer 5 BFA-VG aberkannt und gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VII.).

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass sich bei seiner Einvernahme am XXXX aus seinen eigenen Aussagen mehrere Widersprüche ergeben hätten. So gab der BF an, dass der Vater seiner damaligen Freundin Personalassistent eines Members of Legeslatives Assembly, also eines Abgeordneten, jedoch nicht eines Ministers, gewesen sei.

Der BF habe entgegen seinen Angaben bei der Erstbefragung auch angegeben, dass seine Freundin keine Muslimin, sondern eine Ramdasia gewesen sei. Als der BF gebeten worden sei den Namen seiner Freundin anzugeben, gab dieser lediglich den Namen XXXX an und habe dazu erklärt, dass das ihr Rufname gewesen und ihr nur dieser bekannt gewesen sei. Gefragt, wie lange diese Beziehung mit dieser Frau bestanden habe, hätte der BF angegeben, dass er drei Jahre eine Beziehung geführt habe. Die Behauptung, dass dem BF nach einer dreijährigen Beziehung lediglich der Rufname seiner Freundin bekannt gewesen sei, entbehre jeglicher Lebenserfahrung.

Der BF habe auch angegeben den Namen des Vaters der Freundin nicht zu wissen, weil ihn dies nicht interessiert habe. Diesem Umstand würde entgegenstehen, dass er genaue Angaben zum Beruf dieser Person gemacht habe und diese Person ein zentrales Element seines Fluchtvorbringens dargestellt habe.

Außerdem sei es für das Bundesamt nicht nachvollziehbar, dass die Familie seiner Freundin erst am Ende des dritten Jahres von dieser Beziehung Kenntnis erlangt haben soll, da der BF weder vorgebracht noch in seinen Ausführungen den Anschein erweckt habe, dass er seine Beziehung in irgendeiner Form durch besondere Vorkehrungen oder durch besonderes Verhalten geheim gehalten habe.

In der Erstbefragung habe der BF angegeben von der Polizei festgenommen und bedroht worden zu sein. Des weiteres habe er sein Vorbringen betreffend der Bedrohung in seiner Einvernahme aufrecht erhalten und angegeben, dass Polizisten zu ihnen nach Hause gekommen seien und sie mit Anzeigen wegen "Drogen oder Terrorismus" bedroht hätten, wenn er nicht von der Beziehung mit seiner Freundin ablassen würde. Der Vorfall habe im XXXX stattgefunden. Eine Festnahme habe er in seiner Einvernahme nicht mehr vorgebracht. Außerdem habe er keine Details angeben können und den Vorfall nur oberflächlich beschrieben.

Es sei für das Bundesamt nicht nachvollziehbar und glaubhaft, dass der Vater seiner vermeintlichen Freundin zuerst im Februar Handlanger zu ihnen geschickt habe, um sie mit dem Umbringen bedrohen zu lassen und ein Monat später Polizisten ihn mit dem Einsperren bedroht hätten. Diese massive Abschwächung sei vor allem deshalb nicht schlüssig, da der BF nach eigenen Angaben bis zu seiner Ausreise aus Indien im XXXX die Beziehung zu seiner Freundin beendet habe, diese also im Zeitraum zwischen den beiden Bedrohungen weiterhin bestanden haben soll.

Befragt, ob die Beziehung mit seiner Ausreise aus Indien beendet worden sei, habe der BF angegeben, dass dies der Wahrheit entsprechen würde, er aber mit seiner Freundin über Messenger in Kontakt stehen würde. Nach den "Accountnamen" seiner Freundin befragt, habe der BF angegeben, dass dieser "XXXX" geheißen habe. Um dies zu untermauern, habe der BF das "Facebookprofil" einer "XXXX" vorgezeigt und gemeint, auf deren offensichtlichen Widerspruch angesprochen, dass der Accountnahme geändert worden sei.

Insgesamt habe der BF in seiner Befragung drei verschiedene Namen zu seiner vermeintlichen Freundin vorgebracht, welche sich völlig unähnlich gewesen seien. Es entbehre jeglicher Lebenserfahrung, dass der BF nach einer dreijährigen Beziehung lediglich den Rufnamen seiner vermeintlichen Freundin angeben habe können. Seine Angaben bezüglich des Accountnamens und dessen behauptete Änderung am Ende der Einvernahme seien völlig unglaubhaft, insbesondere deshalb, weil er selbst angegeben habe, 10 bis 15 mal mit seiner Freundin in Kontakt gestanden zu sein und wegen der vermeintlichen Änderung des Accountnamens selbst überrascht gewesen zu sein.

Eine konkrete, gegen die Person des BF gerichtete Verfolgung durch staatliche Stellen, heimatliche Behörden, Militär oder privater Dritter habe er nicht behauptet bzw. nicht glaubhaft gemacht.

Der BF würde über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen, sei arbeitsfähig und würde die elementare Grundversorgung in seinem Herkunftsland gewährleistet sein.

5. Gegen diesen Bescheid wurde im vollen Umfang vom BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde mit oben im Spruch genannten Schriftsatz vom XXXX erhoben.

Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erstbefragung gem. § 19 AsylG insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute diene und sich nicht auf nähere Fluchtgründe zu beziehen habe.

Eine Inanspruchnahme des Schutzes durch den indischen Staat sei für den BF deswegen auszuschließen, weil die Verfolgung von diesem ausgehen würde.

Der BF habe seine Asylgründe bei der Befragung ausführlich dargelegt und sei dazu bereit gewesen zu jeder weiteren Frage entsprechend Stellung zu nehmen. Er habe sich des weiteres damit einverstanden erklärt, dass sein Vorbringen durch Erhebungen in seinem Heimatland überprüft werden würde. Somit habe der BF alles in seiner Macht stehende gemacht, um beim Verfahrenslauf seiner Mitwirkungspflicht nachzukommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Name bzw. das Geburtsdatum des BF kann auf Grund mangelnder unbedenklicher Urkunden nicht festgestellt werden. Auf Grund der ansonsten glaubwürdigen widerspruchsfreien Angaben hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse ist davon auszugehen, dass der BF indischer Staatsbürger ist und aus dem Bundesstaat XXXX stammt und dort von Geburt bis zu seiner Ausreise aus Indien gelebt hat

Er gehört der Volksgruppe der Punjabi sowie der Religion der Sikhs an. Er lebte bis zu seiner Ausreise aus Indien in seinem Heimatdorf. Sein Familienstand ist ledig und er hat keine Kinder. Er hat bis zur

12. Klasse die Grundschule und im Anschluss daran ein dreijähriges College für Maschinenbau besucht. Seine Muttersprache ist Punjabi. Sowohl seine Eltern als auch seine Geschwister, welche verheiratet sind, leben nach wie vor in Indien. Sein Lebensunterhalt wurde durch seine Eltern bzw. seiner Mitarbeit in der Landwirtschaft der Eltern bestritten.

1.2. Das darüber hinausgehende Vorbringen des BF zu seinen Fluchtgründen, wonach er vom Vater seiner Freundin, welcher durch seine Tätigkeit Einfluss auf die Polizei geübt habe, um den BF wegen eines unterstellten Deliktes festzunehmen, ist unglaubwürdig. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass dem BF dadurch eine individuelle Verfolgung droht.

1.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück-oder Abschiebung des BF nach Indien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Der BF ist gesund, arbeitsfähig und verfügt neben einer zwölfjährigen Schulbildung über einen College Abschluss in Maschinenbau. Der BF sammelte zudem Arbeitserfahrung in der elterlichen Landwirtschaft und verfügt über familiären Anschluss im Heimatstaat.

1.4. Der BF verfügt in Österreich bzw. der EU über keine Familienangehörigen. Er ist strafgerichtlich unbescholten und hat keine nennenswerten Deutschkenntnisse. Der BF wurde allerdings mit einer Strafverfügung wegen Übertretung des § 37 Abs. 1 iVm § 37 Abs. 3 Z 1 FSG belegt, da er ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Verkehr gelenkt hat ohne über die entsprechende Lenkerberechtigung zu verfügen.

Der BF hilft einem Freund beim Austragen von Zeitungen. Ansonsten geht der BF keiner erlaubten regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach. Es können keine Anhaltspunkte für die Annahme einer außergewöhnlichen Integration des BF in sprachlicher, sozialer und beruflicher Sicht festgestellt werden.

1.5. Zur Situation im Herkunftsstaat wird von den zutreffenden Feststellungen des BFA im angefochtenen Bescheid ausgegangen. Die Situation im Herkunftsland hat sich seit dem Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung im gegenständlich relevanten Punkten nicht entscheidungsrelevant verändert, wie sich das BVwG durch Einsicht in das LIB vom XXXX vergewissert hat.

Politische Lage

Indien ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber-Pakhtunkhwa (ehemals North West Frontier Province/NWFP) sowie den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA). Daneben kontrolliert Indien die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der Indienischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Indien liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum Indienischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 12.2016a).

Die Indienische Bevölkerung wird vom CIA World Factbook mit Stand Juli 2016 auf knapp unter 202 Millionen geschätzt. Indien ist damit der siebtbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 12.1.2017).

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform verabschiedet. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die durch die Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 12.2016a).

Die gesetzgebende Gewalt in Indien liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Indiens Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, zehn weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend deren Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 12.2016a).

Bei den Parlamentswahlen vom 11.5.2013 wurde eine von der Indien Peoples Party (PPP) geführte Regierung von der Indien Muslim League-N (PML-N) unter Nawaz Sharif abgelöst. Es war das erste Mal in der Geschichte Indiens, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 - 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief. Die PML-N erreichte eine absolute Mehrheit der Mandate. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die ehemalige Regierungspartei PPP, dicht gefolgt von der PTI (Indien Tehreek-e-Insaf) des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion im Parlament (AA 12.2016a).

Ebenfalls am 11.5.2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 Prozent der Bevölkerung Indiens), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber-Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei NP geführt, die eine Koalition mit PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 12.2016a).

Die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen war überraschend hoch (NZZ 11.5.2013). Die TTP (Tehrik-e-Taliban Indien) hielt die Wahl für unislamisch und hatte für den Wahltag Anschläge angekündigt. Die Wahl fand deshalb unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt, mehr als 620.000 Sicherheitskräfte waren im Einsatz (DZ 11.5.2013). Im Rahmen der Vorwahlzeit und der Wahlen verübten terroristische Gruppen mehr als 150 Anschläge, bei denen ca. 170 Menschen getötet und 700 verletzt wurden (BFA 10.2014).

Am 30.7.2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen Indienischen Staatsoberhaupt, der am 9.9.2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Indiens seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts wurde als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie in Indien gewürdigt (AA 12.2016a).

Ministerpräsident Nawaz Sharif erklärte wirtschafts- und finanzpolitische Themen sowie die Verbesserung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten Afghanistan und Indien zu den Schwerpunkten seiner Amtszeit. Die Regierung setzt ihren vorsichtigen Reformkurs fort (AA 12.2016a).

Katastrophen

Nach dem Erdbeben 2005 wurde die National Disaster Management Authority (NDMA) und 2010 Katastrophenmanagement-Behörden in den Distrikten und Provinzen eingerichtet, doch leiden diese an einem Mangel an ausgebildetem Personal, Koordination und finanziellen Ressourcen (IRIN 3.4.2014). In den letzten Jahren haben sich allerdings die Kapazitäten der Regierungsbehörden, der Sicherheitskräfte und der heimischen zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Bewältigung von Katastrophen deutlich verbessert (UNOCHA 31.1.2016).

Bei einem Erdbeben der Stärke 7,5 am 26.10.2015 kamen mindestens 248 Menschen ums Leben. Das Indienische Militär und Zivilbehörden führten die Rettungsmaßnahmen durch (Dawn 28.10.2015). Beinahe 666.000 Menschen wurden in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa und der Agency Bajaur durch das Beben vertrieben (IDMC/NRC 5.2016). Zwischen März und Juli 2016 wurden 239 Menschen bei starken Monsoon Regenfällen in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa getötet. Die Regierung führte die Rettungs- und Suchaktionen durch, die internationale Gemeinschaft wurde nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 4.7.2016). Im April 2016 kamen 5 Menschen in Indien bei einem Erdbeben ums Leben, die Provincial Disaster Management Authority von Khyber Pakhtunkhwa sowie die NDMA übernahmen die Versorgung der von den Fluten Betroffenen, auch hier wurde die internationale Gemeinschaft nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 11.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (12.2016a): Indien - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html#doc344388bodyText3, Zugriff 18.3.2017

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BFA Staatendokumentation (10.2014): Indien - Challenges & Perspectives

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CIA - Central Intelligence Agency (12.1.2017): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 18.13.2017.

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Dawn (28.10.2015): Earthquake toll reaches 248, relief efforts continue, https://www.dawn.com/news/1215703, Zugriff 29.10.2015

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IDMC/NRC - Internal Displacement Monitoring/Norwegian Refugee Council (5.2016): GRID 2016 Global Report on Internal Displacement, http://www.internal-displacement.org/globalreport2016/pdf/2016-global-report-internal-displacement-IDMC.pdf, Zugriff 28.11.2016.

-

IRIN (3.4.2014): Analysis: How effective is Indien's disaster authority?,

http://www.irinnews.org/report/99880/analysis-how-effective-is-Indien-s-disaster-authority, Zugriff 18.3.2017

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (11.5.2013): Hohe Wahlbeteiligung in Indien Anschläge fordern mindestens 24 Todesopfer, http://www.nzz.ch/aktuell/international/anschlaege-islamistischer-extremisten-auf-wahllokale-fordern-mindestens-16-todesopfer-1.18079638, Zugriff 18.3.2017

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UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (31.1.2016): Humanitarian Bulletin Indien Issue 37, December 2015 - January 2016, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/humanitarian_bulletin_dec_jan_2016.pdf, Zugriff 18.3.2017

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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.4.2016): Flash Update: #1 Afghanistan-Indien Earthquake, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_flash_update_afg_pak_earthquake_20160410_1_0.pdf, Zugriff 18.3.2017

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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (4.7.2016): Flash Update: #2 Indien Rains, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_flash_update_2_pak_rains_20160704.pdf, Zugriff 18.3.2017

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DZ - Die Zeit (11.5.2013): Anschläge überschatten Wahlauftakt in Indien,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-05/Indien-parlamentswahl-anschlagk, Zugriff 18.3.2017

Sicherheitslage

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Indiens bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinz Khyber-Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch die Indienischen Großstädte wie Karachi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z.B. die Sufis (AA 12.2016a). Jedoch hat sich die allgemeine Sicherheitslage quer durchs Land in den letzten drei Jahren verbessert (PIPS 1.2017).

Die Indienischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 30.5.2016). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Indiens gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem Indienischen Militär und den Indienischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 12.2016a).

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den Indienischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess jedoch mit Beginn der Militäroperation in Nord-Wasiristan im Juni 2014 abgebrochen. Am 15.4.2014 begann eine umfassende Militäroperation in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 12.2016a). Die Operation bezog auch benachbarte Regionen der FATA mit ein und hatte das Ziel aufständische Gruppen und Terrorismus zu zerschlagen und die vollständige Kontrolle des Staates über die Stammesgebiete herzustellen (AA 30.5.2016). Ein erheblicher Teil der Rebellen und Terroristen wich jedoch vor der Militäroperation in andere Gebiete Indiens oder über die Grenze nach Afghanistan aus, so dass der Anti-Terror-Kampf auf absehbare Zeit weiter eine große Herausforderung für das Land darstellen wird (AA 12.2016a).

Als Ergebnis dieser und früherer Operationen der Sicherheitskräfte in den Stammesgebieten gibt es derzeit rund 1,5 Millionen Binnenvertriebene (AA 30.5.2016). Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren, das bedeutet die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die zum Teil bei der Rückkehr unterstützen (BAA 6.2013; vgl. BFA 10.2014). Die geordnete Rückführung der vertriebenen Bevölkerung in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 30.5.2016).

Im Nachfeld des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den die Indienischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u.a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafenmoratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismusverdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 12.2016a).

2015 wurden weiterhin signifikante Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nordwasiristan durchgeführt um "sichere Häfen" für Terroristen zu zerstören und Waffenarsenale auszuheben. Operationen von paramilitärischen und zivilen Sicherheitskräften umfassten unter anderem die Bekämpfung des Terrorismus in urbanen Gebieten und Razzien um Terrorismuspläne zu vereiteln. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten Operationen in Belutschistan, Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und Punjab durch. Große Waffen- und Sprengstoffarsenale wurden ausgehoben und ausgefeilte Telekommunikationsnetzwerke entdeckt. Terroristen wurden verhaftet und Strafverfahren eingeleitet (USDOS 2.6.2016).

Die ausgefeilten rechtlichen Maßnahmen, welche der Fair Trial Act von 2012 und das NACTA den Nachrichtendiensten und Rechtsdurchsetzungsorganen bieten, waren allerdings erst im Prozess der Implementierung. Die verbesserte Gesetzgebung wird bereits angewendet. Das Justizsystem ist allerdings langsam bei der Abarbeitung von Terrorfällen, wie auch anderer Kriminalfälle (USDOS 2.6.2016).

Die verschiedenen terroristischen Gruppierungen führten 2015 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Indien durch, 48 Prozent weniger als im Jahr davor. Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 Prozent weniger als 2014, 1443 wurden verletzt, 54 Prozent weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630 Zivilisten, 318 Angerhörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121 Militante. 266 der Terrorakte (über 42 Prozent) zielten ausschließlich auf die Sicherheitskräfte oder die Rechtsdurchsetzungsbehörden, 92 der Attacken richteten sich gegen Zivilisten (15 Prozent), 41 Attacken gegen politische Akteure, 39 gegen Stammesältere, die sich in lokalen Friedenskomitees engagierten. 63 Attacken waren sektiererisch motiviert. Die Zahl der Todesopfer in sektiererischen Terrorakten stieg um 7 Prozent von 255 auf 272. Die Zahl aller sicherheitsrelevanter Gewaltvorfälle sank im Jahr 2015 um 48 Prozent von 2.099 im Jahr 2014 auf 1.097 im Jahr 2015, die Zahl der Todesopfer dabei von 5.308 im Jahr 2014 auf 3.503 für 2015 (PIPS 3.1.2016).

Die Situation verbesserte sich weiterhin im Jahr 2016. Dies lässt sich Großteils auf die extensiven Operationen gegen Militante durch die Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden zurückführen - von den Militäroperationen in der FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Eingriffen in Karatschi, den Razzien des Frontier Corps in Belutschistan und den Anti-Terrorismus Operationen der Polizeigeheimdienste in Punjab und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 1.2017).

Durch die langsame Umsetzung des Nationalen Aktionsplans kann dieser die erreichten Ziele allerdings nicht ergänzen. Außerdem fehlt die Umsetzung der im Plan vorgesehenen "soft"-Komponenten der Terrorismusbekämpfung, der Einsatz von Gewalt und Abschreckung alleine kann die Wurzeln nicht bekämpfen. Die Terrororganisationen zeigen, dass sie ihre durch die Sicherheitskräfte verursachten Verluste durch Re-Gruppierungen oder Neugründungen überwinden können. Die Präsenz von Unterstützern und Verbündeten des der Terrorgruppe Islamischer Staat (Abk. IS; auch: Islamischer Staat in Irak und Syrien, Abk. ISIS) ist eine große Herausforderung für den Staat. Sie verstehen es auch den Nexus innerhalb der Indienischen Terrorgruppen zu nutzen und unter deren Mitgliedern zu rekrutieren (PIPS 1.2017).

Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um 28 Prozent auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der Umstand, dass ein Rückgang von 28 Prozent bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten Rückgang von 12 Prozent bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den Aufständischen einige größere Anschläge dieses Jahr gelingen konnten. Die Todesopfer unterteilen sich in 545 Zivilisten, 302 Angehörige der Sicherheitskräfte und Rechtsdurchsetzungbehörden und 61 Militante (PIPS 1.2017).

48 Prozent der Anschläge zielten auf Personal und Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Ungefähr 20 Prozent der Anschläge im Jahr 2016 zielten auf Zivilisten, ungefähr 6 Prozent auf Stammesmitglieder oder Freiwillige, die sich in Anti-Terror Friedenskomitees engagierten, hauptsächlich in FATA und Khyber Pakhtunkhwa. Ungefähr 8 Prozent der Anschläge waren sektiererisch motiviert (Sunni-Shia), ungefähr 7 Prozent zielten gegen zivile staatliche Infrastruktur und Regierungsvertreter. 20 Anschläge richteten sich gegen politische Führer und politisch tätige, 5 Anschläge gegen religiöse Minderheiten, davon 2 gegen Christen, 2 gegen Hindus und eine gegen Ahmadis (PIPS 1.2017).

Ungefähr 50 Prozent (218) aller Anschläge waren gezielte Tötungen einzelner Personen. Die Indienischen Taliban, hauptsächlich die Tehreek-e-Taliban Indien (TTP) und lokale mit ihr in Verbindung stehende Taliban-Gruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen, wie die Jamaatul Ahrar oder Lashkar-e-Islam oder IS Unterstützer führten mehr als 62 Prozent aller Anschläge durch, denen 640 Menschenleben zum Opfer fielen. Belutschische nationalistische Gruppierungen führten 127 Anschläge durch, Sindhi Nationalisten 7, zusammen forderten diese nationalistischen Anschläge 164 Todesopfer. 34 Anschläge wurden durch sektiererische Sunni oder Shia Gruppen durchgeführt mit 104 Todesopfern (PIPS 1.2017).

Insgesamt gab es im Jahr 2016 in Indien, inklusive der Anschläge, 749 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt, darunter 95 operative Schläge der Sicherheitskräfte, 105 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, 74 Auseinandersetzungen an der Grenze mit Indien, Afghanistan und Iran und 12 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt. Insgesamt wurden 1.887 Personen bei diesen Vorfällen getötet. Die Zahl der Vorfälle sank damit im Vergleich zu 2015 um 32 Prozent, die Zahl der Todesopfer um 46 Prozent (PIPS 1.2017).

Im Jahr 2016 wurden 95 operative Schläge und Razzien durchgeführt in 35 Distrikten oder Regionen Indiens, 38 davon in Belutschistan, 24 in der FATA, hauptsächlich in Khyber und Nord Waziristan, 15 in Karatschi, 13 im Punjab und 5 in Khyber Pakhtunkhwa. 492 Menschen wurden dabei getötet, davon 481 Militante. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2015 143 Sicherheitsoperationen durchgeführt in 31 Distrikten mit 1.545 Todesopfern (PIPS 1.2017)

Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016). So ist auf föderaler Ebene die institutionelle Struktur einer Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen den Terrorismus bekämpfenden Behörden nicht förderlich. Einige Provinzen zeigen vermehrt Anstrengungen bei der Ausbildung, Ausstattung und Informationsaustausch um Terroristen aufzuspüren, aber in der Strafverfolgung von Terrorismusverdächtigen besteht noch Verbesserungsbedarf, bei anderen Provinzen ist es umgekehrt (USDOS 2.6.2016).

Die Regierung unterhält einige De-Radikalisierungszentren in verschiedenen Teilen des Landes. Diese bieten eine korrigierende religiöse Bildung, Berufsausbildung, Beratung und Therapie an (USDOS 2.6.2016). Zentren befinden sich in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 2.6.2016).

Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte Fortschritte in Indien in der Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Indiens Kriminalisierung von Terrorismusfinanzierung entspricht nun internationalen Standards. Maßnahmen umfassen z.B. die Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO Finanzierungen, das Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch gelingt es solchen Organisationen in Indien ökonomische Ressourcen einzusetzen und Spenden zu lukrieren (USDOS 2.6.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Indien.

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AA - Auswärtiges Amt (12.2016a): Indien - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 18.3.2017

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BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Indien vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

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BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Indien,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-Indien-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017

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BFA Staatendokumentation (10.2014): Indien - Challenges & Perspectives

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PIPS - Pak Institute for Peace Studies (3.1.2016): Indien Security Report 2015.

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PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016

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Indien Security Report. Reuters (11.4.2013): Indien violence, http://www.trust.org/spotlight/Indien-violence, Zugriff 25.11.2016

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USDOS - US Department of State (2.6.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - Indien, https://www.state.gov/j/ct/rls/crt/2015/257518.htm, Zugriff 12.11.2016

Regionale Verteilung der Gewalt

Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber-Pakhtunkhwa, den Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (AA 20.3.2017) sowie in der Wirtschaftsmetropole Karachi (AA 30.5.2016). Laut einem lokalen Experten in Indien, ist Punjab, besonders der nördliche Teil dieser Provinz, das sicherste Gebiet Indiens, gefolgt von Sindh (allerdings sind Teile von Karachi durchaus unsicher). An dritter Stelle liegt Khyber Pakhtunkhwa. Die unsichersten Gegenden sind Belutschistan und FATA (BFA 9.2015).

Wie auch im Jahr 2014 wurde die höchste Zahl an Terroranschlägen in Indien im Jahr 2015 aus Belutschistan gemeldet. In 218 Anschlägen wurden 257 Menschen getötet und 329 verletzt. Am meisten Todesopfer allerdings verzeichneten die FATA mit 268 in 149 Anschlägen, worunter allerdings auch 70 Angreifer fallen. In der Provinz Sindh forderten 102 Terroranschläge insgesamt 251 Todesopfer in , davon allein in Karachi 150 Tote in 85 Anschlägen und 101 Tote in 17 Anschlägen im inneren Sindh. Punjab war von 24 Terroranschlägen mit 83 Toten im Jahr 2015 betroffen. Islamabad war von 3 Anschlägen mit 4 Toten betroffen, Gilgit Baltistan verzeichnete 4 Anschläge ohne Todesopfer (PIPS 3.1.2016).

Im Jahr 2016 war Belutschistan wieder die Region von Indien mit den höchsten Anschlagszahlen - 151 Anschläge wurden durchgeführt. Sie war auch die Provinz mit den höchsten Opferzahlen, mit 412 Toten. Khyber Pakhtunkhwa war am zweitstärksten von Anschlägen betroffen, 127 Anschläge töteten hier 189 Menschen. Gefolgt wurden diese von der FATA mit 99 Anschlägen und 163 Toten. Sindh war von 54 Anschlägen mit 63 Toten betroffen, allerdings entfielen davon 47 Anschläge mit 60 Toten allein auf Karatschi. Im Sindh - Karatschi ausgenommen - gingen die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um 97 Prozent zurück, in Islamabad um 75 Prozent, in Karatschi um 60 und in der FATA um 38 Prozent. Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Indien.

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AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.3.2017): Indien - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung) http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/IndienSicherh eit.html, Zugriff 20.3.2015

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BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Indien,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-Indien-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017.

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PIPS - Pak Institute for Peace Studies (3.1.2016): Indien Security Report 2015.

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PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016

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Indien Security Report.

Wichtige Terrorgruppen und Zwangsrekrutierungen

Das Jahr 2016 zeigte, dass die operativen Kapazitäten der Aufständischen durch die Militäroperationen weiter geschwächt wurden. Die Gruppierungen unterliegen allerdings einer konstanten Transformation. Während einige an Boden verlieren, dehnen sich andere aus. Die Gruppierungen ringen auch darum, neue Allianzen sowie Allianzen mit ausländischen Terrorgruppen zu bilden, hauptsächlich mit dem Islamic State of Iraq and Syria (ISIS) und Al-Quaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) (PIPS 1.2017).

Die Tehrik-e-Taliban Indien (TTP) ist die größte militante Gruppe in Indien. Sie entstand 2007 als loses Bündnis von Deobandi-Gruppen, die an der Indienischen Grenze zu Afghanistan operierten. Ursprüngliches Ziel war die Einsetzung der Sharia und die Bekämpfung der Koalitionskräfte in Afghanistan. Später richtete sie sich auch gegen den Indienischen Staat. Die Anhängerschaft setzt sich hauptsächlich aus Paschtunen der Grenzregion zusammen. Die TTP finanziert sich aus Erpressung, Schmuggel, Drogenhandel und Kidnapping. Es scheint als hätte sie durch die Operation Zarb-e-Azb in Nordwaziristan stark an Boden verloren (EASO 7.2016). Obwohl die TTP mit Problemen zu kämpfen hat, bleibt sie der Hauptakteur der Instabilität im Land. Ein wichtiges Terrain der TTP ist Karatschi, besonders für die Finanzierung. Hier versendet sie auch Drohbriefe an Händler/Gewerbetreibende, um Zahlungen zu erzwingen (PIPS 1.2017). Der Vertreter des PIPS erläutert bei der FFM 2013, dass die TTP nicht über eine einheitliche Struktur verfügt und auch die vorhandene Struktur nicht mehr intakt ist. Jede Gruppe hat eigene Operationen (BAA 6.2013). Die TTP wurde stark durch interne Krisen und die militärischen Operation in Nord-Waziristan und Khyber Agency geschwächt. Die internen Krisen hielten diese Organisation aber nicht davon ab, gewaltsame Anschläge durchzuführen (PIPS 4.1.2015). Die Zahl der Anschläge der TTP geht zurück, 2016 führte sie 106 Anschläge mit 193 Toten durch. Allerdings gewinnt ihre Splittergruppe Jamaatul Ahrar an Terrain. Sie ist für 66 Anschläge 2016 verantwortlich, darunter die schwersten des Jahres (PIPS 1.2017).

Neben der TTP, ihren Unter- und Splittergruppen sind auch einige kleinere militante islamistisch motivierte Gruppen in Khyber Pakhtunkhwa und den FATA aktiv, als lokale Taliban beschrieben (PIPS 1.2017).

Allerdings gebrauchen auch viele kriminelle Gruppen dieses Label. Die meisten dieser Gruppen sind klein und ihre Operationen sind auf ihre Umgebung begrenzt (BAA 6.2013).

Ziel der Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist es, Indien in ein Sunnitisches Land zu transformieren. Sie ist in viele Gruppen zersplittert, deren Taktiken und Ziele sich von einem Gebiet zum anderen unterscheiden (SATP o.D.). Ihre Anschläge gingen im Jahr 2016 stark zurück, sie erlitt starke Verluste in der Führerschaft (PIPS 1.2017).

Allerdings gelang es der Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami Terrain zu gewinnen, die viele für einen Nachfolger der LeJ halten. Die Lashkar-e-Islam wurde sehr stark geschwächt durch die Militäroperationen in der Khyber Agency, viele ihrer Mitglieder flohen nach Afghanistan (PIPS 1.2017).

Nationalistische aufständische Gruppen sind hauptsächlich in Belutschistan aktiv, einige auch im Sindh, allerdings sin

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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