TE OGH 2017/10/18 22R201/17s

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Veröffentlicht am 18.10.2017
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Das Landesgericht Wels als Berufungsgericht hat durch Dr. Pramendorfer als Vorsitzenden sowie Mag. Niedermayr und Dr. Lengauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** B*****, *****vertreten durch Poduschka AnwaltsgesellschaftmbH in Linz, gegen die beklagte Partei P*****, Kfz-Händler,***** vertreten durch Dr.Heinrich Oppitz, Rechtsanwalt in Wels und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei L***** GmbH, ***** vertreten durch Oehner Petsche-Demmel Pollak Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 12.921,14 s. A., über die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Gmunden vom 10.04.2017, 3 C 1078/15p-25, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

         A) Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, das es zu lauten hat wie folgt:

         „1. Der zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei am 17. Juli 2015 abgeschlossene Kaufvertrag über das Kfz VW Touran, Fahrzeugidentifikationsnummer: WVGZZZ1TZCW073150, wird (ex-tunc) aufgehoben.

         2. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 12.921,14 samt 4 % Zinsen ab 17. Juli 2015 Zug um Zug gegen Rückgabe des Kfz VW Touran, Fahrzeugidentifikationsnummer: WVGZZZ1TZCW073150, zu bezahlen und zuhanden der Klagevertretung die mit EUR 10.078,54 (darin enthalten EUR 1.228,59 USt und EUR 2.707,00 Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen, dies jeweils binnen 14 Tagen.“

         B) Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger zuhanden der Klagevertretung binnen 14 Tagen die mit EUR 2.630,86 (darin enthalten EUR 239,01 USt und EUR 1.196,80 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

         C) Die ordentliche Revision ist zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

         Der Kläger begehrte, den zwischen ihm und dem Beklagten am 17. Juli 2015 abgeschlossenen Kaufvertrag über das Kfz VW Touran, Fahrzeugidentifikationsnummer WVGZZZ1TZCW073150, aufzuheben sowie den Beklagten zur Zahlung von EUR 12.921,14 samt Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Kfz zu verurteilen. Er begründete dies im Wesentlichen damit, dass er bei der beklagten Partei einen VW Touran um EUR 13.000,00 erworben habe. Aufgrund des „Abgasskandals“ habe auch er überprüft, ob sein neu erworbenes Fahrzeug betroffen sei, wobei sich ergeben habe, dass das Fahrzeug ebenso manipuliert sei. Die Stickoxidwerte würden nicht den Angaben im Typenschein entsprechen. Für ihn sei es beim Ankauf wichtig gewesen, dass es sich um ein Dieselfahrzeug handle, welches einen entsprechend geringen Verbrauch aufweise. Ferner habe er darauf vertraut, dass das angekaufte Fahrzeug nicht mit einem angelegten Mangel bzw. manipuliert übergeben werde sowie den gesetzlichen Bestimmungen entspreche. Die beklagte Partei habe das Fahrzeug im Internet beworben und die entsprechenden Informationen zur Verfügung gestellt, wobei nicht über die Manipulation aufgeklärt worden sei. Die Manipulationsfreiheit sowie der ausgezeichnete Ruf des VW-Konzerns, die Wertbeständigkeit der Fahrzeuge, das Vertrauen in heimische Produkte und der vermeintliche Technologievorsprung des VW-Konzerns seien Inhalt des Vertrages geworden. Mit dem Kauf sei der entsprechende Datenauszug übergeben worden, sodass die darin angeführten Werte und Angaben zumindest stillschweigend vereinbart worden seien. Dass ein Fahrzeug nicht manipuliert worden sei, sei eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft und liege ein beachtlicher Geschäftsirrtum über eine geschäftsrelevante Eigenschaft vor. Zudem handle es sich bei der Manipulation selbst sowie den Ergebnissen der Manipulation um wertbildende Eigenschaften. Hätte er gewusst, dass der von ihm angekaufte Volkswagen manipuliert sei, umfangreich repariert werden müsse und die versprochenen Eigenschaften nicht für die Lebensdauer des Fahrzeuges gewährleistet werden können, hätte er dieses Fahrzeug nicht erworben. Der Irrtum sei von der beklagten Partei veranlasst worden. Ob die beklagte Partei von der Manipulation Kenntnis hatte oder haben musste, sei irrelevant. Aus diesem Grund werde gemäß § 877 ABGB die Rückabwicklung der wechselseitigen Leistungen begehrt. Die Klage werde auch auf Gewährleistung gestützt und Wandlung begehrt, da der Mangel eine zugesicherte, nicht verbesserungsfähige Eigenschaft betreffe und darüber hinaus die beklagte Partei nicht fähig sei, den Mangel zu beheben, ohne andere wertbildende Eigenschaften wie Verbrauch und Leistung zu verändern. Die beklagte Partei sei nicht fähig, den Mangel binnen einer angemessenen Frist zu beheben, was zur Wandlung des Kaufvertrages berechtige. Auch durch einen Austausch des Fahrzeuges lasse sich der vertragsgemäße Zustand nicht herstellen. Der Mangel sei auch nicht geringfügig, da der Hersteller den Mangel vorsätzlich eingebaut habe, um die Käufer und die breite Öffentlichkeit über die Richtigkeit der veröffentlichten Zahlen und Äußerungen zum gegenständlichen Fahrzeugmodell zu täuschen. Die einvernehmliche Herabsetzung der Gewährleistungsfrist auf ein Jahr werde ausdrücklich bestritten. Er rechne sich ein Benutzungsentgelt in Höhe von EUR 78,86 an.

         Der Beklagte bestritt, beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, dass das Fahrzeug nicht manipuliert gewesen sei. Vielmehr habe es dem Zustand entsprochen, in dem es im Jänner 2012 erstmals zugelassen worden sei. Das Fahrzeug sei also zum Zeitpunkt des Kaufvertrages mehr als 3 ½ Jahre im Gebrauch gewesen und habe einem Gebrauchtwagen dieses Alters entsprochen. Die beklagte Partei sei weder dazu in der Lage gewesen noch hätte sie einen Anlass dazu gehabt, die Stickoxidwerte des Fahrzeuges zu überprüfen oder den Kläger über diese Werte aufzuklären. Die Abgaswerte des Fahrzeuges seien zu keinem Zeitpunkt eine geschäftsrelevante Eigenschaft gewesen, nachdem das Fahrzeug auch bereits mehr als 3 ½ Jahre gefahren worden sei. Zwischen den Parteien sei die Frage des NOx-Wertes auch nie erörtert worden. Ein etwas überhöhter NOx-Wert hindere auch in keiner Weise die Gebrauchsfähigkeit des Fahrzeuges und sei daher nicht als wesentlicher Bestandteil des Fahrzeuges anzusehen. Die Blue Motion Technologie betreffe einerseits den Kraftstoffverbrauch und andererseits den CO²-Ausstoß des Fahrzeuges und die damit zugesicherten Eigenschaften des Fahrzeuges würden zur Gänze eingehalten werden. Ein allenfalls vorgetäuschter Abgaswert auf dem Prüfstand habe mit dem Betrieb des Fahrzeuges im täglichen Gebrauch nichts zu tun und könne daher jedenfalls nicht als Mangel angesehen werden. Die Zulassungsfähigkeit werde nicht beeinträchtigt. Eine Irrtumsanfechtung sei nicht gerechtfertigt, da der Irrtum nicht vom Beklagten, der das Fahrzeug selbst erworben habe, herbeigeführt worden sei. Der Beklagte habe keinerlei Kenntnis über allfällige Manipulationen gehabt, die von der Volkswagen AG hinsichtlich dieses Fahrzeuges durchgeführt worden sein sollen. Jedenfalls sei dem Kläger kein konkreter Abgaswert zugesichert worden. Allenfalls schlechtere Abgaswerte beträfen jedenfalls nicht die Hauptsache, noch eine wesentliche Beschaffenheit derselben, dies unter Berücksichtigung des Umstandes, dass ein mehr als drei Jahre altes Fahrzeug verkauft worden sei. Bei derartigen Fahrzeugen werde ein altersgemäß entsprechender Zustand und jedenfalls die Betriebssicherheit zugrunde gelegt, nicht aber Abgaswerte. Es handle sich zusammengefasst um einen unwesentlichen Irrtum, sodass jedenfalls kein Anspruch auf Aufhebung des Vertrages wegen Irrtums bestehe. Auch im Rahmen der Gewährleistung sei jedenfalls kein Wandlungsanspruch gegeben, zumal es sich jedenfalls um einen behebbaren und unwesentlichen Mangel handle. Selbstverständlich könne der vom Kläger behauptete Mangel behoben werden und habe sich dazu auch bereits VW bereit erklärt. Der Kläger sei daher bereits aufgrund der Schadenminderungspflicht verpflichtet, sein Fahrzeug entsprechend untersuchen und umstellen zu lassen. Der angerechnete Betrag an Eigennutzung sei bei weitem zu niedrig.

         Mit Schriftsatz der beklagten Partei vom 25. Februar 2016 wurde der L*****GmbH der Streit verkündet (ON 9). Diese trat mit Schriftsatz vom 21. April 2016 (ON 11) dem Verfahren auf Seiten des Beklagten als Nebenintervenientin bei und brachte im Wesentlichen vor, dass keine bzw. allenfalls bloß geringfügige Abweichungen bestünden und kein Wandlungsrecht des Klägers bestünde.

         Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren zur Gänze ab, wobei es seiner Entscheidung folgenden wesentlichen Sachverhalt zugrunde legte:

         Der Kläger erwarb am 17. Juli 2015 beim Beklagten einen VW Touran, Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN): WVGZZZ1TZCW073150, zum Preis von € 13.000,00. Bei dem Fahrzeug handelte es sich um einen Gebrauchtwagen Baujahr 1/2012 mit einem km-Stand von 148.346 (unstrittig; Beilage ./A). Der Beklagte ist Autohändler und kaufte das Fahrzeug vor dem Weiterverkauf von der Nebenintervenientin an. Die Gewährleistungsfrist wurde im Kaufvertrag mit einem Jahr vereinbart (Beilage ./A). Der Kläger informierte sich bereits vorab über das klagsgegenständliche Fahrzeug. Über die genauen Werte des Fahrzeuges informierte er sich nicht. Ihm kam es nicht speziell auf möglichst geringe NOx-Werte an, sondern allgemein darauf, dass das Fahrzeug umweltfreundlich sein sollte. Im Rahmen des Autokaufes informierte sich der Kläger auch über die „Bluemotion Technologie“ und verließ sich unter anderem auf das Prospekt der V***** AG (Stand: Mai 2009). Er ging davon aus, dass das klagsgegenständliche Fahrzeug aufgrund der BlueMotion Technology umweltfreundlich sei, wie im Prospekt (= Beilage ./K) beworben und dass es auch im Fahrbetrieb die entsprechenden umweltfreundlichen Werte habe. Das Prospekt lautet (auszugsweise):

„... BlueMotionTechnologies

Emissionsarm, sparsam

und bereits heute verfügbar....

….Mit dem BlueMotionTechnologies Konzept wenden wir uns an alle Menschen, die sich für die Umwelt einsetzen und gleichzeitig den ökonomischen Aspekt nicht aus dem Auge verlieren.

Innovationen

EcoFuel        NOx-Abgasnachbehandlung

BiFuel        Start-Stopp/Rekuperation

MultiFuel        Hybrid / Elektroantrieb

Das Label BlueMotion kennzeichnet Fahrzeuge, die insgesamt auf Sparsamkeit ausgerichtet sind. Sie verbindet den Verbrauch senkende Maßnahmen mit einem hoch effizienten Antriebskonzept. BlueMotion ist damit eine Antwort auf steigende Spritpreise und eine fortschrittliche Technologie zur Senkung von CO2-Emissionen.

BlueMotion: unsere Auszeichnung für das sparsamste Volkswagen Modell seiner Klasse. Fahrzeuge mit diesem Label sind absoluter Benchmark in ihrem Segment … Zukünftig verfügen alle BlueMotion Modelle über das Start-Stopp-System und Rekuperation.…

         Mit BlueMotion Technology bieten wir unseren Kunden schon heute ein breites Spektrum an verbrauchsarmen Modellen. … Unser Versprechen: mindestens 0,5 Liter

Verbrauchseinsparung gegenüber einem vergleichbaren Serienmodell.…

Mit dem saubersten Passat TDI aller Zeiten wird gleichzeitig ein neues Fahrzeug-Label präsentiert: BlueTDI...…

Im Passat BlueTDI sorgt ein innovativer SCR-Katalysator in Verbindung mit dem Additiv AdBlue dafür, die Abgaskomponente Stickoxide (NOx) deutlich zu reduzieren …“ (Beilage .K/).

         Auf Seite 15 des Prospektes sind die Kraftstoffverbräuche und CO²-Emissionen (jeweils ermittelt nach der damals gültigen Fassung der EU-Richtlinie 80/1268/EWG) für die Modelle Passat BlueTDI, Passat TSI EcoFuel Limousine, Passat TSI EcoFuel Variant und Golf BiFuel angeführt (Beilage ./K). Dieses Prospekt war maßgeblich für die Kaufentscheidung des Klägers, nicht jedoch die Werte (Kraftstoffverbräuche) auf Seite 15 des Prospektes. Die BlueMotion Technologie betrifft den sparsamen Motor bzw den relativ geringen CO2-Ausstoß des Motors. Diese Technologie hat nur bedingt etwas mit der NOx-Problematik zu tun. Der Kraftstoffverbrauch ist untrennbar mit der CO²-Emission verbunden. Mit dem Beklagten besprach der Kläger beim Kauf des Fahrzeuges lediglich noch Details wie zB die Anhängerkupplung, die Reifen oder das Prüfgutachten des ÖAMTC. Der Kläger sagte dem Beklagten gegenüber nicht, dass er ein umweltfreundliches Fahrzeug haben wolle. Die Parteien sprachen auch nicht über die NOx-Werte oder andere Abgaswerte des Fahrzeuges. Auch über den Kraftstoffverbrauch sprachen die beiden nicht, die „Blue Motion Technologie“ war ebenfalls nicht generell ein Thema. Im Kaufvertrag ist kein NOx-Wert angegeben.

         Im klagsgegenständlichen Fahrzeug ist ein 1,6l-Dieselmotor vom Typ EA189 eingebaut. Dieser ist von einer Software betroffen, die die Stickoxidwerte (NOx) im Prüfzustand (NEFZ) optimiert. Hievon wusste der Beklagte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages nichts. Auch der Kläger wusste nichts davon. Die NOx-Problematik hat keinen Einfluss auf die Fahrbarkeit des Fahrzeuges. Der EA 189-Motor hat beim Prüfstandtest die EU 5-Abgasnorm eingehalten. Im Fahrzeug war allerdings eine unzulässige Abschalteinrichtung – für den normalen Fahrbetrieb - verbaut. Beim NEFZ-Test wurde mit Abgasrückführung gefahren. Der reale Fahrbetrieb ohne Abgasrückführung führt zu einem deutlich höheren NOx-Ausstoß im Vergleich zum NEFZ-Test. Der in der EU-VO 715/2007 festgelegte NOx-Grenzwert beträgt 180 mg/km. Bei der EU 5 - Abgasnorm waren keine Emissionsgrenzwerte normiert, die im normalen Fahrbetrieb eingehalten werden mussten. Beim normalen Fahrbetrieb bestand bei vielen Herstellern ein sehr, sehr hoher NOx-Ausstoß. Das klagsgegenständliche Fahrzeug erhielt die erforderliche EU-Betriebsgenehmigung bzw EU 5-Typengenehmigung. Diese Typengenehmigung ist nach wie vor wirksam und nicht aufgehoben. Es droht bislang kein Entzug der Betriebsgenehmigung in Österreich. Möglicherweise könnte es zum Entzug der Betriebsgenehmigung oder Zulassung eines Fahrzeuges in Österreich kommen, wenn sich ein Fahrzeugbesitzer nach mehrmaliger Aufforderung weigert, das Softwareupdate aufspielen zu lassen. Es ist davon auszugehen, dass die Typengenehmigung und auch die Zulassung nicht entzogen wird, wenn der Fahrzeugbesitzer das vom Bundeskraftfahramt freigegebene Softwareupdate aufspielt. Aus technischer Sicht ist auszuschließen, dass die EU den betroffenen Fahrzeugen die Betriebsgenehmigung entzieht.

         Um die im Sinne der EU 5 – Typengenehmigung zulässigen Werte zu erreichen, ist beim klagsgegenständlichen Fahrzeug die Durchführung eines Software-Updates und zusätzlich der Einbau eines Strömungsgleichrichters für die bessere Ansteuerung des Luftmassenmessers notwendig. Mit dem Aufspielen des Softwareupdates kann der Mangel der Manipulation im Zuge des NEFZ-Tests behoben werden. Diese Software ist seit Kurzem vom KBA freigegeben. Der Zeitaufwand für das Aufspielen des Softwareupdates beträgt etwa zehn bis 15 Minuten bzw inklusive Manipulationszeit (Einfahren in die Werkstätte, Anschließen, etc) etwa eine halbe Stunde. Die Kosten hierfür betragen etwa € 55,00 bis € 60,00 zzgl USt. Das Unternehmen VW würde die Kosten für die Durchführung des Software-Updates und den Einbau des Strömungsgleichrichters übernehmen. Der Beklagte selbst kann das vorgesehene Softwareupdate nicht vornehmen. Das Fahrzeug war und ist (auch ohne Durchführung des Software-Updates) betriebs- und verkehrssicher und fahrbereit.

         Durch Durchführung des Software-Updates wird tendenziell der in den Datenblättern ausgewiesene NOx-Ausstoß beim NEFZ-Test höher, allerdings unterhalb der zulässigen 180 mg/km. Im Praxisbetrieb wird das Softwareupdate hingegen ein positives Verhalten für den NOx-Ausstoß haben. Dieser wird nun deutlich geringer sein als zum Zeitpunkt, wo noch die „Manipulationssoftware“ verbaut war. Es kann nicht festgestellt werden, dass es durch den Einbau der neuen Software zu einer Erhöhung des Treibstoffverbrauches und des CO²-Ausstoßes kommen wird. Durch den Einbau der neuen Software entsteht eine höhere Partikelbelastung, was den Partikelfilter anlangt. Die NOx-Reduktion wird automatisch dazu führen, dass der Partike*****stoß in Richtung Partikelfilter steigen wird. Dass dies zu einer kürzeren Lebensdauer des Partikelfilters führt, ist nicht feststellbar. Es ist nicht zu erwarten, dass es bauteilmäßig nach Durchführung des Updates beim Motor zu einer signifikanten Mehrbelastung kommen wird. Eine Verkürzung der Nutzungsdauer ist aus technischer Sicht nicht zu befürchten. Bislang kam es zu keiner nachhaltigen Veränderung des Wiederbeschaffungswertes bzw des Zeitwertes von Fahrzeugen, die vom „Abgasskandal“ betroffen waren und sind. Der Kläger forderte den Beklagten nicht zur Verbesserung bzw Durchführung eines Software-Updates auf. Mit 22. September 2015 wurde die Zulassung des klagsgegenständlichen Fahrzeuges hinterlegt. Der Kläger benutzte das Fahrzeug deshalb relativ wenig, da er es nicht brauchte, weil er mit jemand anderem mitfahren bzw ein Firmenfahrzeug benutzen konnte.

         In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass die Verwendung einer Software, welche die Abgasrückführung im Prüfstandbetrieb beeinflusst, solange alle Genehmigungen aufrecht sind – wie dies hier der Fall ist – und das Klagsfahrzeug demgemäß für den Straßenverkehr zugelassen ist und uneingeschränkt genutzt werden kann, keinen (Rechts-)Mangel gemäß § 922 ABGB darstelle. Auch Sachmängel seien vom Kläger nicht erwiesen worden, da weder bestimmte NOx-Werte oder ein bestimmter Kraftstoffverbrauch noch die Umweltfreundlichkeit Vertragsinhalt geworden seien. Eine Wandlungsmöglichkeit sei auch deshalb nicht gegeben, weil die Verbesserung relativ einfach möglich und für den Kläger nicht mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wäre. Da das Fahrzeug nach wie vor verkehrs- und betriebssicher und fahrbereit sei, kein Entzug der Zulassung bei Aufspielen der Software sowie keine nachhaltige Veränderung des Zeitwerts durch den „Abgasskandal“ zu befürchten sei, liege auch ein bloß geringfügiger Mangel vor, der nicht zur Wandlung berechtige. Es seien auch keine Umstände erwiesen worden, die auf das Vorliegen eines beachtlichen Geschäftsirrtums über einen Umstand, der Vertragsinhalt geworden sei, hindeuteten. Der Beklagte habe von der Manipulation nichts gewusst und daher auch keine Aufklärungspflicht verletzt. Im Übrigen hätten maßgerechte Durchschnittsparteien den Vertrag trotz Kenntnis der Manipulation, allenfalls zu anderen Bedingungen, geschlossen, da es durch die Software zu keinerlei Einschränkungen beim Gebrauch des Fahrzeugs komme.

         Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitige Berufung des Klägers aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des erstinstanzlichen Urteils im Sinne einer Klagsstattgabe, hilfsweise auf Aufhebung.

         Der Beklagte und die Nebenintervenientin beantragten in ihren fristgerecht erstatteten Berufungsbeantwortungen, der Berufung nicht Folge zu geben.

         Die Berufung ist schon aus rein rechtlichen Erwägungen berechtigt.

         

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 922 Abs 1 ABGB leistet, wer einem anderen eine Sache gegen Entgelt überlässt, Gewähr, dass sie dem Vertrag entspricht. Er haftet also unter anderem dafür, dass sie die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat. Bei Kfz wurden von der Rechtsprechung als gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaften bisher angesehen: die Fahrbereitschaft bzw. die Verkehrs- und Betriebssicherheit; die Heizleistung von mehr als 20°C bei einem fabriksneuen Pkw mit Klimaanlage (vgl Zöchling-Jud in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.02, § 923, Rz 16, mwN).

         Die Frage, ob das Fehlen einer Software, die die Abgasrückführung im Prüfstandbetrieb beeinflusst und dadurch am Prüfstand niedrigere Ausstoßmengen vortäuscht als sie im realen Fahrbetrieb entstehen, als gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft anzusehen ist, wurde in der bisherigen österreichischen und deutschen Judikatur unterschiedlich beantwortet. Die mittlerweile überwiegende (erstinstanzliche) deutsche Judikatur sieht eine solche Software als (Sach-)Mangel im Sinne des § 434 Abs 1 Nr. 2 BGB an (statt vieler: LG Trier, 5 O 298/16; LG Baden-Baden, 3 O 123/16; LG Heidelberg, 3 O 6/17; LG Kempten, 13 O 808/16, mit weiteren Judikaturnachweisen; LG Bielefeld, 7 O 201/16; LG Freiburg im Breisgau, 2 O 317/16).

         Dieser Auffassung ist beizupflichten, weil ein durchschnittlicher Autokäufer üblicherweise beim Kauf eines Neu- oder Gebrauchtwagens von einem Kfz Händler wohl (aufgrund zahlreicher jahrzehntelanger Berichte in den Medien) unzweifelhaft zwar davon ausgeht bzw. ausgehen muss, dass im „Realbetrieb“ die Verbrauchswerte gegenüber dem „Prüfstand“ erhöht sind. Dies ändert aber nichts daran, dass er dennoch „als gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft“ annehmen darf, dass das ihm angebotene Fahrzeug nicht mit einer Software ausgestattet ist, von der Manipulationen im Testbetrieb gesteuert werden, die dafür verantwortlich sind, dass Fahrzeuge dieser Klasse eine Zulassung nach Euro 5 erhalten haben. Damit, dass der Motor des Fahrzeugs die Vorgaben im Prüflaufstand nur aufgrund der manipulierten Software einhält, kann und muss kein Fahrzeugkäufer rechnen, vielmehr kann es als gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft angesehen werden, dass in einem Fahrzeug keine Software verbaut ist, die die am Prüfstand zu messenden Werte im genannten Sinn verzerrt und schönt. Die Freiheit von einer die Testergebnisse beeinflussenden und damit manipulativen Software (die im Realbetrieb dann vorprogrammiert gar nicht zum Einsatz kommt bzw nicht arbeitet) ist also als vertragswesentliche und gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft zu werten, noch dazu, wenn der Umstand, dass die Euro 5 Zulassung nur durch eine derartige unzulässige Manipulation erreicht werden konnte, auch befürchten lässt, dass allenfalls die Zulassung doch entzogen werden kann (vgl. LG Feldkirch 56 Cg 12/16v und 57 Cg 45/16d; LG Trier 5 O 298/16; LG Köln 4 O 177/16; LG Krefeld 2 O 83/16; Lempp: Rücktritt wegen „Schummelsoftware“ in NZV 2017, 48). Es handelt sich also um einen Mangel, weil üblicherweise ein KFZ-Käufer nicht damit rechnen muss bzw. kann, dass derartige Manipulationen vorgenommen worden sind, insofern der PKW also von der üblichen Käufererwartung in einem wesentlichen Punkt abweicht.

         Zum Teil wurde die Mangelhaftigkeit des Kfz aber auch damit begründet, dass seinem Halter nachteilige Maßnahmen der Verwaltungsbehörden (insb. der Entzug der Zulassung) drohen, wenn die von der VW AG entwickelte und vom deutschen Kraftfahrbundesamt genehmigte technische Nachrüstung („Software-Update“) nicht vorgenommen wird (LG Trier, 5 O 298/16). Das LG Feldkirch hat sich in seinen zwei Entscheidungen 56 Cg 12/16v und 57 Cg 45/16d der Rechtsansicht der deutschen Gerichte (allerdings im Rahmen des Irrtumsrechts) angeschlossen. Demgegenüber hat etwa das OLG Linz in seinen Entscheidungen 6 R 161/16p und 6 R 190/16b, 6 R 191/16z judiziert, dass eine solche Software keinen (Rechts-)Mangel darstelle, solange alle Genehmigungen aufrecht seien. Höchstgerichtliche Judikatur existiert zu dieser Rechtsfrage noch keine.

         Nach Ansicht des erkennenden Senates des Berufungsgerichtes ist das Vorhandensein einer derartigen „Schummel-Software“, die bewirkt, dass in Österreich der Entzug der Zulassung droht, wenn das von VW entwickelte Update nicht aufgespielt wird, als Abweichung vom vertraglich Geschuldeten und damit als Mangel anzusehen. Dahingestellt bleiben kann, ob es sich dabei um einen Sach- oder Rechtsmangel handelt. Dahingestellt bleiben kann auch, ob eine derartige Software als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist (dafür mit überzeugender Begründung LG Linz, 45 Cg 35/15h, desgleichen die überwiegende deutsche Judikatur, vgl. etwa LG Trier, 5 O 298/16; LG Krefeld, 7 O 147/16). Dafür spricht auch schon allein die (allgemeinkundige, § 269 ZPO) Tatsache, dass das deutsche Kraftfahrbundesamt Mitte Oktober 2015 mit Bescheid den deutschlandweiten Rückruf der betroffenen Fahrzeuge anordnete und die Halter damit (indirekt) zum Software-Update verpflichtete.

         Rechtlich relevant ist jedoch nur die hier festgestellte und wohl ebenfalls bereits allgemeinkundige Tatsache (§ 269 ZPO), dass ein Entzug der Zulassung bei endgültiger Weigerung eines Fahrzeughalters, das Update von VW aufspielen zu lassen, droht. Der österreichische Verkehrsminister äußerte sich in den letzten Monaten nämlich mehrmals öffentlich in diese Richtung (vgl. etwa die Artikel in der Tageszeitung „Kurier“ vom 09.04.2017, abrufbar unter https://kurier.at/wirtschaft/vw-rueckruf-bei-weigerung-droht-entzug-der-zulassung/257.281.360, bzw. im Wochenmagazin „Profil“ vom 08.08.2017, abrufbar unter https://www.profil.at/shortlist/wirtschaft/aus-verkehr-ziehen-8256541).

         Allein diese Tatsache, dass ein betroffener Kfz-Halter nun verpflichtet ist, von dem Unternehmen, das eine Manipulationssoftware in sein Auto integriert hat, eine weitere Software zur Rückgängigmachung der Manipulation entgegenzunehmen, um nicht den Verlust der Zulassung zu riskieren, stützt die hier vertretene Rechtsansicht der Mangelhaftigkeit des Pkw. Die von der gegenteiligen österreichischen Judikaturlinie oftmals zitierte Entscheidung 3 Ob 5/07t, wo der OGH ausgesprochen hat, dass ein Fahrzeug, das eine zu geringe Bodenfreiheit aufweise, weshalb die Gefahr bestehe, dass der Einzelgenehmigungsbescheid gemäß § 68 Abs 3 AVG aufgehoben werde, keinen Rechtsmangel aufweise, ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Eine nur theoretisch denkbare Aufhebbarkeit, soweit diese „zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Missständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist“, wie im damaligen Fall, besteht im vorliegenden Fall gerade nicht, zumal das KFG mit seinem § 44 KFG eine Sondernorm zur nachträglichen Aufhebbarkeit von Zulassungen vorsieht, die der allgemeinen verwaltungsrechtlichen Norm des § 68 AVG vorgeht. Vielmehr ist der gegenständliche Fall daher mit dem in der Entscheidung 10 Ob 502/94 vorliegenden vergleichbar, wo eine im Jahr 1951 erteilte Baubewilligung für ein Haus als an sich widerruflich, wenn auch nur aufgrund eines zureichenden Grundes im öffentlichen Interesse, erteilt wurde. Der OGH judizierte, dass, wenngleich der Widerruf der Baubewilligung als wenig wahrscheinlich anzusehen ist, die immerhin mögliche Widerruflichkeit als Rechtsmangel gilt. Es ist daher insgesamt von einem Mangel im Sinne der §§ 922, 923 ABGB (wegen des Fehlens gewöhnlich vorausgesetzter Eigenschaften) auszugehen.

         Die vom Kläger begehrte Wandlung des Kaufvertrags ist gemäß § 932 Abs 4 ABGB nur zulässig, wenn eine Verbesserung oder ein Austausch unmöglich ist, für den Übergeber mit einem unverhältnismäßigen Aufwand oder für den Übernehmer mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden ist, wenn der Übergeber dem Verlangen des Übernehmers nicht in angemessener Frist nachkommt oder wenn dem Übernehmer Verbesserung oder Austausch aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen unzumutbar sind.

         Zwar kann die Durchführung des Software-Updates (samt Einbau eines Strömungsgleichrichters) nach den Feststellungen relativ einfach, rasch und ohne Kosten für den Kläger durchgeführt werden. Verschlechterungen im Sinne eines höheren Treibstoffverbrauches oder CO²-Ausstoßes, einer zu erwartenden kürzeren Lebensdauer des Partikelfilters oder einer Verkürzung der Nutzungsdauer sind nicht erwiesen bzw. nicht zu befürchten. Doch ist es dem Kläger nach Ansicht des Berufungsgerichtés zum einen unzumutbar, eine Software aufspielen zu lassen, die von demselben Unternehmen entwickelt wurde, das ihn vorsätzlich getäuscht hat, weshalb es überhaupt nicht zu beanstanden ist, dass er eine Verbesserung gar nicht verlangte, sondern sogleich sein Auto zurückgeben wollte. Auch in der Lehre ist nämlich anerkannt, dass eine arglistige Täuschung bzw. vorsätzliches Herbeiführen des Mangels durch den Übergeber den Tatbestand der Unzumutbarkeit aus triftigen Gründen erfüllt. Soweit der Übergeber die (Verbesserungs-)Leistung durch Erfüllungsgehilfen erbringen lässt, ist bei der Beurteilung der (Un-)Zumutbarkeit auf die Person des Gehilfen abzustellen (Zöchling-Jud in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 932, Rz 57; Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB4, § 932 ABGB Rz 62).

         Im konkreten Fall steht fest, dass der Beklagte selbst die Verbesserung (das Update) nicht erbringen kann, sondern die Software von VW beziehen muss. Damit liegt aber, selbst wenn man VW nicht als Erfüllungsgehilfen ansieht, weil der Beklagte das Aufspielen der Software durch die eigenen Techniker vornehmen lässt, wertungsmäßig ein Fall vor, wo für die Beurteilung der Zumutbarkeit auf denjenigen abzustellen ist, der das Softwareupdate entwickelt hat, da die Software und nicht deren Einbau die wesentliche Komponente der Verbesserungsleistung darstellt (vgl idS: LG Baden-Baden, 3 O 123/16, LG Trier, 5 O 298/16; LG Freiburg im Breisgau, 2 O 317/16). Aufgrund der vorsätzlichen Täuschung des Klägers durch den Hersteller VW ist die Zumutbarkeit einer Verbesserung durch ebendiesen Hersteller nicht gegeben.

         Im Ergebnis standen dem Kläger also von vornherein die sekundären Gewährleistungsbehelfe zu, sodass es auf eine Aufforderung zur Verbesserung sowie die Angemessenheit einer allfälligen Frist gar nicht ankommt.

         Das Wandlungsrecht hängt zwar zusätzlich noch davon ab, ob der Mangel geringfügig ist oder nicht (§ 932 Abs 4 ABGB). Ein bloß geringfügiger Mangel, der nicht zur Wandlung berechtigt, wurde von der Rechtsprechung etwa in folgenden einschlägigen Fällen angenommen:

         Vibrieren des Schaltknüppels eines fabriksneuen Pkws bei kaltem Motor bei einzelnen Schaltvorgängen, Auftreten von Phantomalarmen des Totwinkel-Assistenten bei einem Taxi alle 300 bis 400 km;

         nicht aber in folgenden Fällen: Klimaanlage erreicht nur Temperaturwerte von unter 20°C, störende Vibrationsgeräusche vom Armaturenbrett samt Schwergängigkeit der hinteren Tür und Seitenabweichung des Fahrzeugs von 2 m auf 100 m bei gerader Lenkradeinstellung (Zöchling-Jud in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.02, § 932, Rz 61 samt Judikaturnachweisen). Konkrete Kriterien zur Bestimmung der Geringfügigkeit lassen die Gesetzesmaterialien wie auch die bisherige Judikatur weitgehend vermissen; aus den Materialien zum Gewährleistungsrechtsänderungsgesetz geht nur hervor, dass das Wandlungsrecht dann zu verneinen ist, wenn die Auflösung des Vertrages angesichts des geltend gemachten Mangels unverhältnismäßig wäre. Dies ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden (Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB4, § 932 ABGB Rz 79).

Nach der höchstgerichtlichen Judikatur ist eine auf den konkreten Vertrag und die Umstände des Einzelfalls bezogene objektive Abwägung der Interessen der Vertragspartner vorzunehmen (RIS-Justiz RS0119978).

         Auf der einen Seite ist im konkreten Fall ins Treffen zu führen, dass ein Einfluss des Mangels auf die Fahrbarkeit des Kfz bzw. auf die Verkehrs- und Betriebssicherheit nicht vorliegt und die nachteilige Veränderung des Zeitwerts im Sinne eines merkantilen Minderwerts aufgrund der Betroffenheit vom Abgasskandal nicht feststeht. Auf der anderen Seite ist aber zu berücksichtigen, dass der Kläger aufgrund des sonst drohenden Entzugs der Zulassung de facto verpflichtet ist, das Software-Update aufspielen zu lassen (vgl. zur vergleichbaren Bestimmung des § 323 Abs 5 S. 2 BGB LG Baden-Baden, 3 O 123/16; LG Trier, 5 O 298/16), und zwar ein Update, das von demselben Unternehmen entwickelt wurde, das ihn vorsätzlich getäuscht hat. Auch der Umstand, dass die Mängelbeseitigung von einer behördlichen Prüfung und Genehmigung abhängt, nämlich wie allgemein bekannt von der Prüfung durch ein Kraftfahrbundesamt, spricht gegen die Geringfügigkeit des Mangels (vgl. LG Freiburg im Breisgau, 2 O 317/16).

         Auch die bekanntermaßen lange Dauer von mehreren Monaten zwischen öffentlichem Bekanntwerden der Manipulationen und Fertigstellung (samt Genehmigung) des Software-Updates zeigt, dass es sich nicht um eine einfache technische Maßnahme handelt und spricht somit gegen die Geringfügigkeit des Mangels (in diesem Sinne LG München I, 23 O 23033/15). Schließlich zeigt die oben zitierte österreichische Judikatur, dass auch Mängel, die bei weitem nicht die Fahrbarkeit bzw. Verkehrs- oder Betriebssicherheit beeinträchtigten, nicht mehr als geringfügig angesehen wurden.

         In Abwägung all dieser Argumente ist die Wandlung des Kaufvertrages im konkreten Fall jedenfalls berechtigt und in keinster Weise eine unverhältnismäßige Sanktion, da der Mangel nicht bloß geringfügig ist. Damit war der Kaufvertrag aufzulösen und braucht auf die Frage, ob eine Auflösung aufgrund einer Irrtumsanfechtung nach § 871 ABGB auch in Betracht kommt, nicht mehr eingegangen zu werden.

                  Es steht dem Kläger daher der von ihm bezahlte Kaufpreis – abzüglich des von ihm selbst angerechneten Benützungsentgelts – Zug um Zug gegen Rückgabe des gekauften Pkws zu. Ob der Kläger darüber hinaus ein weiteres (nicht schon in der Klage berücksichtigtes) Benützungsentgelt zu leisten hat und insbesondere nach welcher Berechnungsformel dieses zu berechnen wäre – der OGH stellt in ständiger Rechtsprechung primär auf den Wertverlust ab (vgl RIS - Justiz RS0018534), die deutsche Judikatur auf die Kilometerlaufleistung –, kann dahingestellt bleiben, da das Benützungsentgelt, das sich aus den § 1435 iVm §§ 1431, 1437 ABGB ergibt (vgl. 3 Ob 248/08d), zweifellos ein Anspruch des Kondiktionsgläubigers gegen den Kondiktionsschuldner ist (vgl. Mader in Schwimann/Kodek, ABGB4, § 1437 Rz 1, 2; Lurger in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.04, § 1437 Rz 8), also in concreto ein Anspruch des Beklagten gegen den Kläger. Der Kläger hat sich diesen Anspruch in der seiner Ansicht nach bestehenden Höhe auf den ihm zustehenden Kaufpreis angerechnet, was als Aufrechnung zu qualifizieren ist; falls der Beklagte der Ansicht wäre, es bestünde darüber hinaus noch ein Anspruch auf Benützungsentgelt, hätte er diesen Anspruch als Gegenforderung im Prozess einwenden müssen, widrigenfalls eine Berücksichtigung in der Entscheidung nicht in Betracht kommen kann. Mangels einer Aufrechnungseinrede bzw. näheren Spezifizierung war auf die Höhe des Benutzungsengeltes im Sinne der herrschenden Zweikondiktionentheorie nicht weiter einzugehen.

         Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO. Die Urkundenvorlage vom 07.11.2016 samt Vorbringen zu den Urkunden war nur nach TP 2 zu honorieren (EFSlg 101.764).

         Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf §§ 50, 41 Abs 1 ZPO. Der Einheitssatz war gemäß § 23 Abs 9 RATG mangels Stattfindens einer Berufungsverhandlung nur dreifach zuzusprechen; die ERV-Kosten betragen nur EUR 2,10, da kein verfahrenseinleitender Schriftsatz vorliegt (zu dieser historisch erklärbaren Differenzierung vgl. Christian in AnwBl 2008, 300).

         Die ordentliche Revision war gemäß § 502 Abs 1 ZPO zuzulassen, da höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den hier aufgekommenen Rechtsfragen, insbesondere der Beurteilung einer „Schummel-Software“ samt drohendem Entzug der Zulassung als Mangel, noch nicht existiert und diese Rechtsfragen angesichts der Vielzahl der betroffenen VW-Kunden von erheblicher Bedeutung für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung sind.

Textnummer

EWE0000077

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LG00519:2017:02200R00201.17S.1018.000

Im RIS seit

20.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

20.06.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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