TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/11 G311 2169185-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.06.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

11.06.2018

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G311 2169185-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX, geboren XXXX; alias XXXX, geboren am XXXX), geboren am XXXX,

Staatsangehörigkeit: Spanien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2017, Zahl XXXX, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf sieben (7) Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 07.08.2017, vom Beschwerdeführer am 07.08.2017 im Stande der Strafhaft persönlich übernommen, wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf neun Jahre befristetes Aufenthaltsverbot verhängt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde dem Beschwerdeführer kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde im Wesentlichen auf die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers und auf fehlende private und familiäre Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet verwiesen. Auf Grund der negativen Zukunftsprognose habe dem Beschwerdeführer ein Durchsetzungsaufschub nicht erteilt werden können. Die Abwägung der Interessen des Beschwerdeführers mit den öffentlichen Interessen habe zudem die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde erforderlich gemacht.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seiner bevollmächtigten Rechtsvertretung vom 21.08.2017, beim Bundesamt am selben Tag per Fax einlangend, das Rechtsmittel der Beschwerde. Es wurde beantragt, die "Rechtsmittelbehörde" möge das gegen den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG erlassene Aufenthaltsverbot von neun Jahren beheben; in eventu die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf ein verhältnismäßiges Ausmaß reduzieren, dem Beschwerdeführer einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat gemäß § 70 Abs. 3 FPG erteilen sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuerkennen. Begründend wurde ausgeführt, dass sich das verhängte Aufenthaltsverbot in der Dauer von neun Jahren als unverhältnismäßig hoch erweise. Der Beschwerdeführer sei am 17.05.2017 vom Landesgericht Ried im Innkreis wegen des Verbrechens des Suchgifthandels zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Die Würdigungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid betreffend die über den Beschwerdeführer zu erstellende Gefährdungsprognose entspreche nicht der allgemeinen Lebenserfahrung. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Bundesamt davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer nach seiner Entlassung aus der Strafhaft in drei Jahren "munter" weiter Straftaten begehen werde. Der Beschwerdeführer verbüße seine Haftstrafe und könne daher nicht von vornherein von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden, zumal im kriminalpolizeilichen Aktenindex lediglich eine Vormerkung aufscheine. Das Aufenthaltsverbot greife in das Privatleben des Beschwerdeführers ein. Von der ihm von der belangten Behörde eingeräumten Stellungnahmemöglichkeit habe der Beschwerdeführer mangels näherer Verbindungen zu Österreich keinen Gebrauch gemacht. Dennoch sei die Dauer des Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig hoch. Der Beschwerdeführer sei an einer freiwilligen Rückkehr interessiert, deren Organisation Zeit in Anspruch nehme. Es werde daher die Zuerkennung des Durchsetzungsantrages beantragt. Diese schließe die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auch nicht aus.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt vorgelegt und langten dort am 04.09.2017 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Spanien.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX.2017, Zahl XXXX, rechtskräftig am XXXX.2017, erging über den Beschwerdeführer (J.R.C.G.) und seine Mittäter folgender Schuldspruch:

"F.M., E.B. und J.R.C.G. sind schuldig, es hat vorschriftswidrig Suchtgift

A) F.M. [...]

B) E.B. [...]

C) J.R.C.G. in den Tagen vor dem XXXX. Oktober 2016 in einer das

25-fache der Grenzmenge (§ 28b) übersteigenden Menge, nämlich 2.973,6 Gramm Kokain brutto mit mehr als 375 Gramm Kokain Reinsubstanz, Reinheitsgehalt von 71,80 %, dem F.M. bzw. E.B. in Holland verschafft.

Es haben hiedurch

F.M. [...]

J.R.C.G.

zu C) die Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 6. Fall, Abs. 4 Z 3 SMG,

begangen und sie werden hiefür je nach § 28a Abs. 4 SMG zu einer

Freiheitsstrafe von jeweils

3 (drei) Jahren

und gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens

verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB werden folgende Vorhaften angerechnet:

[...]

J.R.C.G.: vom XXXX. Oktober 2016, 00.00 Uhr, bis XXXX. Mai 2017,

10.40 Uhr.

[...]

Gemäß § 26 Abs 1 StGB iVm § 34 SMG werden die 3.016 Gramm brutto Kokain eingezogen."

In den Entscheidungsgründen wird festgehalten, dass der Beschwerdeführer (Drittangeklagter) ledig, ohne Sorgepflichten und zuletzt auch ohne Beschäftigung gewesen sei. Er sei bisher unbescholten und befinde sich aus Anlass des Strafverfahrens seit XXXX.10.2016 in Verwahrungs- bzw. Untersuchungshaft. Er sei in der Bundesrepublik Deutschland festgenommen und in der Folge nach Österreich ausgeliefert worden. Verdeckte Ermittler hätten ab Anfang Juli 2016 Kontakt mit dem Erstangeklagten aufgenommen. Etwas später im August 2016 habe der Erstangeklagte an den verdeckten Ermittler erstmals Kokain im Wert von EUR 3.000,-- verkauft. In weiterer Folge sei es zwischen dem verdeckten Ermittler, dem Erst- und dem Zweitangeklagten am XXXX.10.2016 zu einem Verkauf von drei Kilogramm Kokain brutto (exakt 2.973,6 Gramm) zum Kilopreis von EUR 41.000,-- bis 43.000,-- im PKW vor einem Hotel gekommen. In der Folge seien diese beiden verhaftet worden. Der Reinheitsgrad des Kokain habe 71,80 % betragen und zumindest 2.135 Gramm Reinsubstanz enthalten. Diese rund drei Kilo Kokain habe der Beschwerdeführer (Drittangeklagte) in Holland organisiert und die Übergabe an den Zweitangeklagten vermittelt, so dass dieser das Suchtgift von Holland aus nach Deutschland eingeführt und schließlich nach XXXX transportiert habe, wo es an den Erstangeklagten übergeben worden sei. Alle Angeklagten hätten mit dem nötigen Vorsatz gehandelt. Es habe sich um eine das Fünfundzwanzigfache, nämlich zumindest das 142-fache, der Grenzmenge übersteigende Suchtgiftmenge gehandelt.

Bei der Strafbemessung wurde hinsichtlich des Beschwerdeführers ausgeführt, dass die Strafe nach dem Strafsatz des § 28a Abs. 4 SMG, der einen Strafrahmen von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe vorsehe, auszumessen gewesen sei. Als mildernd seien das Geständnis, die Sicherstellung des Suchtgiftes und der Einsatz eines verdeckten Ermittlers, beim Beschwerdeführer zusätzlich der bisher ordentliche Lebenswandel, als erschwerend hingegen das enorme Überschreiten der Grenzmenge zu werten gewesen. Ein teilbedingte Strafnachsicht sei bei gegenwärtiger Sachlage ausgeschieden. Die Voraussetzungen des § 41 StGB hätten nicht vorgelegen.

Aufgrund des zitierten Urteils des Landesgerichtes XXXX wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer die im genannten Urteil festgestellten strafbaren Handlungen begangen und je das umschriebene Verhalten gesetzt hat.

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX.10.2016 in der Bundesrepublik Deutschland festgenommen und in weiterer Folge am 09.12.2016 nach Österreich ausgeliefert. Ob sich der Beschwerdeführer bisher bereits einmal im Bundesgebiet aufgehalten hat, konnte nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist in der Domenikanischen Republik geboren, jedoch Staatsangehöriger Spaniens, ledig, ohne Sorgepflichten und war zuletzt arbeitslos. Im Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer über keine Anmeldebescheinigung und weist keine sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeiten und bis auf die Haftzeiten (von 09.12.2016 bis 21.03.2017 in der Justizanstalt XXXX, seit 21.03.2017 in der Justizanstalt XXXX) auch keine Meldungen eines Wohnsitzes im Zentralen Melderegister auf.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer über Kenntnisse der deutschen Sprache oder sonst über maßgebliche Bindungen im Bundesgebiet verfügt. Eigenen Angaben nach hat der Beschwerdeführer weder persönliche noch familiäre Bezüge zu Österreich.

Der Beschwerdeführer befindet sich im Bundesgebiet nach wie vor in Strafhaft.

2. Beweiswürdigung:

Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Das genannte strafgerichtliche Urteil ist aktenkundig und wird der gegenständlichen Entscheidung im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht nahm Einsicht in das Fremdenregister, das Strafregister, das Zentrale Melderegister und die Sozialversicherungsdaten des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers beruhen auf seinen eigenen Angaben im Verfahren sowie auf den entsprechenden Feststellungen und der Beweiswürdigung des Landesgerichtes XXXX im Strafurteil des Beschwerdeführers vom XXXX.05.2017, welches der gegenständlichen Entscheidung im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt wird. Der Beschwerdeführer hat darüber hinaus im gegenständlichen Verfahren zu keiner Zeit diesbezüglich andere Angaben gemacht oder das Vorliegen dieser Verurteilung bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

§ 67 FPG in der Fassung des FRÄG 2017 lautet:

"§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise."

Gemäß § 70 Abs. 1 FPG werden die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Duchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

Da vom Beschwerdeführer, der aufgrund seiner spanischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von §§ 66 und 67 FPG fällt, die Voraussetzung eines Aufenthalts im Bundesgebiet seit fünf bzw. zehn Jahren nicht erfüllt ist, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 Satz 2 FPG zur Anwendung.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtferigt ist (vgl. dazu etwa VwGH 25.04.2014,

Ro 2014/21/0039).

Nun ist im Sinne des § 67 FPG das persönliche Verhalten des Betroffenen zu beurteilen und insbesondere auf die durch die konkreten Straftaten bewirkten Eingriffe in die öffentliche Ordnung, die genauen Tatumstände und Begleitumstände der Taten und auch sonstige Besonderheiten Bedacht zu nehmen. Es ist in weiterer Folge abzuwägen, ob das Allgemeininteresse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wiegt als andere relativierende Momente, wie etwa auch das Familien- und Privatleben des Betroffenen.

Der Beschwerdeführer wurde zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Er hat zwei weiteren Mittätern zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem XXXX.10.2016 in den Niederlanden rund 3000 Gramm Kokain mit einem Kilopreis von EUR 41.000,00 bis EUR 43.000,00 verschafft, damit diese das Kokain von Holland nach Deutschland und von Deutschland nach Österreich einführen konnten, um es dort an einen verdeckten Vermittler zu verkaufen. Der Beschwerdeführer hat sich damit des Verbrechens des Suchtgifthandels durch Verschaffen von einer die Grenzmenge des § 28b SMG um das Fünfundzwanzigfache übersteigender Menge Suchtgift an einen anderen nach § 28a Abs. 1 sechster Fall und Abs. 4 Z 3 SMG schuldig gemacht.

Mit der Suchtgiftkriminalität ist im Allgemeinen eine große Wiederholungsgefahr verbunden. Auch ist das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität (vor allem unter dem Gesichtspuhnkt der Verhinderung strafbarer Handlungen und des Schutzes der Gesundheit anderer) - selbst wenn nur eine diesbezügliche Verurteilung vorliegt - besonders hoch zu bewerten (vgl VwGH vom 27.03.2007, 2006/21/0033; vom 20.12.2007, 2007/21/0499).

Im gegenständlichen Fall fällt besonders auf, dass eine große Menge an Suchtgift Gegenstand des Delikts waren. So war der Beschwerdeführer an der Verschaffung von rund drei Kilogramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 71,80 %, somit einer Reinsubstanz von 375 Gramm Kokain, und somit an einer über das 142-fache der Grenzmenge nach § 28b SMG von 15 Gramm Kokain übersteigenden Menge unmittelbar beteiligt. Er hat das Kokain in den Niederlanden organisiert und den Kontakt zum Zweitangeklagten hergestellt.

Das vom Beschwerdeführer gesetzte Verhalten, auch wenn seitens des Landesgerichtes XXXX mehr Strafmilderungsgründe als Straferschwerungsgründe berücksichtigt wurden, zeigt, dass vom Beschwerdeführer eine tatsächliche und erhebliche Gefährdung der döffentlichen Ordnung und Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, ausgeht. Dies insbesondere aufgrund der großen Menge an Suchtgift.

Zu beurteilen bleibt schließlich noch die Frage der Gegenwärtigkeit der Gefahr im Sinne des

§ 67 FPG, welche kumulativ mit der Erheblichkeit und Tatsächlichkeit vorliegen muss.

Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu prüfen, ob und wie lange er sich in Freiheit wohlverhalten hat (VwGH 04.06.2009, 2006/18/0102; 24.02.2011, 2009/21/0387). Angesichts dessen, dass sich der Beschwerdeführer nach wie vor in Strafhaft befindet, ist von einem Wegfall oder einer erheblichen Minderung der Gefährdung nicht auszugehen, weshalb auch die Gegenwärtigkeit der Gefährdung der öffentlichen Interessen an einer Verhinderung von Suchtgiftdelikten gegeben ist.

Angesichts dieses Fehlverhaltens kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie annahm, vom Beschwerdeführer gehe eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr im Sinn des § 67 Abs. 1 FPG aus, die ein massives Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Auch die im Lichte des § 9 BFA-VG gebotene Abwägung der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen konnte eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht rechtfertigen.

Der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers lag bislang in Spanien. Er hat eigenen Angaben nach keinerlei persönliche oder familiäre Bindungen in Österreich. Der Beschwerdeführer brachte weder Deutsch-Kenntnisse, eine in Österreich ausgeübte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, eine Anmeldebescheinigung noch die Meldung eines Wohnsitzes vor. Der Beschwerdeführer kam nach seiner Festnahme in Deutschland am 02.10.2016 am 09.12.2016 im Rahmen seiner Auslieferung in das Bundesgebiet. Er reiste nicht von sich aus nach Österreich ein.

Der Beschwerdeführer hat daher kein maßgebliches Interesse an der Möglichkeit zur Einreise in das Bundesgebiet und steht diesem weiters die aus seiner Straftat resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Ihm liegt somit ein im Lichte des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität verwerfliches Fehlverhalten zur Last. Bei Abwägung der genannten Interessen kann die Auffassung der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung weiterer strafbarer handlungen durch den Beschwerdeführer sowie zum Schutz der Rechte und Gesundheit anderer, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten sei und die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dessen Erlassung nicht als rechtswidrig angesehen werden (vgl etwa VwGH vom 31.03.2008, 2007/18/0483).

Die Bemessung des Aufenthaltsverbotes mit einer Dauer von neun Jahren erscheint jedoch in Anbetracht der Tatsache, dass das Strafgericht bei einem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe mit der Verhängung einer Freiheitsstrafe von drei Jahren das Auslangen gefunden hat, dem Beschwerdeführer mehr Milderungs- als Erschwerungsgründe zu Gute kamen und der Beschwerdeführer nicht von sich aus in das Bundesgebiet einreiste, sondern in Deutschland verhaftet und anschließend an Österreich ausgeliefert wurde, nicht geboten. Im Hinblick auf diese Erwägungen wird das Aufenthaltsverbot mit sieben Jahren befristet.

Zur Nichtgewährung des Durchsetzungsaufschubes:

Zur Versagung des Durchsetzungsaufschubes ist festzuhalten, dass in Hinblick auf die verübte Straftat es vordringlicher Zweck der Entscheidung ist, weitere gravierende Straftaten des Beschwerdeführers in Österreich zu verhindern. Dabei ist besonders hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer die Verschaffung der gegenständlich großen Menge an Kokain, nämlich eine das 142-fache der Grenzmenge übersteigende Menge, an seine Mittäter verschuldet hat, und er offenbar zu keinem Zeitpunkt eine Veranlassung sah, sein Verhalten zu überdenken und von der Begehung weiterer Straftaten abzusehen. Diese Vorgangsweise zeigt, dass der Beschwerdeführer doch mit erheblicher krimineller Energie ausgestattet ist, weshalb die sofortige Ausreise im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geboten war. Dabei ist auch auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach Suchtgiftdelinquenz - auch nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben - ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl dazu VwGH 25.04.2013, 2013/18/0053; 13.12.2012, 2012/21/0246).

Die belangte Behörde hat daher zutreffend keinen Durchsetzungsaufschub gemäß § 70 Abs. 3 FPG erteilt.

Zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung:

Zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ist auszuführen, dass das Verhalten des Beschwerdeführers zeigt, dass die Straftaten nicht aufgrund einer sich plötzlich bietenden Gelegenheit begangen wurden. Vielmehr wurden die Straftaten überlegt und geplant verübt. Die sofortige Ausreise ist daher im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich, weshalb der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ebenfalls zu Recht erfolgt ist.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt. Sein Vorbringen wurde der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Der Sachverhalt ist im Gegenstand aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, umfangreichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch ist diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu bewerten. Vielmehr hat sich das Bundesverwaltungsgericht bei der Erstellung der Gefährdungsprognose des Beschwerdeführers sowie auch bei der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert und diese - soweit erforderlich - auch in der Entscheidungsbegründung zitiert. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen liegen nicht vor.

Schlagworte

Angemessenheit, Aufenthaltsverbot, EU-Bürger, Herabsetzung,
öffentliches Interesse, strafrechtliche Verurteilung,
Suchtgifthandel, Verbrechen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G311.2169185.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten