Entscheidungsdatum
08.06.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W237 1431812-5/3E
W237 1431813-5/2E
W237 1431814-5/2E
W237 1431816-5/2E
W237 1431815-5/2E
W237 2008772-4/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Martin WERNER über
die Beschwerde von 1.) XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , 2.) XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , 3.) mj. XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX ,
4.) mj. XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , 5.) mj. XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , und 6.) XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , alle StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2018, 1.) Zl. 821803201-171057733,
2.) Zl. 821803310-171057717, 3.) Zl. 821803408-171057695, 4.) Zl. 821803702-171057679, 5.) Zl. 821803604-171057687, und 6.) Zl. 1001988206-171057679:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführer stellten am 13.09.2017 ihre insgesamt dritten Anträge auf internationalen Schutz im österreichischen Bundesgebiet.
1.1. Am 30.10.2017 gaben die Beschwerdeführer bekannt, dass sie durch die Rechtsanwälte XXXX und XXXX vertreten seien. Die genannten Rechtsanwälte beriefen sich bei dieser Bekanntgabe auf die ihnen erteilte Vollmacht.
1.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte im März 2018 fest, dass die Beschwerdeführer seit 11.12.2017 nicht mehr aufrecht gemeldet seien und ersuchten die Rechtsvertreter der Beschwerdeführer, "den Aufenthaltsort bzw. eine Zustelladresse bis spätestens den 09.03.2018 bekannt zu geben". Diesem Ersuchen kamen die Rechtsvertreter in weiterer Folge nicht nach.
1.3. Mit Bescheiden vom 14.03.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz vom 13.09.2017 sowohl hinsichtlich des Status von Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. I 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013 (im Folgenden: AVG), wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I. und II.), erkannte ihnen einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 (im Folgenden: AsylG 2005), nicht zu (Spruchpunkt III.), erließ gegenüber allen Beschwerdeführern im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 145/2017 (im Folgenden: BFA-VG), jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 (im Folgenden: FPG), (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.); schließlich hielt die Behörde fest, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.).
1.4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verfügte am 15.03.2018, dass diese Bescheide im Akt hinterlegt würden und hielt fest, dass dies als Zustellung der Bescheide gelte.
2. Mit Schriftsatz ihrer Rechtsvertreter vom 13.04.2018 erhoben die Beschwerdeführer gegen die sie betreffenden Bescheide vom 14.03.2018 eine näher begründete Beschwerde. Darin gaben sie an, dass die angefochtenen Bescheide am 16.04.2018 "alle zugestellt" worden seien. Unter einem gaben sie bekannt, dass das Vollmachtsverhältnis zu den Rechtsanwälten XXXX und XXXX zur Auflösung gelangt sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um russische Staatsangehörige; der Erstbeschwerdeführer ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin, die übrigen Beschwerdeführer sind ihre minderjährigen Kinder.
2. Im Verfahren über ihre dritten Anträge auf internationalen Schutz gaben die Beschwerdeführer am 30.10.2017 bekannt, dass sie die Rechtsanwälte XXXX und XXXX mit ihrer Vertretung im weiteren Asylverfahren beauftragt hätten. Seit 12.12.2017 sind die Beschwerdeführer im Bundesgebiet nicht mehr aufrecht gemeldet.
Aufgrund dieser Nichtmeldung hinterlegte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.03.2018 die auf den Vortag datierenden Bescheide, mit denen die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status von Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status von subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zuerkannt und jeweils Rückkehrentscheidungen erlassen wurden (vgl. Pkt. I.1.3.), im Akt. In der entsprechenden Zustell- bzw. Hinterlegungsverfügung wurden die Beschwerdeführer als Empfänger bezeichnet.
Den Rechtsanwälten der Beschwerdeführer gingen diese Bescheide am 16.03.2018 tatsächlich zu.
Unter einem mit der Beschwerde wurde die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zu den Rechtsanwälten der Beschwerdeführer bekannt gegeben. Die Beschwerdeführer sind nunmehr unvertreten.
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich - ebenso wie der unter Pkt. I. dargelegte Verfahrensgang - unbestritten aus dem Inhalt der vorliegenden Verfahrensakten. Die Bekanntgabe des Vollmachtsverhältnisses zu den Rechtsanwälten der Beschwerdeführer sowie die Auflösung desselben sind dem Schriftsatz vom 30.10.2017 und der Beschwerde vom 13.04.2018 zu entnehmen; eine Einschränkung des Vollmachtsverhältnisses geht aus dem Schriftsatz vom 30.10.2017 nicht hervor. Die Verfügungen vom 15.03.2018, mit denen die die Beschwerdeführer betreffenden Entscheidungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl im Akt hinterlegt wurden, liegen in den Verwaltungsakten auf; aus diesen Verfügungen ergibt sich die Bezeichnung der Beschwerdeführer als Empfänger der Entscheidungen. Dass die Hinterlegungen im Akt deshalb erfolgten, weil die Beschwerdeführer seit 12.12.2017 im Bundesgebiet nicht mehr aufrecht gemeldet waren, ergibt sich auch aus einem an die (damaligen) Rechtsvertreter gerichteten E-Mail der belangten Behörde, in dem diese um Bekanntgabe einer "Zustelladresse" ersucht wurden. Eine Zustellverfügung an die Rechtsanwälte der Beschwerdeführer ist den Akten nicht zu entnehmen. Dass diese die Bescheide aber am 16.04.2018 erhielten, geht sowohl aus den Angaben in der Beschwerde als auch aus einer im Beschwerdeverfahren erfolgten Nachfrage der belangten Behörde hervor. Die Feststellung des Meldestatus der Beschwerdeführer fußt auf einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt in der vorliegenden Rechtssache Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu A)
1. Gemäß § 10 Abs. 1 AVG können sich Verfahrensparteien und ihre gesetzlichen Vertreter durch andere Personen vertreten lassen; bei Einschreiten einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis. Gemäß § 10 Abs. 2 AVG richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG von Amts wegen zu veranlassen.
1.1. Im vorliegenden Fall gaben die Rechtsanwälte der Beschwerdeführer mit 30.10.2017 bekannt, dass diese ihnen die Vollmacht zur Vertretung im weiteren Verfahren erteilt hatten. Diese Vollmacht enthielt keine Einschränkung und umfasste damit auch eine Zustellvollmacht.
1.2. Dessen ungeachtet adressierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die angefochtenen Bescheide mit Verfügungen vom 15.03.2018 an die Beschwerdeführer persönlich und hinterlegte die Bescheide mangels Vorliegens einer aufrechten Meldung im Bundesgebiet im Akt. Eine Zustellung an die Rechtsvertreter der Beschwerdeführer wurde nicht verfügt.
2. Voraussetzung für das rechtliche Zustandekommen eines Bescheids ist dessen Erlassung. Erlassen wird ein schriftlicher Bescheid durch rechtswirksame Zustellung oder durch Ausfolgung (vgl. VwGH 18.05.1994, 93/09/0115).
2.1. Gemäß § 21 AVG und § 1 Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 idF BGBl. I Nr. 40/2017 (im Folgenden: ZustG), sind Zustellungen nach dem ZustG vorzunehmen. Gemäß § 5 ZustG hat die Behörde in geeigneter Form den Empfänger und dessen Identität möglichst eindeutig zu bezeichnen. "Empfänger" ist die von der Behörde in der Zustellverfügung namentlich bezeichnete Person, in deren Verfügungsgewalt das zuzustellende Dokument gelangen soll (§ 2 Z 1 ZustG). Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß § 7 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Bezeichnet die Behörde hingegen eine falsche Person als "Empfänger", so ist dies ein Mangel, der nicht nach § 7 ZustG etwa dadurch heilen kann, dass das Dokument (Schriftstück) jener Person zukommt, die als Empfänger zu bezeichnen gewesen wäre (vgl. zB VwGH 18.05.1994, 93/09/0115; 27.06.1995, 94/04/0206; 22.03.2001, 97/03/0201; 24.03.2015, 2014/05/0013).
Bezeichnet also die Behörde fälschlich nicht den - samt Zustellvollmacht - bevollmächtigten Vertreter einer Verfahrenspartei, sondern die Partei selbst als Empfänger eines Schriftstücks (Dokuments), so liegt ein Mangel des Zustellvorgangs vor, der keiner Heilung zugänglich ist. Auf ein Verschulden der belangten Behörde kommt es dabei nicht an.
2.2. Die Rechtsvertreter der Beschwerdeführer waren von diesem (unter anderem) mit einer Zustellvollmacht ausgestattet. Indem an diese keine Zustellung der bekämpften Bescheide erfolgte, sondern die Zustell- bzw. Hinterlegungsverfügung vom 15.03.2018 nur an die Beschwerdeführer gerichtet war, liegt eine fehlerhafte Zustellung vor, die auch nicht dadurch heilte, dass die Bescheide den Rechtsvertretern der Beschwerdeführer am 16.03.2018 tatsächlich zugingen. Die Entscheidungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl sind daher nie erlassen und damit rechtlich nicht zustande gekommen.
3. Ist ein Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden, so ist es der Berufungsbehörde verwehrt, meritorisch über die Berufung abzusprechen. Ihre Zuständigkeit reicht in solchen Fällen nur so weit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit mangels tauglichen Anfechtungsgegenstandes zurückzuweisen (vgl. VwGH 09.03.1982, 81/07/0212; 30.05.2006, 2005/12/0098). Dies hat auch für das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz in Anwendung des § 28 VwGVG zu gelten.
3.1. Mangels Erlassung der (als solche lediglich bezeichneten) Bescheide vom 14.03.2018 ist die Beschwerde dagegen also zurückzuweisen.
3.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird in weiterer Folge die Entscheidung über die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz vom 13.09.2017 mittels korrekter Zustellung zu treffen haben. Dabei wird darauf hingewiesen, dass das Vollmachtsverhältnis zu den Rechtsvertretern der Beschwerdeführer mittlerweile zur Auflösung gelangt ist. Sollten die Beschwerdeführer also weiterhin nicht aufrecht gemeldet sein, wäre eine (an die Beschwerdeführer gerichtete) Zustellung durch Hinterlegung der Bescheide im Akt korrekt.
4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; zudem fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in dieser auch nicht uneinheitlich beantwortet. So entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass Beschwerden wegen (noch) nicht erlassenen Bescheiden zurückzuweisen sind. Dass aufgrund eines nicht heilbaren Zustellmangels im vorliegenden Fall noch keine Entscheidung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlassen wurde, geht mit der aufgezeigten Rechtsprechung ebenfalls konform.
Schlagworte
Bescheid, Mangelhaftigkeit, Zustellmangel, ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W237.1431813.5.00Zuletzt aktualisiert am
21.06.2018