Entscheidungsdatum
08.06.2018Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15Spruch
W136 2172252-1/4E
W136 2172257-1/4E
W136 2172249-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerden
1.) der XXXX , geb. XXXX , 2.) des mj. XXXX , geb. XXXX , und 3.) des mj. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Syrien, gegen die Spruchpunkte
I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 08.09.2017, Zlen. 1.) 1089737807-151481328, 2.) 1089737905-151481336 und 3.) 1089738009-151481352, zu Recht:
A)
Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und 1.) der XXXX , 2.) dem mj. XXXX und 3.) dem mj. XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass 1.) der XXXX ,
2.) dem mj. XXXX und 3.) dem mj. XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Erstbeschwerdeführerin reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 03.10.2015 für sich und ihre minderjährigen Söhne, den Zweit- und Drittbeschwerdeführer, die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Dabei gab sie an, Staatsangehörige Syriens und muslimischen Glaubens zu sein. Sie gehöre der Volksgruppe der Araber an. Zum Nachweis ihrer Identität legte sie ihren syrischen Personalausweis vor.
Am 03.10.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Erstbeschwerdeführerin statt. Sie sei in Syrien geboren. Sie habe ihre Heimat Ende XXXX gemeinsam mit ihrem Mann und den Kindern illegal von ihrem Heimatort aus verlassen und sei in die Türkei gereist. Nach eineinhalb Jahren seien sie dann mit einem Schlauchboot von Izmir nach Griechenland gefahren. Am nächsten Tag seien sie nach Athen weitergefahren und mit verschiedenen Verkehrsmitteln und teilweise zu Fuß über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Ungarn schließlich ins Bundesgebiet eingereist, wo sie am 03.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Sie sei mit ihrem Ehemann, dem Beschwerdeführer zu W136 2172259-1, traditionell und standesamtlich verheiratet. Befragt, warum sie ihren Herkunftsstaat verlassen hat, gab die Erstbeschwerdeführerin zusammenfassend an, dass das Haus ihres Nachbarn beschossen und ein Teil ihres Hauses zerstört worden sei. Aus diesem Grund hätten sie nicht mehr in Syrien bleiben können. Zu ihren Rückkehrbefürchtungen befragt, erklärte sie, dass sie Angst vor dem IS (Islamischer Staat) und den syrischen Behörden hätte. Ergänzend teilte sie mit, dass ihre Angaben auch für ihre mitgereisten Kinder gelten würden.
Am 30.01.2017 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte sie zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass das syrische Regime ihr Haus und die Gegend gestürmt habe. Ihr Mann habe rechtzeitig flüchten können. Kampfflugzeuge hätten ihr Dorf bombardiert und ihr Haus sei beschädigt worden, sodass man dort nicht mehr leben könnte. Befragt, bestätigte sie, dass sie alle Fluchtgründe genannt habe und erklärte, dass sie sich den Gründen ihres Ehemannes anschließen würde. Zu ihren Rückkehrbefürchtungen gab sie an, sie würde befürchten, dass ihr Mann inhaftiert wird.
Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.09.2017, zugestellt am 15.09.2017, wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde den Beschwerdeführern der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 08.09.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien, stellte die Identitäten der Erst- bis Drittbeschwerdeführer fest und begründete die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Erstbeschwerdeführerin das Heimatland aufgrund der allgemeinen Kriegswirren verlassen habe und als Person in Syrien nicht bedroht gewesen sei. Wenn für sie tatsächlich eine Gefahr bestanden habe, dann nur im Rahmen der allgemeinen Kriegshandlungen in Syrien. Die Gefährdung ihrer Person sei nicht über die generelle Bedrohung aller in Syrien lebenden Menschen hinausgegangen. Sie habe insgesamt beurteilt nichts vorzubringen vermocht, was unter einen der Tatbestände der Genfer Flüchtlingskonvention subsumierbar wäre. Sie sei daher nicht aus den in der GFK genannten Gründen bedroht gewesen. Da in ihrem Fall auch keinem anderen Familienmitglied der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei, würde auch eine Zuerkennung aufgrund des vorliegenden Familienverfahrens nicht in Betracht kommen. Es werde ihr jedoch aufgrund der aktuellen allgemeinen instabilen Sicherheitslage in Syrien subsidiärer Schutz gewährt. Hinsichtlich des minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführers wurde zusammenfassend ausgeführt, dass für sie keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht worden seien und etwaige Gefährdungen im Heimatland auch von Amts wegen nicht festgestellt werden hätten können.
Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 08.09.2017 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.
Gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides wurde fristgerecht eine (gemeinsame) Beschwerde erhoben, welche am 27.09.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde nach einer Wiederholung des bisherigen Fluchtvorbringens im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin und ihr Ehegatte schon allein aufgrund ihrer Asylantragstellung einer asylrelevanten Verfolgung in Syrien ausgesetzt wären. Weiters würden ihrem Mann eine Verfolgung als Familienmitglied von als oppositionell angesehenen Personen und trotz seines bereits abgeleisteten Wehrdienstes auch eine Zwangsrekrutierung drohen. Unabhängig davon würde die Erstbeschwerdeführerin zur sozialen Gruppe der westlich orientierten Frauen gehören und daher ebenfalls einen Fluchtgrund nach der GFK verwirklichen. Das Bundesamt habe es zunächst unterlassen, die Auswirkungen der Desertion des Bruders auf den Gatten der Erstbeschwerdeführerin zu ermitteln. Als Angehöriger würde ihm nämlich u.U. eine Verfolgung aufgrund der seinem Bruder unterstellten politischen Gesinnung drohen. Weiters würde sich aus den Länderberichten im angefochtenen Bescheid zweifelsfrei das Risiko ergeben, dass ihr Mann erneut zum syrischen Militär einrücken müsste. Ferner wird hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin auf die aktuelle Situation von Frauen in Syrien verwiesen, welche von Gewalt und Diskriminierungen gekennzeichnet sei. Völlig unbeachtet sei auch die Tatsache ihrer illegalen Ausreise geblieben. Auch in diesem Zusammenhang würde es immer wieder zu Verhaftungen und Befragungen mit Folterungen kommen. Alleine aus diesen Umständen sei ableitbar, dass die Erstbeschwerdeführerin und ihr Ehegatte bei einer Rückkehr als politische Gegner des Regimes wahrgenommen und in weiterer Folge Inhaftierung, Folter oder außergerichtlicher Tötung ausgesetzt sein würden.
Die gegenständliche (gemeinsame) Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 03.10.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässigen Beschwerden erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Anträge auf internationalen Schutz vom 03.10.2015, der Einvernahmen der Erstbeschwerdeführerin durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide des Bundesamtes, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, Fremdeninformationssystem, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Syriens und Angehörige der Volksgruppe der Araber. Sie bekennen sich zum muslimischen Glauben.
Die Beschwerdeführer reisten illegal nach Österreich ein und stellten am 03.10.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.
Die Erstbeschwerdeführerin hat in ihrem und im Verfahren ihrer (minderjährigen) Söhne hauptsächlich vom Krieg, von der schlechten allgemeinen Situation und der Sicherheitslage in Syrien berichtet, zu sie persönlich oder ihre Kinder betreffenden Fluchtgründen aber keine Angaben gemacht. Vielmehr hat sie letztlich auf die Gründe ihres Ehegatten verwiesen.
Die Beschwerdeführer sind die Ehefrau und die Söhne des XXXX , dem mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W136 2172259-1, insbesondere wegen seiner durch die Ausreise bzw. seinen Auslandsaufenthalt letztlich erfolgten Entziehung von einer mit entsprechend hoher Wahrscheinlichkeit drohenden (neuerlichen) Einberufung zur syrischen Armee und einer damit allenfalls unterstellten regimekritischen Einstellung und einer deshalb drohenden Verfolgung durch das syrische Regime gemäß § 3 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde.
Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 vor.
Es ist nicht ersichtlich, dass den Beschwerdeführern die Fortsetzung des bestehenden Familienlebens mit ihrem asylberechtigten Ehemann bzw. Vater in einem anderen Staat möglich wäre.
Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführer, ihrer Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Erstbeschwerdeführerin und ihres Ehemannes und hinsichtlich dieser auf die von ihr im Verfahren vorgelegten Dokumente (insbesondere ihres syrischen Personalausweises bzw. ihres Familienbuches). Die Identitäten der Erst- bis Drittbeschwerdeführer wurden auch bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt. Die Feststellungen zur Fluchtroute gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Erstbeschwerdeführerin.
Die Zeitpunkte der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation der Beschwerdeführer ergeben sich aus ihren Angaben im Rahmen des Verfahrens sowie aus Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Fremdeninformationssystem, Grundversorgungs-Informationssystem). Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
Dass bei den Beschwerdeführern keine eigenen individuellen Fluchtgründe vorliegen, ergibt sich aus dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin.
Die Feststellung, dass es sich bei den Beschwerdeführern um die Ehefrau und die (minderjährigen) Söhne des XXXX handelt, gründet sich auf die diesbezüglich übereinstimmenden sowie gleichbleibenden und damit glaubwürdigen Angaben der Erstbeschwerdeführerin im Verfahren und auf die vorgelegten Urkunden (Familienbuch).
Dass dem Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom heutigen Tag gemäß § 3 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus dem Gerichtsakt zu W136 2172259-1.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
In den vorliegenden Beschwerdefällen ergibt sich, dass aus den Akteninhalten der Verwaltungsakte die Grundlage der bekämpften Bescheide in Verbindung mit der (gemeinsamen) Beschwerde unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Der maßgebliche Sachverhalt war aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Auch die gebotene Aktualität ist unverändert gegeben, zumal die den Bescheiden zugrunde gelegten Länderfeststellungen unverändert die zur Beurteilung des konkreten Falls notwendige Aktualität aufweisen.
Zu A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt wurde, hat die Erstbeschwerdeführerin eine sie und ihre Söhne betreffende auf den in der GFK taxativ aufgezählten Gründen beruhende Bedrohung oder Verfolgung in Syrien im Verfahren nicht ausreichend substantiiert vorgebracht, weshalb keine individuelle asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat festgestellt werden kann.
Im vorliegenden Fall liegt jedoch ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 bezüglich der Verfahren der Beschwerdeführer und ihres Ehemannes bzw. Vaters vor.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3); die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.
Dem Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W136 2172259-1, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten insbesondere wegen seiner durch die Ausreise bzw. seinen Auslandsaufenthalt letztlich erfolgten Entziehung von einer mit entsprechend hoher Wahrscheinlichkeit drohenden (neuerlichen) Einberufung zur syrischen Armee und einer damit drohenden Verfolgung durch das syrische Regime zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Da dem Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 auch den Beschwerdeführern der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des § 34 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 zu subsumieren wären, erkennbar sind.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Den Beschwerden ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattzugeben und festzustellen, dass den Erst- bis Drittbeschwerdeführern kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz am 03.10.2015, somit vor dem 15.11.2015 gestellt wurden, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall keine Anwendung finden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Asylgewährung, asylrechtlich relevante Verfolgung, Bürgerkrieg,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W136.2172249.1.00Zuletzt aktualisiert am
21.06.2018