Entscheidungsdatum
06.06.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
G314 2179786-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, serbischer Staatsangehöriger, vertreten durch den Rechtsanwalt Mag. Stefan ERRATH, gegen Spruchpunkt IV. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 07.11.2017, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung eines Einreiseverbots zu Recht:
A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene
Bescheid dahin abgeändert, dass Spruchpunkt IV. zu lauten hat:
"Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) wurde am 25.09.2017 in XXXX einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen. Am 07.11.2017 wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ua zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots vernommen.
Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt II.), gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 und Z 7 FPG gegen den BF ein fünfjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Das Einreiseverbot wurde damit begründet, dass der Aufenthalt des BF in Österreich wegen der Überschreitung der visumfreien Aufenthaltsdauer nicht rechtmäßig sei und er gegen das AuslBG verstoßen habe. Überdies verfüge er nicht über ausreichende finanzielle Mittel, um seinen Aufenthalt selbst aus legalen Quellen zu finanzieren.
Gegen Spruchpunkt IV. dieses Bescheids richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den bekämpften Bescheid aufzuheben, in eventu, die Angelegenheit an das BFA zurückzuverweisen. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er nicht bei der Ausübung einer unrechtmäßigen Beschäftigung betreten worden sei und über gesicherte Unterhaltsmittel für die Zeit bis zu seiner Ausreise (EUR 700) verfüge. Nach der Eheschließung mit seiner Lebensgefährtin bestünde aufgrund des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs und der Möglichkeit zur rechtmäßigen Ausübung einer Erwerbstätigkeit keine Gefahr der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, sodass eine positive Zukunftsprognose zu erstellen sei. Ein Einreiseverbot in der maximalen Dauer sei aufgrund des Verhaltens des BF und seines schützenswerten Familienlebens mit seiner Lebensgefährtin nicht zulässig.
Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 15.12.2017 einlangten.
Feststellungen:
Der BF reiste am XXXX.2017 mit seinem bis 2022 gültigen serbischen Reisepass in den Schengen-Raum ein. Er verblieb auch nach dem Ablauf der zulässigen visumfreien Aufenthaltsdauer weiterhin im Bundesgebiet. Von 02.03.2017 bis 09.11.2017 war er in Wien mit Hauptwohnsitz bei XXXX als Unterkunftgeberin gemeldet.
Der BF verfügt in Österreich weder über eine Aufenthaltsgenehmigung noch über eine Bewilligung nach dem AuslBG. Ab 01.03.2017 war er (bis 24.09.2017) bei der XXXX GmbH im XXXX als Arbeiter erwerbstätig. Davor war er im Bundesgebiet von 01.04.2012 bis 31.12.2012, von 18.04.2013 bis 05.02.2014, von 06.05.2014 bis 31.08.2014, von 01.09.2014 bis 19.12.2014 (im Ausmaß einer geringfügigen Beschäftigung), von 11.04.2015 bis 20.12.2015 und von 01.04.2016 bis 22.12.2016 bei demselben Unternehmen sowie von 06.04.2010 bis 30.04.2010 bei der XXXX OEG und von 17.02.2015 bis 28.02.2015 bei XXXX als Arbeiter zur Sozialversicherung angemeldet. Von 31.03.2010 bis 28.06.2010 war er mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet, von 22.09.2010 bis 17.12.2010 und von 11.04.2011 bis 07.07.2011 mit Nebenwohnsitz.
Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 07.11.2017 verfügte der BF über einen Bargeldbetrag von ca. EUR 700. Es kann nicht festgestellt werden, woher diese Mittel stammen. Der BF konnte keine weiteren finanziellen Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts aus legalen Quellen nachweisen. Er wird von seinem Vater, seiner Schwester und seiner Lebensgefährtin finanziell unterstützt.
Vor seiner Einreise in das Bundesgebiet im Februar 2017 lebte der BF in Serbien, wo auch seine Mutter lebt. Er bewohnte dort ein Haus, das in seinem Miteigentum steht. Der BF ist Vater einer minderjährigen und einer volljährigen Tochter, die gemeinsam mit ihrer Mutter, seiner Ex-Frau, in Serbien leben. In Österreich leben der Vater, eine Schwester und ein Onkel des BF.
Der BF spricht Serbisch. Er besuchte in Serbien die Grundschule und war dort in der Landwirtschaft tätig. Er ist in Serbien krankenversichert.
Der BF führt eine Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin mit kroatischen Wurzeln, die in XXXX wohnt. Er lernte seine Partnerin ungefähr im August 2016 in XXXX kennen. Er möchte sie heiraten; ein konkretes Hochzeitsdatum steht noch nicht fest.
Der BF hat keine darüber hinausgehenden familiären, sozialen oder gesellschaftlichen Bindungen im Bundesgebiet. Es können auch keine solchen Bindungen in Bezug auf andere vom Einreiseverbot umfasste Staaten festgestellt werden.
Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er wurde in Österreich noch nie strafgerichtlich verurteilt.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten. Entscheidungswesentliche Widersprüche liegen nicht vor.
Die Identität des BF wurde durch seinen bis 11.01.2022 gültigen serbischen Reisepass mit der Nr. XXXX, mit dem er sich gegenüber den einschreitenden Beamten am 25.09.2017 auswies, belegt. Das Einreisedatum in den Schengenraum ergibt sich aus dem letzten Einreisestempel im Reisepass des BF (XXXX) und der damit übereinstimmenden Aussage des BF. Als Grund für die Einreise gab der BF an, dass er seine Familie und Lebensgefährtin besuchen wollte, wobei ihm bewusst war, dass er die zulässige (visumsfreie) Aufenthaltsdauer überschritt.
Die Erwerbstätigkeit der BF in Österreich ergibt sich - weitgehend übereinstimmend mit seiner Verantwortung vor dem BFA - aus dem Versicherungsdatenauszug. Demnach war er im Jahr 2017 sechs Monate, im Jahr 2016 acht Monate, im Jahr 2015 acht Monate, im Jahr 2014 zehn Monate, im Jahr 2013 acht Monate, im Jahr 2012 für acht Monate und im Jahr 2010 für 1 Monat bei zwei verschiedenen Arbeitgebern als Arbeiter (voll-)versichert erwerbstätig. Aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) ergeben sich eine Hauptwohnsitzmeldung ab 02.03.2017 und weitere Wohnsitzmeldungen in den Jahren 2011 und 2010.
Die Lebenssituation des BF in Serbien ergibt sich aus seiner schlüssigen und plausiblen Darstellung gegenüber dem BFA. Seine Serbischkenntnisse stehen im Einklang mit seiner Herkunft und seinem Schulbesuch in Serbien. Eine Verständigung mit dem seiner Einvernahme hinzugezogenen Dolmetscher für diese Sprache war problemlos möglich. Die Feststellungen zu seinen Verwandten in Österreich und in Serbien sowie zu der Lebensgemeinschaft beruhen auf seinen Angaben bei der Einvernahme vor dem BFA. Der BF gab an, dass er beabsichtige, seine Partnerin zu heiraten, es jedoch noch kein Datum für die Hochzeit gebe.
Die Feststellungen zur finanziellen Situation des BF basieren auf seinen Angaben bei der Einvernahme vor dem BFA. Der BF machte keine Angaben zur Herkunft der EUR 700, über die er zum Zeitpunkt seiner Einvernahme vor dem BFA verfügte. Es gibt auch keine anderen Anhaltspunkte dafür, aus welcher Quelle diese Mittel stammten, sodass dazu eine Negativfeststellung getroffen werden muss.
Anhaltspunkte für eine Erkrankung oder eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des BF, einem Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter, sind nicht hervorgekommen und werden von ihm auch nicht vorgebracht. Dies korrespondiert mit seiner Erwerbstätigkeit in Serbien und in Österreich.
Die Unbescholtenheit des BF wird durch das Strafregister, in dem keine Verurteilung aufscheint, belegt.
Es gibt keine Anhaltspunkte für eine über die Feststellungen hinausgehende Integration oder Anbindung des BF in Österreich oder einem anderen vom Einreiseverbot umfassten Land.
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dem BF nach 1994 ein Aufenthaltstitel in Österreich oder eine Bewilligung nach dem AuslBG erteilt wurde. Dies wird auch von ihm selbst nicht behauptet. Auch im Fremdenregister ist keine Aufenthaltsgenehmigung dokumentiert.
Rechtliche Beurteilung:
Die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG, die Zulässigkeit der Abschiebung der BF nach Serbien und die Erteilung einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides) werden in der Beschwerde nicht bekämpft. Diese richtet sich vielmehr ausdrücklich nur gegen das Einreiseverbot laut Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids.
Der BF ist als Staatsangehöriger von Serbien Fremder iSd § 2 Abs 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG.
Gemäß § 53 Abs 1 und 2 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist demnach z.B. dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs 2 Z 6 FPG) oder wenn er bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, er hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der er betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen (§ 53 Abs 2 Z 7 FPG). In solchen Fällen kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.
Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde. Es soll bestimmte, mit dem Aufenthalt des betroffenen Fremden potentiell verbundene Gefährdungen öffentlicher Interessen hintanhalten. Dabei ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, inwiefern private und familiäre Interessen des Fremden der Verhängung des Einreiseverbots in der konkreten Dauer allenfalls entgegenstehen. Ein Einreiseverbot ist dann zu verhängen, wenn die Gefährdungsprognose eine zukünftige Gefährdung relevanter öffentlicher Interessen ergibt und eine Interessenabwägung nach Art 8 EMRK zu Lasten des betroffenen Drittstaatsangehörigen ausgeht (vgl Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10 ff).
Bei der Entscheidung über die Verhängung und die Dauer eines Einreiseverbots ist darauf abzustellen, wie lange die von dem betroffenen Drittstaatsangehörigen ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist; außerdem ist auch auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen (vgl VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0002).
Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.
Bei der Erstellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs 2 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache einer allfälligen Verurteilung oder Bestrafung des Fremden an, sondern auf das dieser zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild (vgl VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230).
Serbische Staatsangehörige, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind gemäß Art 1 Abs 2 iVm Anhang II Visumpflichtverordnung (§ 2 Abs 4 Z 20 FPG) von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit. Der BF verfügt zwar über einen gültigen serbischen Reisepass; er hatte bei seiner Identitätsfeststellung am 25.09.2017 die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthalts aber bereits deutlich überschritten und war überdies im Bundesgebiet erwerbstätig, was auch vom visumfreien Aufenthalt nicht umfasst ist. Da er die Befristungen und Bedingungen für den visumfreien Aufenthalt nicht einhielt, hielt er sich nicht rechtmäßig iSd § 31 Abs 1a FPG im Bundesgebiet auf.
Der BF kann unter den Einreisevoraussetzungen des Art 6 Abs 1 Schengener Grenzkodex (Verordnung [EU] 2016/399 ABl. Nr. L 77 vom 9.3.2016 idgF) in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen und sich dort gemäß Art 20 SDÜ (Schengener Durchführungsübereinkommen; vgl § 2 Abs 4 Z 6 FPG) unter den Voraussetzungen des Art 5 Abs 1 SDÜ frei bewegen. Zu diesen Voraussetzungen gehört unter anderem, dass er Dokumente vorzeigen kann, die seinen Aufenthaltszweck und die Umstände seines Aufenthalts belegen, und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder in der Lage ist, diese Mittel auf legale Weise zu erwerben (Art 6 Abs 1 lit c Schengener Grenzkodex; Art 5 Abs 1 lit c SDÜ). Außerdem darf er keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellen und darf insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein (Art 6 Abs 1 lit e Schengener Grenzkodex; Art 5 Abs 1 lit e
SDÜ).
Gemäß Art 6 Abs 4 Schengener Grenzkodex werden die Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts nach der Dauer und dem Zweck des Aufenthalts und unter Zugrundelegung der Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung in dem betreffenden Mitgliedstaat nach Maßgabe eines mittleren Preisniveaus für preisgünstige Unterkünfte bewertet, die um die Zahl der Aufenthaltstage multipliziert werden. Die Feststellung ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts kann anhand von Bargeld, Reiseschecks und Kreditkarten erfolgen, die sich im Besitz des Drittstaatsangehörigen befinden. Sofern in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen, können auch Verpflichtungserklärungen und - im Falle des Aufenthalts eines Drittstaatsangehörigen bei einem Gastgeber - Bürgschaften von Gastgebern im Sinne des nationalen Rechts Nachweise für das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts darstellen.
Im Zusammenhang mit der Prüfung ausreichender Unterhaltsmittel muss der Unterhalt für die beabsichtigte Dauer des Aufenthalts gesichert sein, wobei diese Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen dürfen (VwGH 29.04.2010, 2007/21/0262). Der Fremde hat initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl VwGH 13.09.2012, 2011/23/0156 und 22.01.2013, 2012/18/0191 [jeweils zu § 60 Abs 2 Z 7 FPG idF vor Inkrafttreten des FrÄG 2011]).
Der BF hat nicht nachgewiesen, dass er einen Rechtsanspruch auf ausreichende Unterhaltsmittel während der beabsichtigten Dauer seines Aufenthalts sowie für die Rückreise nach Serbien hat, die nicht aus illegalen Quellen stammen, zumal er nicht angab, woher die EUR 700, über die er am 07.11.2017 verfügte, stammen, und keine Möglichkeit hatte, auf legalem Weg weitere Unterhaltsmittel zu erwerben. Außerdem hat er weder den Zweck noch die voraussichtliche Dauer noch die Umstände seines Aufenthalts im Schengenraum belegt. Eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch seinen Aufenthalt ist daher gemäß § 53 Abs 2 Z 6 FPG indiziert. Die aus seiner Mittellosigkeit resultierende Gefahr der Mittelbeschaffung aus illegalen Quellen hat sich durch sein Verhalten bereits tatsächlich realisiert, wie die wiederholte unselbständige Erwerbstätigkeit ohne Beschäftigungsbewilligung zeigt.
Der - vom BFA ebenfalls herangezogene - Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 7 FPG ist dagegen nicht erfüllt, weil der BF im Bundesgebiet zwar einer unselbständigen Beschäftigung ohne die erforderliche Beschäftigungsbewilligung nachging, dabei aber nicht betreten wurde. Voraussetzung für die Erfüllung dieses Tatbestands ist aber, dass der Fremde bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen (vgl VwGH 18.03.2014, 2013/22/0332).
Bei der für die Entscheidung über die Erlassung und die Dauer eines Einreiseverbots zu treffenden Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Lebensmittelpunkt des BF vor seinem Inlandsaufenthalt in Serbien lag, wo er nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte und eine Wohnmöglichkeit in dem in seinem Miteigentum stehenden Haus verfügt. Zum seinem Nachteil wirkt sich insbesondere die Tatsache aus, dass er schon seit Jahren kontinuierlich die zulässige visumfreie Aufenthaltsdauer überschritt und während seiner Aufenthalte mehrfach einer unselbständigen Beschäftigung ohne die erforderliche Beschäftigungsbewilligung nachging. Daher waren auch seine vorangegangenen Aufenthalte im Bundesgebiet überwiegend nicht rechtmäßig.
Durch die österreichische Partnerin des BF und seine im Bundesgebiet lebenden erwachsenen Verwandten, zu denen aber kein besonders Abhängigkeitsverhältnis besteht, bestehen familiäre und private Bindungen des BF im Bundesgebiet. Er hat daher grundsätzlich ein gewichtiges Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet bzw. an der Möglichkeit, jederzeit einreisen zu können. Das Gewicht des Familienlebens des BF in Hinblick auf seine Partnerin wird aber dadurch entscheidend gemindert, dass er die Beziehung zu einem Zeitpunkt einging, zu dem sich die Beteiligten seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zumal er keine über die erlaubte visumfreie Aufenthaltsdauer hinausgehende Aufenthaltsgenehmigung in Österreich hat.
Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung fremden- und arbeitsmarktrechtlicher Bestimmungen kommt zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein hoher Stellenwert zu. Den persönlichen Interessen des BF an weiteren Aufenthalten im Bundesgebiet steht somit die aus der kontinuierlichen Missachtung von fremdenpolizeilichen Vorschriften resultierende Gefährdung eines geordneten Fremdenwesen (öffentliches Interesses iSd Art 8 Abs 2 EMRK) entgegen. Dieses öffentliche Interesse überwiegt in der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung das private Interesse des BF an einem Aufenthalt in den vom Einreiseverbot umfassten Staaten, zumal sein Lebensmittelpunkt in Serbien liegt, wo er seine Kindheit und Jugend verbrachte, wo seine Mutter und seine Kinder leben, wo er Miteigentümer eines Hauses ist und erwerbstätig war. Bei Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und der öffentlichen und privaten Interessen gelangt das Gericht zum Ergebnis, dass dieser Gefährdung und den nachteiligen Folgen des Absehens der Erlassung des Einreiseverbotes daher höheres Gewicht beizumessen ist als den gegenläufigen familiären und persönlichen Interessen des BF. Der BF kann die Kontakte zu seiner Partnerin und seinen Verwandten im Bundesgebiet auch durch diverse Kommunikationsmittel (Telefon, E-Mail, Internet) oder durch Besuche in Serbien oder in anderen Staaten, die nicht vom Einreiseverbot betroffen sind, pflegen. Seine Partnerin und seine in Österreich lebenden Angehörigen können ihn auch in Serbien finanziell unterstützen.
Dazu kommt, dass dem BF die Verstöße gegen fremdenrechtliche Vorschriften durchaus bewusst waren und dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass er eine Legalisierung seines nicht rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet angestrebt hätte. Der vom ihm eingestandene Umstand, dass ihm die Unrechtmäßigkeit seines Verbleibs in Österreich bekannt ist, spricht dafür, dass er keine besonderen Integrationsbemühungen unternahm. Auch die Behauptung, er wolle seine Partnerin "so schnell wie möglich" heiraten, ändert nichts daran.
Hat sich ein Fremder bereits mehrere Jahre hindurch unrechtmäßig in Österreich aufgehalten, wobei auch seine (letzte) Einreise ohne Einreise- oder Aufenthaltstitel erfolgte. und offenkundig dem Zweck diente, das Familienleben mit seiner (späteren) Ehefrau aufzunehmen, dann liegt eine von Anfang an beabsichtigte Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den "Familiennachzug" auf der Hand. In einer solchen Konstellation führt sogar die aufrechte Ehe eines Fremden mit einer österreichischen Staatsangehörigen nicht dazu, dass unter dem Gesichtspunkt des Art 8 EMRK von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Fremde mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Vielmehr ist es dem Fremden in diesem Fall zumutbar, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auszureisen (vgl. VwGH 18.10.2012, 2011/23/0503).
Dem BFA ist vor diesem Hintergrund darin beizupflichten, dass für den BF keine günstige Zukunftsprognose erstellt werden kann und Wiederholungsgefahr besteht. Die Voraussetzungen für die Erlassung eines maximal fünfjährigen Einreiseverbots sind daher erfüllt.
Die Dauer des Einreiseverbots ist aber - in teilweiser Stattgebung der Beschwerde - auf drei Jahre zu reduzieren, weil dies dem Fehlverhalten des gerichtlich unbescholtenen BF und der von ihm ausgehenden Gefährdung entspricht und auch seinen privaten und familiären Interessen Rechnung trägt. Dadurch bleibt eine Steigerung der Sanktion bei einem neuerlichen, allenfalls schwerwiegenderen Fehlverhalten möglich.
In Hinblick auf das über einen langen Zeitraum gesetzte Fehlverhalten des BF bedarf es eines gewissen Zeitraumes der Beobachtung seines Wohlverhaltens, um sicherzustellen, dass er nicht neuerlich ein derartiges Verhalten im Bundesgebiet setzen wird, und gewährleistet ist, dass er in Österreich keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung mehr hervorrufen wird. Dieser Zeitraum ist unter Berücksichtigung des oben festgestellten Verhaltens des BF mit drei Jahren angemessen.
Eine weitere Reduktion der Dauer des Einreiseverbotes oder dessen Aufhebung ist auch bei Berücksichtigung der privaten Interessen des BF an Aufenthalten in Österreich nicht möglich, weil er über Jahre hinweg kontinuierlich fremden- und arbeitsmarktrechtliche Verschriften bewusst missachtete und keine Bestrebungen unternahm, seinen Aufenthalt und seine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet zu legalisieren. Angesichts seiner Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung ist es ihm zumutbar, für die reduzierte Dauer des Einreiseverbots auf Aufenthalte in den Staaten, für die die Rückführungsrichtlinie gilt, zu verzichten. Der BF wird angesichts seiner grundsätzlich bestehenden Arbeitsfähigkeit und seiner Sprachkenntnisse in der Lage sein, in Serbien wieder für seinen Unterhalt aufzukommen.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, unterbleibt eine Beschwerdeverhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG, zumal davon keine weitere Klärung dieser Angelegenheit zu erwarten ist, zumal das Gericht ohnedies von den in der Beschwerde behaupteten privaten und familiären Anknüpfungen des BF im Bundesgebiet ausgeht und auch bei einem positiven Eindruck von ihm bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Reduktion oder gar ein Entfall des Einreiseverbots möglich wäre.
Die im Zusammenhang mit der Erlassung eines Einreiseverbots anzustellende Gefährdungsprognose und die dabei vorzunehmende Interessenabwägung können jeweils nur im Einzelfall erstellt bzw. vorgenommen werden. Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.
Schlagworte
Angemessenheit, fehlende Arbeitsbewilligung, Gefährdungsprognose,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2179786.1.00Zuletzt aktualisiert am
21.06.2018