Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des J in Wien, vertreten durch Mag. Georg Kampas, Rechtsanwalt in Wien IX, Wasagasse 6/16, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Wien Niederösterreich Burgenland, vom 7. Jänner 1997, Zl. OB. 115-222636-002, betreffend Neubemessung der Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahr 1920 geborene Beschwerdeführer bezieht auf Grund des Bescheides der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 5. Juli 1989 eine Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70 v.H. Mit diesem Bescheid wurden die Leiden auf Grund der im Bescheidspruch näher bezeichneten Splitterverletzungen und Narben, eine komplette Stimmbandparese rechts, sowie eine Steckhemmung des rechten Ellbogengelenks und eine leichte Schwäche des "nervus radialis" rechts als Dienstbeschädigungen im Sinn des § 4 KOVG 1957 anerkannt.
Mit Eingabe vom 7. Oktober 1995 - die als Verschlimmerungsantrag gewertet wurde - brachte der Beschwerdeführer vor, er dürfte bei seinem Aufenthalt in Bad Gleichenberg (im Juli 1995) unrichtig "mit Vierzellenbad" behandelt worden sein; es sei nicht berücksichtigt worden, dass er 180 Splitter im Oberkörper habe, die operativ nicht entfernt werden könnten. Er leide jetzt nachts und auch tagsüber an Schmerzen. Sein Zustand habe sich dadurch stark verändert und der Kreislauf sei gestört. Der näher bezeichnete Arzt in Bad Gleichenberg möge auf die Auswirkungen der Behandlung hingewiesen werden.
Mit Bescheid vom 13. März 1996 wies das Bundessozialamt Wien Niederösterreich Burgenland den Antrag des Beschwerdeführers auf Erhöhung seiner rechtskräftig zuerkannten Beschädigtenrente im Wesentlichen mit der Begründung ab, auf Grund der schlüssigen ärztlichen Sachverständigengutachten sei keine Verschlimmerung aus den dienstbeschädigungs-bedingten Folgen feststellbar. Die zunehmenden Schmerzen und Kreislaufstörungen des Beschwerdeführers seien altersmäßigen Abbauerscheinungen zuzuordnen. Seine Einwendungen über die Behandlung in Bad Gleichenberg mit Vierzellenbad betreffe nicht die Kausalität. Bei der nunmehrigen Untersuchung des Beschwerdeführers sei keine Änderung der (kriegsbedingten) Splitter objektivierbar.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer "Einspruch". Er weise den Bescheid vom 13. März 1996 zurück. Auf Grund seiner schweren Granatsplitterverletzung sei die Behandlung mit Strom (Vierzellenbad) nicht angebracht gewesen. Sein Zustand habe sich seit dieser Behandlung wesentlich verschlechtert.
Im Rahmen des ihm zu den im Berufungsverfahren eingeholten ärztlichen Sachverständigenbeweisen gewährten Parteiengehörs nahm der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 21. Oktober 1996 Stellung. Er brachte darin vor, es sei unrichtig, dass die Fehlbehandlung durch das Vierzellenbad keine Schmerzen mehr verursache. Die ca. 180 Granatsplitter "verursachen heute nach wie vor die gleichen Schmerzen". Es liege offensichtlich eine Fehlbehandlung vor. Entgegen dem Gutachten seien die Schmerzen nicht (nach einigen Wochen oder Monaten) abgeklungen. Auch durch Altersbedingtheit seien die Schmerzen nicht vervielfacht worden. Seit er die Vierzellenbehandlung erhalten habe, "wurde es immer schlechter". Er habe das "laienhafte Gefühl, die zahlreichen Splitter wurden magnetisch aufgeladen". Seine Beschädigtenrente möge neu bemessen und die ärztlichen Sachverständigengutachten überprüft werden.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 7. Jänner 1997 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Sachverhaltes und des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen aus, im Schlussbericht des Kuraufenthaltes seien Vierzellenbäder nicht als durchgeführte Heilfürsorgemaßnahmen angegeben. Es sei aber glaubhaft, dass diese Heilmaßnahme tatsächlich durchgeführt worden sei. Es sei auch durchaus möglich, dass diese Therapieform zu einer vorübergehenden akuten Verschlechterung des dienstbeschädigungs-bedingten Leidenszustandes geführt habe. Eine über mehrere Wochen bzw. Monate (mittlerweile Jahre) dauernde Auswirkung im Sinne einer Verschlechterung der granatsplitterbedingten Beschwerden sei aber nach medizinischem Fachwissen nicht möglich. Bei den vom Beschwerdeführer angeführten Beschwerden handle es sich um Auswirkungen alters- und anlagebedingter degenerativer Veränderungen, die mit der als kausal anerkannten Splitterverletzung in keinem Zusammenhang stünden. Eine Verschlimmerung der Dienstbeschädigungsleiden sei an Hand der neuerlichen klinischen Untersuchung nicht objektivierbar. Nach dem chirurgischen Sachverständigengutachten bestünden keine Hinweise auf eine Umgebungsreaktion der vorhandenen Splitter. Gegenüber dem Vergleichsgutachten aus den Jahren 1988 und 1989 sei keine maßgebliche Änderung im Sinne einer Verschlimmerung der Dienstbeschädigungsleiden eingetreten. Anlässlich der Behandlung des Beschwerdeführers in Bad Gleichenberg seien u.a. Spondylosen und Polyarthrosen diagnostiziert worden; dabei handle es sich um altersgemäße Abnützungserscheinungen bzw. schicksalhafte Erkrankungen, die mit dem Wehrdienst nicht in Verbindung stünden. Zur Objektivierung des Vorwurfes, die Behandlung mit Zellenbädern sei nicht angebracht gewesen und habe den Zustand des Beschwerdeführers wesentlich verschlechtert, habe der Sachverständige einen Röntgenbefund durchführen lassen, um festzustellen, ob durch diese Zellenbäder Reaktionen um die Splitter aufgetreten seien. Laut diesem Röntgenbefund seien jedoch die zahlreichen Splitter ohne Umgebungsreaktion. Da somit im erhobenen Befund keine maßgebliche Änderung gegenüber dem Vergleichsbefund eingetreten sei, seien die Voraussetzungen für die Neubemessung der Grundrente gemäß § 42 KOVG 1957 nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Neubemessung der ihm zuerkannten Grundrente verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 52 Abs. 2 KOVG 1957 ist die Rente neu zu bemessen, wenn eine für die Höhe der Leistung maßgebende Veränderung eintritt. Der Eintritt einer für die Höhe der Beschädigtenrente maßgebenden Veränderung ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
Gemäß § 4 Abs. 1 KOVG 1957 ist eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist.
Der Beschwerdeführer hat die Neubemessung seiner Grundrente mit der Begründung begehrt, durch eine Kurbehandlung sei eine Verschlimmerung seines Leidenszustandes ausgelöst worden.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, ist diese Anerkenntnisform (der Verschlimmerung) gerechtfertigt, wenn eine schon vor der Kriegseinwirkung vorhanden gewesene Gesundheitsschädigung durch die Kriegseinwirkung ungünstig beeinflusst - verschlimmert - worden ist. Diesem Regelfall der Verschlimmerung ist es gleichzuhalten, wenn eine Gesundheitsschädigung vor der Kriegseinwirkung zwar nicht klinisch manifest, aber pathologisch-anatomisch vorhanden war und dieser Zustand durch die Kriegseinwirkung nachteilig verändert worden ist. Der Begriff der Verschlimmerung setzt demnach zwar nicht die Manifestation, jedenfalls aber die Existenz einer Gesundheitsschädigung voraus. Wo eine Gesundheitsschädigung nicht vorhanden war, konnten die Kriegseinwirkungen nicht verschlimmernd, wohl aber - falls eine Krankheitsanlage bestanden hatte - auslösend gewesen sein. Die Feststellung, ob die Kriegseinwirkung eine schon existente Gesundheitsschädigung verschlimmert oder eine Anlage ausgelöst und damit erst die Gesundheitsschädigung zum Entstehen gebracht hat, ist für die Kriegsopferversorgung von rechtserheblicher Bedeutung. Im Falle der Verschlimmerung ist nur derjenige Anteil des Leidenszustandes zu entschädigen, der der Kriegseinwirkung zur Last fällt. Im Falle der Auslösung der Anlagebereitschaft dagegen kommt es darauf an, ob die Krankheit ohne Kriegseinwirkung existent geworden, oder ob sie ohne Kriegseinwirkung nicht aufgetreten wäre (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 25. September 1992, Zl. 92/09/0132, und vom 21. Jänner 1994, Zl. 93/09/0373).
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde auf Grund der eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten festgestellt, dass keine Verschlimmerung der anerkannten Dienstbeschädigungsleiden objektivierbar sei, bzw. dass nach medizinischem Fachwissen eine dauerhafte Verschlimmerung der Granatsplitterverletzungen durch die vom Beschwerdeführer beanstandete Therapieform nicht möglich sei.
Der Beschwerdeführer hält diese Sachverständigengutachten im Ergebnis für unrichtig, er vermag aber nicht konkret darzutun, inwieweit diese Gutachten bzw. das medizinische Fachwissen unschlüssig oder objektiv unrichtig sind. Dass auf Grund der beanstandeten Behandlung mit Zellenbädern nach dem eingeholten Röntgenbefund keine Hinweise auf Umgebungsreaktionen der vorhandenen Splitter feststellbar waren, übergeht der Beschwerdeführer mit Stillschweigen. Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, die Auswirkungen dieser Zellenbäder seien nicht untersucht worden, ist nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten unrichtig (vgl. hiezu auch die auf Seite 5 des angefochtenen Bescheides dargelegte Begründung). Der in diesem Zusammenhang behauptete Verfahrensmangel liegt daher nicht vor. Zu der Einschätzung der beim Beschwerdeführer aufgetretenen Beschwerden als alters- und anlagebedingte degenerative Veränderung hat die belangte Behörde u. a. auch auf die im Bericht vom 27. Juli 1995 enthaltene Diagnose verwiesen. Die darin diagnostizierten Abnützungserscheinungen werden vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen. Allein mit seinem Hinweis, Beschwerden wegen degenerativer Veränderungen wären nicht plötzlich, sondern langsam (schleichend) zu erwarten gewesen, vermag der Beschwerdeführer eine unschlüssige Verneinung der Verschlimmerung seiner anerkannten Dienstbeschädigungsleiden nicht ausreichend darzulegen, ist doch vor dem Hintergrund seines Beschwerdevorbringens nicht zu erkennen, aus welchem Grund eine Behandlung mit den beanstandeten Zellbädern ausschließlich zur Verschlimmerung der anerkannten Splitterverletzungen hätte führen müssen. Dass die vom Beschwerdeführer als verfehlt angesehene Behandlung (schmerzhafte) Auswirkungen auf seine degenerativen Abnützungserscheinungen keinesfalls auslösen konnte, behauptet der Beschwerdeführer auch selbst nicht.
Wenn die belangte Behörde ihrer Entscheidung in freier Beweiswürdigung die eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten zugrunde gelegt hat, so ist dies im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zustehenden nachprüfenden Kontrolle, die darauf beschränkt ist, ob ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt bzw. ob die Erwägungen den Denkgesetzen, somit auch dem allgemein menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, nicht als unschlüssig zu erkennen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1991, Zl. 91/09/0089, und die darin angegebene Judikatur).
Die in der Beschwerde als fehlend gerügte Prüfung der Sachverständigengutachten (gemäß § 90 Abs. 5 KOVG 1957) ist nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten am 24. September 1996 ohnedies erfolgt, ein Widerspruch des leitenden Arztes gegen diese Gutachten ist jedoch nicht erfolgt. Eine Ergänzungsbedürftigkeit des Berufungsverfahrens ist somit nicht vorgelegen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. Februar 2000
Schlagworte
Vorliegen eines GutachtensEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997090113.X00Im RIS seit
27.03.2001